BT-Drucksache 18/13289

Klimawandel und Biodiversität

Vom 7. August 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13289
18. Wahlperiode 07.08.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Steffi Lemke, Bärbel Höhn, Annalena Baerbock, Harald Ebner,
Matthias Gastel, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Stephan Kühn (Dresden),
Christian Kühn (Tübingen), Peter Meiwald, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Klimawandel und Biodiversität

Global betrachtet war 2016 das wärmste Jahr seit Beginn der Temperaturauf-
zeichnungen im Jahr 1880. Doch nicht nur das: Bereits die zwei Jahre davor wa-
ren jeweils Hitzerekordjahre. Seit 2001 sind 16 der bislang 17 wärmsten Jahre
gemessen worden. Auch das Jahr 2017 wird aller Voraussicht nach eines der
heißesten Jahre der letzten Jahrzehnte. Die Klimakrise ist damit nach Auffassung
der Fragesteller längst Realität.
Die Klimakrise sorgt jedoch nicht nur für eine Zunahme an Extremwetterereig-
nissen wie lange Hitzeperioden oder sintflutartige Niederschläge. Sie ist auch eine
der wesentlichen Treiberinnen des weltweiten Verlustes an Biodiversität. Die Ge-
schwindigkeit der menschgemachten Klimaerhitzung stellt eine kaum zu bewäl-
tigende Herausforderung für die Anpassungsfähigkeit der Natur da. Die Anzei-
chen für die Gefährdung der Ökosysteme sind jeden Tag aufs Neue in den loka-
len, regionalen und internationalen Medien zu erkennen. Der Weltklimarat warnte
bereits 2014 in seinem Fünften Sachstandsbericht vor schwerwiegenden Folgen
für die Ökosysteme und rechnet je nach gewähltem Szenario der Erhitzung mit
erheblichen Auswirkungen auf die Dienstleistungen der Natur.
Das prominenteste Beispiel ist das zum UNESCO-Weltkulturerbe (UNESCO:
Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur)
zählende Great Barrier Reef in Australien. Dieser Hotspot der Biodiversität
wurde kürzlich zum großen Teil für nahezu tot erklärt (www.sueddeutsche.de/
wissen/korallensterben-fehlfarben-1.3019648). Denn während sich Korallenriffe
normalerweise von Stresssituationen wie Hitze wieder erholen können, sind im
Great Barrier Reef im Zuge der El-Niño-Jahre zu viele Korallenbleichen hinter-
einander aufgetreten. Eine Erholung weiter Teile dieses Ökosystems ist nahezu
ausgeschlossen.
Die natürliche Ausdehnung verschiedener Ökosysteme und Lebensräume wird
maßgeblich von den klimatischen Begebenheiten bestimmt. Wenn sich im Zuge
der Klimakrise die Klimazonen verschieben und auch Niederschlagswerte sich
massiv verändern, hat dies einen erheblichen Einfluss auf die Zusammensetzung
der Ökosysteme. Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Arten verändern
sich. Die Bedingungen für Parasiten verbessern sich, invasive Arten finden
schnelleren Eingang in bestehende Ökosysteme und Jahrtausende alte Symbiosen
und Konkurrenzbeziehungen geraten aus dem Gleichgewicht.

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All diese Prozesse sind nicht nur in der Arktis und am Great Barrier Reef zu be-
obachten, sondern überall auf der Welt. Auch in Deutschland sind bereits heute
die Auswirkungen der Klimakrise auf Tiere, Pflanzen und ganze Ökosysteme
spürbar.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Veränderungen von Ökosystemen, Biotopen, Tier- und Pflanzenpo-

pulationen aufgrund der Klimakrise sind der Bundesregierung bekannt?
a) Welche Trends sieht die Bundesregierung hierbei?
b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus diesen Verän-

derungen und Entwicklungen?
2. Welche Einflüsse auf die Biodiversität erwartet die Bundesregierung unter

Berücksichtigung der verschiedenen Emissionsszenarien des Fünften Sach-
standsberichtes des Weltklimarats?
a) Welche Ökosysteme und Populationen im Gebiet der Bundesrepublik

Deutschland befinden sich unter den verschiedenen Szenarien besonders
in Gefahr?

b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus?
3. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über die Auswirkungen der

Klimakrise auf Zugvögel vor?
a) Gibt es hier Veränderungen mit Blick auf Heim- und Wegzugzeiten, Zug-

neigung, Brutbeginn, geografische Verbreitung und die demographische
Struktur von Zugvogelpopulationen?

b) Wie haben sich die Anzahl der Arten und die Populationsgrößen von Zug-
vögeln in den letzten 30 Jahren in Deutschland entwickelt, und welchen
Trend sieht die Bundesregierung hier?

