BT-Drucksache 18/12778

zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Ulle Schauws, Özcan Mutlu, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/11412 - Wissenschaftsfreiheit fördern, Geschlechterforschung stärken, Gleichstellung in der Wissenschaft herstellen

Vom 20. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12778
18. Wahlperiode 20.06.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
(18. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Ulle Schauws, Özcan Mutlu,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/11412 –

Wissenschaftsfreiheit fördern, Geschlechterforschung stärken,
Gleichstellung in der Wissenschaft herstellen

A. Problem
Wissenschaft lebt von den besten Ideen und Köpfen, fairem Wettbewerb und vor-
urteilsfreier Neugierde. Wissenspotenziale auszugrenzen, läuft dem aber zuwider
und lähmt die Wissenschaft in ihrer Freiheit, erklärt die Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN. Es gibt bis heute keine systematische und kontinuierliche For-
schungsförderung für Geschlechterforschung, und Frauen sind im Wissenschafts-
system immer noch deutlich unterrepräsentiert. Diese beiden Umstände verknap-
pen die Vielfalt von Forschungsperspektiven, und die Forschung büßt so an Qua-
lität, Exzellenz und Innovationsfähigkeit ein. Wissenschaft ohne Gleichstellung
und die Forschung ohne geschlechterkritische Perspektiven sind nach Auffassung
der Antragsteller nicht zukunftsfähig. Daher steht die Wissenschaftspolitik in der
Verantwortung, diesen Beschränkungen entgegenzuwirken und für eine ge-
schlechtergerechte Wissenschaft einzustehen.

B. Lösung
Die die Bundesregierung soll aufgefordert werden, neue Wege bei der Gleichstel-
lung von Frauen in der Wissenschaft zu beschreiten, die Geschlechterforschung
zu stärken und die Marginalisierung der Förderstrukturen zu überwinden. Das ge-
forderte umfangreiche Maßnahmenbündel zielt darauf ab, die Geschlechterfor-
schung u. a. durch das Einrichten eines Nachwuchsprogrammes für Genderfor-
scherInnen und eines Förderschwerpunktes „Frauen- und Geschlechterforschung“
zu stärken und durch verschiedene Maßnahmen mehr Chancengerechtigkeit in der
Wissenschaft zu befördern.

Drucksache 18/12778 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

C. Alternativen
Annahme des Antrags auf Drucksache 18/11412.

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12778
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/11412 abzulehnen.

Berlin, den 17. Mai 2017

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Patricia Lips
Vorsitzende

Dr. Claudia Lücking-Michel
Berichterstatterin

Marianne Schieder
Berichterstatterin

Nicole Gohlke
Berichterstatterin

Kai Gehring
Berichterstatter

Drucksache 18/12778 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Dr. Claudia Lücking-Michel, Marianne Schieder, Nicole
Gohlke und Kai Gehring

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/11412 in seiner 221. Sitzung am 9. März 2017 be-
raten und dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur federführenden Beratung
sowie dem Ausschuss für Arbeit und Soziales und dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur
Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärt, dass Wissenschaft von den besten Ideen und Köpfen, fairem
Wettbewerb und vorurteilsfreier Neugierde lebe. Wissenspotenziale auszugrenzen, laufe dem jedoch zuwider und
lähme die Wissenschaft in ihrer Freiheit.
Die Antragsteller merken an, dass es bis heute keine systematische und kontinuierliche Forschungsförderung
auf dem Gebiet der Geschlechterforschung gebe und Frauen im Wissenschaftssystem deutlich unterrepräsentiert
seien. Dadurch verknappe die Vielfalt von Forschungsperspektiven, und die Forschung büße so an Qualität, Ex-
zellenz und Innovationsfähigkeit ein. Jedoch seien die Wissenschaft ohne Gleichstellung und Forschung ohne
geschlechterkritische Perspektiven nicht zukunftsfähig und lückenhaft, denn „Geschlecht“ als Kategorie sei
überall wirksam, insbesondere auch in den MINT-Fächern.

