BT-Drucksache 18/13011

zu dem Antrag der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Luise Amtsberg, Monika Lazar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/8221 - Heute für morgen helfen - Engagement für Geflüchtete stärken

Vom 28. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13011
18. Wahlperiode 28.06.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Luise Amtsberg, Monika
Lazar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/8221 –

Heute für morgen helfen – Engagement für Geflüchtete stärken

A. Problem
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN weist in ihrem Antrag vom Ap-
ril 2016 auf ein beeindruckendes Engagement der Bevölkerung für Geflüchtete
hin. Es handele sich um eine Welle der Hilfsbereitschaft. Der Wille zu einem so-
lidarischen Engagement sei quer durch die Gesellschaft feststellbar. Ohne den
Einsatz der engagierten Helferinnen und Helfer wären die Unterstützung für die
Flüchtlinge weder vor noch nach dem Asylverfahren und die Integration vor Ort
kaum denkbar. Was vor Ort getan werden könne, solle auch dort getan werden.
Mit Blick auf die noch vorhandenen staatlichen Versorgungslücken, insbesondere
bei der Aufnahme von Geflüchteten, sei festzustellen, dass der Sozialstaat zur Da-
seinsvorsorge verpflichtet sei und Garant für die Integrationsaufgaben der kom-
menden Monate und Jahre sein müsse.

Es sei eine vom Bund geförderte professionelle Integrationsstruktur notwendig,
die die verschiedenen Bereiche der Integration, einschließlich des Engagements,
miteinander verknüpfe. Dafür sollten flächendeckend bundesweit kommunale In-
tegrationscenter in den Landkreisen und kreisfreien Städten gegründet werden.
Außerdem müsse der Bund ein umfassendes Engagementkonzept unter Beteili-
gung der Zivilgesellschaft erarbeiten und umsetzen.

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Kosten wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Drucksache 18/13011 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/8221 abzulehnen.

Berlin, den 28. Juni 2017

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Paul Lehrieder
Vorsitzender

Ingrid Pahlmann
Berichterstatterin

Svenja Stadler
Berichterstatterin

Norbert Müller (Potsdam)
Berichterstatter

Kordula Schulz-Asche
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13011
Bericht der Abgeordneten Ingrid Pahlmann, Svenja Stadler, Norbert Müller
(Potsdam) und Kordula Schulz-Asche

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 18/8221 wurde in der 167. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. April 2016
dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur federführenden Beratung und dem Innenausschuss
sowie dem Sportausschuss zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

In dem Antrag vom April 2016 wird auf das beeindruckende Engagement der Bevölkerung für Geflüchtete auf-
merksam gemacht. Eine Welle der Hilfsbereitschaft und der Wille zu einem solidarischen Engagement gingen
quer durch die Gesellschaft in Stadt und Land. Ohne den Einsatz der engagierten Helferinnen und Helfer wären
die Unterstützung für die Flüchtlinge weder vor noch nach dem Asylverfahren und die Integration vor Ort kaum
denkbar. Die Engagierten könnten, sollten und wollten professionelle Strukturen nicht ersetzen, aber ihr Beitrag
für das Ankommen der Flüchtlinge in den Kommunen und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt könne nicht
hoch genug bewertet werden. Die noch vorhandenen staatlichen Versorgungslücken, insbesondere bei der Auf-
nahme von Geflüchteten, müssten jedoch durch die eigentlich zuständigen Behörden geschlossen und die Aner-
kennungsverfahren deutlich beschleunigt werden. Der Sozialstaat sei zur Daseinsvorsorge verpflichtet und müsse
Garant für die Integrationsaufgaben der kommenden Monate und Jahre sein. Es sei eine vom Bund geförderte
professionelle Integrationsstruktur notwendig, die die verschiedenen Bereiche der Integration, einschließlich des
Engagements, miteinander verknüpfe.

