BT-Drucksache 18/12776

zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Oliver Krischer, Katja Dörner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/8711 - Innovationspolitik neu ausrichten - Forschen für den Wandel befördern

Vom 20. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12776
18. Wahlperiode 20.06.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
(18. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Oliver Krischer, Katja Dörner,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/8711 –

Innovationspolitik neu ausrichten ‒ Forschen für den Wandel befördern

A. Problem
Wissenschaft und Forschung können dazu beitragen, die großen Herausforderun-
gen wie die Klimakrise, die Verknappung der Ressourcen, fortschreitende Urba-
nisierung, Digitalisierung und den demografischen Wandel durch Innovationen
zu bewältigen. Mit der Hightech-Strategie setzt die Bundesregierung nach Auf-
fassung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN allerdings vor allem auf tech-
nische Innovationen und naturwissenschaftliche Herangehensweisen. Die Ent-
wicklung sozialer Innovationen werde hingegen gegenwärtig kaum gefördert und
es fehlten verbindliche Nachhaltigkeitskriterien. Ohne deutlich mehr Forschung
für den Wandel, mehr transformatives Wissen, schnellen Transfer und neue Prio-
ritätensetzung könne Deutschland die Gefährdungen der natürlichen Lebens-
grundlagen und die soziale Modernisierung des Landes nicht bewältigen.

B. Lösung
Die Bundesregierung soll aufgefordert werden, das deutsche Innovationssystem
über eine Überarbeitung der Hightech-Strategie sozial, ökologisch und ökono-
misch zu optimieren. Die Antragsteller schlagen u. a. vor, dass alle inhaltlichen
Fördergebiete für soziale Innovationen, geisteswissenschaftliche Perspektiven
und die vielfältigen – auch zivilgesellschaftlichen – Akteure geöffnet werden.
Schließlich soll die Bundesregierung aufgefordert werden, verschiedene Förder-
maßnahmen, wie z. B. eine eigene Förderlinie für Reallabore, die steuerliche För-
derung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) oder die Einrichtung von
interdisziplinären Kooperationsplattformen in der Hightech-Strategie zu veran-
kern.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

Drucksache 18/12776 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

C. Alternativen
Annahme des Antrags auf Drucksache 18/8711.

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12776
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/8711 abzulehnen.

Berlin, den 21. September 2016

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Patricia Lips
Vorsitzende

Dr. Stefan Kaufmann
Berichterstatter

René Röspel
Berichterstatter

Ralph Lenkert
Berichterstatter

Kai Gehring
Berichterstatter

Drucksache 18/12776 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Dr. Stefan Kaufmann, René Röspel, Ralph Lenkert und
Kai Gehring

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/8711 in seiner 179. Sitzung am 23. Juni 2016 beraten
und dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur federführenden Beratung sowie
dem Ausschuss für Wirtschaft und Energie zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärt, dass Wissenschaft und Forschung dazu beitragen könnten, die
großen Herausforderungen der heutigen Zeit wie die Klimakrise, die Verknappung der Ressourcen, die fortschrei-
tende Urbanisierung, Digitalisierung und den demographischen Wandel zu bewältigen. Innovationen wie die So-
larzelle, Mikrokredite oder Elektroautos seien ohne Wissenschaft und Forschung nicht denkbar. Mit ihrer High-
tech-Strategie setze die Bundesregierung allerdings weiterhin vor allem auf technische Innovationen und natur-
wissenschaftliche Herangehensweisen, wohingegen die Entwicklung sozialer Innovationen gegenwärtig kaum
gefördert werde. Des Weiteren würden auch verbindliche Nachhaltigkeitskriterien fehlen. Deutschland könne
ohne deutlich mehr Forschung für den Wandel, mehr transformatives Wissen, schnellen Transfer und neue Prio-
ritätensetzung den Wettlauf mit der Zeit nicht gewinnen.