Daher stehe die Wissenschaftspolitik in der Verantwortung, diesen Beschränkungen entgegenzuwirken, indem
sie neue Wege bei der Gleichstellung von Frauen in der Wissenschaft beschreiten sollte. Auch wenn es seit zehn
Jahren einen geringen jährlichen Zuwachs des Frauenanteils bei den Professuren von durchschnittlich 0,77 Pro-
zent gebe, seien die Fortschritte dennoch zu langsam, was auch bei den außeruniversitären Einrichtungen der
Fall sei.

Die Geschlechterforschung müsse gestärkt und die Marginalisierung der Förderstrukturen überwunden werden,
denn Geschlechterforschung erschöpfe sich nicht in der Erforschung von Gleichstellung und Chancengerechtig-
keit, sondern arbeite auch inter- und transdisziplinär, weshalb sie jedoch bei der Drittmittelförderung oft das
Nachsehen habe.

Auch dadurch, dass die „Neue Rechte“ die Geschlechterforschung als ideologisch und unwissenschaftlich diffa-
miere, sei die Wissenschaftsfreiheit gefährdet und erfordere Gegenstrategien.

Vor diesem Hintergrund solle die Bundesregierung im Wesentlichen aufgefordert werden,

I. Geschlechterforschung zu stärken, indem sie

1) den Wissenschaftsrat mit einer Begutachtung der Situation der Geschlechterforschung in Deutsch-
land beauftragt;

2) einen partizipativen Agenda-Prozess einleitet mit dem Ziel, ein BMBF-Forschungsprogramm für
das Wissensgebiet Geschlechterforschung aufzulegen;

3) einen Förderschwerpunkt Frauen- und Geschlechterforschung einrichtet;

4) ein Nachwuchsprogramm für GenderforscherInnen auflegt;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12778
5) alle thematischen Forschungsförderprogramme der Hightech-Strategie systematisch für Genderfor-

schung öffnet;

6) Genderaspekte stärker und systematisch in der Ressortforschung des Bundes berücksichtigt;

7) evaluiert und dem Bundestag darüber berichtet, wie Gender Mainstreaming im Forschungsbereich
umgesetzt wird;

8) die DFG dazu anhält, Maßnahmen gegen die geringe Teilhabe von Genderforschung an den Förde-
rungen einzuleiten;

9) im „Bundesbericht Forschung und Innovation“ künftig transparent über die Förderaktivitäten zur
Geschlechterforschung berichtet;

II. mehr Chancengerechtigkeit in der Wissenschaft zu befördern, indem sie

1) die zahlreichen Aktivitäten von Politik und Wissenschaftsorganisationen für eine geschlechterge-
rechte Wissenschaftskultur systematisch koordiniert und verbindlicher ausgestaltet;

2) in Zusammenarbeit mit den Ländern den GWK-Beschluss, der die Forschungsorganisationen auf
das Kaskadenmodell verpflichtet, verbindlicher ausgestaltet;

3) einen eigenen Förderschwerpunkt Maßnahmenerforschung zur Gleichstellung von Frauen im Wis-
senschaftsbetrieb einrichtet;

4) eine Studie initiiert, die untersucht, ob und inwiefern Gleichstellungsstandards inklusive des Kas-
kadenmodells bei der Ressortforschung und in der Projektforschungsförderung des Bundes zur
Anwendung kommen können;

5) noch in dieser Legislaturperiode auf eine Fortsetzung des Professorinnenprogramms hinwirkt;

6) auslotet, ob ein dem Professorinnenprogramm analoges Programm für Nachwuchswissenschaftle-
rinnen aufgelegt werden soll;

7) das Wissenschaftszeitvertragsgesetz nachbessert, so dass konkrete Mindestbefristungszeiten fest-
geschrieben werden;

8) prüft, ob bei personenbezogenen Förderprogrammen ein Frauenanteil von mindestens 40 Prozent
verankert werden sollte;

9) die Wirksamkeit des Programms „Erfolg mit MINT – neue Chancen für Frauen“ vor 2020 einer
Zwischenbewertung unterzieht und das Programm ggf. modifiziert;

10) in Zusammenarbeit mit den Ländern darauf hinwirkt, dass MINT-Studiengänge strukturell refor-
miert werden, sodass die entsprechenden Studiengänge für Frauen attraktiver werden;

11) dem Deutschen Bundestag einmal pro Legislaturperiode einen Fortschrittsbericht zur „Geschlech-
tergerechtigkeit in Wissenschaft und Forschung“ vorlegt.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales und der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend haben
jeweils in ihren Sitzungen am 17. Mai 2017 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache
18/11412 abzulehnen.

