BT-Drucksache 18/13323

Vereinbarkeit der Infrastrukturabgabe mit den Mautplänen der EU-Kommission

Vom 31. Juli 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13323
18. Wahlperiode 31.07.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Herbert Behrens, Sabine Leidig, Caren Lay,
Eva Bulling-Schröter, Annette Groth, Thomas Lutze, Birgit Menz,
Dr. Kirsten Tackmann, Hubertus Zdebel und der Fraktion DIE LINKE.

Vereinbarkeit der Infrastrukturabgabe mit den Mautplänen der EU-Kommission

Am 31. Mai 2017 hat die Europäische Kommission ihre Pläne für die zukünftige
Ausgestaltung europäischer Mautsysteme vorgestellt. Demnach sollen Umwelt-
belange stärker in den Vordergrund rücken, indem z. B. eine Anlastung durch
Lärm- und Schadstoffemissionen verursachter Kosten erleichtert wird, welche
bisher teilweise nicht von den Verursachern zu tragen sind.
Wesentlicher Bestandteil der Mautpläne der Europäischen Kommission ist zudem
ein Verbot von zeitabhängigen Vignettensystemen, welche bis 2027 vollends auf
eine fahrleistungsabhängige Maut umzustellen sind, sofern bereits Mautsysteme
in den Mitgliedsländern bestehen. Einen Zwang zur Einführung privater Nutzer-
finanzierung soll es weiterhin nicht geben (vgl. u. a. www.sueddeutsche.de/auto/
verkehr-eu-kommission-plant-einheitliche-maut-fuer-ganz-europa-1.3529514).
Die in diesem Jahr zum Zweck der Beendigung eines Vertragsverletzungsverfah-
rens geänderte Infrastrukturabgabe ist jedoch als Vignettensystem ausgestaltet,
welches bei Umsetzung der Kommissionspläne ab 2027 keinen Bestand mehr
hätte. Welchen Einfluss diese neue Sachlage auf die Umsetzung der Infrastruk-
turabgabe in Deutschland hat, soll im Rahmen dieser Anfrage ermittelt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie bewertet die Bundesregierung die in der Vorbemerkung genannten Vor-

schläge der Europäischen Kommission zum schrittweisen Verbot von zeit-
bezogenen Vignetten vor dem Hintergrund, dass es sich bei der beschlosse-
nen Infrastrukturabgabe um ein zeitbezogenes Mautmodell handelt?

2. Welche Gespräche wurden im Vorfeld der Veröffentlichung der Mautpläne
der EU seitens der Bundesregierung diesbezüglich mit der Europäischen
Kommission geführt, und welche dieser Gespräche standen im Kontext der
Konsultationen über die Beendigung des Vertragsverletzungsverfahrens zur
Infrastrukturabgabe?

3. Aus welchen Gründen beabsichtigt die Bundesregierung, „einem privaten
Dritten die Errichtung und den Betrieb eines Abgabenerhebungssystems zu
übertragen (Betreiber)“ (vgl. Bundestagsdrucksache 18/3990)?

Drucksache 18/13323 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Hat die Bundesregierung diesbezüglich ein Interessenbekundungsverfahren
gemäß § 7 Absatz 2 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) durchgeführt?
Wenn ja, aus welchen Gründen sind Aufbau und Betrieb des Abgabenerhe-
bungssystems ein „geeigneter Fall“ für die private Erbringung dieser staatli-
chen Aufgabe, und welchen privaten Anbietern ist die Möglichkeit einge-
räumt worden, darzulegen, inwieweit sie diese „öffentlichen Zwecken die-
nenden wirtschaftliche Tätigkeiten nicht ebenso gut oder besser erbringen
können“ (§ 7 Absatz 2 BHO)?
Wenn nein, wie wurde gemäß § 7 Absatz 1 BHO geprüft, dass die „Ausglie-
derung und Entstaatlichung oder Privatisierung“ in diesem Fall wirtschaftli-
cher sind als die staatliche Leistungserbringung, und mit welchen Mehrkos-
ten einer staatlichen Leistungserbringung wäre nach Kenntnis der Bundesre-
gierung zu rechnen?

5. Aus welchen Gründen soll im Gegensatz zum Gesetzentwurf vom 11. Feb-
ruar 2015, in dem nur von einer Übertragung der „Erhebung der Infrastruk-
turabgabe für Kraftfahrzeuge, die nicht in der Bundesrepublik Deutschland
zugelassen sind“ (Bundestagsdrucksache 18/3990, S. 10), an einen privaten
Dritten die Rede ist, nunmehr die Erhebung der Pkw-Maut von allen Abga-
bepflichtigen durch einen privaten Dritten erfolgen?

