BT-Drucksache 18/13302

Bericht des Bundeskriminalamtes über zurückkehrende Anti-IS Kämpfer

Vom 9. August 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13302
18. Wahlperiode 09.08.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan van Aken, Wolfgang Gehrcke, Heike Hänsel,
Andrej Hunko, Niema Movassat, Kersten Steinke und der Fraktion DIE LINKE.

Bericht des Bundeskriminalamtes über zurückkehrende Anti-IS-Kämpfer

Laut einer am 15. Juli 2017 im Magazin „FOCUS“ veröffentlichten Meldung hat
das Bundeskriminalamt (BKA) in einem sechzigseitigen vertraulichen Bericht an
die Landeskriminalämter vor „Terrorgefahren durch linksextremistische Syrien-
heimkehrer“ gewarnt. Konkret ist dabei von 38 Männern und Frauen aus der „lin-
ken Szene“ die Rede, die in Syrien und dem Nordirak von den mehrheitlich kur-
dischen Volks- und Frauenverteidigungseinheiten (YPG/YPJ) ausgebildet wor-
den sein sollen. Vier Rückkehrer werden demnach vom BKA als „relevante Per-
sonen“, also vermeintliche Führungsfiguren oder einflussreiche Unterstützer der
linken Szene in Deutschland eingestuft. Zurück in Deutschland sei „eine durch
die Erlebnisse vor Ort hervorgerufene gesteigerte Aktivität – auch von strafrecht-
licher Relevanz“ denkbar, heißt es laut „FOCUS“ in dem BKA-Dossier. Es seien
„aufgrund möglicher Radikalisierungsprozesse terroristische Bestrebungen […]
grundsätzlich in Betracht zu ziehen“ (vgl. www.mmnews.de/index.php/politik/11
9830-bka-syrien).
Vor dem Hintergrund des Engagements vieler Menschen im zivilen wie auch im
militärischen Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) und dem Auf-
bau und der humanitären Hilfe für die selbstverwaltete demokratische Föderation
Nordsyrien ist eine solche Stigmatisierung aus Sicht der Fragesteller zu hinterfra-
gen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was ist der Inhalt des im „FOCUS“ zitierten Berichts (bitte sowohl eine voll-

ständige Übersicht über die Titel der Kapitel und Zwischenüberschriften als
auch eine möglichst umfangreiche Zusammenfassung ihres Inhalts und ihren
jeweiligen Umfang darlegen)?

2. Inwieweit werden in diesem BKA-Bericht Personen, die nach Syrien oder in
den Nordirak ausgereist sein sollen, mit Namen oder Bildern erkenntlich dar-
gestellt?

3. Wie genau begründet die Bundesregierung die angeblich von zurückgekehr-
ten vor allem linksmotivierten Anti-IS-Kämpfern ausgehende „Terrorge-
fahr“ oder sonstige von diesen vermeintlich ausgehenden Gefährdungen?
a) Welche konkreten „terroristischen Bestrebungen“ sind nach Ansicht der

Bundesregierung „grundsätzlich“ in Betracht zu ziehen?
b) Gegen welche konkreten Ziele richten sich die von der Bundesregierung

vermuteten terroristischen Bestrebungen der zurückgekehrten linksmoti-
vierten Anti-IS-Kämpferinnen und -Kämpfer?

Drucksache 18/13302 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
c) Inwieweit bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung in der Bundesre-
publik Deutschland Strukturen des IS, gegen die sich „terroristische Be-
strebungen“ der Rückkehrerinnen und Rückkehrer richten könnten?

d) Inwieweit lässt sich nach Auffassung der Bundesregierung aus einer Teil-
nahme des bewaffneten Kampfes gegen den IS in Syrien oder dem Irak
ableiten, dass zurückgekehrte Anti-IS-Kämpferinnen und -Kämpfer in der
Bundesrepublik Deutschland „terroristische Bestrebungen“ gegen andere
Ziele als den IS entwickeln können (bitte diese Ziele benennen)?

