BT-Drucksache 18/13106

Regulierung und Prävention bei Alkohol

Vom 11. Juli 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13106
18. Wahlperiode 11.07.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Tempel, Ulla Jelpke, Kersten Steinke, Harald Weinberg,
Birgit Wöllert und der Fraktion DIE LINKE.

Regulierung und Prävention bei Alkohol

Laut Schätzungen der Drogenbeauftragten der Bundesregierung sterben jährlich
zwischen 42 000 und 74 000 Menschen an den Folgen ihres Alkoholkonsums
(Drogen- und Suchtbericht 2016, S. 9).
In Deutschland besteht das nationale Gesundheitsziel, den Alkoholkonsum zu
verringern. Hierzu erarbeitet eine Arbeitsgruppe Empfehlungen zur Reduzie-
rung des Alkoholkonsums. An der Arbeitsgruppe sind auch Vertreterinnen und
Vertreter der Bundesregierung beteiligt. Laut Recherchen von „correctiv.org“
und „ZDFzoom“ (https://correctiv.org/recherchen/stories/2017/02/22/wie-die-
alkoholindustrie-uns-dazu-bringt-immer-weiter-zu-viel-zu-trinken/) versucht die
Alkoholindustrie, die Ergebnisse der Arbeitsgruppe zu beeinflussen und manche
Vorschläge zur Reduzierung des Alkoholkonsums zu blockieren.
Dabei haben die Recherchen auch ergeben, dass sich „die Verkäufer in der Mehr-
zahl offenbar nicht an die Regeln halten; dass sie kaum Kontrollen zu fürchten
haben; und dass die Strafen erstaunlich niedrig sind. In Hamburg zum Beispiel
kommen auf rund 13 000 Verkaufsstellen weniger als 300 Testkäufe pro Jahr.
Jeder Supermarkt kommt also im Schnitt nur alle 40 Jahre in eine Kontrolle.“
Bereits im Oktober 2016 hat die Drogenbeauftragte der Bundesregierung ange-
kündigt, mit kommunalen Spitzenverbänden in Kontakt zu treten. Anlass waren
zahlreiche Verstöße gegen die Jugendschutzgesetze auf kommunaler Ebene,
die durch Testverkäufe bekannt wurden (www.noz.de/deutschland-welt/politik/
artikel/792996/drogenbeauftragte-empoert-alkohol-fuer-minderjaehrige).
Gemäß § 23 Absatz 2 Nummer 5 des Biersteuergesetzes (BierStG) i. V. m. § 40
der Biersteuerverordnung (BierStV) können Brauereien unentgeltlich und zudem
von der Steuer befreiten Haustrunk an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
abgeben. Laut dem 25. Subventionsbericht vom 26. August 2015 für die
18. Wahlperiode sind diese Subventionen auf unbestimmte Zeit vorgesehen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie hoch lagen die Ausgaben für Werbung, Promotion und Sponsoring für

Alkoholerzeugnisse seit 2009 bis einschließlich 2016 nach Kenntnissen der
Bundesregierung (bitte nach direkter Werbung, Außenwerbung, Werbung im
Kino, sonstige Werbung und keine Zuordnung, Promotion und Sponsoring
sowie nach Jahren auflisten)?

2. Wie hoch lagen die Ausgaben für Werbung für alkoholische Getränke seit
2009 bis einschließlich 2016 nach Kenntnissen der Bundesregierung für
Bier, Wein, Schaumwein und Spirituosen (bitte tabellarisch nach Jahren und
Alkoholika auflisten)?

Drucksache 18/13106 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Wie hoch lagen die Einnahmen aus alkoholbezogenen Steuern von 2009 bis
einschließlich 2016 (bitte tabellarisch nach Jahr, Veränderungen zum Vor-
jahr, Biersteuer, Schaumweinsteuer, Branntwein- und Zwischenerzeugnis-
steuer (inklusive Alkopopsteuer) und Alkoholsteuern insgesamt auflisten)?

4. Wie hoch lagen die Steuersätze für alkoholische Getränke in Deutschland
und der EU (Mittelwert) nach Kenntnissen der Bundesregierung von 2009
bis einschließlich 2016 (bitte in Euro pro Reinalkohol einzeln nach Spirituo-
sen, Zwischenerzeugnissen, Schaumwein, Wein und Bier auflisten)?

5. Wie hoch ist der Steuerverlust für Alkohol durch Haustrunkregelungen für
Brauereien gemäß § 23 Absatz 2 Nummer 5 BierStG i. V. m. § 40 BierStV
seit 2009 bis einschließlich 2016 gewesen (bitte tabellarisch nach Jahren auf-
listen)?

6. Seit wann existiert die Art der Haustrunksubventionierung?
Wie kam es zu dieser Art Subventionierung?

7. Was ist Ziel und der Zweck der Subventionierung über die Haustrunkrege-
lung?

8. Inwiefern sind die Steuervergünstigungen unter gesundheitlichen Aspekten
gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern von Brauereien zu
vertreten, und inwiefern würde ein Wegfall der Subventionierung eine finan-
zielle Hürde darstellen, um den Alkoholkonsum zu reduzieren?

