BT-Drucksache 18/13469

Auswirkungen der Sanktionspolitik auf zivilgesellschaftliche Beziehungen zur Halbinsel Krim

Vom 29. August 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13469
18. Wahlperiode 29.08.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu und der
Fraktion DIE LINKE.

Auswirkungen der Sanktionspolitik auf zivilgesellschaftliche Beziehungen zur
Halbinsel Krim

Die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE
LINKE., „Die Deutsch-Ukrainische Zusammenarbeit und die Zivilgesellschaft“
(Bundestagsdrucksachen 18/13117, 18/13361) zeigt nach Auffassung der Frage-
steller sehr deutlich, wie eingeschränkt zivilgesellschaftliche Beziehungen zwi-
schen Deutschland und der Halbinsel Krim sowie den Gebieten Donezk und
Luhansk noch möglich sind und dass es diesbezüglich keinerlei Aktivitäten der
Bundesregierung zur Unterstützung solcher Beziehungen gibt. So bestätigte die
Bundesregierung bspw., dass die Mittel für die Ukraine allein in den von der Re-
gierung kontrollierten Gebieten eingesetzt werden.
Am 21. Juli 2017 wurde die Wohnung von Jörg Tauss, Vorsitzender der West-
Ost-Gesellschaft in Baden-Württemberg e. V. (WOG), von der Kriminalpolizei
Karlsruhe mit vier Beamten des Bereichs Wirtschaftskriminalität durchsucht
(Reise nach Balaklava, Neues Deutschland, 9. August 2017). Der Durchsu-
chungsbeschluss erfolgte nach Informationen des Betroffenen nach Anzeige
durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) wegen einer
Krim-Reise, die die WOG im Jahr 2016 durchgeführt hatte (siehe auch Durchsu-
chungsbeschluss des Amtsgerichtes Karlsruhe, nachlesbar unter www.russland-
bruecke.de bzw. www.wog-bawue.de). Der Vorwurf lautet auf Verstoß gegen das
Außenwirtschaftsgesetz. Vor der Reise hatte der Koordinator für die zwischenge-
sellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der
Östlichen Partnerschaft der Bundesregierung, Dr. h. c. Gernot Erler, dem Be-
troffenen in einer Antwort auf ein Schreiben bestätigt, dass die Sanktionen gegen
Russland „laut Auswärtigem Amt (…) nur Reiseunternehmen aus der EU“ be-
treffen (www.russlandbruecke.de/wp-content/uploads/2017/07/WOG-Ausw%C3
%A4rtiges-Amt-Krim-Tauss-Hausdurchsuchung-1-2.pdf). Ihnen sei es „nicht mehr
erlaubt, Tourismusdienstleistungen auf der Krim oder in Sewastopol anzubieten“.
Zugleich bestätigte Erler jedoch, dass „bei Vereinen, die das nicht gewerbsmäßig
machen (…) keine Bedenken“ bestünden.
Ein weiterer Vorfall in Bezug auf die Sanktionspolitik betrifft die deutsche Mu-
sikgruppe Scooter. Nach einem Auftritt beim Musikfestival „ZBFest“ in Ba-
laklawa nahe Sewastopol am 4. August 2017 ermittelten die ukrainischen Behör-
den wegen „illegaler Einreise“ (Ukraine ermittelt gegen Scooter wegen Krim-
Auftritt, Deutsche Welle, 5. August 2017). Der Botschafter der Ukraine in
Deutschland, Andrej Melnyk, wird in diesem Kontext mit den Worten zitiert, dass
es sich um „ein Verbrechen mit schwerwiegenden rechtlichen Folgen“ und eine
„gravierende Straftat“ handele, die weltweit geahndet wird. Den Musikern droh-
ten bis zu acht Jahre Haft.

Drucksache 18/13469 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwieweit hat die Bundesregierung generell Einwände gegen zivilgesell-
schaftliche und völkerverständigende Kontakte zwischen in Deutschland und
den auf der Krim lebenden Menschen und ihren Organisationen einschließ-
lich deutschstämmiger Krim-Bewohnerinnen und -Bewohner (bitte begrün-
den)?

2. Sollen aus Sicht der Bundesregierung Kontakte dieser Art erschwert oder
stattdessen nicht sogar erleichtert werden?

3. Gibt es aus Sicht der Bundesregierung Einwände gegen die Fortführung der
bestehenden Städtepartnerschaften zwischen Baden-Baden und Jalta (seit
2000), Ludwigsburg und Jevpatorija (seit 1990) sowie Heidelberg und Sim-
feropol (seit 1991)?
Wenn ja, warum, und wann und in welcher Weise hat die Bundesregierung
dies den Vertretern der Städte mitgeteilt?

4. Inwieweit waren bei vom Bund geförderten Aktivitäten (siehe Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache
18/13361) deutsche Städte mit ihren Städtepartnern auf der Krim auch nach
März 2014 einbezogen bzw. beteiligt (wenn ja, bitte die Aktivitäten, den
Zeitraum und die zuständige Bundesbehörde nennen)?

5. Durften die Vertreterinnen und Vertreter von Partnerstädten aus Deutschland
und der Krim nach dem März 2014 an deutsch-ukrainischen und/oder
deutsch-russischen Städtepartnerschaftskonferenzen nach Kenntnis der Bun-
desregierung teilnehmen, und inwieweit hat die Bundesregierung solche
Teilnahmen gefördert oder be- bzw. verhindert?

