BT-Drucksache 18/13611

Deutsch-russische zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit

Vom 20. September 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13611
18. Wahlperiode 20.09.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. André Hahn, Andrej Hunko, Annette Groth,
Dr. Alexander S. Neu, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Deutsch-russische zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit

Die deutsch-russische zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit wies trotz der ange-
spannten politischen „Großwetterlage“ in den letzten Jahren eine gewisse Konti-
nuität auf. Dazu trugen u. a. die alle zwei Jahre stattfindenden deutsch-russischen
Städtepartnerkonferenzen und die vielfältigen Initiativen von Politik, Behörden
und nichtstaatlichen Organisationen im Rahmen dieser Städtepartnerschaften, die
zahlreichen Aktivitäten des Deutsch-Russischen Forums e. V. sowie der zum
Bundesverband Deutscher West-Ost-Gesellschaften e. V. (BDWO) gehörenden
Freundschaftsgesellschaften, die inzwischen wieder stattfindenden Treffen im
Rahmen des Petersburger Dialogs u. v. a. m. bei.
In den Jahren 2012 und 2013 fanden unter dem Motto „Gemeinsam Zukunft ge-
stalten“ das Deutschlandjahr in Russland und parallel das Russlandjahr in
Deutschland statt. In den Jahren 2014 und 2015 folgten das Jahr der Russischen
Sprache und Literatur in Deutschland und parallel das Jahr der Deutschen Sprache
und Literatur in Russland. 2016 und 2017 wurde zum Jahr des deutsch-russischen
Jugendaustausches (siehe Antworten der Bundesregierung auf die Kleinen Anfra-
gen der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksachen 18/2177, 18/5975 und
18/9241).
Am 28. Juni 2017 trafen sich der Bundesminister des Auswärtigen Sigmar
Gabriel und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow auf der 14. Deutsch-
Russischen Städtepartnerkonferenz in Krasnodar und gaben vor über 600 Teil-
nehmerinnen und Teilnehmern aus über 110 deutschen und russischen Städten
und Gemeinden den Startschuss für das deutsch-russische (Kreuz-)Jahr der kom-
munalen und regionalen Partnerschaften 2017/18. „Nach einem erfolgreichen
Jahr des deutsch-russischen Jugendaustausches 2016/2017 sollen Austausch,
Verständigung und gegenseitiges Vertrauen im deutsch-russischen Verhältnis
durch eine weitere Intensivierung der Zusammenarbeit auf kommunaler und re-
gionaler Ebene vertieft werden“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Au-
ßenminister Sergej Lawrow und Sigmar Gabriel. Bundesaußenminister Sigmar
Gabriel erklärte in seiner Rede: „Wir hegen den gemeinsamen Wunsch, dass über
die zahlreichen kommunalen und regionalen Partnerschaften die Zahl und Inten-
sität der direkten Kontakte zwischen Russen und Deutschen gesteigert und
dadurch der Dialog und das Verständnis zwischen unseren Gesellschaften ge-
stärkt wird.“
Obwohl die Bundesregierung das Potenzial der deutsch-russischen kommunalen
Zusammenarbeit für die Völkerverständigung zwischen den beiden Ländern ver-
bal sehr wertschätzt, bleibt die finanzielle Förderung der deutsch-russischen Städ-
tepartnerschaften in der Regel den Kommunen, gemeinnützigen Vereinen und
privaten Spendern überlassen. Da die internationalen Aktivitäten deutscher Städte

