BT-Drucksache 18/13210

Zahlen und Informationen zum Arbeitsmarktzugang und zur Ausbildungsduldung für Geflüchtete

Vom 28. Juli 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13210
18. Wahlperiode 28.07.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Heike Hänsel, Frank Tempel, Sevim Dağdelen,
Annette Groth, Inge Höger, Jutta Krellmann, Katrin Kunert, Kersten Steinke,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Zahlen und Informationen zum Arbeitsmarktzugang und zur Ausbildungsduldung
für Geflüchtete

Geflüchtete ohne formelle Flüchtlingsanerkennung unterliegen zahlreichen Rest-
riktionen beim Arbeitsmarktzugang (Arbeitserlaubnispflicht, Vorrangprüfung,
Wartezeiten usw.). Dabei gelten für Asylsuchende und Geduldete unterschiedli-
che und zum Teil sehr komplexe Regelungen. In der Praxis kommt es zu weiteren
Problemen, etwa im Zusammenhang mit den Mitwirkungspflichten oder wenn
kein Reisepass vorliegt.
Erhebliche Unsicherheiten gibt es auch bei der mit dem so genannten Integrati-
onsgesetz geänderten Regelung zur Ausbildungsduldung. Mit einem Änderungs-
antrag der Koalitionsfraktionen (CDU/CSU und SPD) auf Ausschussdrucksache
18(11)696 zu Bundestagsdrucksache 18/8615 war eine zusätzliche Bedingung in
§ 60a Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) eingefügt worden, wonach
„konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen“ dürfen.
Nur die Fraktion DIE LINKE. hatte diesen Änderungsantrag abgelehnt, weil diese
Einschränkung so unbestimmt ist, dass sie eine unberechenbare und differierende
Anwendungspraxis durch die Ausländerbehörden in den Bundesländern gera-
dezu begünstigt. Insbesondere mit Bezug auf Bayern gibt es Berichte über eine
sehr restriktive Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung (vgl. www.
sueddeutsche.de/bayern/fluechtlinge-weiss-blaue-warteschleife-1.3210742).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Beschäftigungserlaubnisse sind Personen mit einer Duldung im

Jahr 2016 bzw. im bisherigen Jahr 2017 (bitte differenzieren und – auch im
Folgenden – Angaben mit Stand vom 30. Juni 2017 machen) erteilt worden,
in wie vielen Fällen erfolgte eine Ablehnung (bitte jeweils nach Kenntnis der
Bundesregierung nach den zehn wichtigsten Herkunftsländern und den Bun-
desländern differenzieren), und was kann darüber gesagt werden, in wie vie-
len dieser Fälle es sich um Verlängerungen einer bereits erteilten Arbeitser-
laubnis bei Verlängerung der Duldung handelte (bitte gegebenenfalls zumin-
dest Schätzwerte fachkundiger Bediensteter angeben)?

Drucksache 18/13210 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Wie viele der Ablehnungen einer Beschäftigungserlaubnis für Geduldete
(bitte im Nachfolgenden nach den Jahren 2016 bzw. 2017, nach Kenntnis der
Bundesregierung nach den zehn wichtigsten Herkunftsländern und den Bun-
desländern differenzieren) wurden begründet mit
a) einem Arbeitsverbot nach § 60a Absatz 6 Nummer 1 AufenthG (Einreise

zum Sozialhilfebezug)?
b) einem Arbeitsverbot nach § 60a Absatz 6 Nummer 2 AufenthG (selbst-

verschuldete Abschiebungshindernisse)?
c) einem Arbeitsverbot nach § 60a Absatz 6 Nummer 3 AufenthG (Herkunft

aus sicherem Herkunftsstaat, Asylantrag nach dem 31. August 2015 ge-
stellt und bereits abgelehnt)?

