BT-Drucksache 18/13208

Erweiterte Nutzung europäischer Passagierdaten durch Polizei, Zoll und Geheimdienste

Vom 20. Juli 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13208
18. Wahlperiode 20.07.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Annette Groth, Inge Höger, Niema Movassat,
Dr. Alexander S. Neu, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Erweiterte Nutzung europäischer Passagierdaten durch Polizei, Zoll und
Geheimdienste

Gemäß der vor einem Jahr beschlossenen Richtlinie zur Verarbeitung von Passa-
gierdaten (Passenger Name Records, PNR) müssen Fluggesellschaften eine Fülle
von Daten sammeln und vor jedem Flug an die Grenzbehörden im Zielland wei-
tergeben (Bundestagsdrucksache 18/12516). Dort werden sie fünf Jahre lang ge-
speichert. Hierzu gehören Meldedaten, Sitzplatz und Flugnummer sowie Essens-
wünsche, Kreditkartendaten oder IP-Adressen. Die Pflicht zur Erhebung der Da-
ten betrifft nicht nur Airlines, sondern auch Reisebüros, Reiseveranstalter oder
andere Dienstleister, sofern diese Flugbuchungen vornehmen.
Die Daten von Fluggästen sollen laut einem Dokument des Rates der Europäi-
schen Union zukünftig auch mit Datenbanken europäischer Zollämter abgegli-
chen werden (http://gleft.de/1Nc). Die zuständigen Behörden sollen hierzu Da-
tensätze von den Passagierdatenzentralstellen erhalten, die in jedem Mitgliedstaat
benannt werden müssen. In Deutschland liegt diese Zuständigkeit beim Bundes-
kriminalamt (BKA). Dem Ratsdokument zufolge könnte die Passagierdatenzen-
tralstelle auch beim Zoll angesiedelt werden.
Eigentlich sollten nur Informationen von Flügen verarbeitet werden, die von
Drittstaaten starten bzw. diese ansteuern (Ratsdokument 7829/16). Nach Arti-
kel 2 der PNR-Richtlinie können die EU-Mitgliedstaaten die Richtlinie aber auch
„freiwillig“ auf Flüge innerhalb der EU anwenden. In einer nachgereichten Er-
klärung haben sämtliche Mitgliedstaaten angekündigt, „in Anbetracht der derzei-
tigen Sicherheitslage in Europa“ von dieser Ausnahme in vollem Umfang Ge-
brauch zu machen (Ratsdokument 7829/16 ADD 1).
Der Vorstoß zur Ausweitung auf den Zoll kommt aus den Niederlanden. Zusam-
men mit Belgien, Frankreich und Großbritannien plant die niederländische Re-
gierung auch eine Verarbeitung von Passagierdaten in Fernzügen („Thalys en Eu-
rostar krijgen passagierscontroles“, demorgen.be vom 17. Januar 2017). Ein sol-
ches Gesetz hatte das belgische Parlament bereits beschlossen. Danach dürfen
Tickets für den Thalys und Eurostar nur noch personenbezogen und im Voraus
gekauft werden. Die Kontrollen machen aber nur Sinn, wenn auch die übrigen
Länder, die von Thalys und Eurostar bedient werden, mitziehen. Die belgische
EU-Delegation hat nach Kenntnis der Fragestellerinnen und Fragesteller nun De-
tails zur Umsetzung des Viererabkommens vorgelegt. Demnach hätten sich die
Firmen Eurostar, Thalys und Eurotunnel bereit erklärt, nach einer gemeinsamen
Lösung zu suchen und hierfür in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit den In-
nenministerien aus Belgien, Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien
mitzuarbeiten.

Drucksache 18/13208 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was ist der Bundesregierung über Pläne des Rates der Europäischen Union
bekannt, dass die Daten von Fluggästen zukünftig auch mit Datenbanken eu-
ropäischer Zollämter abgeglichen werden?
a) Inwiefern und aus welchen Erwägungen heraus hält die Bundesregierung

ein solches Verfahren für notwendig oder entbehrlich?
b) Von wo und nach welchem (möglicherweise automatisierten) Verfahren

würden die zuständigen Behörden des Zolls die Datensätze von den Pas-
sagierdatenzentralstellen erhalten?

c) Welche Gespräche haben das Bundeskriminalamt, die Generalzolldirek-
tion und die deutschen Zollkriminalämter bzw. deren Ministerien hierzu
bereits geführt?

d) Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, die Passagierdaten-
zentralstelle zukünftig beim Zoll anzusiedeln?