6. Besteht seitens der Bundesregierung eine Vorschrift zur Einstellung bzw.
Einschränkung der Vergabe von Austauschstipendien vom Deutschen Aka-
demischen Austauschdienst, vom Goethe-Institut und anderen vom Bund ge-
förderten deutschen Institutionen und Stiftungen an die Bewohnerinnen und
Bewohner der Halbinsel Krim sowie der nicht anerkannten „Volksrepubli-
ken“ (siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bun-
destagsdrucksache 18/13361)?

7. In welchem Umfang hat die Bundesregierung Bewohnerinnen und Bewoh-
nern der Krim seit April 2014 Visa für Reisen im Zusammenhang mit Städ-
tepartnerschaften, kulturellen, sportlichen oder Kinder- und Jugendaustau-
schen bzw. sonstigen Begegnungen, für Geschäftsreisen sowie für Familien-
angelegenheiten und sonstige private Reisen erteilt (bitte nach Reisezweck
und Jahren aufschlüsseln)?

8. Wie viele Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland sind
nach Kenntnis der Bundesregierung 2016 auf die Krim gereist, wie viele da-
von im Auftrag von Bundesbehörden oder öffentlich-rechtlichen Institutio-
nen (getrennt nach Einreise über die Ukraine bzw. Russland bzw. Drittstaa-
ten, aufgeschlüsselt nach Zweck der Reise)?

9. Hat die Bundesregierung Strafanzeige gegen die WOG wegen des Verstoßes
gegen das Außenwirtschaftsgesetz gestellt, und wenn ja, wann, und mit wel-
cher Begründung?

10. Inwieweit spiegelt die Auskunft des von der Bundesregierung eingesetzten
Koordinators für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russ-
land, Zentralasien und den Länder der Östlichen Partnerschaft, des Abgeord-
neten Dr. h. c. Gernot Erler (SPD), dass es keine Bedenken gegen eine von
einem nicht gewerbsmäßig tätigen Verein organisierte Reise auf die Krim
gibt, die Auffassung der Bundesregierung wieder?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13469

11. Wie viele andere gemeinnützige Organisationen aus Deutschland haben nach

Kenntnis der Bundesregierung seit April 2014 bzw. seit Verhängung der
Sanktionen durch die Europäische Union Reisen auf die Krim im Zusam-
menhang mit Städtepartnerschaften, kulturellen, sportlichen oder Kinder-
und Jugendaustauschen bzw. sonstigen Begegnungen angeboten, organisiert
und/oder durchgeführt, und inwiefern hatte dies für die jeweiligen Organisa-
tionen oder die in ihrem Auftrag handelnden Personen rechtliche Konsequen-
zen?

12. Inwieweit kann die Bundesregierung bestätigen, dass auch Schülerinnen und
Schüler aus Deutschland an internationalen Jugendbegegnungen auf der
Krim teilnehmen (Willy Wimmer besucht Krim: „EU-Politik ist geschichts-
vergessen und dumm“, Sputnik Deutschland, 26. April 2017)?

13. Hat die Bundesregierung seit März 2014 weitere Strafanzeigen wegen des
Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz im Zusammenhang mit Aktivi-
täten auf der Krim gegen Vereine, Institutionen, Unternehmen oder Personen
gestellt?
Wenn ja, welche (bitte die Anzahl der Anzeigen, darunter Anzeigen gegen
gemeinnützige Vereine, aufgeschlüsselt nach Jahren, und zuständige Bun-
desbehörde nennen)?
Wie viele dieser Anzeigen führten zu Gerichtsverfahren, und wie viele führ-
ten zu Schuldsprüchen?

14. Inwieweit war der Auftritt der Musikgruppe Scooter auf der Halbinsel Krim
Gegenstand von Gesprächen der Bundesregierung mit Vertreterinnen oder
Vertretern der Ukraine?

15. Hat die Bundesregierung oder haben deutsche Behörden Auslieferungsersu-
chen gegen alle oder einzelne Mitglieder der Band Scooter erhalten?

Wenn ja,
a) auf welchem Weg, wann, und gegen wen, und
b) wie hat sie darauf reagiert?

16. Wie viele Auslieferungsersuchen haben die Bundesregierung bzw. ihr unter-
stellte Behörden in den vergangenen fünf Jahren für Delikte erhalten, deren
Strafbarkeit sich im Kontext völkerrechtlich umstrittener Gebiete ergibt, wie
es im erwähnten Fall der Band Scooter zutrifft (bitte nach Jahren und zu-
grunde liegender Straftat aufschlüsseln)?

17. Wie viele „Red Notice“-Meldungen auf Grundlage ukrainischer Haftbefehle
im Zusammenhang mit der aus ukrainischer Sicht illegalen Einreise in die
Gebiete im Osten der Ukraine, die nicht unter Kontrolle der Regierung ste-
hen, bzw. der Krim haben deutsche Behörden seit 2014 erhalten (bitte nach
Jahren und zugrunde liegender Straftat aufschlüsseln)?

18. Informiert die Bundesregierung oder informieren ihr untergeordnete Behör-
den die Betroffenen solcher „Red Notice“-Meldungen?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 28. August 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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