BT-Drucksache 18/13105

Bekämpfung des sogenannten E-Smuggling durch die Polizeiagentur Europol

Vom 11. Juli 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13105
18. Wahlperiode 11.07.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Frank Tempel, Annette Groth, Inge Höger,
Ulla Jelpke, Niema Movassat, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Bekämpfung des sogenannten E-Smuggling durch die Polizeiagentur Europol

Im vergangenen Jahr hatte der Rat der Europäischen Union die Mitgliedstaaten
aufgefordert, bestehende Informationssysteme sowie öffentliche Daten, Plattfor-
men und Partnerschaften mit Unternehmen der sozialen Medien sowie alle ande-
ren verfügbaren Instrumente „optimal zu nutzen“, um Daten und Systeme „für
eine prädiktive Analyse der Migrantenströme und der sich daraus ergebenden
Schleusertätigkeiten zu nutzen“ (Schlussfolgerungen des Rates zur Migranten-
schleusung vom 10. März 2016). Der EU-Polizeiagentur Europol wurden im ver-
gangenen Jahr 1 150 Accounts in Sozialen Medien gemeldet, über die Geflüchtete
Hilfe bei der Ein- oder Durchreise in die Europäische Union erhalten haben sollen
(http://gleft.de/1M0). Ein entsprechender Europol-Bericht differenziert nicht zwi-
schen humanitärer Fluchthilfe oder kommerziellen Angeboten. Auch ist unklar,
wie viele der Accounts bei den Internetanbietern zur Entfernung gemeldet wur-
den. Laut Europol lag die Gesamtquote, in denen die Firmen den Aufforderungen
zur Löschung entsprochen haben, um die 90 Prozent. Zuständig für das soge-
nannte E-Smuggling ist das „Gemeinsame Operationsteam MARE“ (JOT
MARE), das früher zum Europol-Arbeitsschwerpunkt „Checkpoint“ gehörte und
jetzt als eigene Abteilung in das neue „Zentrum für Migrantenschmuggel“
(EMSC) bei Europol eingegliedert worden ist (Bundestagsdrucksache 18/8669,
Antwort zu Frage 15). „Checkpoint“ führt unter anderem eine Datei mit Verdäch-
tigen. Allein im Jahr 2016 hat Europol 17 459 Personen als „Menschenschmugg-
ler“ festgestellt. Das JOT MARE wird von Italien geführt, zu den Mitgliedern
zählen das Bundeskriminalamt, die europäische Grenzagentur Frontex und
INTERPOL. Zu „Checkpoint“ assoziiert ist zudem die US-Einwanderungsbe-
hörde ICE. Nur wenige der beanstandeten Internetinhalte findet das EMSC selbst.
Sie werden entweder von Behörden der EU-Mitgliedstaaten angeliefert oder von
der „Meldestelle für Internetinhalte“ (EU IRU) aufgespürt, die vor zwei Jahren
ebenfalls bei Europol eingerichtet wurde. Die Abteilung sollte zunächst nach „is-
lamistisch-terroristischen“ Inhalten suchen und den Internetanbietern zur Entfer-
nung melden. Kurz darauf wurde das Mandat der EU IRU jedoch auf Inhalte er-
weitert, mit denen Fluchthelfer Geflüchtete „anlocken“ („detect and request re-
moval of internet content used by traffickers to attract migrants and refugees“;
http://gleft.de/1M1).

Drucksache 18/13105 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Haltung hat die Bundesregierung mittlerweile zu der Frage entwi-
ckelt, auf welche Weise die Forderung des Rates der Europäischen Union
umzusetzen wäre, bestehende Informationssysteme sowie öffentliche Daten,
Plattformen und Partnerschaften mit Unternehmen der sozialen Medien so-
wie alle anderen verfügbaren Instrumente „optimal zu nutzen“, um Daten
und Systeme „für eine prädiktive Analyse der Migrantenströme und der sich
daraus ergebenden Schleusertätigkeiten zu nutzen“ (Schlussfolgerungen des
Rates zur Migrantenschleusung vom 10. März 2016, Bundestagsdrucksa-
che 18/8669, Antwort zu Frage 10)?

