BT-Drucksache 18/12935

zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Dr. Frithjof Schmidt, Claudia Roth (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/10359 - Für eine Internationalisierungsstrategie von Wissenschaft und Forschung, die Pluralität und Freiheit schützt, Grenzen überwindet und Zusammenhalt stärkt

Vom 27. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12935
18. Wahlperiode 27.06.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
(18. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Dr. Frithjof Schmidt, Claudia Roth
(Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/10359 –

Für eine Internationalisierungsstrategie von Wissenschaft und Forschung,
die Pluralität und Freiheit schützt, Grenzen überwindet und Zusammenhalt
stärkt

A. Problem
Die internationale Zusammenarbeit in der Wissenschaft und Forschung gründet
auf Mobilität, Weltoffenheit, Vielfalt und Freiheit. Sie schlägt Brücken zwischen
Gesellschaften, befördert Pluralismus und Völkerverständigung. Doch in zahlrei-
chen Ländern stehen diese Prinzipien unter Druck, denn Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler werden dort entlassen, mit Arbeitsverboten belegt, bedroht,
unter Hausarrest gestellt, inhaftiert oder gar getötet. Zudem schüren in Europa
(rechts-)populistische Strömungen wissenschaftsfeindliche Stimmungen, insbe-
sondere gegen die Geschlechterforschung. Hinzu kommt die Brexit-Entschei-
dung, aufgrund derer das Vereinigte Königreich den europäischen Forschungs-
raum verlassen wird.

B. Lösung
Um die Internationalisierung der Forschung und Wissenschaft zu stärken, soll die
Bundesregierung aufgefordert werden, mit einem Bündel von Maßnahmen ihre
Internationalisierungsstrategie zu überarbeiten, gemeinsam mit den Ländern die
richtigen Weichen für die Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung
zu stellen und darauf hinzuwirken, dass mit dem Vereinigten Königreich und der
EU u. a. auch zukünftig Forschungskooperationen, Mobilität und Austausch si-
chergestellt bleiben.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

Drucksache 18/12935 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12935
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/10359 abzulehnen.

Berlin, den 21. Juni 2017

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Patricia Lips
Vorsitzende

Dr. Claudia Lücking-Michel
Berichterstatterin

Dr. Karamba Diaby
Berichterstatter

Ralph Lenkert
Berichterstatter

Kai Gehring
Berichterstatter

Drucksache 18/12935 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Dr. Claudia Lücking-Michel, Dr. Karamba Diaby, Ralph
Lenkert und Kai Gehring

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/10359 in seiner 226. Sitzung am 24. März 2017
beraten und dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur federführenden Beratung
und dem Auswärtigen Ausschuss, dem Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, dem
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union sowie dem Ausschuss Digitale Agenda zur Mitbera-
tung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärt, dass weltweit Forscherinnen und Forscher in vielfältigen Pro-
jekten grenzüberschreitend bei der Suche nach neuen Erkenntnissen zusammenarbeiten und dabei Brücken zwi-
schen Gesellschaften geschlagen würden. Die Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung gründe da-
bei auf Mobilität, Weltoffenheit, Vielfalt und Freiheit der Forschung und wirke friedensstiftend. Doch in zahlrei-
chen Ländern wie beispielsweise der Türkei, China oder Ägypten stünden diese Prinzipien unter Druck, denn dort
würden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entlassen, mit Arbeitsverboten belegt, bedroht, unter Hausar-
rest gestellt, inhaftiert oder gar getötet. Insbesondere Geistes-, Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler
seien dahingehend exponiert, jedoch sei letztlich keine Profession vor massiven staatlichen wie nichtstaatlichen
Repressionen, Angriffen und Übergriffen sicher. Zudem würden in Europa auch (rechts-)populistische Strömun-
gen wissenschaftsfeindliche Stimmungen schüren, insbesondere gegen die Geschlechterforschung.