Die Antragsteller machen darauf aufmerksam, dass Wissenschaftsfreiheit basale Voraussetzung einer solchen In-
novationskultur sei, denn durch Freiräume für Vielfalt, Spontanität und Unkonventionelles entstehe Kreativität.
Durch die Förderung von Reallaboren, wo Wissenschaft, Wirtschaft, Kommunen und BürgerInnen gemeinsam
an Veränderungsprozessen arbeiten würden, würden Stadtteile, Regionen, Unternehmen oder Dienstleistungssys-
teme zum Experimentierfeld für Innovationen für drängende gesellschaftliche Herausforderungen.

Außerdem sei darüber hinaus die gesellschaftliche Teilhabe an der Forschung wichtig, denn so würden Forschung
und Entwicklung nachhaltiger werden. Das Grünbuch „Citizen-Science-Strategie Deutschland 2020“ von 2016
konstatiere, dass Bürgerwissenschaften bislang unzureichend gefördert würden. Außerdem sei es für die Bürge-
rInnen wichtig, dass transparent sei, welche WissenschaftlerInnen welche Forschung mit welchen Ergebnissen
und mit welchen öffentlichen Fördermitteln durchführen würden.

Des Weiteren seien für einen interdisziplinären Brückenschlag der Transfer und gemeinsame Projekte zwischen
MINT-Fächern und Sozial- und Geisteswissenschaften wichtig, denn Wissenschaft beruhe auf Pluralität, Metho-
denvielfalt und konkurrierendem Wissen. Wissenschaftlicher Fortschritt lebe von den Sichtweisen und Kompe-
tenzen von Frauen und Männern sowie von Diversity und Weltoffenheit, weshalb der Wissenschaftsnachwuchs
verlässlichere Karriereperspektiven brauche und Hochschulen und Forschungseinrichtungen durchlässiger wer-
den müssten, insbesondere für bisher unterrepräsentierte Gruppen.

Außeruniversitäre, unabhängige und ökologische Forschungsinstitutionen hätten sich als erfolgreiche Pioniere
des Wandels bewährt, jedoch fehle den freien Instituten die öffentliche Grundfinanzierung. Auch Start-ups und
KMU würden von der Bundesregierung vernachlässigt, obwohl eine neue Innovationskultur deren Ideenreichtum
und technologisches Wissen bräuchte.

Vor diesem Hintergrund soll die Bundesregierung aufgefordert werden, ihre Hightech-Strategie dahingehend zu
überarbeiten, dass

1. sie auf eine neue Innovationsstrategie für mehr Nachhaltigkeit ausgerichtet wird;

2. alle inhaltlichen Fördergebiete für soziale Innovationen, geisteswissenschaftliche Perspektiven und vielfäl-
tige Akteure wie KMU, Organisationen aus dem öffentlichen Sektor und der Zivilgesellschaft strukturell
geöffnet werden;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12776
3. folgende neue Fördermaßnahmen verankert werden:

a) ein Forschungsbonus in Form einer Steuerermäßigung von 15 Prozent aller Forschungs- und Entwick-
lungsausgaben für alle Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitern;

b) eine eigene Förderlinie für Reallabore;

c) Einrichtung von interdisziplinären Kooperationsplattformen, die sich thematisch an den großen gesell-
schaftlichen Herausforderungen orientieren;

d) Förderung von Netzwerken zwischen Hochschulen und freien Forschungsinstituten;

e) Entwicklung einer Roadmap zur kontinuierlichen Stärkung der kleinen Fächer;

f) verbesserte strukturelle und finanzielle Fördermöglichkeiten für Citizen-Science-Projekte;

g) Schaffung eines themenoffenen Experimentier-Fördertopfes für Kleinforschungsprojekte;

h) Förderung gewagter Forschungsideen jenseits des Mainstream durch Auslobung von Preisgeldern;

i) Knüpfung der Zuwendung öffentlicher Mittel für Forschungsprojekte an die verpflichtende Bedingung,
dass Mittelempfängerinnen und -empfänger in frei zugänglichen, möglichst zentralen sowie untereinan-
der vernetzen Datenbanken das Forschungsprojekt, die Ziele und die wesentlichen Resultate darlegen
und über den Umfang und die Dauer der öffentlichen Förderung sowie die beteiligten Kooperationspart-
nerinnen und -partner Auskunft geben.

III. Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses

Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat in seiner Sitzung am 21. September 2016 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimm-
enthaltung der Fraktion DIE LINKE. empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/8711 abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat den Antrag in seiner 74. Sitzung
am 21. September 2016 beraten und empfiehlt:

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/8711 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eröffnet ihre Berichterstattung mit dem Vergleich, „dass Deutsch-
land mit seiner Forschungspolitik auf dem Sonnendeck eines großen Tankers liege und sich in den Erfolgen der
letzten zwanzig Jahre sonne.“ Zwischenzeitlich gebe es aber auch „innovative Schnellboote“ wie Korea, Schwe-
den, Israel und China, die aufgrund der Steigerungen ihrer FuE-Entwicklungsinvestitionen Deutschland bereits
„überholt“ hätten. Die Fraktion kritisiert, dass Deutschland immer noch nicht das Drei-Prozent-Ziel erreicht habe
und weist auf die kritischen Ausführungen dazu im EFI-Gutachten hin.

Die Forschungs- und Innovationspolitik der Bundesregierung berücksichtige angesichts großer gesellschaftlicher
Herausforderungen zu wenig soziale Innovationen. Das EFI-Gutachten empfehle die Förderung sozialer Innova-
tionen, eine stärkere gesellschaftliche Partizipation am Forschungsprozess, experimentelle Formate und eine stär-
kere Forschungs- und Innovationstätigkeit von KMU. Im Bundesforschungsbericht seien die Kritikpunkte nicht
aufgegriffen worden, während der Antrag der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN konkrete Maßnahmen
enthalte.

Die Fraktion kritisiert ferner, dass die Hightech-Strategie der Bundesregierung zu stark auf Wirtschaftswachstum
und Marktrelevanz ausgerichtet sei und ihr Erfolg am Export wissensintensiver Güter, Patenten und Industriebe-
teiligungen gemessen werde. Dies sei kein nachhaltiger Forschungsförderungsansatz, der den großen Herausfor-
derungen gerecht werde. Was die Digitalisierung, insbesondere den flächendeckend funktionierenden Handyemp-
fang sowie schnelles Internet dank Breitbandausbau angehe, sei Deutschland noch ein „Entwicklungsland“.

Drucksache 18/12776 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Die Antragsteller fordern eine auskömmliche Finanzierung der Grundlagenforschung, die die Wissenschaftsfrei-
heit an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen gewährleiste und eine stärkere Erforschung
der globalen und gesellschaftlichen Herausforderungen. Auch wenn in Deutschland große Schritte in Richtung
Energiewende und Green Economy gemacht worden seien, müsste die Bundesregierung den Forschungsbedarf in
ihren Unterrichtungen klarer benennen, der durch die Sustainable Development Goals und das Pariser Klima-
schutzabkommen in den Vordergrund gerückt sei.

Der vorgelegte Antrag sei von einem neuen Innovationsverständnis geprägt. Er plädiere für eine Innovationsstra-
tegie und -politik für nachhaltige Entwicklung, soziale Innovation, mehr geisteswissenschaftliche Perspektive, die
stärkere Beteiligung von KMU, des öffentlichen Sektors und der zivilen Gesellschaft. Die Bundesregierung werde
aufgefordert, KMU mit bis zu 249 Beschäftigten einen Forschungsbonus in Form einer Steuerermäßigung von 15
Prozent aller Forschungs- und Entwicklungsausgaben zu gewähren. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
weist auf eine Anhörung im Finanzausschuss am 19. September 2016 hin, in der Sachverständige einhellig eine
steuerliche Forschungsförderung u. a. für Start-ups und Ausgründungen im Digitalisierungsbereich gefordert hät-
ten. Die Fraktion schlägt darüber hinaus das Förderformat „Reallabore“ vor, die bereits in Baden-Württemberg
erfolgreich liefen, sowie die Förderung interdisziplinärer Kooperationsplattformen und von Netzwerken zwischen
Hochschulen und außeruniversitären Forschungsinstituten. Schließlich solle die Bundesregierung aufgefordert
werden, themenoffene Kleinforschungsprojekte jenseits des Mainstream zu unterstützen.

