BT-Drucksache 18/13599

Der Compact with Africa und geplante „Reformpartnerschaften“ mit afrikanischen Ländern zur Verbesserung von Investitionsbedingungen

Vom 19. September 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13599
18. Wahlperiode 19.09.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Niema Movassat, Annette Groth, Heike Hänsel, Andrej Hunko
und der Fraktion DIE LINKE.

Der Compact with Africa und geplante „Reformpartnerschaften“ mit afrikanischen
Ländern zur Verbesserung von Investitionsbedingungen

Auf Initiative des Bundesministers der Finanzen Dr. Wolfgang Schäuble haben
die G20-Staaten gemeinsam mit Weltbank, Internationalem Währungsfonds
(IWF) und Afrikanischer Entwicklungsbank (AfDB) den sogenannten Compact
with Africa (CwA) ins Leben gerufen, im Rahmen dessen die Investitionsbedin-
gungen in afrikanischen Ländern verbessert werden sollen. Im April 2017 veröf-
fentlichten die drei Institutionen den Bericht „The G20-Compact with Africa“, in
dem zentrale Grundlagen der Initiative benannt werden. Neben administrativen,
fiskal-politischen und wirtschaftspolitischen Reformen zählen dazu die Kommer-
zialisierung und Privatisierung von Infrastruktur und bisher staatlich geführter
Wirtschaftszweige, neue Formen der Mischfinanzierung (blending) sowie von
Streitschlichtungsverfahren mit Investoren.
Positiv bezieht sich der Bericht auch auf die neuen Richtlinien der Weltbank
für Public-Private-Partnership (PPP)-Verträge (http://ppp.worldbank.org/public-
private-partnership/sites/ppp.worldbank.org/files/documents/Guidance_%20PPP
_Contractual_Provisions_EN_2017.pdf). Einer Analyse der Rechtsanwaltskanz-
lei Foley Hoag zufolge repräsentieren diese Richtlinien jedoch einseitig die
(Profit-)Interessen der Investoren, da sie u. a. (i) das Investitionsrisiko ungleich
zwischen den Staaten und den Investoren verteilen, etwa, indem sie Bürgerkriege
nicht unbedingt als höhere Gewalt (force majeure) betrachten sowie andere Vor-
kommnisse, wie Kriege, Bürgerkriege, Streiks, Terrorattacken oder Aufstände als
schädigendes Regierungshandeln („material adverse government action“) quali-
fizieren und damit den Weg für Kompensationszahlungen zugunsten der Investo-
ren öffnen, (ii) Staaten daran hindern, legitime – z. B. zur Durchsetzung von Um-
welt- und Klimaschutz oder internationalen Menschen- und Arbeitsrechten not-
wendige – gesetzliche Maßnahmen zu ergreifen, indem sie Investoren zu stark
vor Gesetzesänderungen schützen, (iii) intransparenten PPPs Tür und Tor öffnen,
da sie die zwingende Veröffentlichung von PPP-Verträgen und Projektinformati-
onen nicht vorsehen, (iv) davon abraten, PPPs auf der Basis der lokalen/nationa-
len Gesetzgebung abzuschließen sowie (v) die Beteiligung von Regierungen an
PPPs als Shareholder oder Partner nicht vorsehen (http://us.boell.org/2017/09/
15/summary-comments-world-bank-groups-2017-guidance-ppp-contractual-
provisions-0).
Bisher sind sieben afrikanische Länder an der CwA-Initiative beteiligt (soge-
nannte Compact-Länder): Marokko, Tunesien, Elfenbeinküste, Senegal, Ghana,
Ruanda und Äthiopien. Deutschland plant mit drei dieser Länder (Tunesien, El-
fenbeinküste und Ghana) bilaterale Investitions- oder Reformpartnerschaften.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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(BMZ) hat angekündigt, bis zu 300 Mio. Euro für die diese Reformpartnerschaf-
ten bereitzustellen. Dabei wird die bilaterale Unterstützung nach dem Grundsatz
„Fördern und Fordern“ an die Umsetzung von Reformfortschritten durch das
Partnerland geknüpft (Sachstand „Reformpartnerschaften mit Elfenbeinküste,
Ghana und Tunesien“ des BMZ vom 23. Juni 2017). In der Reformpartnerschaft
mit der Elfenbeinküste ist u. a. die Förderung von privaten Investitionen in Infra-
struktur vorgesehen, wobei der Nationale Entwicklungsplan der Elfenbeinküste
einen Anteil von 62 Prozent privater Investitionen vorsieht (Sachstand, S. 2).
Ghana plant im Rahmen der Reformpartnerschaft mit Deutschland, das Investiti-
onsklima zu verbessern und im Bereich der erneuerbaren Energien/Energieeffizi-
enz den Wettbewerb bei öffentlichen Ausschreibungen zu stärken.
Parallel zum CwA forderten die T20, ein Zusammenschluss von Forschungsein-
richtungen und Think Tanks, im Rahmen der deutschen G20-Präsidentschaft die
Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen in afrikanischen Ländern zur Bewälti-
gung der Migrations- und Flüchtlingskrise in den dortigen Ländern (www.t20
germany.org/wp-content/uploads/2017/07/20_Solutions_for-the_G20_17-7.pdf,
Vorschlag 16).
Eine weitere Initiative, die auf die Verbesserung von Investitionsbedingungen in
afrikanischen Ländern abzielt, ist der External Investment Plan (EIP) der Euro-
päischen Union (EU). Durch den Einsatz von 3,35 Mrd. Euro EU-Mitteln sollen
bis zum Jahr 2020 durch Mischung mit privatem Kapital 44 Mrd. Euro mobilisiert
werden (www.africa-eu-partnership.org/en/newsroom/all-news/presentation-eip-
new-york-20-september). Nach Auskunft der Bundesregierung soll die Verbesse-
rung von Investitionsbedingungen auch durch die Einforderung von Strukturre-
formen in den afrikanischen Ländern erfolgen (BMZ-Vorbericht zum informellen
Rat der EU-Entwicklungsminister am 11. September 2017 vom 7. September
2017, S. 4).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche weiteren (d. h. außer den sieben in der Vorbemerkung der Fragestel-