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und Gemeinden nicht zu ihren Pflichtaufgaben gehören und sie zugleich durch
zahlreiche Faktoren finanziell stark belastet sind, erweist sich die Kooperation bei
mehreren deutsch-russischen Städtepartnerschaften oft als unterfinanziert. Hinzu
kommt, dass die Sanktionspolitik gegen Russland im Zuge der Ukraine-Krise zi-
vilgesellschaftliches Engagement zusätzlich erschwert.
Während die deutsch-ukrainischen kommunalen Beziehungen aus den Mitteln
des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in
Form des Programms „Schnellstarterpaket Ukraine“ eine spürbare Unterstützung
genießen, müssen sich die deutsch-russischen Städtepartnerschaften mit einem
sehr geringen Ausmaß an Förderung seitens der Bundesregierung begnügen
(siehe Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 20 ff. der Kleinen Anfrage
der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/13361).
Ein weiteres relevantes Thema für die deutsch-russischen zivilgesellschaftlichen
Beziehungen bleibt die gegenseitige Visapflicht für die Bürger und Bürgerinnen
sowohl der EU als auch der Russischen Föderation. Ein neueres Problem ist, dass
auf der russischen Seite Nichtregierungsorganisationen nicht mehr die Möglich-
keit haben, selbst Einladungen auszusprechen, mit denen dann bei den Konsula-
ten ein Visum beantragt und in der Regel auch vergeben worden ist. Als Begrün-
dung heißt es von russischer Seite, dass diese Organisationen nie das Recht hat-
ten, Einladungen auszusprechen, und jetzt nur das gesetzliche Verfahren durch-
gesetzt wird. Dies bedeutet in der Praxis eine erhebliche Verschärfung für die
Visaerlangung für deutsche Organisationen, da ihre Partner nun alles über die
Behörden machen müssen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. In welcher Weise bzw. mit welchen Aktivitäten und finanziellen Beiträgen

unterstützte die Bundesregierung die 14. Deutsch-Russische Städtepartner-
schaftskonferenz in Krasnodar?

2. Was sind nach Kenntnis der Bundesregierung die konkreten Resultate der
Konferenz, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dieser
Konferenz für ihre eigene künftige Arbeit?

3. Welche deutschen Kommunen planen nach Kenntnis der Bundesregierung,
2017 oder in naher Zukunft erstmals eine Partnerschaft mit russischen Kom-
munen einzugehen?

4. Wie viele und welche Projektanträge sind im Rahmen der deutsch-russischen
Städtepartnerschaften in den Jahren von 2014 bis 2017 bei der Bundesregie-
rung eingegangen?
Wie viele und welche dieser Projektanträge wurden vom Bund bewilligt?
In welchem finanziellen Umfang wurden diese Projekte vom Bund unter-
stützt (bitte nach zuständiger Bundesbehörde, nach Jahren und Städten auf-
schlüsseln)?

5. Wie viele und welche Projektanträge wurden für Projekte mit Russland im
Rahmen des Programms „Ausbau der Zusammenarbeit mit der Zivilgesell-
schaft in den Ländern der Östlichen Partnerschaft und Russland“ vom Bund
bewilligt (bitte die Projekttitel und Projektträger bzw. Zuwendungsempfän-
ger, nach Jahren aufgeschlüsselt, nennen sowie darunter die Projekte von
bzw. unter aktiver Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen und ih-
ren Organisationen auflisten, siehe auch Antwort der Bundesregierung zu
den Fragen 11 und 14 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. sowie
Anlage 2 auf Bundestagsdrucksache 18/13361)?

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6. Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung – auch im Sinne der Rede von
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel in Krasnodar – eine Intensivierung der
deutsch-russischen kommunalen Zusammenarbeit vergleichbar wie beim
Projekt „Kommunale Partnerschaften mit der Ukraine“ bei der „Servicestelle
Kommunen in der Einen Welt“ sowie mittels des „Schnellstarterpakets Uk-
raine“ zur Unterstützung kommunaler Partnerschaften zwischen Deutsch-
land und der Ukraine (bitte die geplanten Mittel und den jeweiligen finanzi-
ellen Umfang nennen)?

7. Plant die Bundesregierung die Ausreichungen von „Schnellstarterpaketen“
für die Neuaufnahme oder/und Wiederbelebung von deutsch-russischen
Städtepartnerschaften, und wenn nein, warum nicht?

8. Welche Mittel stellt die Bundesregierung (zusätzlich) für das deutsch-russi-
sche Jahr der kommunalen und regionalen Partnerschaften in den Jahren
2017 und 2018 (lt. Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2018) zur
Verfügung?
Auf welchem Weg und für welche Zwecke werden diese Bundesmittel be-
reitgestellt?