4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Veränderungen der
Küstenökosysteme (inklusive der Bodenlebewesen) im Zuge des durch die
globale Erhitzung auftretenden Meeresspiegelanstiegs?
a) Welche Trends sieht die Bundesregierung hier?
b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus diesen Verän-

derungen und Entwicklungen?
5. Wie hat sich das Nahrungsangebot für Zugvögel und andere Arten im Wat-

tenmeer im Zuge des Meeresspiegelanstiegs entwickelt, und welche Folgen
sind nach Kenntnis der Bundesregierung bei einem weiteren Anstieg des
Meeresspiegels zu erwarten?

6. Wie hat sich die Anzahl der Arten Knutt, Pfuhlschnepfe oder Alpenstrand-
läufer nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten 30 Jahren entwi-
ckelt (bitte nach einzelnen Arten differenzieren)?

7. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung zu Auswirkungen der Kli-
makrise auf Insekten, insbesondere bestäubende Insekten wie Bienen und
Schmetterlinge, vor?
Welche Veränderungen sind in den Wechselwirkungen mit anderen Arten zu
erwarten?
a) Von welchen Auswirkungen geht die Bundesregierung für die Produktion

von Honig, Obst, Gemüse und Raps aus – sowohl kurz- als auch langfris-
tig?

b) Welche weiteren Auswirkungen erwartet die Bundesregierung auf die
Produktion von Nahrungsmitteln?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13289
8. Von welchen Auswirkungen geht die Bundesregierung für die Population
von Vögeln aufgrund des Mangels an Nahrung durch die Klimakrise aus?

9. Innerhalb welchen Emissionsszenarios erwartet die Bundesregierung das Er-
reichen von Kipppunkten mit irreversiblen Folgen für die Biodiversität in
Deutschland am ehesten (bitte begründen)?

10. Welche Rolle spielt nach Kenntnis der Bundesregierung die Klimakrise als
Selektionsfaktor für Arten in Deutschland?

11. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung vor zum Zusammenhang
zwischen der Klimakrise und der verstärkten Verbreitung invasiver Arten?
a) Auf welche invasiven Arten trifft dieser Zusammenhang zu?
b) Sieht die Bundesregierung hier Auswirkungen auf die Nahrungsmittel-

produktion (bitte begründen)?
c) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus?

12. Gehen nach Kenntnis der Bundesregierung von der Klimakrise und der damit
einhergehenden Verbreitung von invasiven Arten auch Gefahren für die
menschliche Gesundheit aus (bitte begründen)?
a) Wie sehen diese aus?
b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Entwick-

lung unter den möglichen Emissionsszenarien?
13. Teilt die Bundesregierung die Sorge der Fragestellenden, dass durch klima-

tische Veränderungen und die damit einhergehende Erhöhung der Tempera-
turen verbesserte Ansiedlungschancen für Schadorganismen bestehen (bitte
begründen)?
a) In welchen Regionen Deutschlands tritt nach Kenntnis der Bundesregie-

rung der Sphaeropsis sapinea (auch Diplodia-Pilz genannt) durch verän-
derte Klimabedingungen als Parasit auf?

b) Wie viele Bäume sind nach Kenntnis der Bundesregierung aufgrund des
Diplodia-Pilzes in Bundeswäldern bzw. Landeswäldern in den vergange-
nen zehn Jahren geschädigt (worden)?

c) Sind der Bundesregierung im Zuge der Auswirkungen der Klimakrise
weitere Parasiten bekannt, die vermehrt zu Baumsterben führen, wenn ja,
bitte einzeln auflisten, wenn nein, warum nicht?

d) Bei welchen für den Ackerbau relevanten Pflanzenkrankheiten und
-schädlingen und in welchen Regionen ist nach Kenntnis der Bundesre-
gierung mit einer Zunahme des Befalls zu rechnen?

14. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Auswirkungen der Kli-
makrise auf die Wälder in Deutschland?
a) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus?
b) Welche Entwicklungen sieht die Bundesregierung für das Eintreten ver-

schiedener Emissionsszenarien?
15. Welche in Deutschland vorkommenden Baumarten sind neben der Fichte

und der Buche nach Kenntnis der Bundesregierung bei veränderten klimati-
schen Bedingungen in Deutschland besonders gefährdet, und welche
Schlussfolgerungen zieht sie daraus?

