BT-Drucksache 18/13507

Kooperation von Verfassungsschutzämtern mit der Bundesagentur für Arbeit

Vom 1. September 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13507
18. Wahlperiode 01.09.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Katja Kipping, Jan Korte,
Harald Weinberg, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann (Zwickau),
Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Kooperation von Verfassungsschutzämtern mit der Bundesagentur für Arbeit

Ein Jobcenter im Saarland forderte seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anläss-
lich einer „Kooperation“ mit dem dortigen Landesamt für Verfassungsschutz
dazu auf, „alle Hinweise aus den Bereichen Rechtsextremismus, Linksextremis-
mus, Ausländerextremismus, Sabotageabwehr und organisierte Kriminalität“ an
den Inlandsgeheimdienst weiterzugeben. Das ist aus einer von der Leitung des
Jobcenters verschickten E-Mail, die dem konservativen Onlineportal „Tichys
Einblick“ von anonymer Seite zugeleitet wurde, erkenntlich. Für den Verfas-
sungsschutz seien „Erkenntnisse von Ihnen über unsere Kunden aus den Tatbe-
ständen Ortsabwesenheit von Flüchtlingen in ihre Herkunftsländer oder Krisen-
gebiete, Auffälligkeiten im Verhalten dieser Personengruppe, Kenntnisse über
Kunden, die der Reichsbürgerbewegung angehören und alle sonstigen Tatbe-
stände die Ihnen ‚auffällig‘ erscheinen“ wichtig. Die Hinweise könnten an ein
angegebenes Postfach versandt werden und würden mit „absoluter Vertraulich-
keit“ behandelt. Mit dieser „Kooperation haben wir einen weiteren Mosaikstein
im Sicherheitskonzept für unsere Mitarbeiter und Kunden eingefügt“, heißt es ab-
schließend. Ein Pressesprecher der Saarländischen Regionaldirektion der Bun-
desagentur für Arbeit bestätigte, dass Informationsveranstaltungen des Verfas-
sungsschutzes für Behörden stattfänden und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter per
Mail darauf hingewiesen wurden, „gegebenenfalls konkrete Verdachtsmomente
zu transportieren und zu kanalisieren“. Die Begrifflichkeit „Kooperationsab-
schluss“ sei aber missverständlich. Aus dem saarländischen Ministerium für In-
neres, Bauen und Sport hieß es, der Verfassungsschutz führe seit längerem vor
dem Hintergrund einer anhaltend hohen abstrakten Gefährdungslage bezüglich
des islamistischen Terrorismus regelmäßig „Sensibilisierungsgespräche“ für Be-
hörden durch, um „ggf. vorliegende Verdachts- und Radikalisierungshinweise im
Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten frühzeitig an das Landesamt für Verfas-
sungsschutz zu übermitteln.“ Eine Pressereferentin der Bundesagentur für Arbeit
konnte weder bestätigten noch dementieren, dass es auch bundesweit entspre-
chende Kooperationen mit Verfassungsschutzbehörden gäbe oder solche geplant
seien (www.tichyseinblick.de/kolumnen/alexander-wallasch-heute/mitarbeiter-
im-jobcenter-kooperieren-mit-verfassungsschutz/).
Da es sich bei der Bundesagentur für Arbeit um eine Bundesbehörde handelt, sind
die Fragestellerinnen und Fragesteller der Auffassung, dass die Frage einer mög-
lichen Zusammenarbeit der Bundesagentur für Arbeit oder einzelner ihrer Glie-
derungen mit dem Verfassungsschutz auch dann eine Bundes- und keine Landes-
angelegenheit ist, wenn entsprechende Kooperationen mit Landesämtern des In-
landsgeheimdienstes erfolgen.

Drucksache 18/13507 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwiefern kann die Bundesregierung die Darstellungen in der Vorbemerkung
der Fragesteller bestätigen?

2. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über eine „Kooperation“ oder
sonstige Form der Zusammenarbeit zwischen einem Jobcenter im Saarland
und dem Landesamt für Verfassungsschutz Saarland?