9. Inwiefern gibt es eine vergleichbare Praxis auch für Beschäftigte in der Ta-
bakindustrie?

10. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die jährlichen finanziellen Schäden
seit 2009 bis einschließlich 2016
a) für die Kranken-,
b) für die Pflege- und
c) für die Rentenversicherungen,
d) für die Träger von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe bzw. Grundsiche-

rung,
e) durch Arbeitsunfähigkeit und

durch Alkoholkonsum ein (bitte jährlich auflisten)?
11. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Anzahl der Todesfälle durch Al-

koholkonsum seit 2009 bis einschließlich 2016 (bitte jährlich auflisten)?
12. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die sozioökonomische Zu-

sammensetzung von Konsumierenden bei durchschnittlichem Alkoholkon-
sum, riskantem regelmäßigen Alkoholkonsum, Rauschtrinken und Alkohol-
abhängigkeit, und was sind nach Einschätzung der Bundesregierung die Ur-
sachen?

13. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die jährlichen Gewinne der Alkohol-
industrie in Deutschland seit 2009 bis einschließlich 2016 (bitte jährlich auf-
listen)?

14. Wie hoch lag der durchschnittliche Konsum von Alkohol pro Bundesbürge-
rin bzw. Bundesbürger zwischen 15 und 64 Jahren nach Kenntnissen der
Bundesregierung seit 2009 bis einschließlich 2016 (bitte jährlich auflisten
und nach Bier, Wein, Schaumwein, Spirituosen und Alkopops aufteilen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13106

15. Inwiefern hält die Bundesregierung die Daten zum Alkoholkonsum durch

den Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure
e. V. für transparent?
Inwiefern findet eine Überprüfung der Daten durch die Bundesregierung
statt?

16. Wie hoch ist nach Kenntnissen der Bundesregierung der Alkoholkonsum un-
ter den OECD-Staaten von Personen zwischen 15 und 64 Jahren (bitte tabel-
larisch auflisten und in registrierten Alkoholkonsum, nicht registrierten Al-
koholkonsum und Alkoholkonsum gesamt unterteilen)?

17. Wie hoch ist nach Kenntnissen der Bundesregierung der Alkoholkonsum un-
ter den EU-Mitgliedstaaten von Personen zwischen 15 und 64 Jahren (bitte
tabellarisch auflisten und in registrierten Alkoholkonsum, nicht registrierten
Alkoholkonsum und Alkoholkonsum gesamt unterteilen)?

18. Welche Organisationen und Expertinnen und Experten sind aktuell in der
Arbeitsgruppe zur Reduzierung des Alkoholkonsums vertreten (bitte tabella-
risch nach Organisation und Anzahl der Vertreterinnen und Vertreter auflis-
ten)?
Sind alle Organisationen bei der Arbeitsgruppe zur Reduzierung des Alko-
holkonsums vertreten, die auf der Liste der Kooperationspartner und Koope-
rationsträger auf http://gesundheitsziele.de/ aufgelistet sind?

19. Wurden einzelne Organisationen der Arbeitsgruppe ausgewechselt oder ha-
ben einzelne Organisationen die Arbeitsgruppe verlassen (falls ja, bitte die
entspreche Organisation, das Datum und den Grund der Änderung nennen)?

20. Wie oft haben sich die Mitglieder der Arbeitsgruppe seit Inkrafttreten des
Präventionsgesetzes seit der Gründung getroffen (bitte tabellarisch nach Da-
tum, Themen der Sitzung und teilnehmenden Organisationen auflisten)?

21. Auf welchen Treffen wurden Entwurfspassagen mit Empfehlungen disku-
tiert (bitte tabellarisch nach Sitzung auflisten)?

22. Bestätigt die Bundesregierung die Recherche von „correctiv.org“ und
„ZDFzoom“, wonach die Bundesregierung über ein Vetorecht über Textpas-
sagen verfügt?

23. Inwiefern ist es das Ziel der Bundesregierung, dass die Sachverständigen der
Arbeitsgruppe möglichst unabhängige Empfehlungen in den Abschlussbe-
richt einfließen lassen?

24. Wie viele konkrete Empfehlungen sind in den Entwürfen enthalten (bitte ta-
bellarisch nach den Bereichen Alkoholwerbung, Alkoholbesteuerung, Ver-
fügbarkeit von Alkohol sowie ggf. nach verschiedenen Entwürfen mit An-
gabe des Datums auflisten)?

25. Bei wie vielen Empfehlungen haben Vertreterinnen und Vertreter der Bun-
desregierung eine Änderung erwirkt oder ein Veto eingelegt (bitte tabella-
risch nach den Bereichen Alkoholwerbung, Alkoholbesteuerung, Verfügbar-
keit von Alkohol sowie ggf. nach verschiedenen Entwürfen mit Angabe des
Datums auflisten)?