16. Teilt die Bundesregierung die Sorge der Fragestellenden, dass im Zuge von
vermehrt auftretenden Hitzewellen auch die Waldbrandgefahr in Deutsch-
land steigen wird (bitte begründen), und welche Schlussfolgerungen zieht sie
daraus?

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17. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung vor zu den Auswirkungen

länger anhaltender Vegetationsphasen und daraus resultierender Verände-
rungen in den Wechselwirkungen von Arten, und sieht die Bundesregierung
hier Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion (bitte begründen)?

18. Welche Herausforderungen ergeben sich nach Einschätzung der Bundesre-
gierung durch die Auswirkungen der Klimakrise für den heimischen Natur-
schutz?

19. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Folgen eines erhöhten
CO2-Gehalts in der Luft?
Welche Pflanzengruppen haben nach Kenntnis der Bundesregierung durch
einen erhöhten CO2-Gehalt erhöhtes Wachstum, und ergeben sich hieraus
auch Einflüsse für die menschliche Gesundheit, wie zum Beispiel erhöhte
Pollenproduktion und Allergien (bitte begründen)?

20. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Entwicklung der deut-
schen Berggletscher in den letzten 20 Jahren?
a) Welche Auswirkungen sind nach Kenntnis der Bundesregierung bei ei-

nem Verlust der Berggletscher für die umliegenden Ökosysteme zu be-
fürchten?

b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus?
21. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über im Zuge der Klimaerhit-

zung veränderte Verhaltensmuster von Tieren in Hibernation?
a) Welche Auswirkungen eines veränderten Verhaltens sind der Bundesre-

gierung für die Wechselwirkung mit anderen Arten bekannt?
b) Welche Schlussfolgerungen zieht sie jeweils daraus?

22. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Entwicklung von Bö-
den im Zuge der Klimakrise?
a) Sind nach Kenntnis der Bundesregierung als Folge der Klimakrise ver-

mehrt Effekte der Bodenerosion oder des Humusverlustes zu erwarten
(bitte begründen)?

b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung jeweils daraus?
23. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Entwicklung der Bo-

denfeuchte und Temperatur von Böden im Zuge der Klimakrise?
a) Welche Entwicklungen sind im Falle der verschiedenen Emissionsszena-

rien zu erwarten?
b) Welche Folge für die Bodenfruchtbarkeit und Humusproduktion sind zu

erwarten?
c) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung jeweils daraus?

24. Wie reagieren nach Kenntnis der Bundesregierung Böden und Bodenorga-
nismen auf einen erhöhten CO2-Gehalt in der Luft?

25. Welche Forschungsprojekte der Bundesregierung haben sich in den letzten
Jahren mit den Auswirkungen der Klimakrise auf die Biodiversität beschäf-
tigt?

Zu welchen Ergebnissen kamen diese?
a) Welche Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung jeweils daraus ge-

zogen?
b) Welche weiteren Forschungsprojekte sind geplant?

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26. Sind der Bundesregierung Klimaanpassungsprojekte in Deutschland be-

kannt, die schädlichen Einfluss auf die Biodiversität zur Folge hatten, wenn
ja, welche, wenn nein, warum nicht?

27. Sind der Bundesregierung Klimaanpassungsprojekte bekannt, die durch
deutsche Institutionen finanziert wurden und sich schädlich auf die Biodiver-
sität auswirkten, wenn ja, welche?

Falls ja, welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus?
28. Welche Auswirkungen für die Biodiversität in Deutschland und insbeson-

dere für die Wälder in Deutschland sind der Bundesregierung bekannt, die
durch die Zunahme von Extremwetterereignissen auftreten (z. B. Starkregen,
Hitzewellen)?

29. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Temperaturentwick-
lung der Meeresgebiete in Deutschland in den letzten 100 Jahren, und welche
Schlussfolgerungen zieht sie daraus?
Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Einfluss der Erhitzung
der Meeresgebiete in Deutschland auf die Artenvielfalt der Meeresökosys-
teme?

30. Teilt die Bundesregierung die Sorge der Fragestellenden, dass im Zuge der
Klimakrise eine erhöhte Gefahr für die Eutrophierung von Meeresgebieten
besteht (bitte begründen)?

31. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die sogenannte Versaue-
rung der Meeresgebiete in Deutschland, und welche Kenntnisse hat die Bun-
desregierung über die daraus resultierenden Effekte auf einzelne wirtschaft-
lich relevante Arten?

Berlin, den 7. August 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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