6. Aus welchen Gründen wurden der Betrieb des Infrastrukturabgabensystems
und die Kontrolle der Entrichtung der Infrastrukturabgabe getrennt ausge-
schrieben (siehe www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/pkw-maut-dobrindt-
startet-ausschreibung-fuer-autobahngebuehr-a-1151853.html)?

7. Welche Laufzeit sollen die zu schließenden Verträge haben?
8. Welche Probleme ergeben sich nach Auffassung der Bundesregierung, wenn

ein Verbot von Vignettensystemen durch die EU vor Ende der zu schließen-
den Verträge wirksam wird, und welche Lösungsansätze sieht die Bundesre-
gierung?

9. Welche Studien o. Ä. zur Untersuchung des Mobilitätsverhaltens der Bevöl-
kerung wurden seitens der Bundesregierung oder nachgeordneter Behörden
in der 18. Wahlperiode ausgeschrieben oder vergeben, und welchen Auf-
tragswert haben diese Studien jeweils (bitte unter Angabe einer Kurzbe-
schreibung der Studien aufführen)?

10. Wird in einer bzw. mehreren dieser Studien auch das Mobilitätsverhalten
ausländischer Verkehrsteilnehmer untersucht (bitte begründen)?

Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, mit welcher Begründung?
Und welche Kosten würden nach Kenntnis der Bundesregierung entstehen,
wenn man dies mit Blick auf die Nutzung der Autobahnen durch ausländi-
sche Fahrzeughalterinnen und -halter nachholen würde?

11. Wie viele Haushaltsmittel sind für Vorbereitungsmaßnahmen zur Einfüh-
rung der Infrastrukturabgabe (inkl. externe Erstellung von Gutachten und be-
hördlichem Personalbedarf) sowie der Anpassung der Kfz-Steuerbeschei-
dung insgesamt bereits verausgabt worden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13323

12. Wie verteilen sich diese Ausgaben auf folgende Posten:

a) Sachverständige,
b) Bezüge und Nebenbezüge der planmäßigen Beamtinnen und Beamten,
c) Entgelte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
d) Entgelte für Arbeitskräfte mit befristeten Verträgen, sonstige Beschäfti-

gungsentgelte (auch für Auszubildende) sowie Aufwendungen für neben-
beruflich und nebenamtlich Tätige,

e) Erwerb von Fahrzeugen,
f) Sachkosten im Zusammenhang mit dem Mautbetrieb,
g) Sachkosten im Zusammenhang mit der Kontrolle der Einhaltung der

Mautpflicht,
h) Ausgaben für Aufträge und Dienstleistungen,
i) Beratungsleistungen sowie
j) sonstige Kosten?

13. Sind vor der Ausschreibung der beiden oben genannten Aufträge zur Infra-
strukturabgabe seitens der Bundesregierung die haushaltsrechtlichen Vo-
raussetzungen für diese Ausschreibung geschaffen worden, indem Verpflich-
tungsermächtigungen in voller Höhe der jeweiligen Auftragswerte beim
Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages beantragt wurden?

Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum wurden diese Aufträge trotzdem ausgeschrieben?

14. Welche Aufträge (Beratung, Dienstleistung, Beschaffung etc.) wurden im
Zusammenhang mit Vorbereitungsmaßnahmen zur Einführung der Infra-
strukturabgabe ausgeschrieben, und welche davon wurden bereits vergeben?

15. Welches Auftragsvolumen in Mio. Euro haben die ausgeschriebenen Auf-
träge insgesamt, und welches haben die bereits vergebenen Aufträge?

16. Welche Aufträge wurden im Zusammenhang mit Vorbereitungsmaßnahmen
zur Einführung der Infrastrukturabgabe ohne Ausschreibung vergeben, und
auf welche Höhe beläuft sich das Auftragsvolumen dieser Aufträge jeweils?

17. Wurden die durch das Infrastrukturabgabengesetz notwendig werdenden
Verordnungen, so u. a. zur Frage der Erstattung der Abgabe, wenn man keine
Bundesfernstraßen nutzt, bereits erstellt, und wann ist mit deren Vorlage zu
rechnen?

18. Ist das Vertragsverletzungsverfahren, durch das die Umsetzung der Infra-
strukturabgabe zwischenzeitlich ausgesetzt wurde, formell beendet?

Wenn ja, seit wann?
Wenn nein, wann und unter welchen Voraussetzungen wird dies nach Kennt-
nis der Bundesregierung geschehen?

19. Wird die Bundesregierung die Umsetzung der Infrastrukturabgabe erneut
aussetzen, sobald vor dem Europäischen Gerichtshof eine Klage gegen die
Infrastrukturabgabe anhängig wird (bitte begründen)?

Berlin, den 31. Juli 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.