BT-Drucksache 18/1337

Hochschulpakt fortsetzen und aufstocken

Vom 7. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1337
18. Wahlperiode 07.05.2014

Antrag
der Abgeordneten Kai Gehring, Beate Walter-Rosenheimer, Özcan Mutlu,
Katja Dörner, Dr. Franziska Brantner, Ulle Schauws, Doris Wagner, Maria
Klein-Schmeink, Tabea Rößner, Elisabeth Scharfenberg, Kordula
Schulz-Asche, Dr. Harald Terpe und der Fraktion der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hochschulpakt fortsetzen und aufstocken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Hochschulen in Deutschland sind zentrale Orte unserer Wissensgesellschaft
und -ökonomie. An ihnen wird studiert, gelehrt, geforscht und gearbeitet. Hier
entstehen innovative und kreative Antworten auf die großen Herausforderungen
unserer Zeit und Zukunft. Während sich die Hochschulen seit Jahren in einer im-
mer schwieriger werdenden Finanzlage befinden , haben sich die Anforderungen
an sie vervielfacht. Dies betrifft in besonderem Maße ihre Ausbildungsfunktion:
Die stark gestiegene Zahl der Studierenden markiert einen erfreulichen Studieren-
den-Boom. Dieser wird im kommenden Jahrzehnt nicht abebben, sondern sich
fortsetzen. Daher müssen auch die gesamtstaatlichen Anstrengungen verstetigt
werden, Studienplätze und Personalkapazitäten auszubauen sowie die Studienbe-
dingungen und Qualität der Hochschulen zu steigern. Der Hochschulpakt als ge-
meinsames Instrument von Bund und Ländern ist unerlässlich für Bildungs- und
Chancengerechtigkeit sowie zur Fachkräftesicherung.

Gemeinsam mit den Bund-Länder-Sonderprogrammen „Pakt für Forschung und
Innovation“, der Exzellenzinitiative und dem „Qualitätspakt Lehre“ wurden durch
den Hochschulpakt in den letzten Jahren erhebliche zusätzliche Mittel in das Wis-
senschaftssystem investiert. Das Auslaufen dieser Wissenschaftspakte muss ge-
nutzt werden, die verschiedenen Instrumente besser aufeinander abzustimmen, zu
einer engeren Kooperation zwischen Bund und Ländern in Bildung und Forschung
sowie zu einer insgesamt besseren Finanzierung des Wissenschaftssystems zu
kommen. Die Hochschulen und die Forschungseinrichtungen brauchen langfristige
Planungssicherheit und Verlässlichkeit.

Seit 2007 werden die Hochschulen durch den „Hochschulpakt 2020“ von Bund und
Ländern darin unterstützt, zusätzliche Plätze für Studienanfängerinnen und
-anfänger zu schaffen. Die bisherige und die laufende Paktphase reichte weder für
einen auskömmlichen quantitativen noch den notwendigen qualitativen Ausbau der
Hochschulen aus. Die Orientierung an einer jeweils deutlich zu geringen Studien-
anfängerzahl hat sich als ständiger Hemmschuh erwiesen: Die quasi permanenten
Verhandlungen zwischen Bund und Ländern – allein die aktuelle Paktphase 2
(2011 bis 2015) musste bereits zweimal aufgestockt werden – binden viel politi-
sche Kraft und verunsichern die Hochschulen, ob und wann die Finanzmittel tat-

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sächlich fließen. Alle wesentlichen Prognosen gehen heute davon aus, dass auch
über 2020 hinaus anhaltend viele junge Menschen ein Studium beginnen. Es wäre
fatal, diese Potenziale an Talenten zu vergeuden. Fehlende Studienplätze verhin-
dern Teilhabe, vergrößern die Fachkräftelücke und erweisen sich als Innovations-
bremse.

