BT-Drucksache 18/13115

Bilanz der Liegenschaftspolitik der Bundesregierung 2013 bis 2017

Vom 11. Juli 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13115
18. Wahlperiode 11.07.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Caren Lay, Eva Bulling-Schröter, Susanna Karawanskij,
Sabine Leidig, Hubertus Zdebel und der Fraktion DIE LINKE.

Bilanz der Liegenschaftspolitik der Bundesregierung 2013 bis 2017

Mit den Liegenschaften und Wohnungen im Besitz der Bundesanstalt für Immo-
bilienaufgaben (BImA) und anderer Bundesbehörden und bundeseigener Unter-
nehmen ist der Bund einer der größten Immobilieneigentümer in Deutschland.
Die Liegenschaftspolitik des Bundes hat daher einen erheblichen Einfluss auf die
Immobilien- und Mietpreisentwicklung sowie auf die Wohnraumversorgung und
Stadtentwicklung vor Ort.
Hohe Grundstückspreise sind die größte Hürde für den Neubau dringend benö-
tigter bezahlbarer Wohnungen. Der bundesweite Bedarf an bezahlbaren Wohnun-
gen wird in Studien auf mehr als 4 Millionen geschätzt (vgl. Pestel Institut, 2015).
Gleichzeitig geht durch die in Großstädten, Ballungszentren und Universitäts-
städten rapide steigenden Mieten weiterer bezahlbarer Wohnraum verloren. Doch
anstatt den öffentlichen Bestand an Liegenschaften und Wohnungen zu nutzen,
um dämpfend auf die Miet- und Grundstückspreisentwicklung einzuwirken und
den dringend benötigten bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, hält der Bund an
seiner Privatisierungspolitik fest. § 1 des Gesetzes über die Bundesanstalt für Im-
mobilienaufgaben (BImAG) sowie § 63 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) ver-
pflichten die BImA, Grundstücke, Gebäude und Wohnungen zum vollen Markt-
wert zu veräußern. Selbst an Kommunen und deren Wohnungsunternehmen, die
durch den Beschluss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom
21. März 2012 eine Erstzugriffsoption auf ehemals militärisch genutzte Konver-
sionsliegenschaften haben, darf die BImA Liegenschaften und Wohnungen nur
zum vollen Wert verkaufen. Besonders in angespannten Wohnungsmärkten, in
denen die Mietentwicklung für viele Menschen zu einem existenziellen Problem
wird, verschärft die BImA durch ihre Geschäftspraxis die vorhandenen Problem-
lagen.
Die schwarz-rote Koalition ist mit dem Versprechen angetreten, „mit Rücksicht
auf die vielen am Gemeinwohl orientierten Vorhaben der Kommunen, wie der
Schaffung bezahlbaren Wohnraums und einer lebendigen Stadt, eine verbilligte
Abgabe von Grundstücken“ zu realisieren (Koalitionsvertrag zwischen CDU,
CSU und SPD, 18. Legislaturperiode). Tatsächlich hat die Koalition am 6. Mai
2015 mit der „Richtlinie der BImA zur verbilligten Abgabe von Konversions-
grundstücken (VerbRKonv)“, die am 25. November 2015 mit der „Richtlinie der
BImA zur verbilligten Abgabe von Grundstücken (VerbR)“ auf potenziell alle
Liegenschaften der BImA ausgeweitet wurde, Ausnahmen von der Verwertung
zum Höchstgebot zugelassen. Insbesondere von der Möglichkeit, Grundstücke
verbilligt für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus abzugeben, wurde seitdem nur
unzureichend Gebrauch gemacht. Eine Abkehr von einer Liegenschaftspolitik,

Drucksache 18/13115 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

die vordringlich auf die Haushaltskonsolidierung ausgerichtet ist, hin zu einer ak-
tiven, an sozial-, wohnungs- und stadtentwicklungspolitischen Gesichtspunkten
orientierten Bodenpolitik, ist somit nicht zu erkennen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Liegenschaften und Wohnungen befinden sich aktuell im Besitz

der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (bitte nach Bundesländern und
Anzahl der Wohnungen insgesamt sowie der Wohnungen mit Mietpreis- und
Belegungsbindungen aufschlüsseln)?

2. Wie viele Liegenschaften und Wohnungen der Bundesanstalt für Immobi-
lienaufgaben wurden seit Beginn der 18. Legislaturperiode verkauft, und für
wie viele ist aktuell der Verkauf geplant oder im Prozess (bitte nach Jahren,
Bundesländern und Anzahl der Wohnungen aufschlüsseln)?

3. Welche Verkaufserlöse hat die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben seit
Beginn der 18. Legislaturperiode durch die Veräußerung von Wohnimmobi-
lien, von gewerblich genutzten Immobilien sowie von Grundstücken erzielt
(bitte nach Jahren, Bundesländern und Immobilienkategorien aufschlüs-
seln)?