Nach dem Antrag soll die Bundesregierung aufgefordert werden,

in Kooperation mit Ländern, Kommunen und der Zivilgesellschaft ein umfassendes Engagementkonzept umzu-
setzen. Es solle insbesondere folgende Eckpunkte umfassen:

1. Starke Engagementstrukturen durch kommunale Koordinationsstellen und eine zentrale Online-Plattform

Hierzu sei vor allem eine Stärkung der vor Ort bestehenden Engagementstrukturen und des professionellen
Freiwilligenmanagements erforderlich. Es bedürfe einer unabhängigen Koordination, die an der Schnittstelle
zwischen Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft informiere, berate und unterstütze. Außerdem sollten die
zahlreichen Webseiten, Plattformen und Apps zur Koordinierung der Flüchtlingshilfe und zur Vernetzung
gefördert und gebündelt werden. Hierfür solle der Bund eine zentrale Online-Plattform bereitstellen.

2. Langfristige, verlässliche, unbürokratische und transparente Förderung

Informationen über Förderungen müssten übersichtlich und verständlich bereitgestellt werden, um Chancen-
gleichheit unter den Initiativen zu sichern. Online-Plattformen könnten informieren und dabei helfen, Enga-
gierte zu vernetzen. Integrationscenter und kommunale Koordinationsstellen könnten zusätzlich beraten, bei
der Antragstellung unterstützen und einen wichtigen Beitrag für mehr Transparenz bei der Verteilung von
Fördermitteln leisten. Es müsse sichergestellt werden, dass neue bzw. unterrepräsentierte Engagierte, wie
Moscheegemeinden, erleichterten Zugang zu Förderprogrammen hätten.

3. Beratungen, Supervision und Fortbildungen für Engagierte

Hilfreich seien standardisierte Informationen für alle Flüchtlinge und Engagierten, wie beispielsweise das
Handbuch für ehrenamtliche Flüchtlingshilfe des baden-württembergischen Staatsministeriums. Patenschaf-
ten erleichterten jungen Flüchtlingen die Integration und könnten Hilfe und Unterstützung im Alltag sein.
Engagierte brauchten fachliche und organisatorische Beratung und Zugang zu Fortbildungen und Supervi-
sion, um beispielsweise mit hochemotionalen und belastenden Einzelschicksalen von Geflüchteten besser

Drucksache 18/13011 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

umgehen zu können. Die (Weiter-)Qualifikation – entweder durch andere Freiwillige oder auch durch haupt-
beruflich Tätige – sei eine wichtige Voraussetzung für die persönliche Entwicklung. Um Engagierte zeitlich
zu entlasten, sollten Weiterbildungen, die für freiwilliges Engagement benötigt würden, als Bildungsurlaub
anerkannt werden können.

4. Anerkennung und Kommunikation auf Augenhöhe

Die Kommunikation zwischen den professionell Tätigen und den Engagierten solle auf Augenhöhe stattfin-
den, wobei die Arbeit der Zivilgesellschaft Anerkennung und Wertschätzung erfahren solle. Regelmäßige
Bürgerdialoge könnten den Austausch und die kontinuierliche Zusammenarbeit von Engagierten, Verwal-
tung und Politik sowie professionell Tätigen befördern und behördliches Handeln transparent machen.

Um bürgerschaftliches Engagement von Studierenden abseits des Campus mit dem Lernen an der Hoch-
schule zu verbinden, sollten Service-Learning-Angebote an den Hochschulen gefördert werden. Damit könne
Engagement von Studierenden abseits des Campus mit dem Lernen an der Hochschule verknüpft und zudem
mit lokalen Ehrenamtsbörsen verbunden werden. Engagement solle auch nicht am Geldbeutel scheitern. Es
gelte zu prüfen, ob Einsätze in der Flüchtlingsarbeit von Hilfsdiensten wie dem DRK den Freistellungsmög-
lichkeiten bei Katastropheneinsätzen des THW oder der Feuerwehr gleichgestellt werden könnten und soll-
ten. Aufwandsentschädigungen und der Ersatz von persönlichen Auslagen seien wichtige praktische Hilfen
und Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung des Engagements. Nordrhein-Westfalen habe im Rahmen
des Förderprogramms „Ehrenamt in der Flüchtlingshilfe“ beispielsweise einen Fördertopf geschaffen, durch
den sich Engagierte Kosten für den Bus oder für Eintrittspreise, die durch ihr Engagement entstünden, erset-
zen lassen könnten.

