BT-Drucksache 18/12864

NS- und Wehrmachtstradition und Symbolik bei der Bundeswehr

Vom 21. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12864
18. Wahlperiode 21.06.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen,
Annette Groth, Dr. André Hahn, Inge Höger, Andrej Hunko, Katrin Kunert,
Niema Movassat, Petra Pau, Martina Renner, Kersten Steinke und der Fraktion
DIE LINKE.

NS- und Wehrmachtstradition und Symbolik bei der Bundeswehr

Nach Bekanntwerden des Falls des terrorverdächtigen Soldaten Franco A. hatte
die Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ursula von der Leyen, mit Stichtag
am 16. Mai 2017 eine Durchsuchung der Bundeswehrkasernen nach Wehr-
machtsandenken angeordnet. Danach war, bezogen auf das Meldeaufkommen im
Zeitraum vom 26. April bis zum 12. Mai 2017 „auch mit Bezug zu Rechtsextre-
mismus im weitesten Sinne beziehungsweise Munition/Waffen“, zunächst von 41
gefundenen Devotionalien die Rede. Nach einer „dpa“-Meldung vom 31. Mai
2017 sind mittlerweile mehr als 400 Wehrmachtsandenken in Kasernen der Bun-
deswehr gefunden worden. Demnach sei bei unangemeldeten Besuchen ein „sehr
breites Spektrum vom zulässigen wissenschaftlichen Exponat im Rahmen einer
gültigen militärhistorischen Sammlung bis zur verbotenen Devotionalie mit Ha-
kenkreuz“ gefunden worden. In dem zitierten Bericht des Bundesministeriums
der Verteidigung (BMVg) werden demnach unter anderem „Helme, Uniformen,
Gewehre, Panzermodelle, Säbel und Schwerter erwähnt, die in den Kasernen ge-
funden worden seien.“ Das Bundesverteidigungsministerium kündigte verschie-
dene Maßnahmen vom sofortigen Entfernen bis zur Aufnahme in eine militärhis-
torische Sammlung für die Gegenstände an.
Die Bundesverteidigungsministerin kündigte an, im Zuge des neuen Umgangs der
Bundeswehr mit ihrer Tradition auch Kasernen mit den Namen von Wehrmachts-
offizieren umbenennen lassen zu wollen. Die „BILD am SONNTAG“ berichtete
am 14. Mai 2017, dass in einigen umstrittenen Fällen die Bundeswehr schon vor
längerer Zeit die Initiative ergriffen habe, vor Ort aber zum Teil auf harte Gegen-
wehr gestoßen sei. Dies wolle die Bundesverteidigungsministerin nicht länger
hinnehmen: „Wenn wir in den kommenden Monaten den 35 Jahre alten Traditi-
onserlass modernisieren, müssen wir auch an das Thema Kasernennamen ran“
(BILD am SONNTAG vom 14. Mai 2017). Am Namen „Generalfeldmarschall-
Rommel-Kaserne“ an ihrem Standort im nordrhein-westfälischen Augustdorf
will die Bundesverteidigungsministerin jedoch festhalten, da diese Kaserne „be-
wusst an einem Jahrestag des Widerstands“ so benannt worden sei. Das zeige,
„dass Rommel seine Rolle auch im Widerstand gehabt hat“ (tagesschau.de vom
14. Juni 2017). Ferner kündigte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die
Schriftliche Frage 30 des Abgeordneten Jan Korte (DIE LINKE.) auf Bundes-
tagsdrucksache 18/12502 eine Überprüfung aller Kasernen an, die bis heute mit
Wandbildern und Fassadenreliefs aus der NS-Zeit versehen sind und NS- bzw.

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Wehrmachtssymbolik zeigen. Man werde „in jedem Einzelfall prüfen, wie mit
der Architektur oder Architekturteilen in oder an Gebäuden aus der NS-Zeit wei-
ter verfahren werden soll.“

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was hat die in der Antwort auf die Schriftliche Frage 30 des Abgeordneten

Jan Korte auf Bundestagsdrucksache 18/12502 angekündigte Prüfung erge-
ben, und welche Kasernen der Bundeswehr sind, wie z. B. die Hochstaufen-
Kaserne in Bad Reichenhall, bis heute mit Wandbildern und Fassadenreliefs
aus der NS-Zeit versehen, die Wehrmachtssoldaten, NS- bzw. Wehrmachts-
symbolik zeigen?