26. In welche Richtung wurden die Empfehlungen der Sachverständigen durch
die Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung geändert, und wie be-
gründet die Bundesregierung die Änderungen unter gesundheitspolitischen
Gesichtspunkten (bitte nach den Bereichen Alkoholwerbung, Alkoholbe-
steuerung, Verfügbarkeit von Alkohol unterteilen)?

Drucksache 18/13106 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

27. Wurden Entwürfe oder einzelne Passagen der Empfehlungen der Sachver-

ständigen durch Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung an ex-
terne juristische Personen (Firmen, Vereine, Verbände) mit Bitte um Stel-
lungnahme verschickt?
a) Durch welche Bundesministerien erfolgte die Verschickung?
b) An welchem Datum erfolgte die Verschickung?
c) An welche juristischen Personen erfolgte eine Bitte um Stellungnahme?

28. Wann rechnet die Bundesregierung mit einer Fertigstellung des Berichts der
Arbeitsgruppe?

29. Wie viele Treffen fanden zwischen Vertreterinnen und Vertreter der Alko-
holindustrie und der Bundesregierung in der 17. und der 18. Legislaturperi-
ode statt (bitte tabellarisch nach Datum, Verband, Bundesministerien und
Ebene auflisten)?
a) Bei welchen dieser Treffen wurde über das Thema Werbebeschränkungen

für alkoholische Produkte gesprochen?
b) Bei welchen dieser Treffen wurde über das Thema Steuererhöhungen auf

Alkoholprodukte gesprochen?
c) Bei welchen dieser Treffen wurde über Verkaufsbeschränkungen für al-

koholische Produkte gesprochen?
30. Wie bewertet die Bundesregierung einzelne Maßnahmen wie

a) Steuererhöhungen auf alkoholische Produkte,
b) Regelungen zur Beschränkung der Verfügbarkeit,
c) Beschränkungen von Alkoholwerbung, und
d) Warnhinweise auf alkoholischen Produkten
zur Reduzierung des Alkoholkonsums?
Welche Maßnahmen hält sie für besonders geeignet, und inwiefern erwägt
sie, bei den einzelnen Bereichen gesetzgeberisch tätig zu werden?

31. Welchen gesundheitlichen Risiken sind Jugendliche unter 18 Jahren nach
Kenntnissen der Bundesregierung beim Konsum von Alkohol ausgesetzt?

32. Wie begründet die Bundesregierung unterschiedliche Altersgrenzen nach
Getränketypen (Spirituosen und Likören einerseits und Bier, Wein und Sekt
andererseits)?

33. Welche Auswirkung haben unterschiedliche Altersgrenzen nach Getränkety-
pen (Spirituosen und Likören einerseits und Bier, Wein und Sekt anderer-
seits) auf die Säule der Prävention und Aufklärung bei Alkohol nach Ein-
schätzung der Bundesregierung?

34. Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus der Studie des Deut-
schen Instituts für Wirtschaftsforschung und des Hamburg Center for Health
Economics, wonach die Einschränkung des Alkoholverkaufs in Baden-
Württemberg bei jungen Erwachsenen bis 25 Jahren mit einer Reduzierung
des Alkoholkonsums um 7 Prozent einhergegangen ist, während die Zahlen
in anderen Bundesländern zur gleichen Zeit angestiegen sind (www.
sciencedirect.com/science/article/pii/S0047272714002564)?

35. Hat die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Vertreterinnen und Vertre-
ter der kommunalen Spitzenverbände seit dem 21. Oktober 2016 zum Thema
Alkoholverkauf bei Minderjährigen eingeladen, und falls ja, wann und wie
oft fanden diese Treffen statt (vgl. www.noz.de/deutschland-welt/politik/
artikel/792996/drogenbeauftragte-empoert-alkohol-fuer-minderjaehrige)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/13106

36. Wie hoch ist der Anteil von Verstößen gegen den Jugendschutz bei Testkäu-

fen nach Kenntnissen der Bundesregierung, die sie aus dem Treffen mit Ver-
treterinnen und Vertretern der kommunalen Spitzenverbände gewonnen hat
(bitte auflisten nach Bundesländern bzw. einzelnen Kommunen)?

37. Welche Gründe wurden beim Treffen zwischen der Drogenbeauftragten und
den Vertreterinnen und Vertretern der kommunalen Spitzenverbände für die
hohe Zahl von Verstößen gegen die Jugendschutzgesetze diskutiert?

38. Welche Maßnahmen wurden beim Treffen zwischen der Drogenbeauftragten
und den Vertreterinnen und Vertretern der kommunalen Spitzenverbände für
die hohe Zahl von Verstößen gegen die Jugendschutzgesetze diskutiert?

39. Wie sollen die diskutierten Lösungsvorschläge künftig umgesetzt werden,
und welche Aufgaben hat die Bundesregierung hierfür übernommen?

Berlin, den 10. Juli 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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