BT-Drucksache 18/1360

Echte Transparenz und parlamentarische Beteiligung bei Rüstungsexportentscheidungen herstellen

Vom 7. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1360 (neu)
18. Wahlperiode 07.05.2014

Antrag
der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Katja Keul, Dr. Frithjof Schmidt und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Echte Transparenz und parlamentarische Beteiligung bei
Rüstungsexportentscheidungen herstellen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. In Deutschland mangelt es auch mit den vorgeschlagenen Änderungen der
Koalitionsfraktionen im Bereich von Rüstungsexportentscheidungen weiterhin
an Transparenz und parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten. Die Rüstungs-
exportrichtlinien sind gesetzlich nicht verbindlich und werden nach politi-
schem Belieben in Geheimgremien der Bundesregierung ausgelegt. Abgeord-
neten des Deutschen Bundestages werden Informationen und Mitwirkungs-
rechte vorenthalten, die für eine Kontrolle der Politik der Bundesregierung ent-
scheidend sind. Der Bundestag wird erst mit erheblicher Verspätung sowie un-
zureichend über nicht revidierbare Entscheidungen unterrichtet und die Rüs-
tungsexportberichte sind zudem lückenhaft. Das erschwert die demokratische
Kontrolle der Entscheidungen der Bundesregierung gravierend. Die nun ange-
strebten Veränderungen in der Informationspraxis sind in keinster Weise aus-
reichend, um dieses Defizit zu beheben.

Auch die frühere Veröffentlichung des Rüstungsexportberichtes sowie eines
zusätzlichen Zwischenberichtes trägt kaum zu mehr Transparenz bei, wenn die
Berichtsform unverändert bleibt und damit die Informationslücken im Bereich
der Lizenzvergabe, der Endverbleibskontrolle, der tatsächlichen Ausfuhrwerte,
Bürgschaften, Dual-Use-Güter-Ausfuhren und Offsetgeschäften bestehen blei-
ben.

2. Im Zusammenhang mit der anhaltenden Nichtunterrichtung des Deutschen
Bundestages über potentielle Rüstungslieferungen – z. B. an Saudi-Arabien
und Algerien – haben drei Abgeordnete der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN beim Bundesverfassungsgericht Klage eingereicht. Die mündliche
Verhandlung fand am 15. April 2014 statt. Im Vorfeld der mündlichen Ver-
handlung einigten sich die Koalitionsfraktionen darauf, künftig die Unterrich-
tung des Deutschen Bundestages verbessern zu wollen. Die Vorschläge simu-
lieren lediglich Transparenz und eine bessere Unterrichtung. Der Bundestag
soll nach den Vorstellungen von CDU/CSU und SPD nur über abschließende
Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates unverzüglich und
gemeinsam mit den abschließenden Genehmigungsentscheidungen des
vorbereitenden Ausschusses der Staatssekretäre im Anschluss an die Erteilung

Drucksache 18/1360 (neu) – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

der Genehmigungen, spätestens zwei Wochen nach Tagung des Bundessicher-
heitsrates unterrichtet werden. Die Information des Bundestages und der Öf-
fentlichkeit über bereits getroffene und rechtskräftig gewordene Entscheidun-
gen der Bundesregierung im hochsensiblen Bereich der Rüstungsexporte stellt
in einer Demokratie eine Selbstverständlichkeit und keine wirkliche Verbesse-
rung der Transparenz dar. Nach wie vor muss die Bundesregierung zudem die
einzelnen Entscheidungen in keinster Weise begründen. In der Praxis bleiben
die Entscheidungen über deutsche Rüstungsexporte damit weiterhin jahrelang
im Dunkeln. Der Bundestag wird lediglich etwas weniger spät in Kenntnis ge-
setzt. Eine parlamentarische Kontrolle und Konsultation im Vorfeld der Ent-
scheidung findet weiterhin nicht statt.