Hinzu komme, dass das Vereinigte Königreich aufgrund der Brexit-Entscheidung die EU und damit den europä-
ischen Forschungsraum verlassen werde, wodurch Wissenschaftskooperationen und der umfangreiche Austausch
von Studierenden, Lehrenden und Forschenden gefährdet seien.

Zudem führen die Antragsteller an, dass sich globale Herausforderungen nur durch geistige und wissenschafts-
kulturelle Vielfalt, unterschiedliche Perspektiven, Erfahrungen und Fragestellungen der Forschenden bewältigt
werden könnten. Für die Stärkung der Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung würden zudem
enorme Potenziale in der Digitalisierung liegen.

Daher solle die Bundesregierung für Wissenschaftsfreiheit und Mobilität statt für Ausgrenzung einstehen, den
Austausch von wissenschaftlichem Personal statt die Abwerbung vorantreiben, den globalen Herausforderungen
Vorrang vor ökonomischer Verwertung gewähren und Diversität statt Homogenität fördern.

Vor diesem Hintergrund solle die Bundesregierung ferner aufgefordert werden:

I) ihre Internationalisierungsstrategie so zu überarbeiten, dass die Strategie

1) die Freiheit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland als auch in den Staa-
ten befördert, mit denen Deutschland kooperiert;

2) beim wissenschaftlichen Personal auf Austausch statt auf Abwerbung setzt;

3) stärker auf die Erforschung der globalen und gesellschaftlichen Herausforderungen fokussiert;

4) die Chancen der Digitalisierung nutzt, um den globalen Wissensaustausch zu intensivieren;

5) das BAföG zu einem Instrument für Auslandsphasen während des Studiums für alle Studieren-
den werden kann, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft;

6) den Mittlerorganisationen wie der Alexander-von-Humboldt-Stiftung (AvH) und dem Deutschen
Akademischen Austauschdienst (DAAD) sowie den Studienwerken einen flexiblen Fonds für

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Studierende und Promovierende aus Staaten mit gefährdeter Wissenschaftsfreiheit zur Verfü-
gung stellt;

7) den Mittlerorganisationen und den politischen Stiftungen eine auskömmliche Finanzierung si-
cherstellt;

8) die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik weiter stärkt, ausbaut und auf aktuelle und künftige
Herausforderungen ausrichtet;

II) in Zusammenarbeit mit den Ländern eine allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke einzuführen;

III) darauf hinzuwirken, dass mit dem Vereinigten Königreich und der EU auch zukünftig tragfähige For-
schungskooperationen, Mobilität und Austausch von Forschenden und Studierenden sichergestellt bleibt.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner Sitzung am 29. März 2017 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfoh-
len, den Antrag auf Drucksache 18/10359 abzulehnen.

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat in seiner Sitzung am 31. Mai 2017
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/10359 abzulehnen.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union und der Ausschuss Digitale Agenda haben
in ihren Sitzungen am 21. Juni 2017 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen
der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/10359
abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat u. a. zu dem Antrag am 29. März 2017
ein öffentliches Fachgespräch zu dem Thema „Internationalisierung von Bildung, Wissenschaft und Forschung“
durchgeführt. Zu dem Fachgespräch wurden die nachfolgend aufgeführten Sachverständigen eingeladen:

– Dr. Britta Baron, Vice-Provost and Associate Vice-President (International), University of Alberta, Edmon-
ton, Alberta/Canada

– Franziska Broer, Geschäftsführerin der Helmholtz-Gemeinschaft, Berlin

– Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), Bonn

– Prof. Dr. Angela Ittel, Vizepräsidentin für Internationales und Lehrkräftebildung der Technischen Universi-
tät (TU) Berlin

– Prof. Dr. Dorit Schumann, Vice President for International Affairs German-Jordanian University Amman
(GJU), Jordanien

– Prof. Dr. Helmut Schwarz, Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH), Bonn

– Prof. Dr. Margret Wintermantel, Präsidentin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD),
Bonn

Die eingereichten schriftlichen Stellungnahmen wurden als Ausschussdrucksachen 18(18)345 a – g verteilt und
auf der Webseite des Deutschen Bundestages veröffentlicht. Die Ergebnisse des Fachgesprächs sind in die Bera-
tungen des Ausschusses eingeflossen.

