BT-Drucksache 18/13073

Konsequenzen aus dem Brand des Grenfell Towers

Vom 29. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13073
18. Wahlperiode 29.06.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Christian Kühn (Tübingen), Annalena Baerbock, Bärbel Höhn,
Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Steffi Lemke, Peter Meiwald,
Dr. Julia Verlinden und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Konsequenzen aus dem Brand des Grenfell Towers

„Seit der Regierungszeit Margaret Thatchers in den Achtzigerjahren galt eine der
Säulen ihrer Wirtschaftspolitik in Großbritannien als unumstößlich: Deregu-
lierung. Bürokratie gehörte abgeschafft, weil sie das Wachstum bremste – das sa-
hen auch alle folgenden Premierminister so, egal ob Tory oder Labour“ (Quelle:
SPIEGEL ONLINE s. u.). Das hat massive Folgen für die britischen Brandschutz-
und Baubestimmungen.
„Auch die soziale Frage wird neu gestellt. Grenfell verkörpere die ‚groteske Un-
gleichheit‘ in einem der reichsten Viertel des Landes, kommentierte der Labour-
Abgeordnete David Lammy. Allein in London gebe es 700 solcher Türme, und
die Wohnbedingungen fänden sich so ähnlich in Sozialwohnungen im ganzen
Land. Es gebe kein passenderes Symbol für den Begriff ‚Armutsfalle‘ als den
verkohlten Turm, aus dessen oberen Stockwerken es kein Entrinnen gab, schreibt
der ‚Guardian‘“ (Quelle: www.spiegel.de/wirtschaft/london-brand-im-grenfell-
tower-ruettelt-am-deregulierungs-dogma-a-1152449.html).
In Deutschland gilt ein ähnliches Unglück als unwahrscheinlich, auch weil die
Brandschutzbestimmungen und die Bauaufsicht anders geregelt sind. Dennoch
werden immer wieder Forderungen laut, die bestehenden Regelungen zu schlei-
fen oder auszusetzen, weil sie den Bau oder die Sanierung verteuern würden.
Auch in Deutschland hat der Personalabbau in den Ämtern seit den 90er-Jahren
massiv zugenommen, seit 1990 sind fast 40 Prozent der Stellen weggefallen
(DIW, 2017 www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.554462.de/17-
11-5.pdf). Dadurch wird eine engmaschige Überwachung durch die Bauaufsicht
immer schwieriger. Wozu das am Ende führen könnte, wurde nun in England auf
tragische Weise deutlich.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wer ist aus Sicht der Bundesregierung für die Brandschutzüberwachung in

Gebäuden zuständig?
2. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung

aus dem massiven Personalabbau in den Kommunen?
3. Ist der Bundesregierung die Zahl der Brandschutzmeister in Deutschland be-

kannt, und wenn nicht, warum nicht?
4. Hat der massive Personalabbau aus Sicht der Bundesregierung etwas mit der

finanziellen Ausstattung der Kommunen zu tun?

Drucksache 18/13073 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
5. Hat die Bundesregierung diesen Aspekt in den zurückliegenden Bund-Län-
der-Finanz-Verhandlungen berücksichtigt, und wenn nicht, warum nicht?

6. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Brand für
a) den sozialen Wohnungsbau,
b) den Brandschutz, und
c) die Zulassung von Dämmstoffen in Deutschland?

7. Welche Brandschutzregelungen gibt es in Deutschland für Hochhäuser?
8. Gibt es nach Wissen der Bundesregierung vergleichbare Gebäude in

Deutschland?
a) Wenn ja, welche ?
b) Wenn nein, warum nicht?

9. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Gebäude in Deutschland mit ei-
ner vergleichbaren Dämmung?

10. Wie hoch ist der Anteil der durch die KfW geförderte Dämmung an
a) erdölbasierten Dämmstoffen,
b) mineralischen Dämmstoffen, und
c) nachwachsenden Dämmstoffen?

11. Sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen der Fördersyste-
matik der KfW und dem Einbau von Polystyroldämmung, und wenn nicht,
warum nicht?

12. Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund von möglichen
Baumängeln die Möglichkeit im Rahmen der KfW-Förderung, dass das aus-
führende Bauunternehmen sich selbst eine einwandfreie Ausführung be-
scheinigen kann (KfW Programm 151)?

13. Wie bewertet die Bundesregierung die Ablehnung des Antrags auf Bundes-
tagsdrucksache 18/9803 „Den Holzbau und das Bauen mit nachwachsenden
Rohstoffen stärken“ durch den Deutschen Bundestag?

14. Ist der Bundesregierung bekannt, warum der Antrag abgelehnt wurde?
15. Warum hält die Bundesregierung an der Technologieoffenheit bei Dämm-

stoffen trotz der negativen Brandeigenschaften erdölbasierter Dämmstoffe,
die wiederum einen massenhaften Einsatz von z. T. umweltgiftigen Flamm-
schutzmitteln (beispielsweise 50 000 Tonnen HBCD) zur Folge haben, fest?

16. Warum setzt die Bundesregierung nicht vermehrt auf die Förderung nach-
wachsender und ökologischer Dämmstoffe?

17. Warum legt die Bundesregierung kein Förderprogramm für nachwachsende
Baustoffe der KfW auf?

18. Wie wurde der Brandschutz im Rahmen des Bündnisses für bezahlbares
Wohnen und Bauen behandelt, und mit welchen Ergebnissen?

19. Ist die Bundesregierung oder eine ihrer untergeordneten Behörden mit den
englischen Behörden über die Brandkatastrophe im fachlichen Austausch,
und wenn nicht, warum nicht?

20. Plant die Bundesregierung eine Initiative auf europäischer Ebene für die Ver-
besserung und Vereinheitlichung der Brandschutzbestimmungen?

21. Ist in allen Bundesländern das Brandschutzniveau auf dem gleichen Stand
bzw. Niveau, und wenn nicht, welche Unterschiede gibt es (bitte nach Län-
dern aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13073

22. Inwieweit sieht die Bundesregierung einen Vorteil hinsichtlich des chemi-

schen Brandschutzes in Innenräumen gegenüber dem technischen Brand-
schutz, und wenn ja, warum?

Berlin, den 27. Juni 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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