Am 12. April 2013 hat die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) beschlos-
sen, die zweite Phase des Hochschulpaktes gegenüber der ursprünglichen Planung
zu verdoppeln. Nun muss es darum gehen, den Beschluss im Bundeshaushalt für
2014 und in der weiteren Finanzplanung tatsächlich abzubilden. Die Mittel müssen
im Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zusätzlich zu
allen anderen Verpflichtungen bereitgestellt werden. Andernfalls droht die fatale
Folge, dass in anderen BMBF-Bereichen wie der Ausbildung oder der Forschungs-
förderung zu Gunsten des Hochschulpaktes gekürzt werden müsste. Außerdem
muss die neue Finanzlücke geschlossen werden, die aufgrund höher ausgefallener
Studienplatznachfrage in den letzten beiden Jahren eingetreten ist.

Es darf aber nicht nur um das Bereitstellen des Geldes durch den Bund gehen.
Auch muss die Verwendung der Gelder enger mit den notwendigen Zielen ver-
knüpft werden: Der Hochschulpakt muss zu einem wirksameren Instrument wer-
den, mit dem alle Studienberechtigten einen Studienplatz für ein erfolgreiches
Studium bekommen. Damit aus Anfängern auch Absolventen werden, muss es um
flächendeckend bessere Studienbedingungen gehen. Außerdem muss der Hoch-
schulpakt verbindlich dafür genutzt werden, die Perspektiven des wissenschaftli-
chen Nachwuchses zu verbessern.

Die dritte Paktphase (2016 bis 2020) sollte noch in diesem Jahr verhandelt und
vereinbart werden. Dabei ist von der Einführung zusätzlicher Indikatoren wie der
Absolventenquote abzusehen. Neben Schwierigkeiten bei der Erfolgszurechnung
vor allem beim Hochschulwechsel könnte ein Fehlanreiz gesetzt werden, Leis-
tungs- und Qualitätsanforderungen abzusenken. Es liegt in der Selbstverantwortung
der Hochschulen und im hochschulpolitischen Interesse, ein erfolgreiches Studium
über bessere Studienbedingungen zu ermöglichen. Dafür ist der zielführende Weg,
den Finanzierungsbetrag von Bund und Ländern pro Studienanfänger auf zumin-
dest OECD-Durchschnitt anzuheben.

Zu einem zukunftsfähigen und wissenschaftsadäquaten Hochschulpakt gehört auch
die schrittweise Anhebung der Programmpauschalen. Programmpauschalen in
Höhe von 20 Prozent der Projektkosten werden den Hochschulen seit 2007 über
die so genannte zweite Säule des Hochschulpaktes gewährt. Mit ihnen wird der
negative Effekt abgemildert, dass bei der Einwerbung von DFG-Projektmitteln der
Grundhaushalt der jeweiligen Universität zusätzlich belastet wird. Allerdings reicht
die bisherige Pauschale bei Weitem nicht aus, um zu verhindern, dass eine erfolg-
reiche Drittmitteleinwerbung dazu führt, dass an anderen Stellen in der Hochschule
zusätzlich gespart werden muss. Die Programmpauschale sollte daher schrittweise
jährlich um je 5 Prozentpunkte bis auf 50 Prozent erhöht und weiterhin vollständig
vom Bund finanziert werden.

Solange das Kooperationsverbot im Grundgesetz eine weitergehende Kooperation
zwischen Bund und Ländern bei der Finanzierung der Hochschulen noch aus-
schließt, ist die Neujustierung des Hochschulpaktes ein erster wichtiger Schritt hin
zur notwendigen Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen bei Bildung
und Forschung.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) beschlossene
Aufstockung der zweiten Phase des Hochschulpaktes zu finanzieren. Die

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1337

im Rahmen der Aufstockung vereinbarten Mittel müssen zusätzlich zu den
bereits bisher vorgesehenen Mitteln in den Etat des BMBF eingestellt
werden. Darüber hinaus ist Vorsorge zu treffen für die neue Finanzlücke,
die aufgrund höher ausgefallener Studienplatznachfrage in den letzten bei-
den Jahren eingetreten ist;