ler genannten) Länder haben nach Informationen Interesse an der CwA-Ini-
tiative gezeigt bzw. durchlaufen gerade den Auswahlprozess?

2. Inwiefern handelt es sich bei den bilateralen Reformpartnerschaften um
schriftliche, verbindliche Vereinbarungen?

3. Wo finden sich die Finanzmittel für die von Deutschland geplanten Reform-
partnerschaften im Haushalt aus dem Jahr 2017 bzw. in den Haushaltspla-
nungen der Folgejahre wieder?
Inwiefern handelt es sich dabei um „neues Geld“, bzw. aus welchen beste-
henden Töpfen werden die Mittel hierfür verwendet?

4. Inwiefern geht die CwA-Initiative nach Kenntnis der Bundesregierung über
die bilateralen Reformpartnerschaften hinaus?
Welche andere Vereinbarungen, Abkommen etc. werden im Rahmen der Ini-
tiative mit den afrikanischen Compact-Ländern geschlossen (bitte für die
Länder einzeln aufschlüsseln)?

5. Welche administrativen, fiskal-politischen, wirtschaftspolitischen sowie et-
waige andere politische Reformen sollen nach Informationen der Bundesre-
gierung zwischen den Compact-Ländern, den G20-Staaten und den interna-
tionalen Finanzinstitutionen vereinbart werden bzw. sind bereits vereinbart
worden (bitte für Compact-Länder einzeln aufschlüsseln)?

6. Wer überwacht nach Informationen der Bundesregierung die Umsetzung der
in der Frage 5 genannten Reformen, und welche möglichen Sanktionsmecha-
nismen gibt es dabei?

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7. Welche Infrastrukturbereiche oder Wirtschaftszweige sollen nach Auskunft
der Bundesregierung in den einzelnen Compact-Ländern konkret kommerzi-
alisiert bzw. privatisiert werden (bitte für einzelne Länder getrennt anfüh-
ren)?

8. Welche Streitschlichtungsverfahren für Investoren sind nach Informationen
der Bundesregierung für die einzelnen Compact-Länder angedacht bzw. wer-
den bereits etabliert?

9. Inwiefern sind nach Auskunft der Bundesregierung im Rahmen der CwA-
Initiative Steuererleichterungen für Investoren vorgesehen bzw. möglich?
Falls dieses Instrument möglich ist, wie ist dieses Instrument mit dem Ziel in
Einklang zu bringen, das Steueraufkommen in den Compact-Ländern zu er-
höhen?

10. Inwiefern ist nach Informationen der Bundesregierung im Rahmen der CwA-
Initiative bzw. im Rahmen der dadurch angestoßenen Investitionen die Ein-
haltung der Freiwilligen Leitlinien zu Landnutzungsrechten vorgesehen?

Durch wen soll deren Einhaltung gegebenenfalls überwacht werden?
11. Inwiefern wird nach Informationen der Bundesregierung bei der im Rah-

mend der CwA-Initiative geschaffenen Arbeitsplätze die Einhaltung von
Standards bezüglich Arbeitsrechten und Entlohnung überwacht (bitte auch
angeben, um welche Standards es sich gegebenenfalls handelt und wer für
die Überwachung zuständig ist)?

12. Wie wird der Grundsatz „Fördern und Fordern“ in den Reformpartnerschaf-
ten unter Beteiligung der Bundesregierung konkret umgesetzt?
Welche Reformschritte wurden mit Tunesien, Ghana und der Elfenbeinküste
bisher vereinbart, und wie wird die Umsetzung dieser Reformschritte über-
wacht?