5. Engagement von Geflüchteten unterstützen

Um das Ankommen von Geflüchteten auch in der Zivilgesellschaft zu ermöglichen, sollten sie Hilfestellung
beim Zugang u. a. in Vereine, Religionsgemeinschaften und auch Parteien bekommen. Alle Freiwilligen-
dienstformate sollten für Flüchtlinge, Asylsuchende und Geduldete geöffnet werden und entsprechende pä-
dagogische Begleitung gewährleisten. Auch die Unterstützung von Flüchtlingsselbstorganisationen fördere
Integration. Engagierte Flüchtlinge sollten durch ihr Engagement keine Nachteile im Asylverfahren erfahren.
Migrantenselbstorganisationen und deren Vernetzung mit Flüchtlingsinitiativen sollten stärker gefördert
werden. Ein nicht zu unterschätzender Integrationsmotor sei der Sport.

6. Engagierte gegen Angriffe von Rechts schützen

Es sei ein breites Bündnis zur Unterstützung der bürgerschaftlich Engagierten für Demokratie, die Rechte
von Minderheiten sowie gegen Rassismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
notwendig. Man brauche eine bundesweite Demokratieoffensive, in der die demokratischen Kräfte das Bild
einer pluralistischen, offenen Gesellschaft für unsere heutige Zeit neu zeichneten und darüber in einen breiten
gesellschaftlichen Dialog träten. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass Engagement für Geflüchtete behin-
dert oder kriminalisiert werde. Der Staat dürfe sich nicht zurückziehen, sondern müsse wieder stärker in
demokratische Infrastruktur, Kultureinrichtungen, Sozial- und Jugendarbeit investieren und für eine ange-
messene Präsenz und Ausstattung der Polizei sorgen. Die Förderung zivilgesellschaftlicher Arbeit zur De-
mokratiestärkung, gegen Rechtsextremismus, Rassismus und andere Formen gruppenbezogener Menschen-
feindlichkeit müsse als Daueraufgabe nachhaltig gestaltet sowie finanziell und strukturell abgesichert wer-
den, wobei die Unabhängigkeit zivilgesellschaftlichen Engagements nicht ausgehöhlt werden dürfe. Es sei
zudem ein bundesweites Netz zivilgesellschaftlicher Opferberatungsstellen erforderlich, wo Betroffene rech-
ter Gewalt, bedrohte Engagierte und ihre Familien kompetent und zeitnah beraten werden könnten.

7. Gut ausgestattete Kitas, Schulen, Jobcenter und Verwaltungen

Bürgerschaftliches Engagement könne kein Ersatz für originär staatliche Aufgaben sein, sondern sei immer
eine zusätzliche Tätigkeit mit eigenem Wert. Aufgabe der Zivilgesellschaft sei es nicht, dauerhaft fehlende
staatliche Strukturen zu ersetzen und rechtswidrige Missstände auszugleichen. Damit Integration gelinge, sei
genügend Personal in der Verwaltung, den Jobcentern, den Schulen oder Kitas erforderlich, das in der Arbeit
mit Geflüchteten geschult sei und Fortbildungen in interkultureller Kompetenz bekomme. Außerdem sei eine

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professionelle Integrationsstruktur notwendig. Dafür sollten flächendeckend bundesweit kommunale Integ-
rationscenter gegründet werden. Die Integrationscenter seien als Hilfe für Helferinnen und Helfer gedacht
und sollten Geflüchteten den Weg zur Teilhabe an der Gesellschaft ebnen.

8. Effektive staatliche Integrationsstrukturen

Der Bund müsse die Zivilgesellschaft stärker an der Ausarbeitung, Umsetzung und Steuerung von Integra-
tion durch eine in regelmäßigen Abständen tagende Integrationskonferenz beteiligen. Der Erfahrungsaus-
tausch solle dazu führen, dass bundesweite Beispiele guter Praxis und Erfahrungen Eingang in die Integrati-
onspläne für die Kommunen finden könnten. Zur zivilgesellschaftlichen Beteiligung gehöre insbesondere
auch die Einbeziehung der Selbstorganisation von Flüchtlingen sowie insgesamt von Migrantenorganisatio-
nen. Da Integration eine zentrale Zukunftsaufgabe sei, sei hierfür auch im Bund ein Ministerium für Migra-
tion und Integration, inklusive der ausländer- und asylrechtlichen Kompetenzen, erforderlich, das bei The-
men wie Asylverfahren, Integrationsmaßnahmen bis hin zur Projektförderung steuernd agieren könne.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Innenausschuss hat in seiner Sitzung am 28. Juni 2017 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des An-
trags empfohlen.

