BT-Drucksache 18/13418

Verlust von Artenreichtum in der Agrarlandschaft

Vom 21. August 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13418
18. Wahlperiode 21.08.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Steffi Lemke, Harald Ebner, Peter Meiwald, Matthias Gastel,
Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Stephan Kühn (Dresden), Christian Kühn
(Tübingen), Dr. Julia Verlinden, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verlust von Artenreichtum in der Agrarlandschaft

Dem Ziel, die biologische Vielfalt zu erhalten und ihren Verlust aufzuhalten, hat
sich Deutschland in vielfältiger Weise verpflichtet: mit den Aichi-Zielen, dem
7. Umweltaktionsprogramm 2014 – 2020 der EU und der Nationalen Strategie
zur biologischen Vielfalt. Trotz dieser zahlreichen Verpflichtungen wird das Ziel bis
2020 nicht erreicht werden (www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/
Broschueren/indikatorenbericht_biologische_vielfalt_2014_bf.pdf, www.birdlife.
org/sites/default/files/score_card_booklet_final.pdf). Die Wissenschaft beschreibt
diesen Verlust an biologischer Vielfalt bereits als Kipppunkt im weltweiten Öko-
system (www.pik-potsdam.de/aktuelles/pressemitteilungen/vier-von-neun-planetaren-
grenzen201d-bereits-ueberschritten, www.nature.com/climate/2009/0910/full/
climate.2009.99.html?foxtrotcallback=true, www.birdlife.org/sites/default/files/
score_card_booklet_final.pdf). Ist dieser überschritten, treten Veränderungen ein,
die das Leben der Menschen weltweit irreversibel verändern.
Die Landwirtschaft nutzt mehr als die Hälfte der Fläche Deutschlands und hat
deswegen eine besondere Verantwortung für die biologische Vielfalt. Doch ihre
Rolle hat sich stark gewandelt: In den letzten Jahrzehnten wurde die Landwirt-
schaft mit ihrer steigenden Intensivierung, einem erhöhten Einsatz von Pestiziden
und Düngung und Umwandlung von wertvollen Naturflächen von einer Bewah-
rerin zu einer Bedrohung der biologischen Vielfalt. Der Zustand der Vögel und
Insekten in dieser Agrarlandschaft wurde in der Vergangenheit bereits themati-
siert, aber auch die biologische Vielfalt anderer Tiere, Pflanzen und Lebensräume
ist bedroht. Dies zeigt auch der Rechenschaftsbericht 2017 der Bundesregierung
zur Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie bewertet die Bundesregierung die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft?

Welche Entwicklungen gab es hier insgesamt?
Und welche Entwicklung erwartet sie hier?

2. In welchen Bereichen ist laut Bundesregierung die biologische Vielfalt in der
Agrarlandschaft besonders gefährdet?
Welche Entwicklungen haben hier bisher stattgefunden, und welche weiteren
erwartet die Bundesregierung hier?

Drucksache 18/13418 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Wie bewertet die Bundesregierung den Zustand der biologischen Vielfalt in
der Agrarlandschaft im Vergleich zu anderen Lebensräumen?

4. Wie beziffert die Bundesregierung die im Agrar-Report 2017 aufgeführten
Kosten aus der Biodiversitätskrise (aufgeschlüsselt für einzelne Bereiche)
(„Die unverminderte Tendenz zur Intensivierung der agrarischen Nutzung
führt […] zu einer immer größeren Biodiversitätskrise, die mit den gegen-
wärtigen Mitteln offensichtlich nicht zu bewältigen ist und letztlich die Ge-
sellschaft in mehrerlei Hinsicht teuer zu stehen kommen wird“, Agrar-Report
2017, Bundesamt für Naturschutz – BfN – 2017, S. 6), und welche weiteren
Auswirkungen der Biodiversitätskrise und des Verlusts von Lebensraumviel-
falt sieht sie (für Landwirtschaft, Bestäubung, Schädlingsbekämpfung, Bo-
denfruchtbarkeit, Wasserqualität und weitere Ökosystemleistungen)?

5. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Einschätzung, dass „sich auf diese Weise in der Agrarlandschaft noch
nicht einmal ein Mindestniveau an biologischer Vielfalt aufrechterhalten“
ließe (Agrar-Report 2017, BfN, 2017, S. 19)?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die Situation der Vögel in der Agrarland-
schaft, insbesondere mit Blick auf die Arten- und Individuenzahl?

7. Wie bewertet die Bundesregierung die Situation der Insekten in der Agrar-
landschaft, insbesondere mit Blick auf Artenzahlen und Biomasse?

8. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Ergebnis
einer aktuellen Studie, wonach durch den verbreiteten Einsatz des Neoni-
kotinoids Thiamethoxam eine Wahrscheinlichkeit von mindestens 28 Pro-
zent besteht, dass die Dunkle Erdhummel ausstirbt (vgl. www.spiegel.de/
wissenschaft/natur/neonicotinoide-so-gefaehrlich-sind-pflanzenschutzmittel-
fuer-hummeln-a-1162778.html)?

9. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung von Vertretern des Umweltbun-
desamtes, wonach der Rückgang bei Insektenpopulationen ca. mit dem Be-
ginn des Einsatzes von Neonikotinoiden zusammenfällt, und wenn nein, warum
nicht (vgl. www.spiegel.de/wissenschaft/natur/neonicotinoide-so-gefaehrlich-
sind-pflanzenschutzmittel-fuer-hummeln-a-1162778.html)?

10. Hat sich die Bundesregierung im EU-Ministerrat für eine möglichst frühzei-
tig stattfindende Debatte über den Vorschlag der EU-Kommission für ein
Freilandverbot von drei Neonikotinoiden eingesetzt, der bereits vom Um-
weltausschuss des Europäischen Parlaments debattiert und im Kern unter-
stützt wurde, und wenn nein, warum nicht?

11. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zur Bestandssituation und -ent-
wicklung der in Deutschland heimischen Regenwurmarten, und welche Fol-
gen hat dies für die Bodenstruktur, Bodenfruchtbarkeit und Pflanzengesund-
heit?

12. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Situation des Feldhamsters?
Welche Populationen bestehen, und welche Rückgänge sind hier zu ver-
zeichnen?

13. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Population des Feld-
hasen und die Abschusszahl dieser Tierart seit 1950 entwickelt (bitte nach
Jahren aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13418

14. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Situation der Ackerwildkräu-

ter und wildwachsenden Pflanzenarten, und wie bewertet die Bundesregie-
rung diese?
Welche Rückgänge sind hier zu verzeichnen (Anzahl der Arten, Populations-
anzahlen)?
Welche Arten sind besonders betroffen (mit Zahlen zu Entwicklung und
Rückgang)?

15. Wie ist laut Bundesregierung der Zustand der biologischen Vielfalt auf Öko-
system- bzw. Landschaftsebene, und wie bewertet die Bundesregierung die-
sen?

16. Wie ist laut Bundesregierung die Gefährdungslage für die einzelnen Bio-
toptypen (nach Gefährdungskategorie)?

17. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Zustand folgender Biotope,
und welche Entwicklung beim Artenbestand ist hier zu verzeichnen?
Jeweils wie viel Prozent sind hier gefährdet, und welcher Fläche entspricht
dies (bitte deutschlandweit und nach Bundesländern aufgeschlüsselt) für
a) Offenlandbiotope,
b) Wiesen und Weiden,
c) Streuobstäcker/-wiesen,
d) Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert,
e) Moore,
f) Grünland
(mit Aussagen zu Fläche und Qualität)?

18. Wie bewertet die Bundesregierung die Bedrohung der biologischen Vielfalt
durch den erhöhten Eintrag von Stickstoff in Biotope?

19. Wie bewertet die Bundesregierung die Bedeutung von Grünland für die Bio-
diversität, und welchen Einfluss haben Verlust und Verschlechterung des
Grünlandes auf diese?
Was bedeutet der Rückgang von Grünland für Farn- und Blütenpflanzen, und
welche Rückgänge sind hier zu verzeichnen (Prozent, Arten, die besonders
betroffen sind)?

20. Wie bewertet die Bundesregierung die Bedeutung von Streuobstwiesen/
-äckern für die biologische Vielfalt, und welche Auswirkungen sieht sie
durch ihren Rückgang?

21. Welche Ziele der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt werden im
Bereich Landwirtschaft/Agrarlandschaft nach Kenntnis der Bundesregierung
erreicht?
Welcher Status und welche Trends liegen bei den Indikatoren vor, die mit
der Landwirtschaft/dem Agrarland in Verbindung stehen (aktuellste Zah-
len)?

22. Auf welchem Anteil der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche in
Deutschland wird nach Kenntnis der Bundesregierung Vertragsnaturschutz
praktiziert?

Welche Entwicklung gibt es hier seit 1990 (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?
23. Wie schätzt die Bundesregierung die bisherigen Auswirkungen der Gree-

ning-Maßnahmen (im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik in Europa)
auf die Entwicklung der Biodiversität bei Arten in Agrarlandschaften ein?

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24. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu positiven Wirkungen des

Ökolandbaus auf die Artenvielfalt im Vergleich zu konventionell bewirt-
schafteten Flächen?

25. Welchen Anteil machen nach Kenntnis der Bundesregierung Zwischen-
früchte und Hülsenfrüchte an den ökologischen Vorrangflächen in Deutsch-
land aus, und wie ist der Nutzen dieser Flächen für die Biodiversität im Ver-
gleich zu anderen Flächentypen wie Brachland und Pufferstreifen einzu-
schätzen?

Berlin, den 18. August 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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