Drucksache 18/12778 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss
Der Ausschuss hat den Antrag auf Drucksache 18/11412 in seiner 96. Sitzung am 17. Mai 2017 in Verbindung
mit dem Antrag „Wissenschaftsfreiheit und Wissenschaftsverantwortung sicherstellen“ der Fraktion DIE LINKE.
auf Drucksache 18/6191 beraten. Die Aussprache erfolgte zu beiden Anträgen.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen empfiehlt:

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Frakti-
onen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Die Fraktion DIE LINKE. begrüßt, dass das Thema „Wissenschaftsfreiheit“ insbesondere durch den March of
Science stärker in die Wahrnehmung der Öffentlichkeit gerückt sei, denn aktuell werde sie in den USA, der Türkei
und Ungarn durch Entlassungen oder Verhaftung von AkademikerInnen, finanzielle Austrocknung von uner-
wünschten Studiengängen oder durch Schließungen von Universitäten bedroht. Eine solche Entwicklung sei in
der Phase der Antragserstellung vor rund zwei Jahren für ihre Fraktion nicht absehbar gewesen, jedoch seien auf
dem March of Science viele ähnliche Forderungen von WissenschaftlerInnen und Beschäftigten in der Wissen-
schaft bezüglich der Rahmenbedingungen für die Arbeit in der Wissenschaft und die Sicherung von Wissen-
schaftsfreiheit gestellt worden.

Die Fraktion führt aus, dass die Wissenschaftsfreiheit insbesondere durch Unabhängigkeit und Demokratie gesi-
chert werde. Dies betreffe sowohl die Inhalte und Methoden der Wissenschaft als auch ihre Einrichtungen und ihr
Umfeld. Jedoch müsse sie nicht nur von staatlichen Zugriffen unabhängig sein, sondern auch gegenüber finanzi-
ellen Einzelinteressen der Gesellschaft, weshalb in diesem Zusammenhang auch das Verhältnis von Grundfinan-
zierung und Drittmitteln relevant sei. Zudem müsse die eigenmotivierte Forschung und die Stärkung von Zeit-
und Themensouveränität der WissenschaftlerInnen politisch gestärkt werden, denn die in der Wissenschaft exis-
tierenden prekären Beschäftigungsbedingungen, die Unsicherheit im Hinblick auf die eigene finanzielle und wis-
senschaftliche Zukunft und starke persönliche Abhängigkeitsverhältnisse seien für wissenschaftliche Unabhän-
gigkeit nicht förderlich.

Die Fraktion DIE LINKE. erklärt zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass er zur richtigen
Zeit, in der die AfD vom rechten Rand gegen Gender Studies vorgehe, vorgelegt worden sei. Ebenso begrüße sie
den Hinweis im Antrag auf die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen in der Wissenschaft sowie
der Geschlechterforschung in Deutschland. Sie weist darauf hin, dass in vielen Bund-Länder-Initiativen die Ge-
schlechtergerechtigkeit als Querschnittsaufgabe nicht adäquat wiederzufinden sei, weshalb es richtig sei, eine
Offensive zur Stärkung der Genderforschung zu fordern.

Die Fraktion DIE LINKE. hält den Antrag der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für eine wertvolle
Ergänzung zu den eigenen Anträgen zur Geschlechtergerechtigkeit und Wissenschaftsfreiheit, und daher stimme
sie dem Antrag auch zu.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hält einleitend fest, dass der Wissenschaftsfeindlichkeit entschiede-
ner als bisher fraktionsübergreifend entgegengetreten werden müsse. Dies sei Aufgabe aller Demokratinnen und
Demokraten, denn die Wissenschaftsfreiheit werde durch rechtspopulistische Strömungen, Aristokraten und Dik-
tatoren immer mehr gefährdet, jedoch neuerdings auch durch „westliche“ Demokratien, indem z. B. Donald
Trump die Genderforschung, Sozialwissenschaften und die Klimaforschung massiv attackiere. Dies sei drama-
tisch, denn die Wissenschaft sei eine wichtige Autorität mit entsprechenden Rechten, die in Deutschland durch
die Wissenschaftsfreiheit gleichrangig zu anderen Grundrechten in der Verfassung fixiert sei und daher entspre-
chend geschützt werden müsse.