4. An welche Käufergruppen hat die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
seit Beginn der 18. Legislaturperiode Liegenschaften und Wohnungen ver-
äußert (bitte prozentual nach Verkauf an Kommunen bzw. kommunale Un-
ternehmen, Genossenschaften, Privatpersonen, Kapitalgesellschaften und
Sonstige aufschlüsseln)?

5. Welche waren seit Beginn der 18. Legislaturperiode die zehn größten Käu-
ferinnen bzw. Käufer von Liegenschaften und Wohnungen der Bundesanstalt
für Immobilienaufgaben, gemessen an der Zahl der erworbenen Wohnun-
gen?

6. Bei wie vielen Immobilienverkäufen durch die Bundesanstalt für Immobi-
lienaufgaben sind seit Beginn der 18. Legislaturperiode Gebietskörperschaf-
ten (oder Unternehmen im mehrheitlichen Eigentum von Gebietskörper-
schaften) von Privatpersonen oder Kapitalgesellschaften überboten worden?

7. Wie hoch war in diesen Fällen die summierte Differenz zwischen den Gebo-
ten der Gebietskörperschaften (oder der Unternehmen im mehrheitlichen Ei-
gentum von Gebietskörperschaften) und den Verkaufspreisen?

8. Welche Bundesämter, Bundesanstalten und sonstigen Behörden und Institu-
tionen des Bundes sowie privatwirtschaftliche Unternehmen im Mehrheits-
besitz des Bundes verfügen neben der Bundesanstalt für Immobilienaufga-
ben über Liegenschaften und Wohnungen, die der Bund zur Erfüllung seiner
Aufgaben nicht weiter benötigt (bitte nach Bundesländern, Anzahl der Woh-
nungen sowie Einrichtungen des Bundes bzw. privatwirtschaftlichen Unter-
nehmen im Mehrheitsbesitz des Bundes aufschlüsseln)?

9. Wie gehen die unter Frage 8 genannten Einrichtungen des Bundes grundsätz-
lich mit den Liegenschaften und Wohnungen in ihrem Besitz um?
a) Für welche Liegenschaften und Wohnungen ist eine Übertragung an die

Bundesanstalt für Immobilienaufgaben geplant, und wenn ja, wann?
b) Werden Liegenschaften und Wohnungen selbstständig veräußert, und

wenn ja, auf welchem Wege, nach welchen Grundsätzen, und auf welcher
regulierenden Grundlage?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13115
c) Wie viele Liegenschaften und Wohnungen haben diese Einrichtungen des
Bundes bzw. privatwirtschaftlichen Unternehmen im Mehrheitsbesitz des
Bundes seit Beginn der 18. Legislaturperiode verkauft (bitte nach Jahren,
Bundesländern, Einrichtungen des Bundes bzw. privatwirtschaftlichen
Unternehmen im Mehrheitsbesitz des Bundes und Anzahl der Wohnein-
heiten insgesamt sowie der Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungs-
bindungen aufschlüsseln)?

d) Welche Verkaufserlöse haben sie durch die Veräußerung von Immobilien
jeweils erzielt (bitte nach Jahren, Bundesländern, Einrichtungen des Bun-
des oder privatwirtschaftliche Unternehmen im Mehrheitsbesitz des Bun-
des sowie nach Immobilienkategorien aufschlüsseln)?

e) An welche Käufergruppen wurden diese Liegenschaften und Wohnungen
seit Beginn der 18. Legislaturperiode veräußert (bitte prozentual nach
Verkauf an Kommunen bzw. kommunale Unternehmen, Genossenschaf-
ten, Kapitalgesellschaften, Immobilienunternehmen und Sonstige auf-
schlüsseln)?

10. Wie viele Wohnungen unterhält die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
in Städten und Gemeinden mit geltender Mietpreisbremse?

11. Wie viele Wohnungen hat die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in den
Jahren seit 2015 in Städten und Gemeinden mit geltender Mietpreisbremse
veräußert (bitte nach Bundesland, Stadt bzw. Gemeinde und Anzahl der
Wohnungen aufschlüsseln)?

12. Wie viele Wohnungen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben wurden in
Gebieten mit geltender Mietpreisbremse zu Mietpreisen vermietet, die die
ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als zehn Prozent übersteigen?

13. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Tatsache, dass die Neuvermietungsmieten der Bundesanstalt für Im-
mobilienaufgaben im Jahr 2016 laut Bundestagsdrucksache 18/11684 in
Städten wie Bonn, Düsseldorf, Erding, Köln, Mainz, München und Ratingen
bis zu 29 Prozent über den durchschnittlichen Nettokaltmieten in BImA-
Wohnungen liegen?

14. Wie ist der Stand der im Rahmen des Hauptstadtvertrags geplanten Übertra-
gung des sogenannten Dragonerareals in Berlin-Kreuzberg an das Land Ber-
lin?