Der Ausschuss hat den Antrag auf Drucksache 18/10359 in seiner 99. Sitzung am 21. Juni 2017 in Verbindung
mit der Unterrichtung durch die Bundesregierung „Strategie der Bundesregierung zur Internationalisierung von

Drucksache 18/12935 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bildung, Wissenschaft und Forschung“ auf Drucksache 18/11100, den Bericht der Kommission an das Europäi-
sche Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen
„Umsetzung der Strategie für die internationale Zusammenarbeit in Forschung und Innovation, Ratsdok.-Nr.
13288/16 und den Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament „Der Europäische For-
schungsraum: der richtige Zeitpunkt für Umsetzung und Fortschrittsüberwachung“ beraten.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung empfiehlt:

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Frakti-
onen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Die Bundesregierung führt ein, dass ihre Internationalisierungsstrategie bei den aktuellen Herausforderungen
wie die Digitalisierung, die Globalisierung, die Entstehung neuer internationaler Innovationszentren und die Mig-
rationsbewegungen auf Offenheit, Zusammenarbeit und Vernetzung setze.

Mit ihrer Internationalisierungsstrategie verfolge sie fünf Ziele:

1. den europäischen Forschungsraum weiter ausbauen und voranbringen,

2. die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands mit der Internationalisierung der Spitzencluster zu sichern und
auszubauen, die Öffnung der Fachprogramme des BMBF für internationale Partner, der Förderung in-
ternationaler Kooperationen zwischen Forschungseinrichtungen und der Industrie,

3. Steigerung der internationalen Mobilität von Studierenden,

4. Stärkung der internationalen Kooperation in der Berufsbildung mit der Industrie und Schwellenländern,

5. Förderung und Vernetzung der Forschung durch gleichberechtigte Zusammenarbeit mit Schwellen- und
Entwicklungsländern, um die globalen Herausforderungen wie die Gesundheitsforschung, die Ernäh-
rungssicherheit und den Klimawandel anzugehen.

Sie erklärt, dass die Internationalisierung in den nächsten Jahren für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands mitent-
scheidend sein werde.

Angesichts des Brexits führt die Bundesregierung aus, dass die Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich
im Rahmen des Erasmus+-Programms sehr intensiv sei. Im Bereich der Beruflichen Bildung seien Deutschland
und das Vereinigte Königreich mit Abstand die beliebtesten Zielländer für Auslandsaufenthalte. Deutschland ent-
sende im Bereich der Beruflichen zwischen 36 und 42 Prozent aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Mobi-
litätsprogramm nach Großbritannien. Der Umstand, dass die absolute Zahl der Beruflichen Bildung die Mobilität
im Hochschulbereich deutlich übertreffe, verdeutliche noch einmal, wie wichtig die Duale Ausbildung für
Deutschland und die Partnerländer sei.

20 Prozent der deutschen Stipendiaten in Großbritannien gehörten zum Bildungspersonal. Auch im Hochschul-
bereich gehöre das Vereinigte Königreich zu den attraktivsten Austauschzielen Europas. Zudem fänden rund 22
Prozent der Auslandspraktika deutscher Praktikantinnen und Praktikanten in Großbritannien statt, und Deutsch-
land kooperiere stark mit Großbritannien im Hochschulbereich.

Deutschland stelle zurzeit mit rund 5 200 Wissenschaftlern die größte ausländische Gruppe im Vereinigten Kö-
nigreich. Sie seien voraussichtlich von den sich abzeichnenden rechtlichen Veränderungen betroffen. Ferner gebe
es eine Vielzahl informeller Kooperationen sowie eine enge Kooperation im Rahmenprogramm „Horizon 2020“.
Deutsche und britische Einrichtungen arbeiteten seit 2014 in 1 343 EU-geförderten Projekten zusammen (13,6
Prozent aller Programme von „Horizon 2020“).