Vor dem Hintergrund der besorgniserregenden Entwicklungen in der Türkei, Ägypten und Russland, wo massen-
haft WissenschaftlerInnen drangsaliert, entlassen und eingesperrt würden, appelliere die Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN an die Bundesregierung, dem nicht nur mit sorgevollen Äußerungen entgegenzutreten, sondern
ressortübergreifend über die jeweiligen Vertretungen in den Ländern noch stärker diplomatischen und politischen
Druck dahingehend auszuüben, die Wissenschaftsfreiheit und WissenschaftlerInnen zu schützen. Der March of
Science sei in diesen Zusammenhängen ein wichtiges Signal.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/12778
Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. wird ausgeführt, dass die Fraktion BÜNDNIS/90/DIE GRÜNEN zwar
auch die Behebung der Unterfinanzierung der Hochschulen, die Verbesserung der Bedingungen für Studierende
und das wissenschaftliche Personal sowie die Schaffung von mehr Transparenz bei den Kooperationen zwischen
Hochschulen und der Wirtschaft anstrebe, jedoch sei es unrealistisch, ein Anreizprogram für 100 000 unbefristete
Stellen für wissenschaftliches Personal zu fordern. Zudem sei es leistungsfeindlich, bei der Wissenschaftsförde-
rung generell auf wettbewerbliche Verfahren zu verzichten, denn die Umwandlung aller Drittmittel in eine Grund-
finanzierung stehe sowohl hinsichtlich der Hochschulen als auch der außeruniversitären Forschungseinrichtungen
jedem wissenschaftlichen Verfahren entgegen.

Im Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werde eine verbindlichere Gestaltung von Geschlechterge-
rechtigkeit in der Wissenschaft und die Unterrepräsentanz von Frauen in Spitzenpositionen der Wissenschaft be-
tont. Zudem müsse die Geschlechterforschung abgesichert werden, denn es gebe nur 0,4 Prozent der Professuren
zu diesem Fachgebiet an deutschen Hochschulen. Die Fraktion weist darauf hin, dass dieser wichtige Wissen-
schaftsbereich massiv von rechter Seite angegriffen werde, weshalb Gegenstrategien von der Scientific Commu-
nity sowie der Wissenschafts- und Frauenpolitik nötig seien, damit dieser Bereich weiterhin innovative Lösungen
für große gesellschaftliche Herausforderungen beisteuern könne. Hinsichtlich der Schaffung einer geschlechter-
gerechten Wissenschaftskultur enthalte der Antrag Vorschläge, wie Geschlechterforschung im deutschen Wissen-
schaftssystem systematisch verankert und gestärkt werden könne.

Beim Thema „Gleichstellung an Hochschulen“ sei es wichtig, das Kaskadenmodell nicht nur an Hochschulen
verbindlicher zu gestalten, sondern auch an den außeruniversitären Forschungseinrichtungen.

Abschließend wird von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bedauert, dass die Koalitionsfraktionen
zu diesem Thema nicht aktiv geworden seien, weder beim Pakt für Forschung und Innovation noch bei der Ex-
zellenzinitiative. Lediglich das Professorinnenprogramm sei aufgrund des Drucks seitens der Opposition, der
Länder und der Wissenschaft verlängert worden. Vor diesem Hintergrund appelliere die Fraktion auch, im anste-
henden Fachhochschulprogramm die Frauenförderung zu verankern.

Die Fraktion der CDU/CSU teilt die Auffassung ihrer VorrednerInnen im Hinblick auf die Wichtigkeit von
Wissenschaftsfreiheit, die Situation in vielen Ländern und den March of Science.

