BT-Drucksache 18/13482

Das Attentat am Olympia-Einkaufszentrum vom 22. Juli 2016 und Hinweise auf dessen rassistischen Hintergrund

Vom 25. August 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13482
18. Wahlperiode 25.08.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Martina Renner, Nicole Gohlke, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke,
Jan Korte und der Fraktion DIE LINKE.

Das Attentat am Olympia-Einkaufszentrum vom 22. Juli 2016 und Hinweise auf
dessen rassistischen Hintergrund

Am 22. Juli 2016 ermordete David S. am Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) in
München neun Menschen, viele weitere wurden durch das Attentat zum Teil
schwer verletzt. Die Opfer waren größtenteils Jugendliche, alle hatten einen Mi-
grationshintergrund. Bereits kurz nach der Tat häuften sich Meldungen über einen
rechtsextremen bzw. rassistischen Hintergrund des Täters (vgl. „Amokläufer
von München war Rechtsextremist“, Frankfurter Allgemeine vom 27. Juli 2016,
www.faz.net/aktuell/politik/inland/f-a-z-exklusiv-amoklaeufer-von-muenchen-
war-rechtsextremist-14359855.html). Mit den fortschreitenden Ermittlungen
wurden zahlreiche weitere Details bekannt, die sehr deutlich für eine rassistische
Motivation des Täters sprechen.
Laut den Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden
 empfand der Attentäter „einen Hass und Rachegefühle gegenüber Personen

mit ausländischen Wurzeln bzw. Migrationshintergrund, insbesondere ge-
genüber türkisch-, albanisch- und balkanstämmigen Jugendlichen“,

 äußerte sich der Attentäter im Vorfeld der Tat „mehrfach fremdenfeindlich
und rassistisch, wobei er sich auch in Hasstiraden und Wutausbrüche hinein-
steigerte“,

 zeigte der Attentäter in der Vergangenheit Sympathien für Adolf Hitler bzw.
den Nationalsozialismus,

 war David S. AfD-Sympathisant,
 wählte der Täter als Datum des Attentats bewusst den 5. Jahrestag des Atten-

tats von Anders Breivik,
 kann beim Attentäter „von einer rechten bzw. rechtsextremen Gesinnung (…)

ausgegangen werden“
(vgl. „Bericht des Inspekteurs der Bayerischen Polizei, im Bayerischen Staatsmi-
nisterium des Innern, für Bau und Verkehr im Ausschuss für Kommunale Fragen,
Innere Sicherheit und Sport des Bayerischen Landtags vom 26. April 2017“).
In den von David S. verfassten Manifesten ist zudem von „ausländischen Unter-
menschen“ sowie von „Kakerlaken, Untermenschen und Menschen, die er exe-
kutieren werde“ die Rede (vgl. Antwort des Staatsministeriums des Innern, für
Bau und Verkehr auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten im Bayerischen
Landtag Katharina Schulze, Landtagsdrucksache 17/17018).

Drucksache 18/13482 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Nach Auskunft der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 22 der Abgeord-
neten Martina Renner auf Bundestagsdrucksache 18/13255 wurde dem Bundes-
kriminalamt (BKA) das Attentat seitens des Bundeslandes Bayern nicht als poli-
tisch motivierte Straftat gemeldet. In der Folge gehen die Opfer nicht in die Sta-
tistik als Todesopfer rechter Gewalt ein und die Tat wird offiziell als unpolitisch
bewertet.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Definition Politisch motivierter Kriminalität -rechts- (PMK-rechts)

liegt der o. g. Antwort der Bundesregierung bzw. liegt grundsätzlich der Ein-
ordnung von Straf- und Gewalttaten durch die Bundesregierung zugrunde?

2. Welche Definition von Rassismus liegt dem Definitionssystem PMK zu-
grunde?

3. Ist die Ausprägung eines persönlichen, aber verallgemeinerten Feindbildes
gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund laut der Rassismusdefini-
tion, die dem Definitionssystem PMK zugrunde liegt, als rassistisch zu be-
werten?

4. Ist die Überschrift des Abschiedsbriefs des OEZ-Attentäters („Ich werde
jetzt jeden Deutschen Türken auslöschen egal wer“) nach Einschätzung der
Bundesregierung als rassistisch bzw. rechtsextremistisch zu qualifizieren
(bitte die Einschätzung begründen)?

5. Wie bewertet die Bundesregierung die in der Vorbemerkung zitierten Er-
kenntnisse zum Weltbild des David S.?

6. Welche Dokumente des David S. sind der Bundesregierung bekannt, und wie
schätzt sie diese, insbesondere im Hinblick auf darin enthaltenes rechtes und
rassistisches Gedankengut, ein?