Zu den Folgen des Brexits führt die Bundesregierung aus, dass die britische Regierung ihre konkreten politischen
Vorhaben noch nicht detailliert dargestellt hätten. Nach einer Berechnung des europäischen Thinktanks „Bruegel“
fehlten Großbritannien bei einem Austritt rund 1,5 Mrd. Euro an EU-Zuwendungen.

Der Brexit könne auch für die Bereiche „Bildung und Forschung“ zahlreiche nicht-finanzielle Auswirkungen
haben. Zum Beispiel seien aufgrund des Wegfalls des Diskriminierungsverbotes Belastungen im Bereich des

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Aufenthaltsrechts, bei den Studiengebühren und den Einstellungsbedingungen denkbar sowie Probleme im Be-
reich der Freizügigkeit, hinsichtlich des Status der EU-Bürger in Großbritannien oder bei der Anerkennung von
Berufs- und Bildungsabschlüssen sowie Qualifikationen.

Großbritannien habe zum Austritt aus der EU ein 77 Seiten umfassendes Weißbuch vorgestellt, jedoch werde
nicht erkennbar, in welcher Form Großbritannien nach dem Austritt noch an „Erasmus+“ und „Horizon 2020“
beteiligt sein wolle. Zudem habe Premierministerin May bereits ausdrücklich einen „harten Brexit“ angekündigt.

Von Seiten der Bundesregierung wird ferner ausgeführt, dass es Verhandlungsleitlinien seitens der EU gebe und
die Europäische Kommission ein Verhandlungsmandat habe. In der ersten Phase werde ausschließlich über das
Austrittabkommen verhandelt. Aus Sicht des BMBF seien dort auch Fragen hinsichtlich des Status von Wissen-
schaftlern, Studierenden und Auszubildenden, die sich momentan in Großbritannien aufhielten oder in Zukunft
aufhalten würden, zu behandeln. Auf Drängen des BMBF seien in das Verhandlungsmandat auch Fragen hin-
sichtlich der Berufsqualifikationsanerkennung mit aufgenommen worden. Außerdem müsse geklärt werden, wie
mit den offenen Zahlungsverpflichtungen des Vereinigten Königreichs umgegangen werde. Nach Klärung dieser
Fragen werde dann über das zukünftige Verhältnis Großbritanniens und der EU gesprochen sowie bilateral poli-
tische, rechtliche und wirtschaftliche Fragen aufgeworfen. Mit Sicherheit werde der Austritt Großbritanniens auch
in der nächsten Legislaturperiode ein wichtiges Thema sein.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärt zum Brexit, dass hinsichtlich des Austausches von Studie-
renden, Forscherinnen und Forschern eine Balance gefunden werden müsse, um die Wissenschaftskooperation
nicht zu gefährden. Dabei könne sich Großbritannien jedoch nicht nur auf seine Vorteile beschränken.

Zum Thema „Internationalisierung der Wissenschaft“ führt die Antragstellerin aus, dass sie ein wichtiger Antrieb
für Mobilität, Austausch, Pluralität und Vielfalt sei. Die Internationalisierungsstrategie der Bundesregierung be-
werte sie als wichtig und zum großen Teil auch richtig, jedoch fänden die aktuellen Entwicklungen darin keine
ausreichend Beachtung. Vielerorts seien forschende und lehrende Menschen gefährdet, würden entlassen oder
verhaftet. In vielen Ländern käme es zu tiefen Einschnitten in der Wissenschaftsfreiheit, rechtspopulistische Strö-
mungen in Europa schürten eine wissenschaftsfeindliche Stimmung mit negativen Auswirkungen auf die interna-
tionalen Wissenschaftsbeziehungen. Daher begrüße die Fraktion die Einleitung eines EU-Vertragsverletzungs-
verfahrens gegen Ungarn wegen der Novelle seines Hochschulgesetzes. Zudem würden die amerikanische Ab-
schottungspolitik und die Attacken von Präsident Trump gegen Klima- und Genderforschung und die Sozialwis-
senschaften die Wissenschaftskooperationen gefährden. Besonders erschreckend sei, dass die Wissenschaftsfrei-
heit inzwischen auch in Demokratien beschnitten werde.

Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kritisiere ein intransparentes Wertegerüst der Bundesregierung
und das Vermissen eines klaren Eintretens für die Wissenschaftsfreiheit. Sie schlage daher vor, die Strategie der
Bundesregierung um vier weitere Punkte zu ergänzen:

Zunächst müsse die Freiheit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Studierenden in Deutschland,
aber auch in Staaten, mit denen Deutschland kooperiere, gefördert werden. Dazu seien Informationen über Be-
drohungslagen systematisch zu sammeln und zur Verfügung zu stellen.

Des Weiteren müsse es statt der Abwerbung des wissenschaftlichen Personals einen Austausch und „Brain Cir-
culation“ geben. Dies sei gerade in weniger entwickelten Staaten förderlich, da es dort dann zu einem Kapazitäts-
aufbau komme.

Drittens fordere die Fraktion, dass auch das BAföG ein Instrument für die Förderung der Internationalisierung
unabhängig von der sozialen Herkunft werde müsse.

Zudem fordere die Antragstellerin, flexible Fonds durch die Mittlerorganisationen wie die AvH, den DAAD und
die Studierendenwerke zur Verfügung zu stellen, um Studierenden und Promovierenden aus Staaten, in denen die
Wissenschaftsfreiheit gefährdet sei, längere Studien- und Forschungsaufenthalte in Deutschland zu ermöglichen.
Die Philipp Schwartz-Initiative sei zwar bereits ein guter Ansatz, aber noch nicht ausreichend. Begrüßt werde,
dass Afrika aktuell stärker im Fokus stehe, jedoch dürften deshalb andere Regionen nicht vernachlässigt werden.
Aktuell sei es zum Beispiel zu einem Stipendienabbau für die palästinensischen Gebiete gekommen. Die Fraktion
von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN weist darauf hin, dass Touristenvisen türkischer Wissenschaftler, die den Frie-

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densappell unterzeichnet hätten, ausgelaufen seien. Sie sei besorgt, dass sie bei der Rückkehr in die Türkei ver-
haftet würden. Sie schlage daher vor, zur Lösung solcher Problemlagen unterstützend einen fraktionsübergrei-
fenden Entschließungsantrag zu stellen.

Im Hinblick auf die Projekte zur transnationalen Bildung führt die Fraktion aus, dass diese abgesichert und wei-
terentwickelt werden müssten, da sie zur Vermittlung der Wissenschaftsfreiheit beitrügen. Die Wissenschaftsdip-
lomatie müsste stärker in der auswärtigen deutschen und europäischen Politik eingesetzt werden. Insbesondere
Horizon 2020 und die verschiedenen Roadmaps würden dazu beitragen, Grenzen zu überwinden, Neugierde und
Weltoffenheit zu fördern sowie den globalen Zusammenhalt zu stärken. Dies müsse auch in der nächsten Wahl-
periode fortgesetzt werden.

Die Fraktion der CDU/CSU führt aus, dass das Thema der Internationalisierung vor dem Hintergrund des
Brexits, der politischen Entwicklungen in den USA, der Türkei und in Ungarn noch an Bedeutung gewonnen
habe. Sie stimme der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu, dass Internationalisierung mehr bedeute als
der Austausch von Studierenden und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Spitzenforschung sei nur durch
gemeinsame internationale Kooperationsprojekte möglich. Die Lösung bedeutender Zukunftsfragen und die
Überwindung von und Ländergrenzen sei nur möglich, wenn man diese auch im Kopf überwinde. Die Wissen-
schaftskooperation mit Israel habe beispielsweise auch diplomatische Wege geöffnet. Aufgrund der aktuellen
Herausforderungen habe eine Internationalisierungsstrategie jedoch auch zunehmend die Aufgabe, verfolgten und
bedrohten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland Schutz zu bieten.