2. In welchen Fällen steht die NS- oder Wehrmachtssymbolik unter Denkmal-
schutz (bitte entsprechend nach Kaserne, Bundesland, Art der Symbolik und
Jahr der unter Denkmalschutzstellung auflisten)?

3. Wieso gab es bis vor kurzem kein zentrales Verzeichnis aller Gebäude mit
Attributen der NS-Architektur, die von der Truppe genutzt beziehungsweise
bewirtschaftet werden?

4. Aus welchen Gründen verzichtete das Bundesverteidigungsministerium da-
rauf, ein solches Verzeichnis im Rahmen der kürzlich beendeten bundeswei-
ten Kasernen-Fahndung nach Devotionalien der NS-Jahre durchführen zu
lassen?

5. Wie gedenkt die Bundesregierung zukünftig mit NS- oder Wehrmachtssym-
bolik umzugehen (z. B. Entfernung, erkennbare Kommentierung etc.), um
ihren Anspruch, die Traditionen der Bundeswehr von denen der Wehrmacht
zu lösen, in die Tat umzusetzen, und was wurde diesbezüglich bereits unter-
nommen, und welche Konzepte zur Vermittlung eines kritischen Umgangs
mit der z. T. unter Denkmalschutz stehenden NS- bzw. Wehrmachtssymbo-
lik existieren bereits?

6. Gibt es eine zentrale Erfassung von NS- bzw. Wehrmachtssymbolik?
Wenn ja, an welcher Stelle, und seit wann?
Wenn nein, warum nicht?

7. Wie wurde in der Kaserne des terrorverdächtigen Soldaten Franco A. in
Illkirch bei Straßburg mit dem mit Wehrmachtssoldaten bemalten Raum ver-
fahren?

8. Welche Bundeswehrkasernen wurden in der Vergangenheit umbenannt, weil
ihre Namensgeber nicht sinn- oder traditionsstiftend für die Bundeswehr sein
sollten (bitte entsprechend nach Jahr und Namen auflisten)?

9. Welche Kasernen der NVA, die nach Widerstandskämpfern gegen das NS-
Regime benannt waren, wurden ab 1990 umbenannt (bitte entsprechend nach
altem und neuem Namen auflisten)?

10. Hat die Bundesregierung konkrete Pläne für Umbenennungen von Kasernen?
Wenn ja,
a) um welche Kasernen handelt es sich,
b) sollen Kasernen auch nach Widerständlern und Deserteuren benannt wer-

den?

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11. Trifft es zu, dass in der Aula der Marineschule Mürwik eine Admiral-

Johannesson-Büste ausgestellt ist, und ist der Bundesregierung bekannt,
dass noch am 21. April 1945 Johannessen die Todesurteile gegen Angehö-
rige der „Widerstandsgruppe Helgoland“ bestätigte, woraufhin diese am
gleichen Tag in Cuxhaven-Sahlenburg vollstreckt wurden?

12. Trifft es zu, dass die Kaserne in Appen-Uetersen weiterhin nach Hauptmann
Hans-Joachim Marseille („Stern von Afrika“) benannt ist, obwohl Bundes-
verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen im Mai 2017 die Benen-
nung von Kasernen nach Wehrmachtssoldaten als „nicht mehr sinnstiftend
für die heutige Bundeswehr“ kritisiert hat?
Wenn ja, wann ist mit der Umbenennung zu rechnen?

13. Wird die nach Oberst Lent benannte Kaserne in Rotenburg (Wümme) umbe-
nannt?

Wenn ja, wann?
Wenn nein, warum nicht?

14. Wird die Haeseler-Kaserne (Lebach) umbenannt?
Wenn ja, wann?
Wenn nein, warum nicht?

15. Wurde die Namensgebung der Emmich-Kaserne (Hannover) überprüft?
Wenn ja, wann, durch wen, und mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum nicht, und wann wird dies erfolgen?

16. Wurde die Namensgebung der Fürst-Wrede-Kaserne (München) überprüft?
Wenn ja, wann, durch wen, und mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum nicht, und wann wird dies erfolgen?

17. Wurde die Namensgebung der Hindenburg-Kaserne (Munster) überprüft?
Wenn ja, wann, durch wen, und mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum nicht, und wann wird dies erfolgen?