3. In wie vielen Fällen erfolgte die Ablehnung einer Beschäftigungserlaubnis
für Geduldete nach § 32 Absatz 1 der Beschäftigungsverordnung (BeschV)
wegen einer fehlenden Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (bitte im
Nachfolgenden nach den Jahren 2016 bzw. 2017, den zehn wichtigsten Her-
kunftsländern und nach Kenntnis der Bundesregierung nach den Bundeslän-
dern differenzieren)
a) infolge einer Vorrangprüfung?
b) infolge einer Prüfung der Beschäftigungsbedingungen?

4. In wie vielen Fällen ist die Erlaubnis zur Beschäftigung für Geduldete auf-
grund einer Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde abgelehnt wor-
den (bitte nach den Jahren 2016 und 2017, nach Kenntnis der Bundesregie-
rung nach den Bundesländern und den zehn wichtigsten Herkunftsländern
differenzieren), und was lässt sich über die ausschlaggebenden Ermes-
senskriterien hierfür sagen (bitte so detailliert wie möglich erläutern)?

5. Wie viele Beschäftigungserlaubnisse sind Personen mit einer Aufenthaltsge-
stattung oder einem Ankunftsnachweis im Jahr 2016 bzw. im bisherigen Jahr
2017 (bitte differenzieren) erteilt worden, in wie vielen Fällen erfolgte eine
Ablehnung (bitte jeweils nach den zehn wichtigsten Herkunftsländern und
nach Kenntnis der Bundesregierung nach den Bundesländern differenzieren),
und was kann darüber gesagt werden, in wie vielen dieser Fälle es sich um
Verlängerungen einer bereits erteilten Arbeitserlaubnis bei Verlängerung der
Aufenthaltsgestattung handelte (bitte gegebenenfalls zumindest Schätzwerte
fachkundiger Bediensteter angeben)?

6. Wie viele der Ablehnungen einer Beschäftigungserlaubnis für Personen mit
einer Aufenthaltsgestattung oder einem Ankunftsnachweis wurden begrün-
det mit (bitte im Nachfolgenden nach den Jahren 2016 bzw. 2017, den zehn
wichtigsten Herkunftsländern und nach Kenntnis der Bundesregierung nach
den Bundesländern differenzieren)
a) einem Arbeitsverbot nach § 61 Absatz 2 Satz 4 des Asylgesetzes (AsylG)

(Herkunft aus sicherem Herkunftsstaat, Asylantrag nach dem 31. August
2015 gestellt und noch nicht entschieden)?

b) einem Arbeitsverbot nach § 61 Absatz 1 AsylG (Aufenthalt in einer Auf-
nahmeeinrichtung), und welche Angaben liegen zur durchschnittlichen
und maximalen Aufenthaltsdauer in den Aufnahmeeinrichtungen vor
(bitte so differenziert wie möglich darstellen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13210
7. In wie vielen Fällen erfolgte die Ablehnung einer Beschäftigungserlaubnis
für Personen mit einer Aufenthaltsgestattung oder einem Ankunftsnachweis
nach § 32 Absatz 1 BeschV wegen einer fehlenden Zustimmung der Bunde-
sagentur für Arbeit (bitte im Nachfolgenden nach den Jahren 2016 bzw.
2017, den zehn wichtigsten Herkunftsländern und nach Kenntnis der Bun-
desregierung nach den Bundesländern differenzieren)
a) infolge einer Vorrangprüfung?
b) infolge einer Prüfung der Beschäftigungsbedingungen?

8. In wie vielen Fällen ist die Erlaubnis zur Beschäftigung für Personen mit
einer Aufenthaltsgestattung oder einem Ankunftsnachweis aufgrund einer
Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde abgelehnt worden (bitte nach
den Jahren 2016 und 2017, nach Kenntnis der Bundesregierung den Bundes-
ländern und den zehn wichtigsten Herkunftsländern differenzieren), und was
lässt sich über die ausschlaggebenden Ermessenskriterien hierfür sagen (bitte
so detailliert wie möglich erläutern)?