Sie kommt auf den Antrag der Fraktion DIE LINKE. zu sprechen und bemängelt, dass die Analysen des Antrags
die Situation in Deutschland nicht widerspiegeln würden. Zudem bemängelt sie auch die Kritik am Wettbewerb,
denn Wettbewerb und Leistungsorientierung seien wichtige Grundlagen für Exzellenz und Spitzenforschung. Zu
den weiteren Forderungen des Antrags merkt sie an, dass sich diese wesentlich von den Ansätzen ihrer Fraktion
unterschieden, denn anstatt bei der Forderung nach wissenschaftlicher Freiheit und Verantwortung auf normative
Vorgaben und Detailbestimmungen zu setzen, setze die Fraktion der CDU/CSU auf die Verantwortung des Ein-
zelnen. Diesen plural-subsidiären Ansatz wolle sie voranbringen und empfiehlt daher die Ablehnung des Antrags.

Zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird erklärt, dass sie die diffamierenden Angriffe auf die
Forschenden und das Forschungsfeld der Geschlechterforschung insgesamt seitens der AfD, aber auch von „Ultra-
Katholiken“ aus der eigenen Fraktion, missbillige.

Die Fraktion bezweifelt, dass die Genderforschung nicht ausreichend in der bestehenden, thematisch offenen För-
derlinie verankert sei. Doch es werde begrüßt, dass der Antrag das Thema „Frauen und ihre Repräsentanz in der
Wissenschaft“ beinhalte. Zu diesem Thema bestehe allerdings weiterer Gesprächsbedarf, denn Diversität bei den
Fragestellungen und den Fragestellern sei Voraussetzung für Spitzenforschung und insbesondere im Rahmen von
Chancengerechtigkeit eine Exzellenzfrage.

Auch im Hinblick auf die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen in der Wissenschaft bestehe Hand-
lungsbedarf. Hinsichtlich der dazu bereits in die Wege geleiteten Maßnahmen sei die Fraktion der CDU/CSU
optimistischer als die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, denn in allen großen diesbezüglichen Programmen
würden Chancengerechtigkeit und Personalentwicklung bereits eine große Rolle spielen. Jedoch müsse das bis-
herige Tempo hinsichtlich der Verbesserungen erhöht werden, ansonsten würden Frauen erst im Jahr 2050 oder
noch später angemessen in der Wissenschaft repräsentiert sein.

Des Weiteren kritisiert die Fraktion der CDU/CSU, dass der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
eine weitere Berichterstattung einfordere, denn ihrer Ansicht nach bestehe kein Erkenntnisproblem, sondern eher
ein Umsetzungsproblem bei den Programmen. Zudem lasse der Antrag auch Fragen wie die der Vereinbarkeit

Drucksache 18/12778 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
von Familie und Wissenschaftskarriere unbeantwortet. Vor allem nach der Promotion würden viele hochqualifi-
zierte Frauen aus dem System „verschwinden“. Auch der aktuelle dritte Bundesbericht „Wissenschaftlicher Nach-
wuchs“ habe seinen Schwerpunkt auf dieses Thema gelegt und verdeutliche, dass gerade für Frauen das zeitliche
Zusammentreffen der Qualifizierungsphase mit der Phase der Familiengründung ein Hauptproblem sei.

Das Professorinnenprogramm solle als eine gute und wirksame Maßnahme fortgesetzt werden, es müsse jedoch
finanziell aufgestockt und darauf geachtet werden, dass sich alle Hochschulformen beteiligen könnten. Zudem sei
es zur Überbrückung der schwierigen Phase zwischen Postdoc und der Übernahme eines Lehrstuhl wichtig, auch
andere Stellentypen zu fördern und darauf zu achten, dass mit dem Professorinnenprogramm an den Hochschulen
nachhaltig und dauerhaft neue Personalkonzepte verankert würden.

Abschließend merkt die Fraktion an, dass hinsichtlich des im Antrag aufgegriffenen Themas „Wissenschaftszeit-
vertrag“ zunächst die Effekte der im März beschlossenen Novelle abgewartet werden sollten. Ebenso seien auch
beim Thema „MINT“ die Ergebnisse der Förderbekanntmachung abzuwarten.

Vor dem Hintergrund, dass der Fraktion der CDU/CSU das Professorinnenprogramm und die Vereinbarkeitsfrage
besonders wichtig seien, werde sie dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht zustimmen, je-
doch bedanke sie sich für das Aufbringen des Themas.