Der Sportausschuss hat in seiner Sitzung am 28. Juni 2017 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des An-
trags empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ab-
lehnung des Antrags.

Der Ausschuss hat die Vorlage in seiner 97. Sitzung am 28. Juni 2017 beraten.

Im Rahmen der Beratung führte die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus, in den Jahren 2015 und 2016
hätten sehr viele Menschen, die nach Deutschland geflüchtet seien, ein außergewöhnliches Engagement der hier
lebenden Menschen und eine Willkommenskultur erlebt. Es hätten sich gerade auch Menschen engagiert, bei
denen es bislang schwer gefallen sei, sie in die klassischen Engagementstrukturen einzubinden. Man müsse sich
nunmehr Gedanken darüber machen, wie man Strukturen in dieses veränderte Engagement bekomme. Aus der
Willkommenskultur müssten eine Willkommensstruktur und eine Integrationsstruktur entstehen. Die Fraktion
habe eine große Anhörung mit Engagierten aus verschiedenen Teilen Deutschlands und aus unterschiedlichen
Bereichen durchgeführt. Sie seien gebeten worden, ihre Forderungen vorzutragen. Daraus habe man den vorlie-
genden Antrag formuliert.

Die Bundesregierung habe vor allem auf die Stärkung des Bundesfreiwilligendienstes im Bereich der Flüchtlings-
hilfe gesetzt und hierfür 10.000 zusätzliche Plätze gefördert. Hierbei gebe es allerdings einen sehr schleppenden
Start. Es komme jetzt vor allem darauf an, die Engagement-Infrastruktur vor Ort zu stärken. Deshalb beinhalte
der Antrag im Wesentlichen diese Stärkung vor Ort. Es gehe um die Schaffung kommunaler Koordinationsstellen,
eine zentrale Online-Plattform sowie um eine langfristige, verlässliche und transparente Förderung, Beratung,
Supervision und Fortbildung. Es müsse eine Anerkennung und Kommunikation auf Augenhöhe zwischen den
verschiedenen Akteuren geben. Das Engagement von Geflüchteten selbst solle gefördert werden. Man habe näm-
lich beobachten können, dass sehr viele Geflüchtete selbst aktiv geworden seien, um anderen zu helfen.

Nach wie vor stellten die Angriffe von „Rechts“ gegen die Geflüchteten, aber auch gegen die Helfer ein Problem
dar. Bei der Schaffung einer Integrationsstruktur gehe es auch darum, dass Kitas, Schulen, Job-Center und Ver-
waltung in der Lage seien, nicht nur die Geflüchteten, sondern auch die in diesem Bereich Engagierten zu unter-
stützen. Sie bitte deshalb um Zustimmung zu dem Antrag.

Drucksache 18/13011 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die Fraktion der CDU/CSU stimmte der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darin zu, dass das spontane
Engagement, das man vor allem in der zweiten Jahreshälfte 2015 erlebt habe, beeindruckend gewesen sei. In
dieser Zeit habe Deutschland ein „Gesicht“ gezeigt, das man ihm so nicht zugetraut habe.

Zur Forderung nach kommunalen Koordinationsstellen in dem Antrag sei festzustellen, dass das Engagement vor
Ort sehr different sei. Die Kommune wisse in der Regel selbst am besten, welche Struktur sie benötige und mit
welchen Organisationen sie zusammenarbeiten müsse. In Sachen Engagement-Infrastruktur sei das Land relativ
gut aufgestellt. Man wolle auf das Netzwerkprogramm „Engagierte Stadt“ und die Mehrgenerationenhäuser hin-
weisen. Mittlerweile gebe es über 500 Freiwilligenagenturen im Land, von denen 195 in der Bundesarbeitsge-
meinschaft der Freiwilligenagenturen organisiert seien, die mit Mitteln des BMFSFJ gefördert werde. Vom Bund
erwarte man keine direkte Herangehensweise, sondern es gehe um ein gelebtes Engagement in der Kommune, die
man als „Keimzelle“ des Engagements bezeichnen könne.