18. Wurde die Namensgebung der Rommel-Kasernen (Augustdorf und Dorn-
stadt) wissenschaftlich überprüft?

Wenn ja, wann, durch wen, und mit welchem Ergebnis?
Auf Grundlage welcher Erkenntnisse sprach die Bundesverteidigungsminis-
terin davon, dass Rommel eine Rolle „auch im Widerstand“ gehabt habe?

19. Wurde die Namensgebung der Tirpitz-Mole (Kiel) überprüft?
Wenn ja, wann, durch wen, und mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum nicht, und wann wird dies erfolgen?

20. Wurde die Namensgebung der Scheer-Mole (Kiel) überprüft?
Wenn ja, wann, durch wen, und mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum nicht, und wann wird dies erfolgen?

21. Wurde die Namensgebung der Mudra-Kaserne (Köln) überprüft?
Wenn ja, wann, durch wen, und mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum nicht, und wann wird dies erfolgen?

Drucksache 18/12864 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

22. Wurde die Namensgebung der Thomsen-Kaserne (Stadum) überprüft?

Wenn ja, wann, durch wen, und mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum nicht, und wann wird dies erfolgen?

23. Welche Traditionsverbände konnten in der Vergangenheit Räumlichkeiten
in Bundeswehrkasernen und Liegenschaften nutzen oder verfügen dort sogar
über eigene Räumlichkeiten (bitte einzeln nach Standort, Art des Treffens,
wie Wettschießen etc. auflisten)?

24. Welche Kontakte unterhalten Einrichtungen der Bundeswehr (Standorte,
Einheiten etc.) mit
a) dem Deutschen Marinebund,
b) dem Bund der Fallschirmjäger,
c) dem Kyffhäuserbund,
d) dem Ring Deutscher Soldatenverbände Berlin,
e) dem Stahlhelm,
f) der Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger,
g) dem Bund der Vertriebenen,
h) der Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen

der Waffen-SS (HIAG) (bitte entsprechend auflisten)?
25. Welche Kontakte unterhalten Einrichtungen der Bundeswehr (Standorte,

Einheiten etc.) mit der „Arbeitsgemeinschaft für Kameradenwerke und Tra-
ditionsverbände“, dem „Verband deutscher Soldaten“ (VdS) und anderen
Traditionsverbänden der NS-Wehrmacht sowie Kameradschaften ehemali-
ger Wehrmachtseinheiten (bitte die einzelnen Anlässe, gemeinsame Treffen,
Benutzung der Einrichtungen der Bundeswehr etc. einzeln auflisten)?

26. An welchen Bundeswehrstandorten haben einzelne dieser Traditionsver-
bände regelmäßige Treffen?

27. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber hinaus über Kontakte
zwischen der Bundeswehr (auch z. B. von einzelnen Standortkommandos)
mit rechtsextremen Parteien, Organisationen, Verbänden und Burschen-
schaften?

28. Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse liegen der Bundesregie-
rung über eine eventuelle rechtsextreme Durchdringung folgender Organisa-
tionen vor, und wie viele Mitglieder haben die jeweiligen Organisationen:
- „Arbeitsgemeinschaft für Kameradenwerke und Traditionsverbände“,
- VdS,
- „Verband deutsches Afrika-Korps“,
- „Deutscher Luftwaffenring e. V.“,
- „Bund ehemaliger deutscher Fallschirmjäger“?

29. Welche Versuche von rechtsextremen Organisationen und deren Vorfeldor-
ganisationen sind der Bundesregierung bekannt, systematisch in die Traditi-
onsverbände und in die Bundeswehr hineinzuwirken?

30. In welchen Fällen wurden in den letzten zehn Jahren wegen geschichtsrevi-
sionistischer Äußerungen bzw. Aktivitäten und Verstöße gegen den Traditi-
onserlass in Einrichtungen der Bundeswehr gegen Traditionsverbände der
Wehrmacht in welcher Form vorgegangen?

31. Welche konkreten Pläne gibt es, den Traditionserlass der Bundeswehr zu
modernisieren, und bis wann soll dies erfolgen?

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32. Wie können und sollen sich Soldaten und Offiziere über rechtsextremistische

und militaristische Bestrebungen o. g. Traditionsverbände informieren?
33. Wird die Bundesregierung die Wehrmachtsausstellung des Hamburger Insti-

tuts für Sozialforschung als verpflichtende Wanderausstellung in allen Ka-
sernen der Bundeswehr zeigen?

Wenn ja, wann wird dies geschehen?
Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 20. Juni 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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