BT-Drucksache 18/13171

Offensichtlicher Portobetrug durch sogenannte Reichsbürger

Vom 18. Juli 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13171
18. Wahlperiode 18.07.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Eva Bulling-Schröter,
Kerstin Kassner und der Fraktion DIE LINKE.

Offensichtlicher Portobetrug durch sogenannte Reichsbürger

Die Reichsbürger sind eine rechtsextrem beeinflusste Strömung, die die Existenz
der Bundesrepublik Deutschland und die Gültigkeit ihrer Gesetze leugnet und von
einer Fortexistenz des Deutschen Reiches ausgeht. Seit einigen Jahren häufen sich
Medienberichte, wonach Personen aus dem Reichsbürgermilieu mit nur vier Cent
unterfrankierte oder gar nicht frankierte Briefe mit dem Vermerk „Gebührenfreie
Kriegsgefangenenpost“ verschicken. Reichsbürger sehen sich als Kriegsgefan-
gene der Alliierten und beanspruchen von daher unter Berufung auf die Haager
Landkriegsordnung, dass ihre Briefe gebührenfrei zugestellt werden. Zwar sieht
die Haager Landkriegsordnung tatsächlich die gebührenfreie Zustellung von
Kriegsgefangenenpost an Kriegsgefangene vor, allerdings nur, wenn diese über
autorisierte Verbände wie das Deutsche Rote Kreuz e. V. oder den Volksbund
Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. abgewickelt wird (www.mdr.de/nachrichten/
podcast/beste/audio-403410.html).
Reichsbürger berufen sich zudem auf ein Abkommen zwischen dem Deutschen
Kaiserreich und dem Weltpostverein aus dem Jahre 1875 sowie das Reichspost-
gesetz von 1871. Ihrer Auffassung nach haben die dort festgelegten Tarife wei-
terhin Gültigkeit. Um diesen Bezug deutlich zu machen, vermerken die Absender
auf dem Kuvert „Non domestic F.R.G.“ (Nicht innerstaatlich BRD) und schreiben
die Postleitzahlen in eckigen Klammern.
In den Medien gab es in den letzten Jahren mehrfach Berichte, wonach unterfran-
kierte und als Kriegsgefangenenpost gekennzeichnete Briefe tatsächlich zu-
gestellt wurden, ohne dass Nachporto gezahlt werden musste. Die Deutsche
Post AG erklärte dies damit, dass ihr bei Millionen Postsendungen auch einzelne
falsch frankierte Stücke „durchrutschen“ könnten (www.bild.de/geld/wirtschaft/
portokosten/das-briefgeheimnis-um-das-4-cent-porto-36793066.bild.html; www.
noz.de/lokales/bramsche/artikel/777726/bramscher-erhaelt-4-cent-post-wie-
kann-das-denn#gallery&0&0&777726; www.solinger-tageblatt.de/solingen/
reichsbuerger-klagt-gegen-polizei-7313646.html).
Im Internet können Anleitungen zum Portobetrug und Kriegsgefangenenpost-Auf-
kleber heruntergeladen oder entsprechende Stempel bestellt werden, die auch bei
Polizeirazzien bei Reichsbürgern sichergestellt wurden (http://beitragsservice-
stoppen.blogspot.de/2015/09/stempel-gebuhrenfrei.html; www.merkur.de/lokales/
erding/razzia-bei-erdinger-reichsbuergern-7372480.html).

Drucksache 18/13171 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über das in der Vorbemerkung
der Fragesteller genannte Phänomen des Portobetrugs insbesondere durch
sogenannte Reichsbürger unter Berufung auf die Haager Landkriegsordnung,
ein Abkommen zwischen dem Deutschen Kaiserreich und dem Weltpostver-
ein aus dem Jahre 1875 sowie das Reichspostgesetz von 1871, und welche
Schlussfolgerungen zieht sie daraus?

