BT-Drucksache 18/13250

Unterwanderungsversuche des türkischen Geheimdienstes beim Verfassungsschutz

Vom 31. Juli 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13250
18. Wahlperiode 31.07.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Jan van Aken, Annette Groth,
Heike Hänsel, Andrej Hunko und der Fraktion DIE LINKE.

Unterwanderungsversuche des türkischen Geheimdienstes beim
Verfassungsschutz

Der türkische Geheimdienst MIT versucht laut einem Bericht der Tageszeitung
„DIE WELT“, Informanten in das Bundesamt für Verfassungsschutz einzu-
schleusen, um den deutschen Inlandsgeheimdienst gezielt zu unterwandern. Si-
cherheitskreisen zufolge fielen die MIT-Kontakte der mutmaßlichen Spitzel, die
sich sowohl auf Stellen für türkischsprachige Mitarbeiter als auch in anderen Be-
reichen beworben hatten, bei routinemäßigen Überprüfungen auf. Nach Ansicht
des Geheimdienstexperten Erich Schmidt-Eenboom handelt es sich bei diesen
Unterwanderungsversuchen um eine neue Qualität. Bislang habe der MIT sich
darauf beschränkt, von deutschen Geheimdiensten genutzte Dolmetscher als
Zuträger zu rekrutieren. Im Bereich der Spionageabwehr des Bundesamtes für
Verfassungsschutz gibt es mittlerweile eine spezielle Einheit, die sich mit
Operationen des Geheimdienstes des NATO-Partners Türkei in Deutschland
befasst (www.welt.de/politik/deutschland/article166732068/Tuerkei-will-gezielt-
Spitzel-im-Verfassungsschutz-platzieren.html).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwieweit kann die Bundesregierung einen Bericht der Tageszeitung „DIE

WELT“ bestätigten, wonach der türkische Geheimdienst versucht, Infor-
manten in das Bundesamt für Verfassungsschutz einzuschleusen (www.
welt.de/politik/deutschland/article166732068/Tuerkei-will-gezielt-Spitzel-
im-Verfassungsschutz-platzieren.html)?
a) Seit welchem Zeitpunkt gibt es den Versuch des türkischen Geheimdiens-

tes, den Verfassungsschutz zu unterwandern?
b) Welche Überlegungen oder Ereignisse waren nach Ansicht der Bundesre-

gierung ausschlaggebend für den türkischen Geheimdienst, den Verfas-
sungsschutz direkt mit eigenen Informanten zu unterwandern?

c) Welche konkreten Ziele verfolgt der türkische Geheimdienst nach Kennt-
nis der Bundesregierung bei der versuchten Unterwanderung des Verfas-
sungsschutzes?

Drucksache 18/13250 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Bei wie vielen Bewerberinnen und Bewerbern auf Stellen beim Bundesamt
für Verfassungsschutz wurden Kontakte zum türkischen Geheimdienst fest-
gestellt (bitte nach Jahren aufgliedern)?
a) Zu welchem Zeitpunkt des Bewerbungsvorgangs bzw. im Rahmen wel-

cher Überprüfungen der Bewerber fielen die Kontakte zum türkischen Ge-
heimdienst auf?

b) Welcher Art waren diese Kontakte zum türkischen Geheimdienst?
c) Inwieweit und aufgrund welcher Kenntnisse lässt sich aus den festgestell-

ten Kontakten der Bewerber zum türkischen Geheimdienst eine gezielte
Unterwanderung des Verfassungsschutzes ableiten?

d) In wie vielen Fällen wiesen die Bewerberinnen und Bewerber selbst auf
diesbezügliche Kontakte zum türkischen Geheimdienst hin?

e) Wie viele der Bewerberinnen und Bewerber, die Kontakte zum türkischen
Geheimdienst unterhalten haben sollen, waren deutsche Staatsbürger, tür-
kische Staatsbürger oder hatten die doppelte Staatsbürgerschaft (bitte
auch angeben, ob diese Personen in Deutschland geboren sind bzw. seit
wann sie hier leben)?

f) Auf welche Stellen im Einzelnen hatten sich die aufgrund ihrer Kontakte
zum türkischen Geheimdienst verdächtigen Bewerberinnen und Bewerber
beworben?

g) In wie vielen und welchen Fällen und aufgrund welcher Überlegungen
wurden Bewerberinnen und Bewerber trotz ihrer Kontakte zum türki-
schen Geheimdienst vom Verfassungsschutz eingestellt?

h) In wie vielen und welchen Fällen wurde nach Kenntnis der Bundesregie-
rung gegen enttarnte Bewerberinnen und Bewerber wegen des Verdachts
der „geheimdienstlichen Agententätigkeit“ nach § 99 des Strafgesetzbu-
ches ermittelt, und mit welchem Ergebnis gegebenenfalls?