9. Wie viele Personen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren mit einer Duldung
bzw. mit einer Aufenthaltsgestattung oder einem Ankunftsnachweis (bitte
differenzieren) lebten zum 30. Juni 2017 nach Kenntnis der Bundesregierung
in den einzelnen Bundesländern (bitte differenzieren)?

10. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Praxis einiger
Ausländerbehörden, die Ablehnung eines Antrags auf Beschäftigungserlaub-
nis allein auf das Ermessenskriterium der vermeintlichen „Bleibeperspek-
tive“ – also der Gesamtschutzquote des jeweiligen Herkunftslandes – zu stüt-
zen, mit der Folge, dass Antragstellende aus Ländern mit einer Schutzquote
von unter 50 Prozent dort keine Beschäftigungserlaubnis mehr erhalten?

11. Welche Angaben können gemacht werden zu der Dauer eines Verfahrens zur
Beschäftigungserlaubnis bei Geflüchteten und der Beteiligung der Ar-
beitsagentur im Verfahren?

12. Was ist der Bundesregierung über eine Praxis in den Bundesländern bekannt,
Gestatteten im Rahmen der Ermessensausübung der Ausländerbehörden eine
Beschäftigungserlaubnis zu verweigern, weil kein Pass vorliegt, und inwie-
weit wäre ein solches Vorgehen nach Auffassung der Bundesregierung mit
der Rechtsprechung vereinbar, wonach von Asylsuchenden während eines
Asylverfahrens nicht verlangt werden darf, Pässe zu beschaffen (vgl. z. B.
Kommentar zu § 15 Absatz 2 Nummer 6 AsylG, Rn. 17, NK-AuslR/Koch,
2. Aufl., Baden-Baden 2016, S. 1983, mit weiteren Nachweisen)?

13. Was ist der Bundesregierung über die Praxis bekannt, subsidiär Geschützte
und Personen mit nationalem Abschiebungsverbot zur Passbeschaffung auf-
zufordern (entgegen § 5 Absatz 3 Satz 1 AufenthG; bitte begründen), welche
Auffassung vertritt sie hierzu, und ist es zutreffend, dass es eine Weisung des
Bundesministeriums des Innern geben soll, wonach Ausländerbehörden auch
Geflüchtete grundsätzlich zur Passbeschaffung auffordern sollen (bitte so
ausführlich wie möglich antworten und gegebenenfalls richtig stellen bzw.
angeben, für welche Flüchtlingsgruppen dies gelten soll)?

14. In wie vielen Fällen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren
2016 und 2017 (bitte differenzieren) ein Ausweisersatz gemäß § 48 Absatz 4
AufenthG ausgestellt (bitte auch nach den zehn wichtigsten Herkunftslän-
dern und dem Aufenthaltsstatus der Betroffenen differenzieren)?

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15. Inwieweit und unter welchen Umständen kommt nach Auffassung der Bun-

desregierung die Übernahme der Passbeschaffungskosten für Leistungsbe-
rechtigte nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes bzw. nach dem Zwei-
ten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)/dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch
(SGB XII) als nicht im Regelsatz enthaltene zusätzliche Leistung in Betracht
bzw. ist eine Übernahme nach § 73 SGB XII möglich (bitte so differenziert
wie möglich darlegen und begründen)?

16. Wie viele so genannte Ausbildungsduldungen nach § 60a Absatz 2 Satz 3
i. V. m. Satz 4 AufenthG wurden bislang erteilt (bitte nach Kenntnis der Bun-
desregierung nach Bundesländern und den zehn wichtigsten Herkunftslän-
dern differenzieren, falls keine genauen Daten vorliegen sollten, bitte zumin-
dest eine Einschätzung auf der Grundlage der der Bundesregierung vorlie-
genden bzw. leicht beschaffbaren Informationen machen), welche Erfahrun-
gen haben Bundesbehörden bislang hiermit gemacht (bitte ausführen), und
welche Berichte und Forderungen zur Anwendung der Neuregelung durch
Verbände und Vereine sind ihr bislang bekannt geworden (bitte ausführen)?