Die Fraktion der SPD fordert dazu auf, sich stärker als bisher des Themas des geringen Anteils von Frauen in
der Wissenschaft und Forschung anzunehmen, damit Geschlechtergerechtigkeit nicht erst im Jahr 2050 real
werde. Jedoch lehne man die Darstellung im Antrag der Fraktion DIE LINKE., dass das Thema bislang unbeachtet
geblieben sei, ab. Das Tempo des Fortschritts werde aber auch in der SPD-Fraktion als zu langsam erachtet. Der
Antrag der Fraktion DIE LINKE. werde als ein Rundumschlag mit zahlreichen Wünschen abgelehnt.

Demgegenüber werde der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als deutlich realistischer bewertet.
Das Professorinnenprogramm sei ein wichtiges Instrument, welches fortgesetzt, aber finanziell aufgestockt wer-
den müsse. Zudem stimme die Fraktion dem Koalitionspartner zu, dass viele Frauen aufgrund der schwierigen
Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Zeit zwischen der Promotion und der Professur der Wissenschaft
verloren gehen würden. Daher müsse diese Phase stärker in den Blick genommen werden, wobei jedoch nicht nur
Frauen zu Professorinnen berufen werden sollten, sondern an den Hochschulen die Geschlechtergerechtigkeit
insgesamt nachhaltig gestaltet werden müsse. Zudem gehöre dieser Bereich in die Ressortforschung.

Mit Blick in die Zukunft fordert die Fraktion der SPD, dass vom Bund und den Ländern keine Fördermittel mehr
für Programme zur Verfügung gestellt werden dürften, bei denen der Bereich der Geschlechtergerechtigkeit und
der Frauenförderung nicht berücksichtigt werde. In diesem Zusammenhang kritisiert sie die Förderinitiative „In-
novative Hochschule“, die den Bereich der Geschlechtergerechtigkeit nicht berücksichtige.

Des Weiteren bedauert sie, dass die Koalition keinen gemeinsamen Antrag auf den Weg gebracht habe. Die Frak-
tion der SPD wäre dazu bereit gewesen. Ein gemeinsamer Antrag hätte deutlich gemacht, dass die Themen der
Frauenförderung, der Geschlechtergerechtigkeit und der Gleichstellung nicht nur Anliegen der Opposition seien,
sondern auch der die Bundesregierung tragenden Fraktionen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass heutzutage
mehr Mädchen als Jungen Abitur machen würden, bessere Bildungsabschlüsse sowie bessere Noten an den Uni-
versitäten erzielten und Frauen in der Wissenschaft trotzdem immer noch unterrepräsentiert und in den Leitungs-
funktion nicht vertreten seien, müsse die Frage der Frauenförderung, der Gleichstellung und der Geschlechterge-
rechtigkeit weiterhin ein Anliegen des Ausschusses bleiben.

Die Fraktion DIE LINKE. wird gefragt, wie sie Wissenschaftsfreiheit definiere. Ihr Antrag gehe nicht auf das
zunehmende Problem ein, dass es vor allem in den neuen Bundesländern sehr kleine Unternehmen gebe, die nicht
wachsen würden und deren Problemlagen durch die Hochschulen, Institutionen oder die Forschung mehr aufge-
griffen werden müssten.

Die Fraktion DIE LINKE. bedauert, dass in der gesamten Legislaturperiode keine Diskussion zu diesem Thema
stattgefunden habe, besonders auch vor dem Hintergrund, dass der Antrag der Fraktion DIE LINKE. bereits seit
längerer Zeit vorliege.