2. Welche weiteren Kosten sind bei Behörden des Bundes im Zusammenhang
mit der Einführung der Fluggastdatenspeicherung seit der Antwort der Bun-
desregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundes-
tagsdrucksache 18/12516 entstanden, und welche weiteren werden erwartet?

3. Welche Defizite haben Bundesbehörden bei der Begutachtung der Funkti-
ons- und Arbeitsweise der PNR-Systeme der Niederlande, Frankreichs, des
Vereinigten Königreichs, der Vereinigten Staaten von Amerika und Austra-
liens festgestellt, und wie wurden diese im deutschen System ausgeglichen
(Bundestagsdrucksache 18/12516, Antwort zu Frage 12)?

4. Auf welchen existierenden Lösungen in anderen EU-Mitgliedstaaten oder in
Drittstaaten basiert das deutsche PNR-Gesamtsystem, welche bereits vorhan-
denen Technologien und Lösungen werden genutzt, welche wurden weiter-
entwickelt und an die neuartigen Aufgaben angepasst (bitte jeweils die be-
nötigte Hard- und Software und deren Hersteller benennen)?

5. Wann wurde die deutsche Verarbeitung von PNR-Fluggastdaten tatsächlich
aufgenommen, und wie viele Fluggastdatensätze wurden bereits von den
Fluggesellschaften übermittelt?
a) Sofern der Betrieb noch nicht aufgenommen wurde, für wann ist dies ter-

miniert?
b) Inwiefern hat es sich aus Sicht der Bundesregierung bewährt oder auch

nicht bewährt, dass nach Artikel 2 der PNR-Richtlinie auch Passagierda-
ten von Flügen innerhalb der EU verarbeitet werden?

6. Welche Evaluationen oder wissenschaftliche Begleitforschungen will die
Bundesregierung vornehmen, um den erwarteten Erfolg des Fluggastdaten-
systems zu evaluieren?

7. Wann sollten oder sollen die Kriterien der EU-Polizeiagentur Europol vor-
liegen, nach denen ein auffälliges Reiseverhalten analysiert werden kann?

8. Wann will die unter Leitung des BKA stehende EU-Arbeitsgruppe PNR-
GOV, die ein einheitliches Datenformat entwickelt, ihre Ergebnisse vorlegen
(http://gleft.de/1Nd)?
a) Welche Zwischenergebnisse zum Ansatz und zur Umsetzung des Daten-

formates kann die Bundesregierung bereits mitteilen?
b) Wann und zu welchem Zweck haben an der Gruppe PNRGOV nach

Kenntnis der Bundesregierung auch US-Behörden teilgenommen, und
welchen Beitrag erbrachten diese?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13208
9. Welche Unterstützung haben das Heimatschutz- und das Justizministerium
der Vereinigten Staaten von Amerika nach Kenntnis der Bundesregierung
den EU-Innenministern bei der Analyse von PNR-Daten versprochen
(http://gleft.de/1Ne), und auf welche Weise wurde diese nachgefragt bzw.
angenommen?

10. Welche Behörden welcher EU-Mitgliedstaaten haben nach Kenntnis der
Bundesregierung an einem Besuch des „National Targeting Center“ teilge-
nommen, in dem die europäischen PNR-Daten in den USA zur Aufdeckung
von Terrorismus gerastert werden?

11. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern die Niederlande,
Belgien, Frankreich und Großbritannien eine Verarbeitung von Passagierda-
ten auch für Fernzüge oder Fernbusse umsetzen oder umsetzen wollen?

12. Inwiefern ist die Bundesregierung hierzu kontaktiert worden, da der Fernzug
Thalys auch im deutschen Schienennetz verkehrt?

13. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, dass der Rat der Europäischen
Union Schiffspassagiere zukünftig digital registrieren will?

14. Welche Daten sollen hierzu übermittelt werden, und wer nimmt diese von
den Schiffsgesellschaften entgegen?

Berlin, den 19. Juli 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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