17. Hat die Bundesregierung insbesondere das Papier des Deutschen Industrie-
und Handelskammertages e. V. (DIHK) vom Dezember 2016 „Integration
von Flüchtlingen in Ausbildung und Beschäftigung. Hemmnisse weiter ab-
bauen“ erhalten, und wie hat sie hierauf gegebenenfalls reagiert (bitte aus-
führen)?

18. Welche Vorschläge des DIHK-Papiers „Integration von Flüchtlingen in Aus-
bildung und Beschäftigung. Hemmnisse weiter abbauen“ hat die Bundesre-
gierung aufgegriffen bzw. plant sie in welcher Weise aufzugreifen, und wie
steht sie insbesondere zu den Vorschlägen (bitte jeweils begründen),
a) bundeseinheitlich geltende Definitionen dazu vorzunehmen, wann eine

„konkrete Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung“ vorliege bzw. welche
Personengruppen hierunter fallen?

b) nicht die Ausbildungsbetriebe unter Androhung eines Bußgelds in Höhe
von bis zu 30 000 Euro zur Meldung eines Ausbildungsabbruchs zu ver-
pflichten, sondern eine entsprechende Übermittlung durch die Sozialver-
sicherungsträger vornehmen zu lassen?

c) jungen Geflüchteten die vorhandenen Leistungen der Ausbildungsförde-
rung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) wie deutschen
Jugendlichen ab Abschluss eines Ausbildungsvertrags zur Verfügung zu
stellen?

d) bereits sechs Monate vor Ausbildungsbeginn eine Duldung zu erteilen,
wenn ein Ausbildungsvertrag geschlossen wurde?

e) eine Duldung bereits für die Dauer der betrieblichen Einstiegsqualifizie-
rung zu erteilen, um einen Übergang zur Ausbildung sicherzustellen?

19. Teilt die Bundesregierung aufgrund der bisherigen praktischen Erfahrungen
die Einschätzung, dass die mit dem Änderungsantrag auf Ausschussdrucksa-
che 18(11)696 zu Bundestagsdrucksache 18/8615 zur Änderung des § 60a
Absatz 2 AufenthG eingefügte Bedingung, wonach „konkrete Maßnahmen
zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen“ dürfen, so unbestimmt ist,
dass dies eine unberechenbare und unterschiedliche Anwendungspraxis
durch die Ausländerbehörden in den Bundesländern geradezu begünstigt,
was dem Ziel für mehr Rechtssicherheit für Geflüchtete und Ausbildungsbe-
triebe entgegensteht (bitte ausführen), und wie beurteilt sie insbesondere die
diesbezüglich besonders strenge Anwendungspraxis in Bayern (vgl. www.
sueddeutsche.de/bayern/fluechtlinge-weiss-blaue-warteschleife-1.3210742)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/13210

20. Hält sie die Allgemeinen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des

Innern zur Duldungserteilung nach § 60a Aufenthaltsgesetz vom 30. Mai
2017 für ausreichend in Bezug auf das Ziel einer berechenbaren und rechts-
sicheren Vereinheitlichung der Anwendungspraxis, obwohl (bitte jeweils be-
gründet ausführen)
a) es hinsichtlich der Frage der Kausalität bzw. Vorwerfbarkeit im Zusam-

menhang mit der Verletzung der Passbeschaffungs- bzw. Identitätsklä-
rungspflicht weiterhin Unklarheiten gibt?

b) die Frage, wie bei Asylsuchenden aus sicheren Herkunftsstaaten (Asylan-
tragstellung nach dem 31. August 2015 und Antragsrücknahme vor Ab-
lehnung), bei Personen, die keinen Asylantrag stellen, und bei unbeglei-
teten Minderjährigen nach Ablehnung eines Asylantrags verfahren wer-
den soll, letztlich offen bleibt?