13. Wie wollen Bundesregierung sowie die Regierung der Elfenbeinküste pri-
vate Investitionen im Infrastrukturbereich vorantreiben?
a) Welche Infrastrukturbereiche sollen hierbei mit einbezogen werden, bzw.

gibt es Bereiche, die von dieser Initiative explizit ausgenommen werden?
b) Worauf beziehen sich die 62 Prozent, die nach Auskunft der Bundesre-

gierung im Nationalen Entwicklungsplan der Elfenbeinküste für Privatin-
vestitionen vorgesehen sind?

14. Durch welche konkreten Maßnahmen möchte Ghana nach Auskunft der
Bundesregierung das Investitionsklima verbessern und im Bereich der erneu-
erbaren Energien/Energieeffizienz den Wettbewerb bei öffentlichen Aus-
schreibungen stärken?
Welche Vereinbarungen wurden in diesem Bereich mit der Bundesregierung
konkret getroffen oder sollen in naher Zukunft abgeschlossen werden?

15. Welche weiteren bilateralen Reformpartnerschaften zwischen anderen G20-
Staaten außer Deutschland und afrikanischen Ländern sind nach Informatio-
nen der Bundesregierung geplant oder bereits abgeschlossen, und was sind
die inhaltlichen Schwerpunkte dieser Partnerschaften?

16. Inwiefern gibt es nach Informationen der Bundesregierung bisher Investiti-
onsabsichten von Unternehmen als Folge der CwA-Initiative (bitte um Auf-
listung der geplanten Investitionen)?

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17. Welche konkreten Projekte im Rahmen von Compact-Partnerschaften, die in

den Prospekten der Compact-Länder auf der Homepage www.compactwith
africa.org/content/compactwithafrica/home.html angeführt werden, sind in-
zwischen vorangekommen, und in welchem Stadium befinden sie sich (bitte
für einzelne Ländern anführen inklusive der beteiligten Unternehmen)?

18. Inwiefern ist im Rahmen der CwA-Initiative nach Kenntnis der Bundesre-
gierung die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen in den Compact-Län-
dern geplant?

Wenn ja, in welchen, und für welche Wirtschaftssektoren?
19. Inwiefern unterstützt die Bundesregierung – beispielsweise im Rahmen der

CwA-Initiative, oder in der Arbeit ihrer Entwicklungsfinanzierer wie KfW
und DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH – die
Anwendung der neuen Richtlinien der Weltbank für PPP-Verträge?

20. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Kritik der Rechts-
anwaltskanzlei Foley Hoag, dass die Richtlinien die Interessen von öffentli-
cher Hand und privaten Investoren nicht gleichrangig berücksichtigen?

21. Inwiefern vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass – analog zu den
Weltbankrichtlinien – Bürgerkriege nicht unbedingt als höhere Gewalt (force
majeure) betrachtet werden müssen sowie Vorkommnisse wie Kriege, Bür-
gerkriege, Streiks, Terrorattacken oder Aufstände als schädigendes Regie-
rungshandeln („material adverse government action“) qualifiziert werden
können?

22. Inwiefern vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass – analog zu den
Weltbankrichtlinien – Staaten keine gesetzlichen Maßnahmen, etwa zur z. B.
zur Durchsetzung von Umwelt- und Klimaschutz, internationalen Menschen-
oder Arbeitsrechten, ergreifen dürfen, ohne Investoren für dadurch entste-
hende Gewinneinbußen zu entschädigen?

23. Inwiefern vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass – analog zu den
Weltbankrichtlinien – PPP-Verträge sowie Projektinformationen wie Um-
welt- und Sozialrisikoprüfungen nicht veröffentlich werden müssen?

24. Inwiefern vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass – analog zu den
Weltbankrichtlinien – PPP-Verträge nicht auf Basis lokaler/nationaler Ge-
setzgebungen der betreffenden Projektländer abgeschlossen werden sollen?

25. Inwiefern vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass – analog zu den
Weltbankrichtlinien – Regierungen sich nicht als Shareholder oder Partner
an PPP-Verträgen beteiligen sollen?

26. Inwiefern verfolgen die Bundesregierung, andere G20-Staaten oder interna-
tionale Finanzinstitutionen den Vorschlag der T20, in afrikanischen Ländern
Sonderwirtschaftszonen für Migranten und Flüchtlinge einzurichten?

27. Hält es die Bundesregierung für realistisch, dass im Rahmen des EU External
Investment Plans (EIP) durch den Einsatz von 3,35 Mrd. Euro EU-Mitteln
44 Mrd. Euro an Investitionskapital nach Afrika fließen (Hebel von 1:13)?
Wenn nein, welchen Hebel hält die Bundesregierung für realistisch (bitte je-
weils mit Begründung)?

28. Wie soll die „Einforderung von Strukturreformen“ im Rahmen des EIP nach
Informationen der Bundesregierung konkret erfolgen?
Inwiefern sind hier Sanktionsinstrumente vorgesehen, und wer soll die Um-
setzung der Strukturreformen überprüfen?

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29. Inwiefern wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen bzw. dagegen aus-

sprechen, die neuen Weltbank-Richtlinien zu PPP-Verträgen bei vom EIP
finanzierten Projekten anzuwenden?

Berlin, den 19. September 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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