BT-Drucksache 18/12853

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/11939, 18/12845 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes

Vom 21. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12853

18. Wahlperiode 21.06.2017

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Steffi Lemke, Friedrich Ostendorff, Annalena Baerbock,
Harald Ebner, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Christian
Kühn (Tübingen), Peter Meiwald, Dr. Julia Verlinden, Matthias Gastel,
Stephan Kühn (Dresden), Nicole Maisch, Markus Tressel, Dr. Valerie Wilms
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung

– Drucksachen 18/11939, 18/12845 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Zustand unserer Natur und Arten ist alarmierend. Über zwei Drittel der Lebens-
räume sind in einem ungünstigen bis schlechten Zustand.1 Deshalb schwindet der Ar-
tenreichtum unserer Erde rasant. Die planetare Grenze ist beim Artensterben bereits
weit überschritten. Damit steigt – wie bei der Klimakrise – die Gefahr, dass Kipp-
punkte im Ökosystem erreicht und die Folgen für Mensch und Umwelt unkontrollier-
bar werden. Wir haben in den letzten 30 Jahren beispielsweise über die Hälfte aller
Vögel in Europa verloren. Ein Drittel aller Vogelarten zeigt seit Ende der 90er Jahre
in Deutschland signifikante Verluste. Deutschland wird die Ziele der Nationalen Bio-
diversitätsstrategie, bis 2020 das Artensterben zu stoppen, nicht erreichen und verfehlt
damit auch die völkerrechtlich vereinbarten Ziele der Biodiversitätskonvention.

Für einen erfolgreichen Naturschutz, braucht es nationale und internationale Rahmen-
gesetzgebung und deren Vollzug als Grundlage. Dem Gesetzgeber stehen diese beiden
Instrumente zur Verfügung, um Naturschutz ernsthaft nach vorne zu bringen.

Wir benötigen dringend ein zukunftsfähiges Naturschutzrecht, das zum einen Antwor-
ten auf die drängenden Probleme der Klimakrise und der Biodiversität gibt und zum
anderen der fortschreitenden Naturzerstörung einen Riegel vorschiebt.

Eine der Hauptursachen für den Artenschwund und den schlechten Zustand von Natur
und Umwelt ist die industrielle Landwirtschaft. Ausgeräumte und monotone Agrar-
landschaften, Grünlandumbruch sowie Pestizideinsatz und Überdüngung schädigen

1 www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Naturschutz/natur_deutschland_bericht_bf.pdf

Drucksache 18/12853 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

die Natur nachweislich. Vor diesem Hintergrund müssen die Sonderregelungen von
Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft überprüft werden. Die existierenden Grundsätze
zur guten fachlichen Praxis sind unkonkret und beinhalten laut Bundesverwaltungsge-
richt auch keine verbindlichen Ge- und Verbote.2 Die gute fachliche Praxis muss derart
ausgestaltet werden, dass sie sanktionsfähig wird. Denn die bestehenden Regelungen
im Bundesnaturschutzgesetz lassen der industriellen Landwirtschaft freie Hand bei der
Naturzerstörung.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

im Rahmen der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes Vorschläge vorzulegen, die
die Grundsätze der guten fachlichen Praxis (§ 5) detailliert ausführen und nach ökolo-
gischen Notwendigkeiten gestalten. Sie müssen als allgemeiner Grundsatz festgelegt
werden, damit sie verbindlich und abweichungsfest sind. Zugleich müssen sie so kon-
kret sein, dass der Vollzug vor Ort erfolgen kann und Sanktionen bei Missbrauch mög-
lich sind. Die Sonderregelungen für die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft im Bun-
desnaturschutzgesetz sind einer kritischen Prüfung zu unterziehen, inwiefern die Son-
derregelungen zu Missbrauch und Fehlentwicklungen beim Erhalt der Natur führen.

Berlin, den 20. Juni 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

2 BVerwG, Urt. v. 1.9.2016 – 4 C 4.15.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12853

Begründung

Die intensiven landwirtschaftlichen Nutzungen der Natur stehen im Spannungsverhältnis zum Naturschutz. Die
Verwendung von Pflanzenschutz und Düngemitteln, übermäßige Viehwirtschaft sowie Grünlandumbrüche ste-
hen den Zielen des Naturschutzes, insbesondere der Bekämpfung des Klimawandels und dem Schutz der biolo-
gischen Vielfalt entgegen.

Die in § 5 des Bundesnaturschutzgesetzes normierten Grundsätze der guten fachlichen Praxis benennen die na-
turschutzrechtlichen Leitlinien der Landwirtschaft. Ihnen kommt für die naturschutzrechtliche Sonderstellung
der Landwirtschaft eine große Bedeutung zu. Die gute fachliche Praxis ist relevant für den Anwendungsbereich
der Eingriffsregelung.

Nach § 14 Absatz 2 gelten landwirtschaftliche Bodennutzungen, die der guten fachlichen Praxis entsprechen,
nicht als Eingriff in Natur und Landschaft. Zudem verstoßen entsprechend der guten fachlichen Praxis durchge-
führte Bodennutzungen nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote des Artenschutzes nach § 44
Absatz 4 Satz 1. Eine solche Privilegierung ist nur gerechtfertigt, wenn die gute fachliche Praxis der Landwirt-
schaft hohen Anforderungen genügt, die den naturschutzfachlichen Belangen hinreichend Rechnung tragen. Dies
erfordert die Abweichungsfestigkeit der Vorschrift als allgemeiner Grundsatz.

Die bisherige gesetzliche Ausprägung der guten fachlichen Praxis stellt diese Anforderungen nicht sicher. Sie ist
zudem zu vage, um vollzugtauglich zu sein.

Die Privilegierung der Landnutzer rechtfertigt es, von ihnen die Einhaltung der an sie gerichteten Vorgaben zu
verlangen. Die Festschreibung der guten fachlichen Praxis als allgemeiner Grundsatz des Naturschutzrechts er-
fordert deshalb korrespondierend die Einführung eines entsprechenden Bußgeldtatbestands, um Verstöße gegen
diesen Grundsatz sanktionsfähig zu machen. Über entsprechende Rechtsverordnungen kann der § 5 normiert
werden.

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