Die Fraktion erklärt, dass sie wie die Antragstellerin den Austausch und „Brain Circulation“ statt eine Abwerbung
von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bevorzuge. Dieses Ziel verfolge aber auch die Internationalisie-
rungsstrategie der Bundesregierung. Sie hebt hervor, dass die Ressourcen und die Qualität der Wissenschaftssys-
teme in den Partnerländern zu stärken seien.

Die Fraktion der CDU/CSU merkt an, dass die Berufliche Bildung Deutschlands Exportschlager sei, jedoch könne
das Modell nicht ohne weiteres auf andere Länder übertragen werden. Lediglich Strukturmuster könnten über-
nommen und auf Best Practice Beispiele hingewiesen werden. Daneben müsse aber auch die Primär-, Sekundär-
und Tertiärbildung mit den Fachhochschulen betrachtet werden, die möglicherweise nicht zu den Entwicklungen
der Länder passen würden. Insbesondere das Hochschulsystem sei in den Fokus zu nehmen, um beispielsweise
gute Lehrer auszubilden. Wichtig sei, die vielen guten Regierungsansätze im Sinne einer höheren Effektivität
noch besser zu koordinieren.

Abschließend erklärt die Fraktion, dass sich der europäische Wissenschafts- und Forschungsraum aufgrund des
Brexits momentan großer Herausforderung gegenüber sehe. Sie begrüße, dass die Europäische Kommission nun
gute Bedingungen für die Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit schaffen und die Rolle der EU in
multilateralen Foren und bei internationalen Organisationen stärken wolle und appelliert, die Internationalisierung
von Bildung, Wissenschaft und Forschung weiter im Blick zu behalten.

Die Fraktion DIE LINKE. führt ein, dass internationale Zusammenarbeit in der Forschung für Innovationen
unerlässlich sei und der Bericht der Bundesregierung viele wichtige und richtige Aspekte benenne. Jedoch gebe
es seitens der Fraktion auch Kritikpunkte. Die internationale Ausrichtung von Wissenschaft und Forschung biete
in Krisen- und Kriegszeiten oftmals die letzte Möglichkeit, um das Gespräch zwischen den gegnerischen Staaten
aufrechtzuerhalten. Die Internationalisierungsstrategie der Bundesregierung mache jedoch deutlich, dass
Deutschland seinen Schwerpunkt bei der Internationalisierung zu sehr auf Eigeninteressen lege und die klügsten
Köpfe nach Deutschland holen wolle, denn Deutschland könne aus eigener Kraft immer seltener die besten Leis-
tungen erbringen. Grund dafür sein die ungenügende Grundfinanzierung des Hochschulsystems.

Als Grund für das Misstrauen von Teilen der amerikanischen Bevölkerung gegenüber der Wissenschaft und For-
schung, für die Wahl von Präsident Trump und den Zulauf zur AfD in Deutschland benennt die Linksfraktion die
Differenzierung im Bildungssystem, die zur Elitebildung und somit zu einem fehlenden Austausch zwischen der
Elite und der Masse der Bevölkerung geführt habe. Dem könne nur mit einer besseren Bildung für alle Schichten
und mit der Förderung von Chancengleichheit entgegengewirkt werden.

Die Fraktion DIE LINKE. kritisiert, dass der technischen Bildung, Forschung und Zusammenarbeit in der Inter-
nationalisierungsstrategie der Bundesregierung zu große Bedeutung beigemessen werde, denn Technik allein
könne keine gesellschaftlichen Probleme lösen. Zwar enthalte der Bericht der Bundesregierung Hinweise auf ge-
sellschaftliche Forschung, jedoch sei die Umsetzung mangelhaft. Sie begrüßt den Ansatz, das Bildungswesen in