Die Frage von Seiten der SPD-Fraktion nach der Definition von Wissenschaftsfreiheit beantwortet sie damit, dass
es wissenschaftliche Unabhängigkeit geben müsse, um zu wissenschaftsgeleiteten Verfahren zu kommen und
wissenschaftsimmanenten Fragestellungen folgen zu können. Dabei gehe es jedoch nicht darum, das Wissen-
schaftssystem vor der Gesellschaft zu verschließen, sondern es gehe um die intensive Rückkoppelung, Austausch

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/12778
und Transfer. Wissenschaftsfreiheit werde durch Unabhängigkeit und Demokratie gesichert. Dabei gehe es um
die Inhalte und Methoden von Wissenschaft, aber auch um die Einrichtungen selbst, die Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler. Unabhängigkeit sei jedoch nicht nur die Unabhängigkeit gegenüber dem Staat oder vor
staatlichen Zugriffen, sondern auch Unbestechlichkeit gegenüber finanzstarken Einzelinteressen in der Gesell-
schaft. Daher sei in diesem Zusammenhang auch die Frage des Verhältnisses von Grundfinanzierung und Dritt-
mitteln relevant.

Es sei Aufgabe der Politik, diesbezüglich eine Debatte zu beginnen und die Weichen zu stellen, damit bei diesem
Prozess auch andere gesellschaftliche Interessen berücksichtigt werden könnten und in der Wissenschaft eine
Unabhängigkeit entstehe, um selber entscheiden zu können, welche Verfahren und Methoden angewandt würden
und welchen Forschungsgegenständen man sich widme. Beim March of Science hätten viele WissenschaftlerIn-
nen, insbesondere aus dem Mittelbau, berichtet, dass es nur noch selten Themen- und Zeitsouveränität gebe, denn
diese sei von der Einwerbung von Drittmitteln überlagert, gleichzeitig stehe auch die Lehre dahinter zurück.

Die Fraktion DIE LINKE. kritisiert abschließend, dass sich die Bundesregierung diesem Themenkomplex die
letzten vier Jahre nicht gewidmet habe. Problematisch sei auch, dass die Koalitionsfraktionen ein unterschiedli-
ches Verständnis hinsichtlich der Problemlagen hätten. Dennoch würde sie es begrüßen, wenn diese Debatte wei-
ter geführt werden würde.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stimmt der Fraktion DIE LINKE. zu, dass es zwar Unterschiede bei
den Fraktionen hinsichtlich der Auffassungen zur Wissenschaftsfreiheit gebe. Jedoch weise die Debatte auch Ge-
meinsamkeiten dahingehend auf, dass Wissenschaftsfreiheit zur ihrer grundgesetzlich gesicherten Entfaltung gute
Bedingungen in Lehre und Forschung, eine verlässliche und dauerhafte Finanzierung, Wertschätzung, Schutz
sowie Unabhängigkeit und Zeitsouveränität benötige. Die Fraktion sei über den Zuspruch seitens der Koalitions-
fraktionen zum eigenen Antrag erfreut, jedoch stehe das Handeln der Fraktionen der CDU/CSU und SPD dazu
im Kontrast.

Die Äußerungen der Fraktion der SPD wiesen auf eine innerkoalitionäre Opposition hin. Die Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN wolle daran erinnern, dass im Koalitionsvertrag vereinbart worden sei, künftig bei den Förder-
instrumenten für die Wissenschaft verstärkt die Einhaltung von Gleichstellungstandards zu verankern. Dies sei
jedoch weder beim Pakt für Forschung und Innovation noch bei der Exzellenzinitiative, dem personenbezogenen
Förderprogramm für Wissenschaftlerinnen, dem Tenure-Track-Programm oder der Ressortforschung der Bun-
desregierung geschehen. Die Koalition fordere zu Recht mehr finanzielle Mittel für das Professorinnenprogramm
an. Diesbezüglich richtet die Fraktion die Frage an das Bundesministerium für Bildung und Forschung, inwieweit
das BMBF und das Bundesfinanzministerium zu einer Aufstockung des Programms bereit wären, damit deutlich
mehr Anträge bewilligt werden könnten. Abschließend kritisiert die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die
Bilanz der Gleichstellungspolitik des BMBF im Bereich der Wissenschaft in dieser Legislaturperiode und appel-
liert, diese bei dem geplanten Fachhochschulprogramm zu optimieren.