3. Inwiefern trifft es zu, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jobcen-
ters gebeten werden, dem Landesamt für Verfassungsschutz Saarland Hin-
weise aus den Bereichen Rechtsextremismus, Linksextremismus, Ausländer-
extremismus, Sabotageabwehr oder organisierte Kriminalität sowie Erkennt-
nisse über Kunden aus den Tatbeständen Ortsabwesenheit von Flüchtlingen
in ihre Herkunftsländer oder Krisengebiete, Auffälligkeiten im Verhalten
dieser Personengruppe, Kenntnisse über Kunden, die der Reichsbürgerbewe-
gung angehören und alle sonstigen Tatbestände die den Mitarbeitern auf-
fällig erscheinen, zu melden (www.tichyseinblick.de/kolumnen/alexander-
wallasch-heute/mitarbeiter-im-jobcenter-kooperieren-mit-verfassungsschutz/)?
a) Um welche Jobcenter im Saarland handelt es sich nach Kenntnis der Bun-

desregierung?
b) Welche Leitungsstelle hat wann und an wen genau entsprechende Auffor-

derungen per Mail oder verschickt?
c) Um welche Art von Kooperation zwischen dem Jobcenter und dem Lan-

desamt für Verfassungsschutz Saarland handelt es sich genau, und wann
wurde diese geschlossen?

d) Inwieweit wurde diese Kooperation des Jobcenters mit dem Landesamt
für Verfassungsschutz Saarland mit der Bundesagentur für Arbeit abge-
stimmt?

e) Inwiefern und auf welcher gesetzlichen Grundlage erachtet es die Bun-
desregierung für zulässig, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines
an die Bundesagentur für Arbeit angeschlossenen Jobcenters im Saarland
von einer Leitungsstruktur dazu angehalten werden, Hinweise aus den Be-
reichen Rechtsextremismus, Linksextremismus, Ausländerextremismus,
Sabotageabwehr und organisierte Kriminalität an das saarländische Lan-
desamt für Verfassungsschutz zu melden?

f) Auf welcher gesetzlichen Grundlage sind Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
ter eines Jobcenters legitimiert, Erkenntnisse über ihre Kunden über die
Ausreise von Flüchtlingen in ihre Herkunftsländer oder Krisengebiete,
Auffälligkeiten im Verhalten dieser Personengruppe, Kenntnisse über
Kunden, die der Reichsbürgerbewegung angehören, und alle sonstigen
Tatbestände, die ihnen auffällig erscheinen, zu melden?

g) Inwieweit sieht die Bundesregierung hier den Datenschutz gewährleistet?
h) Inwiefern nutzen das Bundesamt – oder nach Kenntnis der Bundesregie-

rung Landesämter – temporär oder dauerhaft Räumlichkeiten in Jobcen-
tern, und falls ja, zu welchem Zweck?

4. Welche bereits offiziell vereinbarten oder noch geplanten Kontakte oder Ko-
operationen zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Landes-
ämtern für Verfassungsschutz mit der Bundesagentur für Arbeit oder ihren
Untergliederungen sind der Bundesregierung bekannt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13507
5. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Informationsveranstaltun-
gen, Mitarbeiterschulungen, Sensibilisierungsgespräche oder dergleichen
durch das Bundesamt für Verfassungsschutz oder Landesämter für Verfas-
sungsschutz für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesagentur für Ar-
beit bzw. einzelner Jobcenter?
Wie viele derartige Informationsveranstaltungen oder Sensibilisierungsge-
spräche mit welchem Inhalt und Ziel fanden in welchen Bundesländern für
wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit
oder einzelner Jobcenter unter Leitung welcher Behörden statt?

6. Inwieweit und aufgrund welcher gesetzlichen Grundlage sind Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit bzw. von Jobcentern nach
Auffassung der Bundesregierung dazu angehalten oder verpflichtet, dem
Bundesamt für Verfassungsschutz und den Landesämtern für Verfassungs-
schutz im Zusammenhang mit ihren Kundinnen und Kunden auftretende
Auffälligkeiten und Verdachtsmomente zu melden?

7. Wie viele Verdachtsmomente wurden nach Kenntnis der Bundesregierung
innerhalb der letzten zwei Jahren durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Bundesagentur für Arbeit bzw. von Jobcentern an das Bundesamt für Ver-
fassungsschutz oder die Landesämter für Verfassungsschutz gemeldet, und
wie verteilten sich diese Meldungen auf Phänomenbereiche wie Linksextre-
mismus, Rechtsextremismus, Ausländerextremismus/ausländische Ideolo-
gie, Islamismus etc.?

8. Inwieweit werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesagentur für
Arbeit und der Jobcenter für den Umgang mit Angehörigen der Reichsbür-
gerbewegung sensibilisiert und geschult, und inwiefern sind das Bundesamt
für Verfassungsschutz oder die Landesämter für Verfassungsschutz in diese
Sensibilisierung eingebunden?

Berlin, den 31. August 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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