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anderen Ländern zu unterstützen, jedoch könne beispielsweise das deutsche Modell der Dualen Berufsausbildung
nicht ohne weiteres in ein anderes Land transferiert werden. Es seien Überlegungen notwendig, wie die Systeme
in den entsprechenden Ländern anzupassen seien. Aus Sicht der Fraktion DIE LINKE. müssten die Gesellschafts-
forschung deutlich gestärkt und die Wissenschaftsfreiheit gefördert werden. Zudem müssten die Grundfinanzie-
rung und Drittmittel aufgestockt werden bei gleichzeitiger Verringerung von Exzellenz- und Projektmitteln, denn
Wissenschaftsfreiheit sei nur möglich, wenn die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler frei von finanziellen
und perspektivischen Sorgen forschen könnten.

Im Hinblick auf den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird erklärt, dass die dort enthaltenen
Forderungen richtig seien und die Fraktion DIE LINKE. daher den Antrag unterstützen werde.

Die Fraktion der SPD führt einleitend aus, dass das deutsche Hochschul- und Wissenschaftssystem von interna-
tionalen Kooperationen lebe, Grundlage für eine lebendige Exzellenz sei und die Internationalisierung daher wei-
ter ausgebaut werden müsse. Als wichtige Beispiele und erfolgreiche Projekte nennt sie die Kooperationen mit
der German-Jordanian University und der ostafrikanisch-deutschen Hochschule in Kenia.

Aufgrund der Einreiseverbote von Muslimen in die USA sei die Frage, wie die Internationalisierung gestärkt
werden könne. Sie sei als ein bedeutender Faktor für die Fluchtursachenbekämpfung und Friedenspolitik zu för-
dern. Als ein gutes Beispiel sei die Philipp Schwartz-Initiative zu nennen. Vor dem Hintergrund der ansteigenden
Zahl der Krisen auf der Welt plädiert die Fraktion der SPD für den Ausbau und die Verstetigung solcher Initiati-
ven. Zudem seien auch die Mittlerorganisationen wie der DAAD oder die AvH wichtig und daher zu stärken. Das
Programm „Erasmus+“ fördere die Mobilität von Studierenden und sei daher eine wesentliche Säule der Interna-
tionalisierungsstrategie.

Aus Sicht der Fraktion der SPD müsse die Internationalisierungsstrategie auch die Verstärkung der Ressourcen
ermöglichen und Teil der Wertschöpfungskette Deutschlands werden. Daher sollte die Strategie weiter ausgebaut
werden. Sie sollte aber insbesondere auch die Kapazitätenbildung im Ausland fördern und die Konfliktprävention
durch Bildung stärken.

Was die Integration von Geflüchteten in das deutsche Wissenschaftssystem und die Hochschullandschaft angehe,
sehe man eine Reihe von Ansätzen, jedoch reichten diese noch nicht aus. Das Potenzial der Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler, die bereits in Deutschland tätig seien, müsse besser analysiert werden.

Nach Ansicht der Fraktion der SPD gebe es auch bei der Integration von Nachhaltigkeitszielen in die Forschung
und Entwicklung Verbesserungspotenzial.

Sie erklärt abschließend, dass sie den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus den Gründen, die
bereits von Seiten des Koalitionspartners aufgeführt worden seien, ablehne.

Die Bundesregierung spricht die Rolle der Wissenschaftsfreiheit an. Nach dem Verständnis des BMBF sei die
Internationalisierungsstrategie als zentraler Bestandteil der auswärtigen Wissenschaftspolitik zu sehen und wie
die Fraktion DIE LINKE. Auch betont habe, dass die Bildung und Wissenschaft oft ein letzter Zugang seien, um
Kooperationen zu bilden.

Der Kritik der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass die Strategie die aktuellen Herausforderungen
nicht ausreichend berücksichtige, hält sie entgegen, dass sich die Welt stetig verändere und daher auch die Stra-
tegie „lebendig“ sein müsse. Zudem würden von der Bundesregierung auch Länderstrategien entwickelt.