Die Fraktion der CDU/CSU erklärt, dass die Bilanz der Bundesregierung im Bereich der Forschungsinnovati-
onspolitik ausgesprochen positiv sei. Angesichts der Leistungen von Mitbewerbern im internationalen Wettbe-
werb dürfe sich Deutschland jedoch nicht auf den Erfolgen ausruhen. Sie weist auf den chinesischen Supercom-
puter „Sonnenweg“ hin, der mit 93 Billiarden Rechenoperationen pro Sekunde wesentlich schneller sei als alle
derzeit bekannten Computer. Daher seien weiterhin Investitionen in Forschung und Innovationen nötig, um sich
im weltweiten Wettbewerb behaupten zu können. Dies gelte auch für die Industrie. Insbesondere die Rahmenbe-
dingungen für FuE in KMU seien zu verbessern. Benchmarks für FuE-Ausgaben sollten daher nicht nur bei 3
Prozent, sondern bei 3,5 Prozent des BIP liegen.

Die Fraktion weist darauf hin, dass der Ausbau von Clustern in zentralen Innovationsbereichen stärker vorange-
trieben werden sollte. Der erfolgreich begonnene Spitzenclusterwettbewerb mit dem Ziel der Verzahnung von
Wirtschaft, Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sollte fortgesetzt werden. Das EFI-
Gutachten biete wichtige Hinweise auf notwendige Änderungen in der aktuellen Innovations- und Forschungspo-
litik. Die Bundesregierung nehme diese Hinweise sehr ernst und habe bereits einige Vorschläge aufgegriffen. Die
Fraktion weist in diesem Zusammenhang auf die Themen „Exzellenzstrategie“, „Karriereperspektiven für den
Nachwuchs“ und „Innovationsleistungen von KMU“ hin.

Die Fraktion der CDU/CSU spricht die Reise einer Delegation des Ausschusses zur diesjährigen Tagung des
German Academic International Network (GAIN) in Washington an. Die in den USA tätigen deutschen Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftler seien sehr an einer Rückkehr nach Deutschland interessiert. Dies zeige auch
die wachsende Attraktivität des Forschungs- und Innovationsstandortes Deutschland, an der die erfolgreiche Wis-
senschafts- und Forschungspolitik der Bundesregierung in den letzten Jahren einen großen Anteil habe.

Das EFI-Gutachten zeige aber auch Defizite in den Bereichen „Service-Robotik und Software“ bzw. „internetba-
sierte Technologien“ auf. Die Vorschläge würden von Seiten der Unionsfraktion als sehr hilfreich bewertet. Die
Fraktion erinnere an die „Empfehlung zur Weiterentwicklung einer Gesamtstrategie im Bereich von Industrie
4.0“, aber auch an das Rahmenprogramm „Mikroelektronik als Innovationstreiber der Digitalisierung“. Diese
Schlüsseltechnologie stehe exemplarisch für die Umsetzung der Innovationsstrategie in den Bereichen wie auto-
matisiertes Fahren und intelligente Medizintechnik. Das Rahmenprogramm sei von entscheidender Bedeutung für
die enge Verbindung von Wirtschaft und Forschung und damit auch für eine schnelle Anwendung von For-
schungsergebnissen. Als Bestandteil der neuen Hightech-Strategie und auch der Digitalen Agenda leiste das Rah-
menprogramm einen großen Beitrag, dass Deutschland international seine Spitzenposition halte und auch weiter
ausbaue. Die große Bedeutung, die die Bundesregierung der Forschung und Innovation beimesse, werde auch im
Trend der kontinuierlichen Steigerung des BMBF-Haushalts deutlich, den die Bundesministerin im Anschluss im
Ausschuss vorstelle. Als Fazit erklärt die Fraktion der CDU/CSU, dass alle gemeinsam stolz auf diese Entwick-
lung sein dürften.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/12776