Gerade zum Höhepunkt des Zuzuges von Flüchtlingen hätten sich schnell die Partner herauskristallisiert. Es habe
sich eine ziel- und passgenaue Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamt vor Ort entwickelt. Darüber hinaus
habe sich eine Vielzahl von Plattformen etabliert. So habe das BMFSFJ das Projekt „Digitales Ehrenamt – Platt-
form für Mobilisierung und Integration“ gefördert. Es seien zudem die Internet-Plattform „bunt und verbindlich“
und die Plattform „Willkommen bei Freunden“ entstanden. Daneben gebe es regionale Vorhaben wie z. B das
Programm „Niedersachsen packt an“. Es entspreche auch dem Eigensinn des bürgerschaftlichen Engagements,
dass es sich vor Ort passgenau entwickle. Außerdem sei das Programm „Demokratie leben“ weiter ausgebaut
worden. Für dieses Programm, mit dem auch die Partnerschaft „Demokratie unterstützen“ gefördert werde, stün-
den mittlerweile über 100 Mio. Euro jährlich zur Verfügung. Damit könnten beispielsweise Strategien zur Förde-
rung von Demokratie und Vielfalt vor Ort entwickelt und umgesetzt werden. Die Landesdemokratiezentren sollten
koordinieren, beraten und qualifizieren. Auch die Förderung der Mehrgenerationenhäuser sei ausgebaut worden.

Die CDU/CSU-Fraktion wolle ebenfalls das Engagement von Geflüchteten unterstützen und stärken. Ein gutes
Beispiel dafür sei das Sonderprogramm „BFD mit Flüchtlingsbezug“, für das man Mittel für 10.000 neue Stellen
zur Verfügung gestellt habe. Es biete die Möglichkeit eines Engagements für Flüchtlinge, aber vor allen von
Flüchtlingen. Viele Vereine vor Ort hätten entdeckt, wie bereichernd interkulturelle Öffnung sein könne. Auch
private Initiativen unterstützten die Neuankömmlinge, z. B. mit gemeinsamem Kochen, Kunst, Malerei und Aus-
stellungen. Hier sei die Zivilgesellschaft sehr kreativ. Hilfreich seien auch das Patenschaftsprogramm „Menschen
stärken Menschen“ und z. B. auch die 500 Landinitiativen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirt-
schaft.

Ein großes Augenmerk habe man aber auch auf die Kindertagesstätten gelegt, etwa mit der Verdopplung der
Sprach-Kitas und dem Bundesprogramm „Kita-Einstieg“. Eine wichtige Rolle spielten auch die Jugendmigrati-
onsdienste und die Job-Center mit Angeboten zur assistierten Ausbildung. Damit habe man z. B. in Niedersachsen
gute Erfahrungen gemacht. Letztlich sei dies eine Frage der betreffenden Kommunen und der handelnden Akteure
vor Ort. Da die Koalition die meisten der im Antrag geforderten Punkte zusammen mit der Zivilgesellschaft be-
reits auf den Weg gebracht habe, könne man ihm nicht zustimmen.

Die Fraktion DIE LINKE. erklärte, sie unterstütze den Antrag, weil er in die richtige Richtung gehe. Weltweit
seien etwa 65 Mio. Menschen auf der Flucht, von denen jedoch die wenigsten die Transitländer oder die Nach-
barländer verließen. Diejenigen, die nach Deutschland gekommen seien, seien 2015 und 2016 mit viel Engage-
ment aufgenommen worden. Viele Einheimische hätten einen spontanen solidarischen Impuls gehabt und seien
in die Unterkünfte gegangen, um z. B. Sprachkurse anzubieten, Kleidung zur Verfügung zu stellen. Es habe Part-
nerschaften und Welcome-Dinner gegeben, wobei sich kreative Ideen entwickelt hätten. Diese Menschen hätten
ermöglicht, dass die Geflüchteten überhaupt hätten aufgenommen werden können, da staatliche Strukturen dies
nicht geschafft hätten. Hier habe sich ein großer Personalmangel in den Kommunen und in den Landesverwaltun-
gen gezeigt. Daraus müssten Schlüsse für die öffentliche Verwaltung und für eine Stärkung der öffentlichen Da-
seinsvorsorge gezogen werden.