4. Welche Art von „gesteigerter Aktivität“ in welchen Bereichen und mit wel-
chen Zielen in Deutschland sind nach Ansicht der Bundesregierung infolge
der „Erlebnisse vor Ort“ in Syrien bzw. dem Irak zu erwarten (www.
mmnews.de/index.php/politik/119830-bka-syrien)?
a) Inwieweit kann die Bundesregierung eine solche „gesteigerte Aktivität“

bei den bisherigen Rückkehrern aus dem Anti-IS-Kampf in Deutschland
erkennen, und inwieweit sieht sie von diesen Aktivitäten eine wie geartete
Gefährdung ausgehen?

b) Welche „gesteigerten Aktivitäten“ von „strafrechtlicher Relevanz“ sind
bei den Rückkehrern nach Ansicht der Bundesregierung denkbar?

c) Inwieweit, in wie vielen und welchen Fällen ist es bislang nach Kenntnis
der Bundesregierung bislang zu Aktivitäten mit welcher strafrechtlichen
Relevanz durch Rückkehrer gekommen?

5. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung hinsichtlich Rückkehrern
aus Syrien und dem Nordirak, die gegen den IS gekämpft haben?

6. In welchen und wie vielen Fällen und aufgrund welcher Straftatbestände gibt
es nach Kenntnis der Bundesregierung staatsanwaltschaftliche Ermittlungen
oder angeordnete Untersuchungshaft gegen Personen aus Deutschland, die
sich dem Kampf gegen den IS in Syrien oder dem Irak angeschlossen haben
(bitte angeben, ob sich die Ermittlungen gegen Personen richten, die bereits
nach Deutschland zurückgekehrt sind oder die noch in Syrien bzw. im Irak
vermutet werden)?

7. Inwiefern differenziert die Bundesregierung in ihrer Gefährdungseinschät-
zung zwischen Rückkehrern aus den Reihen des IS bzw. anderer als terroris-
tisch eingeschätzter dschihadistischer Gruppierungen und denjenigen aus
den Reihen der Anti-IS-Kämpfer (bitte unabhängig von der strafrechtlichen
Bewertung ausführlich begründen)?

8. Inwiefern ist die Bundesregierung in der Lage, zu differenzieren, aus wel-
chem Grund sich jemand nach Nordsyrien begeben hat?
Welche Mittel im Einzelnen stehen der Bundesregierung sowohl in der Bun-
desrepublik Deutschland als auch in Syrien bzw. im Irak zur Verfügung, um
dies jeweils festzustellen?

9. Gibt es im Zusammenhang mit den Volksverteidigungseinheiten YPG und
den Frauenverteidigungseinheiten YPJ bzw. deutschen Anti-IS-Kämpfern ir-
gendeine Form von Informationsaustausch deutscher Sicherheitsbehörden
mit ausländischen Behörden, wenn ja, mit welchen?
a) Gibt es im Zusammenhang mit YPG und YPJ bzw. deutschen Anti-IS-

Kämpfern irgendeine Form von Austausch mit türkischen Behörden,
wenn ja, mit welchen?

b) Gibt es im Zusammenhang mit YPG und YPJ bzw. deutschen Anti-IS-
Kämpfern irgendeine Form von Austausch mit Behörden der Region Kur-
distan-Irak, wenn ja, mit welchen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13302

10. Inwiefern setzten der Bundesnachrichtendienst (BND) und das Bundesamt

für Verfassungsschutz (BfV) nachrichtendienstliche Mittel gegen nach
Deutschland zurückgekehrte Anti-IS-Kämpferinnen und -Kämpfer ein?

11. Inwieweit und wie differenziert das BKA bei seiner Einschätzung der Ge-
fährlichkeit bezüglich der Rückkehrerinnen und Rückkehrer zwischen Per-
sonen, die in Nordsyrien in zivilen Strukturen humanitäre Aufbauarbeiten
geleistet haben, als Sanitäter in den Reihen der bewaffneten Anti-IS-Milizen
aktiv waren und solchen, die selbst bewaffnet gegen den IS gekämpft haben?

12. Welche konkreten Organisationen oder Zusammenschlüsse aus Nordsyrien
oder der Bundesrepublik Deutschland werden in dem BKA-Bericht im Zu-
sammenhang mit Menschen, die sich nach Nordsyrien oder dem Nordirak
begeben, benannt, und in welchem genauen Kontext geschieht dies?