3. Die Bundesregierung und Koalitionsfraktionen warten die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichtes nicht ab. Sie betrachten das Wissen über Rüs-
tungsexportentscheidungen weiterhin als Exklusivrecht der Regierung. Ent-
scheidungen über Voranfragen sollen weiterhin geheim gehalten werden. Das
ist nicht hinnehmbar. Die Bundesregierung und die Rüstungswirtschaft wollen
nun Zusagen, die auf Voranfragen gegeben werden, als ,,unverbindlich" dekla-
rieren, um so die parlamentarische Kontrolle auszuhebeln. Es kann und darf
nicht sein, dass die Bundesregierung – jenseits der Regeln des Verwaltungs-
verfahrensgesetzes – informelle Zusagen an die Rüstungsunternehmen gibt, die
faktisch Bindungen schaffen und die das Parlament nicht kontrollieren kann.
Die Rüstungsindustrie darf das Verfahren nicht unkontrolliert beherrschen.
Daher muss diese heimliche Genehmigung von „informellen“ Anfragen verbo-
ten werden. Hinzu kommt, dass Rüstungsgeschäfte größeren Umfangs sich
teilweise über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstrecken und somit die
ursprünglich entscheidende Bundesregierung nicht mehr im Amt ist. Sie muss
daher die politische Verantwortung für ihre Entscheidungen nicht mehr tragen.

4. Die Opposition hat in der Vergangenheit mehrere Vorschläge zur Ver-
besserung der Transparenz und parlamentarischen Kontrolle gemacht. Die
SPD-Bundestagsfraktion und die Fraktion DIE LINKE. haben den nachstehen-
den Forderungen aus dem Antrag 17/9412 der Grünen Bundestagsfraktion am
31.01.2013 zugestimmt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung erneut auf,

einen Gesetzentwurf für ein Rüstungsexportkontrollgesetz unter Berücksichti-
gung nachfolgender Eckpunkte vorzulegen:
1. Die Kriterien der Rüstungsexportrichtlinie und des Gemeinsamen Stand-

punktes der EU, insbesondere die Menschenrechtslage im Empfängerland
und die Gefahr der inneren Repression, werden gesetzlich verankert und in
das Außenwirtschaftsgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz integriert.
Die Kriterien sind dabei im Hinblick auf eine zu prüfende Einführung von
Verbandsklagen so zu konkretisieren, dass sie nach Möglichkeit auch jus-
tiziabel sind.

2. Die Berichte der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag
sollen vierteljährlich bis spätestens zum nächsten Quartalsende erfolgen.
Auch die Inhalte und Schwerpunkte des Berichts sollen gesetzlich geregelt
werden.

3. Die Ressortzuständigkeit für Rüstungsexporte wird dem Auswärtigen Amt
übertragen.

4. Der Deutsche Bundestag wird vor einer beabsichtigten Rüstungsex-
portgenehmigung bei besonders sensiblen Exporten unterrichtet und erhält
die Möglichkeit zur Stellungnahme. Das Recht der Bundesregierung, in

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1360 (neu)

Kenntnis einer negativen Stellungnahme des Bundestages aus wichtigen
außen- oder sicherheitspolitischen Gründen eine abweichende Entschei-
dung zu treffen, bleibt unberührt. Es wird ein fachpolitisches Gremium zur
Rüstungsexportpolitik eingerichtet.

5. Die Geheimhaltung von Entscheidungen über Rüstungsexporte ist abzu-
schaffen. Ist eine Genehmigung abschließend erteilt, muss diese stets be-
kannt gegeben und begründet werden.

6. Die Vergabe von Lizenzen zur Produktion von Kriegswaffen (wie z. B.
Anlagen zur Produktion von Kleinwaffen oder Munition) an Drittstaaten
wird untersagt.

7. Der Endverbleib wird künftig nicht nur erklärt, sondern auch tatsächlich
kontrolliert.

8. Gemäß dem Grundsatz „Neu für Alt“ bei der Abgabe ausgemusterter Ver-
teidigungsgüter ist der Empfängerstaat zu verpflichten, Altbestände über-
prüfbar zu zerstören und nicht weiterzuverkaufen;

keine Hermesbürgschaften für Rüstungs- und Kriegswaffenexporte zu erteilen.

Berlin, den 7. Mai 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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