2. Welche Maßnahmen zur Priorität „illegale Migration“ werden nach Kenntnis
der Bundesregierung im Jahr 2017 über die „Europäische multidisziplinäre
Plattform gegen kriminelle Bedrohungen“ (EMPACT) finanziert, und wer
führt diese Maßnahmen jeweils an?
a) Wie viele Ermittlungsverfahren aus verschiedenen Ländern wurden im

Jahr 2016 in die Zusammenarbeit in EMPACT eingebracht, um diese zu
koordinieren (Bundestagsdrucksache 18/8669, Antwort zu Frage 4)?

b) Wie viele dieser Ermittlungen resultierten in ein „gemeinsames Vorgehen
gegen Schleusernetzwerke“?

3. Welche Maßnahmen zur „Lokalisierung und Festnahme von Hauptbeschul-
digten“ wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen der vom
„Europol and INTERPOL Operational Forum on Countering Migrant
Smuggling Networks“ initiierten Operation „Hydra“ durchgeführt (Bundes-
tagsdrucksache 18/8669, Antwort zu Frage 20)?
a) Welche Behörden aus EU-Mitgliedstaaten oder Drittstaaten nahmen da-

ran teil?
b) Welche weiteren Maßnahmen sind in der Operation „Hydra“ geplant?

4. Auf welche Weise arbeiten Bundesbehörden oder nach Kenntnis der Bun-
desregierung auch Landesbehörden mittlerweile mit dem „INTERPOL Spe-
cialist Operational Network against Migrant Smuggling“ (ISON) zur Ermitt-
lung oder strafrechtlichen Verfolgung von „Schleusern“ oder zur „Zerschla-
gung der Schleusernetzwerke“ zusammen (Bundestagsdrucksache 18/10843,
Antwort zu Frage 15)?

5. In wie vielen Fällen hat die „Meldestelle für Internetinhalte“ bei Europol
nach Kenntnis der Bundesregierung im Bereich „illegaler Migration“ im Jahr
2016 Ermittlungsunterstützung geleistet?
a) Wie viele operative Produkte wurden für den Bereich „illegale Migration“

erarbeitet?
b) Wie viele operative Anfragen bzw. Beiträge zu ermittlungseinleitenden

Dokumenten wurden unterstützt?
6. Wie viele Accounts oder sonstige Inhalte in Sozialen Medien, über die Ge-

flüchtete Hilfe bei der Ein- oder Durchreise in die Europäische Union erhal-
ten haben sollen, haben deutsche Bundesbehörden der EU-Polizeiagentur
Europol im vergangenen Jahr zur Entfernung gemeldet (bitte die Zahlen nach
anliefernden Behörden ausweisen)?

7. In wie vielen Fällen haben Bundesbehörden einer Entfernung entsprechender
Internetinhalte durch einen anderen EU-Mitgliedstaat widersprochen, etwa
um Ermittlungen zu der Onlinepräsenz durchführen zu können?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13105
8. Was ist der Bundesregierung über Pläne Europols bekannt, durch die Ent-
wicklung von Algorithmen zukünftig im automatisierten Verfahren „Mi-
grantenschmuggel“ aufzuspüren?
a) Welche Abteilung bei Europol ist hierfür zuständig oder bereits mit Ar-

beiten dazu befasst?
b) Welche EU-Mitgliedstaaten oder sonstigen Beteiligten arbeiten daran

mit?
c) Wann sollen die für einen solchen Algorithmus benötigten Kriterien vor-

liegen?
9. Welche Details kann die Bundesregierung zu den Inhalten von „Intelligence

Notifications“ mitteilen, die vom „Zentrum für Migrantenschmuggel“
(EMSC) bei Europol an die EU-Mitgliedstaaten verteilt werden?

10. Wie viele „Intelligence Notifications“ haben Bundesbehörden im Jahr 2016
vom EMSC erhalten?

11. Was ist der Bundesregierung über Berichte bekannt, wonach Botschafts- und
Konsularmitarbeiter europäischer Botschaften zur Ausstellung von Reisedo-
kumenten bestochen werden?
a) In welchen Ländern werden hierzu Ermittlungen geführt?
b) Auf welche Weise sind Bundesbehörden an entsprechenden Ermittlungen

beteiligt?
12. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, auf welche Weise die Kom-

mission und Europol die Ermittlungen zu „Migrantenschmuggel“ weiter er-
leichtern wollen?

