BT-Drucksache 18/13677

Tätigkeit von Dokumenten- und Visumberatern im Ausland

Vom 9. Oktober 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13677
18. Wahlperiode 09.10.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Annette Groth, Heike Hänsel, Andrej Hunko,
Ulla Jelpke, Kersten Steinke und der Fraktion DIE LINKE.

Tätigkeit von Dokumenten- und Visumberatern im Ausland

Der fragestellenden Fraktion liegt ein Schreiben der Evangelischen Kirche Berlin
Brandenburg-schlesische Oberlausitz vom 25. August 2017 an das Bundespoli-
zeipräsidium in Potsdam vor, das auch eine Dienstaufsichtsbeschwerde und Straf-
anzeige enthält und zur Kenntnis unter anderem an das Bundesministerium des
Innern und das Auswärtige Amt gegangen sein soll. Darin geht es um die als will-
kürlich und rechtswidrig empfundene Annullierung gültiger Visa von sechs ein-
geladenen afrikanischen Gästen durch einen Dokumenten- und Visumberater
(DVB) in Johannesburg am 18. August 2017. Die Reise sollte im Rahmen eines
regelmäßigen Austauschs innerhalb einer über 20 Jahre alten Partnerschaft zwi-
schen einem Kirchenkreis in Brandenburg mit drei Dörfern in Simbabwe erfol-
gen.
Wie in den Jahren zuvor haben demnach für alle eingeladenen Personen finanzi-
elle Verpflichtungserklärungen vorgelegen, die Flugtickets für die Gäste waren
vom Kirchenkreis übernommen worden. Alle wichtigen Unterlagen hätten die
Betroffenen im Original bei sich gehabt (Einladung, Kostenübernahmeerklärung,
Verpflichtungserklärung, Flugtickets, Krankenversicherungsnachweise usw.).
Ein Bundespolizeibeamter, ein so genannter Dokumenten- und Visumberater
(DVB), habe die gültigen Visa nach einer Befragung in Johannesburg annulliert
und die Betroffenen so zur Rückreise gezwungen. Der Beamte habe den einla-
denden Pfarrer und Präses der Kreissynode unter der angegebenen Festnetznum-
mer nicht erreicht, die Ansage des Anrufbeantworters habe die Kontaktinforma-
tion aber bestätigt. Als Begründung für die Visaannullierung sei angegeben wor-
den, dass der Reisezweck unglaubhaft, die Gruppe aufgrund äußerer Merkmale
(Kleidung, Gepäck) „verdächtig“ und die Dokumente vermutlich gefälscht gewe-
sen seien.
Die beiden unterzeichnenden Pfarrer sprechen in ihrem Schreiben an das Bundes-
polizeipräsidium von einem „einzigartigen“ und „ungeheuerlichen Vorfall“. Nie
habe es in der Vergangenheit Probleme mit der Rückreise eingeladener Personen
gegeben. Dem Kirchenkreis sei ein Schaden von ca. 10 000 Euro entstanden. Die
Pfarrer erwarten eine „Regulierung des Schadens“ und eine „dokumentarische
Rehabilitierung unserer simbabwischen Partner, so dass ihnen auch in Zukunft
alle Reisemöglichkeiten offenstehen“.
Die Fragesteller haben keinen Anlass, an der Richtigkeit der glaubhaften und de-
taillierten Angaben der beiden unterzeichnenden Pfarrer, dem Superintendenten
des Kirchenkreises und dem Präses der Kreissynode, in dem genannten Schreiben
zu zweifeln.

Drucksache 18/13677 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis von dem in der Vorbemerkung
der Fragesteller genannten Schreiben, wie bewertet sie den Vorgang, und
welche Reaktionen hat es bislang von welcher Stelle gegeben – gegenüber
den Einsendern bzw. intern (bitte so genau wie möglich darlegen)?

2. Kann die Bundesregierung den Inhalt des Schreibens bestätigen, bzw. in wel-
chen Punkten hat sie gegebenenfalls andere Kenntnisse oder eine andere Be-
wertung des Vorgangs (bitte so genau wie möglich darlegen)?

3. Welchen genauen Stand haben die Dienstaufsichtsbeschwerde und Strafan-
zeige in Bezug auf den handelnden Beamten (bitte darlegen)?

4. Sieht die Bundesregierung insbesondere ein Fehlverhalten seitens des Doku-
menten- und Visumberaters (DVB), der die Visa annulliert hat, und wenn ja,
welches, wenn nein, warum nicht?

5. Unter welchen Umständen ist es zulässig, gültige Visa zu annullieren, bei
denen die Versagungsgründe ja bereits bei der Erteilung geprüft wurden, und
ist es insbesondere zulässig, den angegebenen und bereits überprüften Rei-
sezweck aufgrund äußerer Merkmale (Kleidung, Gepäck) nachträglich in
Zweifel zu ziehen (bitte ausführen)?

6. Welche Vorgaben und Kriterien gelten hinsichtlich der Frage, ob vorliegende
Dokumente zum Nachweis des Reisezwecks usw. als gefälscht angesehen
werden, welche Anhaltspunkte für eine solche Annahme müssen vorliegen,
welche weiteren Aufklärungsmaßnahmen müssen Beamte in einem nach Er-
teilung eines gültigen Visums im Nachhinein entstehenden Zweifelsfall vor-
nehmen (bitte konkret darstellen)?

7. War das konkrete Vorgehen des DVB in dem in der Vorbemerkung der Fra-
gesteller geschilderten Fall rechtmäßig und sachgerecht, etwa die händische
Annullierung des gültigen Visums (Durchstreichen) ohne amtlichen Stempel
und ohne dass eine schriftliche Begründung (Standardformular) oder eine
Rechtsmittelbelehrung ausgehändigt worden wäre, inwieweit war dies ins-
besondere mit dem Visakodex (VK) der EU vereinbar (insbesondere mit Ar-
tikel 34 Absatz 5 und 6, bitte konkret ausführen) bzw. mit Artikel 14 Absatz
2 des Schengener Grenzkodex (bitte begründen)?

8. Inwieweit hat es inzwischen gegebenenfalls eine Entschuldigung für den
Vorfall gegenüber den Betroffenen bzw. gegenüber dem einladenden Kir-
chenkreis gegeben, und wenn nicht, warum nicht?

9. Inwieweit hat oder wird es eine finanzielle Entschädigung gegenüber den
Betroffenen bzw. gegenüber dem einladenden Kirchenkreis geben, und wenn
nicht, warum nicht?

10. Inwieweit wird konkret dafür Vorsorge getragen, dass die Betroffenen aus
diesem Vorfall künftig keine Nachteile bei weiteren Reisen oder Visabean-
tragungen haben werden; welche Informationen zu dem Vorgang wurden in
welchen nationalen und EU-Datenbanken gespeichert bzw. inzwischen wie-
der gelöscht oder korrigiert (bitte im Einzelnen darlegen)?

11. Welche Schlussfolgerungen wurden aus diesem Vorfall gegebenenfalls ge-
zogen, damit sich entsprechende Vorfälle generell nicht wiederholen?

12. Auf welcher Rechtsgrundlage genau agieren die DVB der Bundespolizei,
was sind ihre Aufgaben und Einsatzgebiete?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13677

13. Wie viele DVB sind aktuell an welchen Standorten mit welchen Aufgaben

betraut, und wie viele DVB waren jeweils zum Jahresende in den letzten zehn
Jahren wo im Einsatz?

Berlin, den 9. Oktober 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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