2. mit den Ländern den Hochschulpakt 2020 neu zu justieren und fortzufüh-
ren. Die Vereinbarung soll noch 2014 unterzeichnet werden. Zu einer Neu-
justierung gehören:
a) Ausbau von Studienanfängerkapazitäten auf der Grundlage der ak-

tuellsten KMK-Studienanfängerprognose, je hälftig finanziert durch
Bund und Länder. Das „atmende System“ Hochschulpakt so anzule-
gen, dass eine automatische Anpassung des Finanzdeckels erfolgt,
wenn die tatsächlichen Studienanfängerzahlen die der Vereinbarung
zugrunde liegenden Zahlen übertreffen bzw. unterbieten;

b) schrittweise Erhöhung des Betrages pro Studienanfänger auf den
OECD-Durchschnitt;

c) Verbesserung der Lehre durch Vereinbarungen von Mindeststandards
hinsichtlich der Betreuungsschlüssel und Stärkung der Hochschuldi-
daktik und Weiterbildung im Bereich Lehrkompetenz; des Weiteren
Finanzierung von Tutoring- und Mentoringprogrammen an den
Hochschulen;

d) Verbesserung der Personalstrukturen durch die Schaffung von zusätz-
lichen, unbefristeten Beschäftigungsmöglichkeiten für qualifizierte
und erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch jen-
seits der Professur sowie durch ein Programm für Juniorprofessuren
mit Tenure-Track-Regelung;

e) die Programmpauschalen, die Universitäten seit 2007 im Rahmen der
DFG-Projektförderung pauschal als Overhead-Finanzierung erhalten,
fortzuführen und bezüglich der den Universitäten tatsächlich entste-
henden indirekten Projektkosten zu untersuchen und die Pauschalen
im Einvernehmen mit den Ländern gegebenenfalls schrittweise zu er-
höhen;

3. einen Vorschlag für eine Grundgesetzänderung vorzulegen, der das Koo-
perationsverbot überwindet;

4. mit den Ländern eine Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen
bei Bildung und Forschung unter fachpolitischer Federführung auf den
Weg zu bringen. Wesentlich ist es, zu besseren Kooperationsbeziehungen
zwischen Bund und Ländern in Bildung und Forschung zu kommen und
die notwendigen Ziele von mindestens 7 Prozent des Bruttoinlandspro-
dukts für Bildung und mindestens 3,5 Prozent für Forschung bis zum Jahr
2020 gesamtstaatlich zu erreichen. Darauf aufbauend ist das funktionale
Zusammenspiel der einzelnen Finanzierungsinstrumente in den Blick zu
nehmen, um darüber zur Weiterentwicklung der einzelnen Instrumente zu
kommen.

Berlin, den 6. Mai 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
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Begründung

Im letzten Jahr haben Bund und Länder eine Aufstockung des laufenden Hochschulpaktes vereinbart. Die in
der GWK jahresgenau ausgewiesenen Beträge für den Hochschulpakt müssen ihren Niederschlag im Haus-
halt des BMBF finden. Das gilt nicht im aktuellen Haushaltsentwurf des BMBF. In der Finanzplanung ist
keine weitere Steigerung des Etats vorgesehen, was dem Aufstockungsbeschluss widerspricht.

Hinzu kommt, dass die in der GWK beschlossene Aufstockung nicht ausreicht. Das belegen die Studienan-
fängerzahlen des Statistischen Bundesamts von Anfang März 2014. In den letzten beiden Jahren kamen über
20 000 Studienanfänger mehr an die Universitäten und Fachhochschulen als prognostiziert. Schon jetzt be-
trägt die Finanzierungslücke, die der Bund zu tragen hat, etwas mehr als 260 Mio. Euro.

Die gemeinsame Finanzierung von Studienplätzen von Bund und Ländern muss fortgesetzt und verstetigt
werden. Denn anders als in ersten Prognosen vorhergesagt werden auch über 2020 hinaus anhaltend viele
junge Menschen ein Studium beginnen.

Der Vorschlag, schon jetzt über den Hochschulpakt zu Verbesserungen bei den Personalstrukturen zu kom-
men, ist unabhängig zu sehen von ersten Überlegungen von Bundesministerin Prof. Dr. Johanna Wanka, eine
bessere Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zur Bedingung für einen Einstieg des Bundes in die
Grundfinanzierung der Hochschulen zu machen.

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