13. Welche Einzelpersonen in welcher Funktion werden in dem BKA-Bericht im
Zusammenhang mit Reisebewegungen von Anti-IS-Kämpfern oder zivilen
Aufbauhelfern von oder nach Nordsyrien oder dem Nordirak benannt, und in
welchem Kontext geschieht dies (bitte ggf. anonymisiert darlegen)?

14. Auf welche Art von Quellen bezieht sich der BKA-Bericht, und welche Me-
thodik liegt ihm zu Grunde?

15. Gibt es dem Bericht und den Kenntnissen der Bundesregierung nach irgend-
welche Formen von Zusammenschlüssen von ehemaligen Anti-IS-Kämpfern
oder Zusammenschlüsse zur Werbung und Rekrutierung von neuen Anti-IS-
Kämpfern in Europa und konkret in der Bundesrepublik Deutschland?

16. Welche Haltung nimmt die Bundesregierung grundsätzlich gegenüber dem
Engagement von deutschen Staatsbürgern ein, die sich in der demokratischen
Föderation Nordsyrien humanitär, für den Wiederaufbau der zerstörten Orte
oder in der militärischen Verteidigung engagieren?

17. Von wie vielen deutschen Anti-IS-Kämpfern in Syrien und im Irak geht die
Bundesregierung aus, und wie viele sind nach Kenntnis der Bundesregierung
bis zum 1. August 2017 zurückgekehrt?
a) Wie viele von ihnen werden als relevante Personen oder Gefährder einge-

stuft?
b) Welchem Phänomenbereich werden die zurückgekehrten Anti-IS-Kämp-

fer, relevanten Personen und Gefährder jeweils zugeordnet (bitte im Ein-
zelfall begründen)?

c) Wie viele von ihnen waren in Syrien oder im Irak an Kampfhandlungen
beteiligt bzw. haben eine militärische Ausbildung durchlaufen?

18. Welches Fazit zieht der BKA-Bericht, und welche Konsequenzen zieht die
Bundesregierung aus dem Bericht?

19. Inwiefern werden der Bericht oder Teile bzw. Erkenntnisse daraus ausländi-
schen Polizeibehörden oder Geheimdiensten übermittelt (bitte vollständig
anführen)?

20. Welche Einstufung hat der BKA-Bericht?
21. Ist die Bundesregierung bereit, den BKA-Bericht oder Teile des Berichts

dem Deutschen Bundestag bzw. dem Innenausschuss des Deutschen Bun-
destages zur Verfügung zu stellen?
Wenn ja, wann, und in welcher Form?
Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 18/13302 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

22. Wie viele und welche deutschen Anti-IS-Kämpferinnen und -Kämpfer sind

nach Kenntnis der Bundesregierung wann und auf welche Weise in Syrien
oder im Irak getötet worden?
a) Inwieweit wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bezüglich der Tö-

tung von deutschen Anti-IS-Kämpferinnen und -Kämpfern bei Kampf-
handlungen von deutschen Behörden Ermittlungen aufgenommen?

b) Wurden aufgrund der vom Militärrat von Manbidsch bestätigten Tötung
des deutschen Anti-IS-Kämpfers Anton Leschek durch einen türkischen
Luftangriff am 24. November 2016 in Nordsyrien nach Kenntnis der Bun-
desregierung von deutscher Seite zwischenzeitlich anders als noch auf
Bundestagsdrucksache 18/11912 angegeben Ermittlungen aufgenommen
(http://kurdishquestion.com/article/3663-mmc-statement-on-michael-israel-
and-anton-leschek-killed-in-turkish-airstrikes-in-syria)?

Wenn nein, warum nicht?
c) Wurde die Tötung Anton Lescheks von der Bundesregierung in bilatera-

len Gesprächen mit der türkischen Regierung oder türkischen Behörden
thematisiert?
Wenn ja, wann, und in welcher Form?
Wenn nein, warum nicht?

d) Welche generellen Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der
Tötung eines deutschen Staatsbürgers durch einen Luftangriff des NATO-
Partners Türkei auf Kräfte der von den USA unterstützten Anti-IS-Koali-
tion im Norden Syriens?

Berlin, den 8. August 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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