Die Fraktion DIE LINKE. eröffnet ihre Berichterstattung mit dem Hinweis, dass Deutschland und Europa in
den vergangenen Jahrzehnten die Fertigung von Mikroelektronikbauteilen stark vernachlässigt hätten. Daher sei
das angesprochene Programm notwendig. Sie weist auf die gute finanzielle und materielle Ausstattung der For-
schungsinfrastruktur in Deutschland im Hinblick auf Großforschungseinrichtungen hin. Für KMU treffe dies je-
doch nicht zu, da sie bürokratische Hemmnisse behinderten und einen schlechteren Zugang zum Beispiel zu Groß-
forschungseinrichtungen wie der Max-Planck-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft und der Leibniz-Ge-
meinschaft hätten. Diese Institute würden ihrer Auffassung nach wesentlich lieber gemeinsame Großprojekte mit
der Großindustrie realisieren. Dies treffe auch für Programme der Bundesregierung zu, da der Aufwand der Vor-
bereitung kleiner Projekte größer sei als der von Großprojekten. Daher sei ein Aufwuchs der Zahl der Mitarbei-
terinnen und Mitarbeiter, die die Fördermittel verwalteten, notwendig. Die Fraktion DIE LINKE. erwarte daher
auch einen Mittelaufwuchs, der den KMU zu Gute käme.

Als weiteres Problem spricht die Fraktion die Rahmenbedingungen im Hinblick auf Datenverbindungen und die
Arbeitsbedingungen für Forscherinnen und Forscher, insbesondere was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
bzw. die Möglichkeit von Teilzeitarbeit angehe, an.

Als weiteres Problem identifiziert die Fraktion die zunehmend komplizierter werdenden Zertifizierungsverfahren
in der EU für KMU, zum Beispiel in den Bereichen „Medizintechnik“ und „Biotechnologien“. KMU müssten den
gleichen Aufwand betreiben wie Großfirmen. Da kleine Firmen diesen oft nicht leisten könnten, seien sie prak-
tisch vom Wettbewerb ausgeschlossen. Sie schlage daher ein Hilfsprogramm zur Unterstützung von KMU bei
Zertifizierungsverfahren vor.

Als ein weiteres Problem erachtet die Fraktion DIE LINKE., dass die öffentliche Verwaltung von Förderungen
ausgeschlossen sei. Es müssten die Frage gestellt und Ideen entwickelt werden, wie die Verwaltung „fit für die
Zukunft“ gemacht werden könnte.

Zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird ausgeführt, dass er viele interessante Ansätze ent-
halte. Allerdings sei eine steuerliche Entlastung von Start-ups sinnlos, wenn diese zunächst gar keine Gewinne
erzielten. Es werde daher für eine Direktförderung plädiert.

Als wenig hilfreich wird in diesem Zusammenhang auch das Abschmelzen des ZIM-Programms durch das Bun-
deswirtschaftsministerium gesehen. Die Fraktion erklärt, dass sie sich daher beim Antrag der Fraktion von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Stimme enthalten werde.

Abschließend schlägt sie vor, die Risikoforschung in Deutschland voranzutreiben, da es ein Wettbewerbsvorteil
sei, wenn im Falle von Schäden adäquat reagiert werden könnte. Förderprogramme des BMBF sollten daher ent-
sprechend nachhaltig ausgestattet werden.