15. Hat die Bundesregierung Kenntnis von einer Klage der „Dragonerhöfe
GmbH“ gegen die Rückabwicklung es Kaufvertrags über das sogenannte
Dragonerareal, und wenn ja, was ist Gegenstand der Klage, und welche
Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung im Hin-
blick auf die geplante Übertragung an das Land Berlin sowie auf mögliche
Entschädigungszahlungen?

16. Ist nach Auffassung der Bundesregierung die Unterschreitung des abgegebe-
nen Höchstgebots um ca. 25 Prozent bzw. ca. 1,5 Mio. Euro ein ausreichen-
der Grund, um im Fall Großgörschenstraße in Berlin gerichtlich gegen die
Wahrnehmung des Vorkaufsrechts durch den Bezirk Tempelhof-Schöneberg
vorzugehen, und wenn ja, warum?

17. Sieht die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Entscheidung des Land-
gerichts Berlin vom 26. April 2017 im Fall Großgörschenstraße gesetzgebe-
rischen Handlungsbedarf, um in sozialen Erhaltungsgebieten die Wahrneh-
mung des Vorkaufsrechts durch die Kommune zum Verkehrswert zu si-
chern?

Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 18/13115 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

18. Wie viele Liegenschaften wurden gemäß der am 25. November 2015 be-

schlossenen „Richtlinie der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA)
zur verbilligten Abgabe von Grundstücken (VerbR)“ für Zwecke des sozia-
len Wohnungsbaus verkauft, und wie groß war jeweils die Verbilligung (bitte
die Anzahl der Wohneinheiten angeben)?

19. Wie viele Liegenschaften der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben sind für
die verbilligte Vergabe von Grundstücken für Zwecke des sozialen Woh-
nungsbaus verfügbar und geeignet?

20. Für wie viele Liegenschaften werden derzeit Verhandlungen zur verbilligten
Abgabe von Grundstücken für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus geführt
(bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)?

21. Welche der auf Bundestagsdrucksache 18/11684 genannten 46 Fälle laufen-
der Verhandlungen über Verkäufe für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus
konnten zum Abschluss gebracht werden oder werden bis Ende des Jahres
2017 voraussichtlich abgeschlossen, welche Erlöse werden dabei erzielt,
welche Verbilligungen werden dabei gewährt, und wie viele Wohneinheiten
mit Sozialbindung sollen dort entstehen?

22. Wie viele der seit Inkrafttreten der VerbR eingeleiteten Verkaufsverfahren
zur verbilligten Abgabe von Grundstücken für Zwecke des sozialen Woh-
nungsbaus sind aus welchen Gründen gescheitert?

23. Welche Bilanz zur Umsetzung der Verbilligungsrichtlinie zieht die Bundes-
regierung vor dem Hintergrund des hohen und weiter steigenden Bedarfs an
Sozialwohnungen?

24. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung für eine Fortführung
und Überarbeitung der VerbR, um den Bau von Sozialwohnungen in stärke-
rem Maße und auch über die 18. Legislaturperiode hinaus durch die verbil-
ligte Abgabe von Grundstücken zu fördern?
a) Gilt die VerbR über das Jahr 2018 hinaus?

Wenn nein, soll die VerR in der derzeitigen oder in anderer Form fortge-
schrieben werden?

b) Wie bewertet die Bundesregierung eine Erweiterung des Kreises der Er-
werbsberechtigten auf Genossenschaften, Mieterinitiativen und andere
gemeinwohlorientierte Träger?

c) Aus welchen Gründen ist die Abgabe von Bestandswohngebäuden ohne
strukturellen Leerstand nicht verbilligungsfähig?

d) Wie bewertet die Bundesregierung eine Koppelung der verbilligten Ab-
gabe von Wohnungen und von Grundstücken für Zwecke des sozialen
Wohnungsbaus an die Verpflichtung langfristiger oder dauerhafter Miet-
preis- und Belegungsbindungen?

e) Wie bewertet die Bundesregierung eine um den vollständigen Wert ver-
billigte Abgabe von Grundstücken für Zwecke des sozialen Wohnungs-
baus?

25. Wie bewertet die Bundesregierung das Potenzial, mittels bundeseigener
Wohnungen und Liegenschaften in Gebieten mit angespannten Wohnungs-
märkten dämpfend auf das Mietniveau einzuwirken?

26. Möchte die Bundesregierung am geltenden gesetzlichen Auftrag der Bundes-
anstalt für Immobilienaufgaben festhalten, grundsätzlich an den Höchstbie-
tenden bzw. zum vollen Wert zu verkaufen, und wenn ja, warum?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/13115

27. Sieht die Bundesregierung gesetzlichen Änderungsbedarf, um vor dem Hin-

tergrund der aktuellen Entwicklungen auf dem Wohnungs- und Immobilien-
markt, insbesondere der Preisentwicklung von Baugrundstücken und Miet-
wohnungen in vielen Städten, eine an wohnungs- und stadtentwicklungspo-
litischen Gesichtspunkten orientierte Boden- und Liegenschaftspolitik zu er-
möglichen?

Berlin, den 10. Juli 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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