Zu den besorgniserregenden Entwicklungen in Ungarn, der Türkei, Russland und den USA im Bereich der Wis-
senschaftsfreiheit führt die Bundesregierung aus, dass das BMBF diesbezüglich in engem Kontakt mit dem Aus-
wärtigen Amt und den Mittler- und Forschungsorganisationen stehe. Das BMBF wolle auch mit Schwellenländern
und Entwicklungsländern kooperieren und die Schaffung einer wissenschaftlichen Perspektive in diesen Ländern
unterstützen.

Zur Flüchtlingssituation wird ausgeführt, dass es dazu bereits eine Vielzahl von Programmen gebe wie „Integra“
und „Welcome - Studierende engagieren sich für Flüchtlinge“ des BMBF, „Leadership for Syria“ vom Auswär-
tigen Amt und die Philipp-Schwartz-Initiative. Zusätzlich gebe es für ausländische Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler in Deutschland die Möglichkeit des politischen Asyls, und der Pakt für Forschung und Innovation
biete Berufsperspektiven für geflüchtete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Zudem stärke das BMBF die
AvH und den DAAD.

Drucksache 18/12935 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die Bundesregierung spricht das Thema „Afrika“ an und erklärt, dass mit dem Kapazitätsausbau vor Ort die
Bleibeperspektiven gestärkt werden sollen. Das BMBF fördere mit dem Programm „PriMa“ gemeinsame Aktivi-
täten von Mittelmeer-Anrainerstaaten. (20 Mio. Euro) und ein Gesundheitszentrum und zwei Klimazentren in
Subsahara-Afrika mit 50 Mio. Euro. Zudem stärke das BMBF in den jeweiligen Ländern Innovationen sowie die
Verwertung von Forschungsergebnissen und unterstütze nationale Berufsbildungssysteme durch Systemberatung
und Vorhaben zur Stärkung der Beschäftigungsfähigkeit afrikanischer Hochschulabsolventen. Auch die Bundes-
kanzlerin wolle die Anliegen Afrikas auf der G20-Konferenz einbringen.

Der Kritik der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass in den palästinensischen Gebieten Stipendien
gekürzt worden seien, werde widersprochen. 2017 hätten sich die Stipendienquoten verändert. Dies hänge aber
mit der Häufung der Anträge zusammen. Der DAAD gehe davon aus, dass in den kommenden Jahren mehr Sti-
pendien für Palästinenser vergeben werden könnten.

Des Weiteren wird erklärt, dass das BMBF keine ausgrenzende Fokussierung auf die Technik erkennen könne,
sondern es eine Vielzahl von Aktivitäten im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften fördere wie beispiels-
weise die Maria-Sibylla-Merian-Colleges in Indien, Subsahara-Afrika und Südamerika. Zudem habe das BMBF
auch die sozioökonomische Forschung als Begleitforschung im Bereich „Klima und Energie“ etabliert.

Abschließend spricht die Bundesregierung das Thema „USA“ an. Die Entwicklungen dort seien besorgniserre-
gend, insbesondere die Budgetkürzungen in den Bereichen „Klima“ und „Umwelt“ und die Schließung der geis-
teswissenschaftlichen Fördereinrichtung „National Endowment for the Humanities“. Die Verschärfungen im Be-
reich des Visa- und Einreiserechts widersprächen dem deutschen Verständnis von Offenheit, wissenschaftlichem
Austausch und der Freiheit des Denkens. Trotz allem werde Deutschland auch in Zukunft bei Themen wie „Si-
cherheit“ und „Pandemien“ mit den USA zusammenarbeiten, denn die USA und Deutschland seien weiterhin
wichtige internationale Partner in der der wissenschaftlichen und technologischen Zusammenarbeit.

Berlin, den 21. Juni 2017

Dr. Claudia Lücking-Michel
Berichterstatterin

Dr. Karamba Diaby
Berichterstatter

Ralph Lenkert
Berichterstatter

Kai Gehring
Berichterstatter

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