Man teile die Ansätze der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hinblick auf den Umgang mit der Willkom-
menskultur und die Schaffung einer stabilen Willkommensstruktur, die nicht allein von staatlichen Stellen getra-
gen werde, sondern auch auf das bürgerschaftliche Engagement setze. Die Fraktion DIE LINKE. unterstütze die
Forderung nach dem Aufbau kommunaler Koordinierungsstellen mit Bundesmitteln. Derzeit gebe es zum Teil

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/13011
solche Stellen, die von den Ländern gefördert oder von den Kommunen selbst getragen würden. Teilweise erhiel-
ten sie Unterstützung von privater Seite oder von Vereinen. Es gehe nicht darum, diese Strukturen zu ersetzen,
sondern sie zu ergänzen.

Schließlich befürworte man auch die Forderung nach einem Ministerium für Migration und Integration, damit
Ressourcen und Verantwortlichkeiten gebündelt werden könnten. Es gehe darum, vom innenpolitischen Fokus
auf die Flüchtlingsdebatte wegzukommen und besser wahrzunehmen, dass man es hier mit Menschen zu tun habe.
In einer offenen Zuwanderungsgesellschaft müsse man überlegen, wie man mit diesen Menschen sinnvoll um-
gehe. Es dürfe nicht die erste Frage sein, wie man sie möglichst schnell dazu bringen könne, das Land wieder zu
verlassen.

Die Fraktion der SPD betonte, dass die Koalition in der Engagementpolitik viel erreicht habe, und verwies in-
soweit auf die Ausführungen der CDU/CSU-Fraktion. Es engagierten sich 30 Mio. Ehrenamtliche in Deutschland,
die man strukturell fördern und auch monetär unterstützen solle. Das BMFSFJ habe in der Engagementpolitik
einen Schwerpunkt gesetzt, indem es im Januar 2016 eine Engagementstrategie verabschiedet habe. Die Bedeu-
tung, die man dem Engagement beimesse, habe man mit vielen Projekten unterlegt, um eine Struktur zu schaffen
und zu fördern. Auch bei der Beratung und der Fortbildung für Engagierte habe man vieles in dem Programm
„Demokratie leben“, aber auch in den Freiwilligendiensten durch die pädagogische Begleitung umgesetzt. Eine
Stärkung der Anerkennung erreiche man gerade auch durch eine Kommunikation auf Augenhöhe. Hier zeige sich,
dass man sich im kontinuierlichen Dialog mit den Engagierten und den Organisationen in partizipativen Formaten
befinde. Dies werde durch die jährliche Verleihung des Engagementpreises unterstützt und öffentlich gemacht.

Zu der Zeit, als die Schutzsuchenden verstärkt nach Deutschland gekommen seien, habe es verstärkt Angriffe von
„Rechts“ auf Engagierte gegeben. Deshalb seien beim Bundesprogramm „Demokratie leben“ die Opferberatung
sowie der Auf- und Ausbau von Landes- und Demokratiezentren zu wichtigen Bestandteilen geworden. Durch
zahlreiche Programme und einen kontinuierlichen Dialog seien staatliche Integrationsstrukturen geschaffen wor-
den. Dies zeige sich am Beispiel des Programms „Menschen stärken Menschen“. Da in dem Antrag in einigen
Punkten etwas gefordert werde, was die Koalition bereits erfolgreich umgesetzt habe, werde man den Antrag
ablehnen.

Berlin, den 28. Juni 2017

Ingrid Pahlmann
Berichterstatterin

Svenja Stadler
Berichterstatterin

Norbert Müller (Potsdam)
Berichterstatter

Kordula Schulz-Asche
Berichterstatterin

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