BT-Drucksache 18/1398

Ziele und Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität und Methodik des Berichtes zur "Lage der Natur"

Vom 8. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1398
18. Wahlperiode 08.05.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Steffi Lemke, Harald Ebner, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn,
Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Christian Kühn (Tübingen), Peter Meiwald,
Markus Tressel, Dr. Julia Verlinden und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ziele und Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität und Methodik des Berichtes
zur „Lage der Natur“

Am 26. März 2014 hat die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit, Dr. Barbara Hendricks, den aktuellen Bericht „Die Lage der
Natur in Deutschland“ veröffentlicht, in welchem ca. 12 000 Stichproben aus
FFH- und Vogelschutz- sowie SPA-Gebieten (FFH: Flora-Fauna-Habitat; SPA:
Special Protection Area bzw. Besondere Schutzgebiete) analysiert wurden. Darin
heißt es:
„Für die FFH-Richtlinie wurde dieser Bericht erstmalig 2007 erstellt, d. h. die
jetzt vorliegenden Ergebnisse ermöglichen einen Vergleich mit dem vorherigen
Bericht. Für die Vogelschutzrichtlinie wird der Bericht erstmalig in einem neuen
Format erstellt. Beide Berichte sind ,Rechenschaftsberichte‘ und dienen gleich-
zeitig der Verbesserung der Effizienz von Maßnahmen zum Erhalt der biologi-
schen Vielfalt in Deutschland.“
In der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt heißt es auf Seite 29: „Bis
2020 weisen alle Bestände der Lebensraumtypen (gem. Anhang I der FFH-Richt-
linie), der geschützten (§ 30 BNatSchG) und gefährdeten Biotoptypen sowie sol-
cher, für die Deutschland eine besondere Verantwortung hat bzw. die eine beson-
dere Bedeutung für wandernde Arten haben, einen gegenüber 2005 signifikant
besseren Erhaltungszustand auf, sofern ein guter Erhaltungszustand noch nicht
erreicht ist.“
In der Biodiversitätsstrategie der Europäischen Union für das Jahr 2020 „Lebens-
versicherung und Naturkapital“ fordert Einzelziel 1:
„Aufhalten der Verschlechterung des Zustands aller unter das europäische Na-
turschutzrecht fallenden Arten und Lebensräume und Erreichen einer signifikan-
ten und messbaren Verbesserung dieses Zustands, damit bis 2020 gemessen an
den aktuellen Bewertungen
i) 100 % mehr Lebensraumbewertungen und 50 % mehr Artenbewertungen (Ha-
bitat-Richtlinie) einen verbesserten Erhaltungszustand und
ii) 50 % mehr Artenbewertungen (Vogelschutz-Richtlinie) einen stabilen oder
verbesserten Zustand zeigen.“
Diese Kleine Anfrage wird gestellt, um eine bessere Einschätzung zu erhalten,
ob zum einen die nationalen und europäischen Ziele zum Schutz der Biodiver-
sität erreicht werden und zum anderen die Vergleichbarkeit der getätigten wie der
geplanten Schutz- und Verbesserungsmaßnahmen im Vergleich zu der Erhebung
aus dem Jahr 2007 gegeben ist.

Drucksache 18/1398 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Ist die vollständige Methodik zur Bewertung der Lebensräume und Arten

öffentlich zugänglich, oder ist geplant, diese auf Anfrage zur Verfügung zu
stellen?
Wenn nein, warum nicht?

2. Wurde das Bewertungsverfahren bezogen auf den FFH-Bericht im Vergleich
zum vorherigen Bericht geändert?
Wenn ja, inwiefern (bitte alle Änderungen im Vergleich zum vorherigen Be-
richt darlegen)?

3. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse über die Ursachen, die in ein-
zelnen Gebieten zu einer Verschlechterung bzw. auch Verbesserung des Ar-
ten- oder Lebensraumstatus geführt haben?
a) Sind nach Einschätzung der Bundesregierung Verbesserungen auf kon-

krete Maßnahmen zurückzuführen?
Wenn ja, auf welche?

b) Inwieweit liegen nach Einschätzung der Bundesregierung den Verschlech-
terungen konkrete Ursachen zugrunde?

c) Inwieweit liegen nach Einschätzung der Bundesregierung Ursachen zu-
grunde, die außerhalb der Handlungsmöglichkeiten des Naturschutzes
liegen?
Wenn ja, welche?

d) Inwieweit ist über die in den Fragen 3a bis 3c genannten Ursachen hinaus
eine konkrete Ursachenanalyse geplant, und inwiefern wird diese Analyse
veröffentlicht?
Wenn ja, was ist die anvisierte Zeitschiene für ein solches Projekt (bitte für
die einzelnen Gebiete mit angenommener bzw. nachgewiesener Ursache
der Verschlechterung bzw. Verbesserung aufschlüsseln)?

4. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, inwiefern sich Ver-
schlechterungen aus der konkreten Bewirtschaftung durch landwirtschaft-
liche oder forstwirtschaftliche Aktivitäten ergeben?

5. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, welche indirekten
Faktoren (wie z. B. diffuse Nährstoffeinträge) zu einer Verschlechterung des
Status von Arten oder Lebensräumen geführt haben?

6. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, inwiefern die Nut-
zerinnen und Nutzer von Flächen innerhalb von FFH-Gebieten über den
Schutzgegenstand, die räumlichen Schutzgrenzen und die jeweiligen Ma-
nagementpläne informiert sind?

7. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, was unternommen
wird, um die Nutzerinnen und Nutzer dieser Flächen vor Ort für den jeweili-
gen Schutz zu gewinnen, bzw. gibt es diesbezüglich Pläne auf Bundesebene?

8. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, ob es konkrete Pläne
gibt, Nutzerinnen und Nutzer in FFH-Gebieten stärker als bisher für einen
Nutzungsausfall oder eine Nutzungseinschränkung zu entschädigen, bzw.
gibt es diesbezüglich Pläne auf Bundesebene?
Wenn ja, mit welchen finanziellen Mitteln und nach welchem Verfahren soll
dies geschehen?

9. Wie will die Bundesregierung den negativen Einfluss von Land- und Forst-
wirtschaft inklusive der Verschmutzung von Flüssen und Meeren sowie Fi-
scherei und von Einträgen über die Luft reduzieren, um die Ziele der euro-
päischen und nationalen Biodiversitätsstrategie zu erreichen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1398
Welche strategischen Handlungsansätze sind für die Zielerreichung ge-
plant?

10. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung treffen, um in den Gebieten,
deren Zustand sich verschlechtert hat, eine Verbesserung herbeizuführen
(bitte nach Gebieten und Maßnahmen aufschlüsseln)?

11. Wurden Gelder aus der 2. Säule der EU-Agrarförderung (ELER) für Maß-
nahmen zur Verbesserung der biologischen Vielfalt verwendet?
Wenn ja, für welche, und in welcher Höhe (bitte Aufschlüsselung nach Län-
dern, Maßnahmen und Gebieten)?

12. Wann wird die Erstellung von Managementplänen, die auf die entsprechen-
den Lebensräume und Arten abgestimmt sind und konkrete Schutzmaßnah-
men enthalten, für alle 4 617 FFH-Gebiete voraussichtlich abgeschlossen
sein, einschließlich der 591 Gebiete die im Annex A des nationalen FFH-
Berichts als in Bearbeitung gelistet sind?

13. Inwieweit liegen der Bundesregierung Kenntnisse über die Monitoringkri-
terien in der alpinen Region vor, und inwiefern ist die dort angewandte Me-
thodik mit der in der kontinentalen und atlantischen Region vergleichbar?
Inwiefern unterscheidet sich bei einer Kooperation der Erfassung der alpi-
nen Region mit Österreich die verwendete Methodik, und wie wird eine Ver-
gleichbarkeit zu anderen Regionen gewährleistet?

14. Reicht nach Einschätzung der Bundesregierung die aktuelle Personalaus-
stattung der Naturschutzbehörden der einzelnen Bundesländer aus, um das
Aufstellen der Managementpläne für FFH-Gebiete, das Umsetzen der darin
genannten notwendigen Vertragsnaturschutz- und Agrarumweltmaßnahmen
und deren Erfolgskontrolle zu gewährleisten?
Wenn nein, um wie viele Stellen müsste das Personal nach Kenntnis der
Bundesregierung aufgestockt werden?

15. In welcher Höhe stehen den Naturschutzbehörden der Bundesländer nach
Kenntnis der Bundesregierung finanzielle Mittel für die Erstellung und Um-
setzung der Managementpläne zur Verfügung, und aus welchen Töpfen
kommen diese anteilig?
a) Reichen nach Einschätzung der Bundesregierung diese Mittel aus, um

die in den Managementplänen genannten Maßnahmen umzusetzen, und
wenn nein, wie hoch werden die benötigten Mittel eingeschätzt?

b) Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung, die Erstellung und Umset-
zung der Managementpläne in FFH-Gebiete mit Bundesmitteln zu unter-
stützen und so eine schnellere Umsetzung zu erleichtern?

16. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, wie die eingesetz-
ten Gelder prozentual auf die verschiedenen Erhaltungszustände aufgeteilt
werden?

17. Wie viele finanzielle Mittel sind insgesamt in das Monitoring der FFH- und
Vogelschutz- sowie SPA-Gebiete geflossen?
Wie stellt sich diese Summe im Vergleich mit den Kosten für anderes Um-
weltmonitoring dar, z. B. den Kosten für Klimadaten für Deutschland pro
Jahr (Messstationen des Deutschen Wetterdienstes – DWD – und den jähr-
lichen Kosten für das integrierte Mess- und Informationssystem – IMIS)?

18. Wie viele Stichproben wurden pro Lebensraumtyp und biogeografischer
Region und pro Art und biogeografischer Region durchgeführt?

19. Wie und in welcher Form flossen Eingangsdaten zur Bewertung des Para-
meters „Spezifische Strukturen und Funktionen“ aus der Bundeswaldinven-

Drucksache 18/1398 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
tur 2012 (BWI-2012) für die Waldlebensraumtypen (WLRT) der Hainsim-
sen- (EU-Code 9110) und Waldmeister-Buchenwälder (9130) in der atlan-
tischen sowie der kontinentalen biogeografischen Region und ferner die
Sternmieren- (9160) und Labkraut-Eichen-Hainbuchenwälder (9170) sowie
die bodensauren Nadelwälder (9410) in der kontinentalen biogeografischen
Region in die Bewertung zum Erhaltungszustand im Bericht zur Lage der
Natur mit ein?
a) Weshalb konnten die Daten aus der BWI 3 nicht auch für die nicht auf-

gezählten bzw. für die aufgezählten WLRT in anderen biogeografischen
Regionen (z. B. Labkraut-Eichen-Hainbuchenwälder – 9170 – in der at-
lantischen biogeografischen Region) verwendet werden?

b) Durch welches Verfahren bzw. durch welche Methode wurden in diesen
WLRT die Daten für die Bewertung des Erhaltungszustandes erhoben?

20. Wie hoch liegt der Totholzvorrat in den Waldlebensraumtypen bei einem
günstigen Erhaltungszustand (bitte nach Lebensraumtyp aufschlüsseln)?
Werden die bestehenden Totholzmengen als ausreichend angesehen?

21. Wie erklärt sich die Bundesregierung die Bewertung des Erhaltungszustan-
des der Buchenwälder als ausschließlich günstig (grün) in der alpinen bio-
geografischen Region und überwiegend günstig (grün) in der kontinentalen
im Unterschied zu der überwiegend ungünstig-unzureichenden Bewertung
(gelb) in der atlantischen Region?
Welche Ursachen liegen nach Einschätzung der Bundesregierung dem über-
wiegend ungünstig-unzureichenden (gelb) Erhaltungszustand der Buchen-
wälder im Gegensatz zum ausschließlich günstigen (grün) in der alpinen
biogeografischen Region und überwiegend günstigen (grün) in der konti-
nentalen Region zugrunde?

22. Welche spezifischen Strukturen einschließlich der lebensraumtypischen Ar-
ten wurden für die verschiedenen Waldlebensraumtypen untersucht und be-
wertet?

23. Welche Schwellenwerte wurden bezüglich der einzelnen Strukturen (z. B.
Baumartenzusammensetzung, Totholz, Habitatbäume, Entwicklungspha-
sen, Schichtigkeit, Beeinträchtigungen, Torfmoosdeckung beim Moor-
WLRT) je Waldlebensraumtyp festgelegt, um einen günstigen Erhaltungs-
zustand zu definieren?

24. Inwiefern liegen der Bundesregierung Informationen vor, in welchem Um-
fang Stickstoff- und Phosphoreinträge aus der Landwirtschaft an der Ver-
schlechterung des Zustandes von FFH-Gebieten (in Wäldern und Gewäs-
sern) beteiligt waren?

25. Beabsichtigt die Bundesregierung, konkrete Maßnahmen gegen hohe Nähr-
stoffeinträge in FFH-Gebieten durch Ammoniakemissionen aus der Tierhal-
tung durchzuführen?
Wenn ja, welche?

26. Geht die Bundesregierung davon aus, dass ein Grünlandpflegeumbruch in
FFH-Gebieten sowie in Vogelschutzgebieten zu keiner Verschlechterung
des Erhaltungszustandes führt, und wenn ja, aufgrund welcher wissenschaft-
lichen Publikationen?

Berlin, den 6. Mai 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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