c) hinsichtlich der Duldungserteilung vor Beginn der Ausbildung eine eher
strenge, gleichwohl weiterhin unbestimmte Vorgabe gemacht wird (ein
enger zeitlicher Zusammenhang wird verlangt, die tatsächliche Aufnahme
der Ausbildung soll „in wenigen Wochen erfolgen“)?

d) es keine rechtssicheren Hinweise zur Duldungserteilung bei Einstiegsqua-
lifizierungen und anderen vorbereitenden Qualifizierungsmaßnahmen bei
abgeschlossenem Ausbildungsvertrag gibt?

e) auch für enge Familienangehörige nur eine enge Ermessensregelung gel-
ten soll, weil eine „vorübergehende Trennung zum Zweck der Durchfüh-
rung einer Ausbildung zuzumuten“ sei, obwohl im Anschluss an die Aus-
bildung bei entsprechender Beschäftigungsaufnahme ein dauerhafter
rechtmäßiger Aufenthalt entsteht, so dass im vom Gesetzgeber angestreb-
ten Regelfall eben keine nur vorübergehende Familientrennung vorliegt?

21. Welche unterschiedlichen Positionierungen der Bundesländer sind in die All-
gemeinen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zur
Duldungserteilung nach § 60a Aufenthaltsgesetz eingeflossen bzw. wurden
nicht berücksichtigt, und in welchen Punkten gab es die deutlichsten Unei-
nigkeiten zwischen einzelnen Bundesländern und/oder dem Bundesinnenmi-
nisterium (bitte darstellen)?

22. Wie werden Geduldete nach Inkrafttreten des Gesetzes zur besseren Durch-
setzung der Ausreisepflicht künftig wissen können, dass in ihrem Fall die
Verpflichtung zur Ankündigung einer Abschiebung einen Monat vorher nach
mehr als einjährig geduldetem Aufenthalt wegen des Vorwurfs vorsätzlich
falscher Angaben oder Täuschungen zur Identität oder Staatsangehörigkeit
nach § 60a Absatz 5 Satz 5 AufenthG (neu) nicht gilt?
Muss dies z. B. auf der Duldung vermerkt werden, und ist dies nur der Fall,
wenn zuvor ein behördliches Feststellungsverfahren zu dieser Frage betrie-
ben wurde, das mit Rechtsmitteln gerichtlich überprüft werden konnte, oder
müssen letztlich alle Geduldeten, bei denen kein Reisepass vorliegt, befürch-
ten, dass sie auch nach über einjährig geduldetem Aufenthalt ohne Voran-
kündigung abgeschoben werden können (bitte so konkret wie möglich aus-
führen)?

23. Wie ist nach Einschätzung der Bundesregierung ein künftig bis zu 24 Monate
geltendes Arbeitsverbot für Personen mit Gestattung bzw. Ankunftsnachweis
(für die Dauer der Pflicht zum Aufenthalt in Erstaufnahmeeinrichtungen, vgl.
neu: § 47 Absatz 1b i. V. m. § 61 Absatz 1 AsylG) mit Artikel 15 der Richt-
linie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) zu vereinbaren, nach der die Mit-
gliedstaaten verpflichtet sind, dafür Sorge zu tragen, dass Asylantragstel-
lende spätestens nach neun Monaten Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten
(bitte begründen)?

Drucksache 18/13210 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

24. Wie ist nach Einschätzung der Bundesregierung das unbefristete Arbeitsver-

bot für Asylantragstellende aus den als „sicher“ erklärten Herkunftsstaaten,
die nach dem 31. August 2015 einen Asylantrag gestellt haben (§ 61 Absatz 2
Satz 4 AsylG), mit Artikel 15 der Richtlinie 2013/33/EU zu vereinbaren
(bitte begründen)?