9. Wie ist die Einbeziehung der Akteure, insbesondere der Städte und Vereine,
in die Gestaltung des Kreuzjahres geplant?
Wird es eigene Veranstaltungen des Auswärtigen Amts, beispielsweise für
die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister von deutschen Städten mit russi-
schen Partnerstädten, geben?

10. Wie soll das Kreuzjahr ausgewertet/evaluiert werden?
Wird es eine Auswertungskonferenz 2018 geben, und wenn ja, wann und
wo?

11. Inwieweit setzt sich das Auswärtige Amt als „Schirmherr“ des Kreuzjahres
dafür ein, das bei allen Aktivitäten Menschen mit Behinderungen und ihre
Organisationen im Sinne der auf der 12. Städtepartnerschaftskonferenz von
Uljanowsk beschlossenen Resolution berücksichtigt werden, und inwieweit
ist dies auch eine Voraussetzung für finanzielle Förderungen durch den
Bund?

12. Welche konkreten Planungen und welchen Stand der Umsetzung gibt es hin-
sichtlich des von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel in Krasnodar geäu-
ßerten Vorschlages zur Eröffnung eines „deutsch-russischen Instituts für
Frieden und Völkerverständigung“ in St. Petersburg?

13. Welche konkreten Vorhaben und Planungen gibt es seitens der Bundesregie-
rung, um mit Blick auf die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland den
Sport als Chance und Mittel für den Bürgerdialog zu nutzen?
Welche weiteren diesbezüglichen Vorhaben sind der Bundesregierung da-
rüber hinaus bekannt bzw. werden von ihr ggf. auch unterstützt?

14. In welchem Umfang wurden die in der Antwort zu Frage 24 der Kleinen
Anfrage „Jugendaustausch, Zivilgesellschaft und Visa-Fragen in der
deutsch-russischen Zusammenarbeit“ (Bundestagsdrucksache 18/9241,
S. 10 f.) aufgeführten Nichtregierungsorganisationen, Vereine und Stiftun-
gen vom Bund im Jahr 2017 gefördert?

15. Welche weiteren Nichtregierungsorganisationen, Vereine und Stiftungen er-
hielten für ihre Aktivitäten auf dem Gebiet der deutsch-russischen Zusam-
menarbeit vom Bund in den Jahren von 2014 bis 2017 finanzielle Zuwen-
dungen in Höhe von mind. 10 000 Euro (bitte die jeweilige Organisation, die
Höhe der Förderung, die jeweils fördernde Bundesbehörde, aufgeschlüsselt
nach Jahren, nennen)?

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16. Welche Gründe gibt es für die deutlich sichtbaren Unterschiede und Erhö-

hungen der finanziellen Zuwendungen des Bundes für einzelne Organisatio-
nen, zum Beispiel den DRA e. V. oder die Stiftung „Erinnerung, Verantwor-
tung und Zukunft“ in den vergangenen Jahren (siehe Antwort der Bundesre-
gierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestags-
drucksache 18/9241, S. 11)?

17. In welchem Umfang hat der Bund direkt oder indirekt (zum Beispiel über
parteinahe Stiftungen) die Arbeit des Petersburger Dialogs sowie des Peters-
burger Dialog e. V. gefördert?

18. Inwieweit hält die Bundesregierung die derzeitige Förderung des Petersbur-
ger Dialog e. V. für ausreichend angesichts der Tatsache, dass der Verein die
Aufnahme von weiteren (qualifizierten) Mitgliedern mit „Blick auf die Ar-
beitsfähigkeit und die finanziellen Vorgaben“ ablehnt und auch nicht in der
Lage ist, ein aktuelles Informationsangebot auf seiner Homepage für die in-
teressierte Öffentlichkeit vorzuhalten?