7. Sind der Bundesregierung die Chatprotokolle des David S. bekannt, und wie
schätzt sie diese, insbesondere im Hinblick auf darin enthaltenes rechtes und
rassistisches Gedankengut, ein?

8. Welchen Wortlaut bzw. konkreten Inhalt hatte die dringende Warnung, die
das Bayerische Landeskriminalamt am 27. Juli 2017 u. a. an das Bundeskri-
minalamt aufgrund der auf der Festplatte des David S. sichergestellten Chat-
protokolle und der darin erwähnten weiteren Anschlagspläne verschickte,
und welche Konsequenzen zog diese Warnung nach sich (vgl. DER SPIE-
GEL, Ausgabe 30/2017, S. 42)?

9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung – u. a. vor dem Hintergrund
der sichergestellten Chatprotokolle – über ein mögliches Terrornetzwerk im
Umfeld des OEZ-Attentäters?

10. Inwiefern versuchen die Sicherheitsbehörden nach Kenntnis der Bundesre-
gierung, den anonymen Zeugen („blab“) ausfindig zu machen, der sich beim
Zoll gemeldet und behauptet haben soll, der Waffenhändler Philipp K. habe
David S. Tipps für die Tat gegeben (vgl. DER SPIEGEL, Ausgabe 30/2017,
S. 44)?

11. Inwiefern laufen derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung Ermittlungen
zu den weiteren Kunden bzw. illegalen Geschäften des Waffenhändlers Phi-
lipp K., und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über damit zu-
sammenhängende rechtsterroristische Bezüge bzw. Bestrebungen?

12. Inwiefern war das Bundeskriminalamt nach dem Attentat vom 22. Juli 2016
in die Ermittlungen einbezogen (bitte unter Angabe des Zeitraums, der An-
zahl der eingesetzten Beamten, von deren Aufgabe und Abteilungszugehö-
rigkeit beantworten)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13482

13. Inwiefern war das Attentat Gegenstand im Gemeinsamen Terrorismusab-

wehrzentrum (GTAZ) (bitte unter Angabe der Daten der Erörterungen, der
beteiligten Behörden und der Ergebnisse beantworten)?

14. Inwiefern war der Waffenhändler Philipp K. vor dem Attentat bereits Gegen-
stand von Ermittlungen seitens des Zolls oder der Polizei (bitte unter Angabe
der beteiligten Behörde, des den Ermittlungen zugrunde liegenden Sachver-
haltes und des Ergebnisses beantworten)?

15. Inwiefern war der Waffenhändler Philipp K. Gegenstand von Erkenntnissen
der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder (bitte unter An-
gabe der beteiligten Behörde und der Art der Erkenntnisse beantworten)?

16. Inwiefern war der Waffenhändler Philipp K. Gegenstand des Einsatzes nach-
richtendienstlicher Mittel oder Methoden seitens der Sicherheitsbehörden
(Polizei, Zoll, Verfassungsschutz) (bitte unter Angabe der beteiligten Be-
hörde, des Anlasses, der Art des nachrichtendienstlichen Mittels und der Er-
gebnisse beantworten)?

17. Inwiefern war der Waffenhändler Philipp K. Gegenstand von Werbungsmaß-
nahmen oder Quelle der Sicherheitsbehörden (Polizei, Zoll, Verfassungs-
schutz) (bitte unter Angabe des Zeitraums, des Ergebnisses der Anwerbung,
der Art der Quelle und der Ergebnisse der Quellenführung beantworten)?

18. Wie lässt sich der offenkundige Widerspruch zwischen der Nichteinordnung
der Tat als PMK-rechts und der Einschätzung des Inspekteurs der Bayeri-
schen Polizei im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Ver-
kehr erklären?

19. Gab es in der Vergangenheit Fälle, in denen die Bundesregierung die Ein-
schätzung eines Bundeslandes im Hinblick auf die politische Motivation re-
vidiert hat, und falls ja, was hat die Bundesregierung dazu bewogen?

20. Inwiefern stellt das Attentat vom 22. Juli 2016 aus Sicht der Bundesregierung
ein Ereignis dar, dessen Bewertung auch angesichts der überregionalen/in-
ternationalen Aufmerksamkeit, die das Thema Rechtsterrorismus in der Bun-
desrepublik Deutschland nach der Selbstenttarnung der NSU erfährt, nicht
allein Ländersache sein kann, sondern ebenfalls einer Beurteilung durch die
Bundesregierung unterzogen werden sollte?

21. Plant die Bundesregierung, das Bayerische Landeskriminalamt um eine
Überprüfung der Einschätzung des Attentats zu ersuchen?

22. Hält die Bundesregierung die Einschätzung der Tat als unpolitisch motiviert
aufrecht?

Berlin, den 25. August 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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