25. Wie sind nach Einschätzung der Bundesregierung die Wartefristen beim Ar-
beitsmarktzugang sowie die unterschiedlichen z. T. unbefristeten Arbeitsver-
bote für Gestattete und Geduldete mit Artikel 6 Absatz 1 des UN-Sozialpakts
(Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte –
ICESCR) zu vereinbaren, der das Recht auf Arbeit „jedes einzelnen“ vor-
sieht, welches gem. Artikel 2 Absatz 2 ICESCR ausdrücklich ohne Diskri-
minierung hinsichtlich des „sonstigen Status“ – also auch des ausländerrecht-
lichen Status – gewährleistet werden muss (bitte begründen)?

26. Wie ist nach Einschätzung der Bundesregierung der Umstand zu bewerten,
dass in vielen Bundesländern eine Schulpflicht, und damit ein faktisch um-
zusetzender Schulbesuch, bei Kindern von Asylsuchenden erst nach einer
Zuweisung in die Kommunen gilt – und damit für Personen aus den als „si-
cher“ erklärten Herkunftsstaaten faktisch gar nicht und für sonstige Asylan-
tragstellende künftig erst nach bis zu 24 Monaten –, obwohl Artikel 14 der
Richtlinie 2013/33/EU vorsieht, minderjährigen Kindern spätestens nach
drei Monaten „in ähnlicher Weise wie den eigenen Staatsangehörigen den
Zugang zum Bildungssystem“ zu gestatten (bitte ausführlich darstellen)?
Wie ist die oben genannte Tatsache mit Artikel 28 Absatz 1 Buchstabe a der
UN-Kinderrechtskonvention zu vereinbaren, nach der die Vertragsstaaten
verpflichtet sind, „den Besuch der Grundschule für alle zur Pflicht“ zu ma-
chen (bitte ausführen)?
Welcher Handlungsbedarf folgt hieraus?

27. Wie bewertet die Bundesregierung die Praxis der Bundesagentur für Arbeit,
den Zugang zu Leistungen der Ausbildungsförderung (z. B. Berufsausbil-
dungsbeihilfe) für Personen mit einer Aufenthaltsgestattung ausschließlich
anhand des Kriteriums der Gesamtschutzquote im Asylverfahren zu ent-
scheiden, obwohl bereits durch die Aufnahme einer Ausbildung – gänzlich
unabhängig vom Ausgang des Asylverfahrens – ein „rechtmäßiger und dau-
erhafter Aufenthalt“ im Sinne des § 132 Absatz 1 SGB III zu erwarten ist
(Anspruch auf Ausbildungsduldung mit anschließendem Anspruch auf Auf-
enthaltserlaubnis nach § 18a Absatz 1a AufenthG; bitte begründen und etwa-
igen Handlungsbedarf erläutern)?

28. Ist aus Sicht der Bundesregierung das Kriterium einer vermeintlichen Blei-
beperspektive („rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten“) für
die Gewährung oder Verweigerung bestimmter Teilhabemöglichkeiten für
Personen mit einer Aufenthaltsgestattung (z. B. bei der Ausbildungsförde-
rung, beim Zugang zu Integrationskursen, bei der berufsbezogenen Deutsch-
sprachförderung, bei der frühzeitigen Arbeitsförderung) mit dem Gleichbe-
handlungsgebot aus Artikel 3 GG vereinbar, obwohl dieses Kriterium ohne
Einzelfallprüfung ausschließlich schematisch und kategorisch anhand der
statistischen Größe der Gesamtschutzquote der Entscheidungen des Bundes-
amtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) festgelegt wird (bitte begrün-
den)?

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29. Wie begründet es die Bundesregierung, dass angesichts von insgesamt

21 Herkunftsstaaten, die laut der BAMF-Entscheidungsstatistik für das Jahr
2016 eine Gesamtschutzquote von mindestens 50 Prozent aufweisen, aus-
schließlich Asylantragstellende aus fünf Staaten die an die „gute Bleibeper-
spektive“ geknüpften Zugänge zu bestimmten Teilhabeleistungen erhalten?

Berlin, den 30. Juni 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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