3. In wie vielen und welchen Fällen wurden während der letzten fünf Jahre bei
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesamtes für Verfassungsschutz
Kontakte zum türkischen Geheimdienst festgestellt?
a) Wann und auf welche Weise wurden diese Kontakte festgestellt?
b) Welcher Art waren diese Kontakte jeweils?
c) Inwieweit wurden gegen die betroffenen Personen disziplinarische und

juristische Maßnahmen eingeleitet?
4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass der türkische Ge-

heimdienst Dolmetscherinnen und Dolmetscher oder Übersetzerinnen und
Übersetzer, die für das Bundesamt für Verfassungsschutz tätig sind, als In-
formanten angeworben hat?
In wie vielen und welchen Fällen wurden während der letzten fünf Jahre Dol-
metscher oder Übersetzer als Informanten des türkischen Geheimdienstes
entlarvt oder aufgrund des Verdachts auf eine solche Informantentätigkeit
nicht mehr vom Bundesamt für Verfassungsschutz eingesetzt?

5. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über mögliche Unterwande-
rungsversuche des türkischen Geheimdienstes bei den Landesämtern für
Verfassungsschutz, und bei wie vielen Bewerberinnen und Bewerbern auf
offene Stellen bei den Landesämtern bzw. wie vielen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern der Landesämter wurden gegebenenfalls in den letzten fünf Jah-
ren Kontakte zum türkischen Geheimdienst festgestellt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13250
6. Bei wie vielen während der letzten fünf Jahre öffentlich ausgeschriebenen
Stellen beim Bundesamt für Verfassungsschutz waren türkische Sprach-
kenntnisse eine geforderte Qualifikation (bitte Art der Stellen benennen und
nach Jahren aufgliedern)?

7. Trifft ein Bericht der Tageszeitung „DIE WELT“ zu, wonach es im Bereich
der Spionageabwehr beim Bundesamt für Verfassungsschutz eine spezielle
Einheit, Arbeitsgruppe oder ein sonstiges Gremium gibt, das sich mit den
Operationen des türkischen Geheimdienstes in Deutschland befasst (www.
welt.de/politik/deutschland/article166732068/Tuerkei-will-gezielt-Spitzel-
im-Verfassungsschutz-platzieren.html)?
a) Um welches Gremium bzw. welche Einheit handelt es sich genau, und

über wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügt diese?
b) Wann und aufgrund welcher Überlegungen bzw. Ereignisse wurde die

Einrichtung dieses Gremiums beschlossen?
8. Inwieweit und wann waren die Spionageaktivitäten des MIT in Deutschland

sowie die versuchte Unterwanderung des Verfassungsschutzes Gegenstand
bilateraler Gespräche zwischen deutschen und türkischen Regierungsstellen
oder Behörden?

9. Inwiefern arbeitet das Bundesamt für Verfassungsschutz mit türkischen Ge-
heimdiensten im Bereich Islamismus/Dschihadismus zusammen?

10. Inwiefern arbeitet das Bundesamt für Verfassungsschutz mit türkischen Ge-
heimdiensten bezüglich der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) oder mit ihr in
Verbindung gebrachten Gruppen und Personen zusammen?

11. Gab es im Rahmen des G20-Gipfels in Hamburg Gespräche deutscher Be-
hördenvertreter mit dem Chef des türkischen MIT, Hakan Fidan?

12. Wurden in den letzten drei Monaten erneut von türkischer Seite Listen mit
Namen in Deutschland lebender Unterstützerinnen und Unterstützer von
in der Türkei als terroristisch eingestuften Organisationen an deutsche
Behördenvertreter übergeben (vgl. www.tagesspiegel.de/politik/tuerkei-
und-deutschland-tuerkischer-geheimdienst-hat-deutsche-politikerinnen-auf-
spionageliste/19587070.html)?
a) Welche Behörde oder Regierungsstelle bekam von wem bei welchem An-

lass diese Listen?
b) Um wie viele Listen handelt es sich, und wie viele Einträge von Personen

bzw. Institutionen umfassen diese?
c) Welche politischen Spektren betreffen diese Listen?
d) Inwieweit besteht der Verdacht, dass diese Listen durch nachrichten-

dienstliche Tätigkeit innerhalb der Bundesrepublik Deutschland bzw. ge-
gen deutsche Staatsbürger zustande gekommen sind?

e) Inwieweit wurden die auf den Listen genannten Personen oder Institutio-
nen von Seiten der Sicherheitsbehörden von Bund – und nach Kenntnis
der Bundesregierung – Ländern gewarnt?

Berlin, den 31. Juli 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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