BT-Drucksache 18/13675

Fragen zu möglicherweise fehlerhaften Bestandskraftbescheiden des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge

Vom 6. Oktober 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13675
18. Wahlperiode 06.10.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Kerstin Kassner, Jan Korte,
Martina Renner und der Fraktion DIE LINKE.

Fragen zu möglicherweise fehlerhaften Bestandskraftbescheiden des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge

Nach Informationen, die der fragestellenden Fraktion vertraulich zugegangen
sind, soll es beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine erheb-
liche Zahl von Fällen gegeben haben, in denen das BAMF fehlerhafte Bestands-
kraftbescheide an die Ausländerbehörden versandt habe – obwohl in den jeweili-
gen Fällen rechtzeitig Rechtsmittel gegen entsprechende Ablehnungsbescheide
eingelegt worden seien. Es soll deshalb zu erheblichen Verstimmungen zwischen
dem BAMF und Vertretern von Ausländerbehörden gekommen sein. Infolge der
Bestandskraftmitteilungen des BAMF fordern die Ausländerbehörden die Be-
troffenen zur Ausreise auf, zur Mitwirkung bei der Passbeschaffung usw., sie ver-
weigern Arbeitserlaubnisse und leiten Abschiebungen ein.
Grund für die Panne soll die personelle Überlastung der Prozessabteilung des
BAMF gewesen sein, die anhängige Klagen und Eilanträge nicht in die entspre-
chende Datenbank eingegeben habe, so dass eine andere Abteilung des BAMF
Bestandskraftbescheide versandt habe, obwohl Rechtsmittel eingelegt worden
waren. Es soll viele entsprechend empörte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
geben. Eine Leiterin einer Ausländerbehörde soll erklärt haben, sie sei „froh“,
dass sich eine betroffene Person der Abschiebung entzogen habe („Gottseidank
ist der rechtzeitig abgetaucht!“).
Es sei eine Zahl von etwa 3 500 falschen Bestandskraftbescheiden genannt wor-
den, die nachträglich wieder aufgehoben werden sollten.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwieweit sind die in der Vorbemerkung der Fragesteller genannten Vor-

gänge und Informationen zutreffend bzw. falsch (bitte im Einzelnen aus-
führen)?

2. Wie viele fehlerhafte Bestandskraftbescheide hat es in welchen Zeiträumen
gegeben?
Welche Bundesländer und welche Herkunftsländer waren hiervon betroffen?

3. Was sind die genauen Gründe dafür, dass möglicherweise Tausende fehler-
hafte Bestandskraftbescheide versandt wurden?

4. Was wurde unternommen, um negative insbesondere auch irreversible Fol-
gen (insbesondere Abschiebungen) falscher Bestandskraftbescheide zu ver-
hindern bzw. im Nachhinein zu heilen (z. B. durch Rückholung bereits Ab-
geschobener)?

Drucksache 18/13675 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
5. Welche Regelungen und Vorkehrungen wurden getroffen, um künftige feh-
lerhafte Bestandskraftbescheide zu vermeiden bzw. auszuschließen (bitte
darlegen)?

6. Ist die Erklärung zutreffend, dass insbesondere die Überlastung der Prozess-
abteilung des BAMF für die geschilderten Pannen verantwortlich sein könnte
(bitte darlegen)?

7. Mit wie viel Personen war die Prozessabteilung des BAMF in den letzten
drei Jahren besetzt (bitte nach Quartalen auflisten), welchen prozentualen
Anteil der Belegschaft im Bereich Asyl machte dies jeweils aus, und wie
viele Asylverfahren waren zum jeweiligen Datum bei den Gerichten anhän-
gig?

8. Was wurde im BAMF unternommen, um die Situation der Prozessabteilung
im BAMF zu verbessern, und inwieweit kam es zu Einschränkungen für die
Prozessabteilung, weil z. B. zunächst der Abbau von Altverfahren innerhalb
des BAMF vorrangig realisiert werden sollte (bitte darlegen)?

9. Inwieweit und in welchem Umfang hatten fehlerhafte Bestandskraftbe-
scheide des BAMF Auswirkungen auf die Zahl der nach dem Ausländerzent-
ralregister (AZR) ausreisepflichtigen Personen?

10. Wie viele Personen waren nach aktuellen Stand nach Angaben des AZR voll-
ziehbar ausreisepflichtig, wie viele von ihnen waren abgelehnte Asylbewer-
ber, wie viele von ihnen hatten eine Duldung, und wie viele von ihnen (bitte
differenzieren: mit oder ohne Duldung) lebten bereits seit mehr als zwei, drei,
fünf oder zehn Jahren in Deutschland (bitte jeweils, auch bei den vorherigen
Unterfragen, nach den 15 wichtigsten Herkunftsländern differenzieren)?

11. Was haben die Bemühungen zur Datenbereinigung nicht konsistenter Da-
tensätze im AZR bei Ausreisepflichtigen inzwischen erbracht (bitte so genau
wie möglich, nach einzelnen Fallgruppen getrennt und jeweils mit konkreten
Zahlen darlegen; vgl. Bundestagsdrucksache 18/12623, Fragen 24 f. und ins-
gesamt Bundestagsdrucksache 18/12725), und inwieweit spielen hierbei Be-
standskraftbescheide des BAMF eine Rolle bzw. führen fehlerhafte Be-
standskraftbescheide insbesondere zur fehlerhaften Erhöhung der Zahl der
nach dem AZR Ausreisepflichtigen, wenn ja, in welcher Größenordnung?

12. Welchen Anteil machten zuletzt Duldungen aus „sonstigen Gründen“ an al-
len Duldungen aus, und wie ist der Stand der Überlegungen dazu, ob weitere
spezifische Duldungsgründe im AZR aufgenommen werden sollen (z. B.:
Asylfolgeverfahren, familiäre Bindungen zu Personen mit Aufenthaltser-
laubnis oder -gestattung, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, Härte-
fälle)?

13. Wie viele Asylablehnungen gab es seit dem Jahr 2014 insgesamt (bitte nach
den 15 wichtigsten Herkunftsländern auflisten), wie viele der seit dem
Jahr 2014 abgelehnten Asylsuchenden lebten nach Angaben des AZR zuletzt
als vollziehbar Ausreisepflichtige in Deutschland, mit bzw. ohne Duldung
(bitte nach den 15 wichtigsten Herkunftsländern auflisten), und wie bewertet
die Bundesregierung diese Zahlen?

Berlin, den 5. Oktober 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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