Die Fraktion der CDU/CSU führt aus, dass unter dem Begriff „Wissenschaftsfreiheit“ auch die Bedingungen
für gute Wissenschaft, die Stellenprogramme, das Tenure-Track-Programm, die Ausgestaltung der Verträge und
die finanzielle Ausstattung der Universitäten diskutiert würden. Hier bestehe weitgehende Übereinstimmung. Die
größten Unterschiede zwischen den Fraktionen gebe es jedoch bei ihren Vorstellungen über die Rahmenbedin-
gungen für freiheitliches Handeln in der Wissenschaft. Die Frage sei, wie Eigenverantwortung von Wissenschaft-
lerInnen gestärkt werden könne. Auf die Freiheitsfrage antworte die Fraktion DIE LINKE. jedoch mit normativen
Vorgaben.

Von Seiten der Bundesregierung wird betont, dass Geschlechtergerechtigkeit ein gemeinsames Anliegen der
Koalitionsfraktionen sei. Zur Kritik der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass seitens der Koalition kei-
nerlei Initiativen zu den Anliegen der beiden Anträge ergriffen worden seien, verweise sie auf die Monitoring-
Berichte zu den verschiedenen Pakten, die die von Bund und Ländern gemeinsam angegangenen und noch ge-
planten Maßnahmen darstellen würden.

Zum Thema „Genderforschung“ führt sie an, dass sie immanenter Bestandteil der Förderlinie des BMBF sei und
Genderaspekte in Projekten wie „Frauen an die Spitze“ oder beispielsweise im Bereich der medizinischen For-
schung berücksichtigt würden.

Drucksache 18/12778 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Zur Informationslage wird erklärt, dass es aufgrund der umfangreichen Berichterstattung kein Informationsdefizit
gebe, und man erinnere in diesem Zusammenhang an die Gleichstellungsberichte der Bundesregierung, den Bun-
desbericht für den wissenschaftlichen Nachwuchs, die GWK-Datenfortschreibung zu Frauen in Hochschulen und
außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie an die Evaluation zum Professorinnenprogramm.

Das Professorinnenprogramm sei im Übrigen für alle Hochschultypen offen, und die Fortführung, Weiterentwick-
lung und die Erhöhung der Finanzen seien unter den zuständigen Bundes- und Landesministern vereinbart wor-
den.

Zum Thema „Wissenschaftsfreiheit“ wird ausgeführt, dass sich die Bundesministerin Prof. Dr. Johanna Wanka
dazu nicht nur im Zuge des March of Science geäußert habe. Entwicklungen wie die willkürlichen Entlassungen
zahlreicher WissenschaftlerInnen in der Türkei oder die angedrohte Schließung einer Universität in Ungarn seien
in der Tat alarmierend. Daher sei die Bundesregierung bestrebt, die zivilgesellschaftlichen Kräfte dort zu stärken,
um die Wissenschafts- und Forschungsfreiheit zu unterstützen.

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. wird erklärt, dass dieser nicht die tatsächliche Situation Deutschlands
widerspiegle, und man verweise insbesondere auf die im Antrag genannten prekären Arbeitsverhältnisse und die
Indienstnahme der Wissenschaft für Kriegszwecke. Zudem seien auch die dort aufgeführten Forderungen größ-
tenteils veraltet, insbesondere die Forderung hinsichtlich einer Reform der Karrierewege oder der Öffnung der
Hochschulen für beruflich Qualifizierte.

Auch die Darstellung im Antrag, dass der Wissenschaftsbereich in Deutschland für die besten Köpfe nicht attrak-
tiv sei, treffe nicht zu. Immerhin hätten die Fraunhofer-Gesellschaft, die Max-Planck-Gesellschaft und auch das
Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt 2016 zu den beliebtesten Arbeitgebern in Deutschland gezählt.

Abschließend wird zum zum Thema „Integrität von Forschung“ angemerkt, dass die DFG, die Hochschulrekto-
renkonferenz und die außeruniversitären Einrichtungen zur Aufklärung wissenschaftlichen Fehlverhaltens Stan-
dards kodifiziert hätten und es den European Code of Conduct for Research Integrity gebe. Solche gemeinsamen
Standards in der Wissenschaft zu schaffen und sie einzuhalten, halte man für notwendig und richtig.

Berlin, den 17. Mai 2017

Dr. Claudia Lücking-Michel
Berichterstatterin

Marianne Schieder
Berichterstatterin

Nicole Gohlke
Berichterstatterin

Kai Gehring
Berichterstatter

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