2. Wie erklärt sich die Bundesregierung Pressemeldungen, wonach von der
Deutschen Post AG immer wieder unter Berufung auf ein Abkommen zwi-
schen dem Deutschen Kaiserreich und dem Weltpostverein aus dem Jahre
1875 sowie das Reichspostgesetz von 1871 bzw. unter Berufung auf die Haa-
ger Landkriegsordnung als Kriegsgefangenenpost gekennzeichnete, gegebe-
nenfalls mit dem Zusatz „Non domestic F.R.G.“ und eckigen Klammern um
die Postleitzahlen versehene, deutlich unter- oder gar nicht frankierte Briefe
ohne Nachporto zugestellt werden?

3. Inwieweit werden nach Kenntnis der Bundesregierung Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der Deutschen Post AG insbesondere in den Briefzentren auf den
Umgang mit tatsächlicher oder fälschlich als solcher deklarierter Kriegsge-
fangenenpost gesondert hingewiesen, bzw. inwieweit liegen für die Mitar-
beiter einsehbare Regularien für diese Fälle vor?

4. Welcher geschätzte Schaden entsteht der Deutschen Post AG nach Kenntnis
der Bundesregierung jährlich durch fälschlicherweise als Kriegsgefangenen-
post gekennzeichnete oder unter Berufung auf ein Abkommen zwischen dem
Deutschen Kaiserreich und dem Weltpostverein aus dem Jahre 1875 sowie
das Reichspostgesetz von 1871 unter- oder nichtfrankierte aber dennoch
ohne Nachporto zugestellte Briefe?

5. Aufgrund welcher Gesetze, Regelungen und Abkommen und unter welchen
genauen Bedingungen ist die unentgeltliche oder im Porto reduzierte Beför-
derung und Zustellung von Kriegsgefangenenpost nach Kenntnis der Bun-
desregierung geregelt?

6. Inwieweit hat das Abkommen zwischen dem Deutschen Kaiserreich und
dem Weltpostverein aus dem Jahre 1875 noch Gültigkeit, bzw. welche Nach-
folgeabkommen sind an seine Stelle getreten?

7. Welche und wie viele Internetseiten (inklusive soziale Medien) sind der Bun-
desregierung bekannt, die zum Portobetrug durch fälschlicherweise als
Kriegsgefangenenpost gekennzeichnete nicht- oder unterfrankierte Briefe
aufrufen?

8. Inwieweit und nach welchen Straftatbeständen im Einzelnen machen sich
Personen strafbar, die fälschlicherweise als Kriegsgefangenenpost gekenn-
zeichnete nicht- oder unterfrankierte Briefe aufgeben?

9. Inwieweit machen sich Betreiber von Internetseiten nach Kenntnis der Bun-
desregierung strafbar, die Ratschläge zum Portobetrug durch fälschlicher-
weise als Kriegsgefangenenpost gekennzeichnete nicht- oder unterfrankierte
Briefe geben bzw. dazu aufrufen, seine Post auf diese Weise zu kennzeich-
nen, um kein oder ein stark reduziertes Porto zu zahlen?

10. In wie vielen und welchen Fällen mussten sich nach Kenntnis der Bundesre-
gierung Personen strafrechtlich verantworten, weil sie fälschlicherweise als
Kriegsgefangenenpost gekennzeichnete nicht- oder unterfrankierte Briefe
aufgaben oder andere dazu aufgefordert hatten, dies zu tun?

11. In wie vielen Fällen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bei Razzien
im Reichsbürgermilieu Stempel oder Aufkleber mit der Aufschrift „Kriegs-
gefangenenpost“ sichergestellt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13171

12. Inwieweit und in welcher Form sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf

gegen Portobetrug durch sogenannte Reichsbürger?
13. Welche Praxis gibt es gegenwärtig nach Kenntnis der Bundesregierung hin-

sichtlich der Beförderung von Kriegsgefangenenpost durch die Deutsche
Post AG?

14. In welchen Staaten gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung gegenwärtig
Personen, die als Kriegsgefangene im Sinne der Haager Landkriegsordnung
gelten, und inwieweit ist mit diesen ein unentgeltlicher Briefverkehr mög-
lich?

Berlin, den 18. Juli 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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