13. Auf welche Weise arbeitet das BKA bei Europol daran mit, technische und
rechtliche Handlungsoptionen in Bezug auf den Umgang mit Verschlüsse-
lung in Ermittlungsverfahren zu erörtern (Bundestagsdrucksache 18/12877,
Antwort auf die Schriftliche Frage 13 des Abgeordneten Andrej Hunko)?
a) Welche Fortschritte einer hierzu eingerichteten Arbeitsgruppe sind der

Bundesregierung hinsichtlich der Detektion verschlüsselter Daten,
Dekryptierung verschlüsselter Daten und Erhebung unverschlüsselter Da-
ten vor der Verschlüsselung bzw. nach der Entschlüsselung bekannt?

b) Welche technischen Verfahren wurden hierzu erörtert?
c) Welche Einzelheiten zu Inhalten einer gesonderten Veranstaltung zu

rechtlichen Fragen am 8. Juni 2017 sind der Bundesregierung mittlerweile
bekannt geworden?

d) Welche Haltung hat die Bundesregierung mittlerweile zur Frage einer
zentralen Bündelung spezieller technischer Kompetenzen und ermitt-
lungsrelevanter Dienstleistungen bei Europol eingenommen?

14. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, in welchen Ländern die Eu-
ropäische Union „Gegenerzählungen“ im Internet, Fernsehen, Rundfunk und
Printmedien platziert bzw. finanziell unterstützt, um Asylsuchende von einer
Flucht in die Europäische Union abzuhalten?

15. In welchen der drei Bereiche des EMSC („Deployments“ als zentraler Kon-
taktpunkt für die „European Union Regional Taskforce“ (EU RTF); „Opera-
tions“ zur operativen Unterstützung der Mitgliedstaaten und Partner; „Stra-
tegy“ zur strategischen Unterstützung der Mitgliedstaaten und Partner) sind
welche Bundesbehörden mittlerweile mit welchem Personal vertreten (Bun-
destagsdrucksache 18/8669, Antwort zu Frage 15)?

Drucksache 18/13105 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

16. Welche Aufgaben werden von der bei Eurojust eingerichteten „Thematic

Group Illegal Immigrant Smuggling“ von den dorthin entsandten Vertrete-
rinnen und Vertretern der sogenannten nationalen Tische von Eurojust über-
nommen (Bundestagsdrucksache 18/8669, Antwort zu Frage 3)?

17. Welche Gemeinsamen Ermittlungsgruppen („Joint Investigation Teams“)
werden bei der EU-Agentur für die justizielle Zusammenarbeit Eurojust im
Hinblick auf „Migrantenschmuggel“ („Illegal Immigrant Smuggling“) ge-
führt, und wie viele Fälle sind dort erfasst?

18. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, welche Aufgaben von Euro-
pol nach Unterzeichnung einer Gemeinsamen Absichtserklärung mit der EU-
Militärmission EUNAVFOR MED bei der Umsetzung von deren Mandat
übernimmt (Bundestagsdrucksache 18/10843, Antwort zu Frage 2)?
a) Sofern Europol auch an militärischen Ausbildungsmaßnahmen teilnimmt,

welche Tätigkeiten werden dabei übernommen?
b) Inwiefern ist Europol auch in den Austausch von Informationen mit

EUNAVFOR MED oder der NATO-Mission SEA GUARDIAN einge-
bunden?

19. Mit welchen Kontrollmechanismen wird in der EU-Militärmission
EUNAVFOR MED überprüft, ob die vermittelten Ausbildungsinhalte (da-
runter „Boardingtechniken“, Schifffahrtsleitung, humanitäres Völkerrecht,
Menschenrechte, Seerecht, siehe Antwort der Bundesregierung zu Frage 6
der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksa-
che 18/9965) derart umgesetzt werden, dass diese internationalen Standards
dem Völker- und dem Seerecht genügen, und sofern ein solcher Mechanis-
mus gar nicht existiert, wie müsste dieser aus Sicht der Bundesregierung aus-
gestaltet werden?

20. Was ist der Bundesregierung über die Aktivitäten eines zivil-militärischen
„informellen Netzwerks relevanter Akteure“ im Bereich der „Schleusung
von Migranten“ bekannt, das nach einem Treffen bei Europol eingerichtet
wurde und an dem ein Angehöriger der EU-Militärmission EUNAVFOR
MED sowie „Vertreter“ aus Libyen, Marokko und Tunesien teilnahmen
(Bundestagsdrucksache 18/10843, Antwort zu Frage 5)?
a) Wer gehört diesem Netzwerk an (bitte auch die „Vertreter“ aus Libyen,

Marokko und Tunesien benennen)?
b) Welche Treffen haben seit Gründung des Netzwerks stattgefunden?

Berlin, den 10. Juli 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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