19. Wie haben sich (auch mit Blick auf die VIS-Einführung, siehe Antwort der
Bundesregierung zu den Fragen 14 ff. der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE
LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/9241) die Verfahren für die Beantra-
gung und Vergabe von Visa und damit verbundene zeitliche und finanzielle
Aufwendungen für nach Russland reisende Bürgerinnen und Bürger der
Bundesrepublik Deutschland sowie für nach Deutschland reisende Bürgerin-
nen und Bürger der Russischen Föderation entwickelt?

20. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, sich mit der russischen
Seite insbesondere bei der Visavergabe auf Einladung von gesellschaftlichen
Organisationen, die in den deutsch-russischen zivilgesellschaftlichen Bezie-
hungen engagiert sind, auf Erleichterungen (im Sinne bisher praktizierter
Verfahren) zu verständigen?

21. Welche Aktivitäten gab es 2016 und 2017 seitens der Bundesregierung, um
die gegenseitige Beantragung von Visa, insbesondere auch für Austausch-
programme unterschiedlichster Art, in beide Richtungen zu erleichtern, und
welche Ergebnisse wurden diesbezüglich erzielt?

22. Wie hat die Bundesregierung auf die Forderung der russischen Seite nach
einem visafreien Reiseverkehr für die Inhaber russischer Dienstreisepässe re-
agiert?

23. Welche Gründe gab es nach Kenntnis der Bundesregierung für die Einstel-
lung des Lektorenprogramms der Robert Bosch Stiftung GmbH für Osteu-
ropa im Jahr 2017, und inwieweit ist diese Maßnahme in Abstimmung bzw.
im Einvernehmen mit der Bundesregierung erfolgt?

24. In welchen russischen Städten wurden 2017 die DAAD-Lektorate (DAAD –
Deutscher Akademischer Austauschdienst) abgeschafft, vorübergehend
nicht besetzt oder neu eingeführt, und was ist diesbezüglich für 2018 vorge-
sehen (bitte die Städte sowie Hochschulen und Universitäten nennen)?

25. Wie viele Dozentinnen und Dozenten, Lektorinnen und Lektoren und
Sprachassistentinnen und Sprachassistenten des DAAD sowie Sprachassis-
tentinnen und Sprachassistenten des Goethe-Instituts e. V. waren in den Jah-
ren von 2014 bis 2017 in Russland tätig (bitte nach Jahren und Städten auf-
schlüsseln)?

26. Plant der DAAD nach Kenntnis der Bundesregierung neben den in Kasan,
Nowosibirsk und St. Petersburg bereits bestehenden Informationszentren die
Gründung weiterer Zentren in Russland?

Wenn ja, wo und wann?

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27. Welche konkreten Maßnahmen ergreift und plant die Bundesregierung zur

Förderung der deutschen Sprache bzw. der Germanistik an den russischen
Hochschulen, und was war nach Kenntnis der Bundesregierung die Ursache
für die Einstellung des sogenannten Germanistenstipendiums (Ein-Semester-
Stipendium für ausländische Germanistikstudenten) des DAAD für Russ-
land?

28. Wie viele russische Bürgerinnen und Bürger haben in den Jahren 2014, 2015,
2016 und 2017 Austauschstipendien vom DAAD, Goethe-Institut e. V. und
von anderen vom Bund geförderten deutschen Institutionen und Stiftungen
erhalten (bitte detailliert nennen)?

29. Welche zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Fö-
deration abgeschlossenen Verträge und Vereinbarungen zur bilateralen Zu-
sammenarbeit, insbesondere in den Bereichen der Zivilgesellschaft (Kultur,
Sport, Jugend, Gesundheit usw.) sowie der Politik, Wirtschaft und Wissen-
schaft (Modernisierungspartnerschaft u. a.), sind derzeit in Kraft, und welche
Vereinbarungen wurden seit 2014 gekündigt bzw. liegen in Folge der politi-
schen Spannungen und Sanktionspolitik auf Eis (bitte die jeweiligen Ver-
träge/Vereinbarungen, das Jahr des Abschlusses und die zuständige Bundes-
behörde nennen)?

Berlin, den 20. September 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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