Die Fraktion der SPD erklärt, dass bereits in der Plenardebatte überwiegend übereinstimmend die hohe Qualität
der Forschung aber auch Defizite in Deutschland festgestellt worden seien. Sie führt aus, dass das EFI-Gutachten
stets eine gute Grundlage für Oppositionsanträge sei. Der vorliegende Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN sei in vielen Teilen richtig, allerdings auch in Teilbereichen zu kritisieren. So halte die Fraktion der
SPD eine Förderung von Netzwerken zwischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen für nicht zielführend.
Vielmehr sollten diese aus dem Engagement der Hochschulen selbst heraus entstehen. Sie kritisiere auch den
Vorschlag der Förderung von Reallaboren, denn diese gebe es bereits an Universitäten. Die Fraktion beurteile
auch eine Roadmap für die Förderung kleiner Fächer als wenig sinnvoll. Das dafür benötigte Geld sollte vielmehr
direkt den kleinen Fächern zugutekommen.

EFI habe keine schlüssige Antwort auf die Frage der Innovationsfähigkeit von KMU und der Definition von KMU
gegeben. Die EU-Kommission definiere KMU als Firmen mit bis zu 249 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit
einem Jahresumsatz von bis zu 30 Mio. Euro. Die Fraktion der SPD halte diese Definition für zu eng. In vielen
Regionen Deutschlands gebe es sogenannte „Hidden Champions“ und Firmen mit bis zu 1 000 Beschäftigten, die
sich durchaus als Mittelstand fühlten. Sie rege daher an, diese Definition für deutsche Verhältnisse auf den Prüf-
stand zu stellen.

Die steuerliche Förderung von Unternehmen oder Einrichtungen sei ein sinnvolles Instrument für die Standort-
und Wirtschaftsförderung. Zu fragen sei jedoch, ob diese Förderungsform auch für Innovationsförderung geeignet
sei. Das EFI-Gutachten biete dazu interessante Erkenntnisse. Die Fraktion interpretiere die Diagramme auf den

Drucksache 18/12776 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Seiten 33 und 127 so, dass die Wertschöpfung von wissensintensiven Betrieben bei direkter staatlicher Förderung
(Deutschland, Schweden) höher ausfalle als bei hoher indirekter Förderung (Frankreich und Großbritannien). Sie
empfehle daher – wie das EFI-Gutachten übrigens auch – zum Beispiel die Durchführung von Projekten in den
Bereichen „Digitalisierung“, „E-Government“, „Robotik“, „Mikroelektronik“ bzw. „Systemtechnik“ direkt zu
fördern. Die Fraktion der SPD plädiere auch für die Förderung der Grundlagenforschung und angewandten For-
schung in diesen Bereichen und weniger die Förderung von bereits wirtschaftsnah agierenden Instituten.

Die Fraktion erklärt abschließend, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN offensichtlich nicht alle Ent-
wicklungen wahrgenommen habe. Die zweite Hightech-Strategie habe die Themen „Soziale Innovationen“, „Par-
tizipation“ und „Citizen Science“ aufgegriffen. Daher sei man diesbezüglich bereits auf dem richtigen Weg und
lehne daher den Antrag der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab.

Von Seiten der Bundesregierung wird der Vorwurf der Fraktion DIE LINKE. aufgegriffen, das Bundesministe-
rium für Bildung und Forschung (BMBF) würde bewusst KMU bei der Forschungsförderung benachteiligen. Sie
weise diesen Vorwurf aber entschieden zurück, da Programme ausgeschrieben würden und sich jede Firma für
eine Teilnahme bewerben könnte. Das Bundesministerium bitte daher um konkrete Hinweise, dass Großunter-
nehmen bevorzugt gefördert worden seien, wenn gleichzeitig auch Mittelständler zum Zuge hätten kommen kön-
nen.

Zur Kritik der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass soziale Innovationen bei den Fördermaßnahmen zu
wenig berücksichtigt worden seien, erwidert das BMBF, dass diese als Querschnittsaufgabe bei allen neuen Fach-
programmen eine Rolle spielten. Es verweist auf vier Initiativen von insgesamt 15: „Wissenschaftskommunika-
tion“, „Neue Instrumente und Programme in der Innovationsförderung“, „Forschung für Produktion, Dienstleis-
tung und Arbeit“ und als Beispiel für die Fachhochschulforschung „Demographischer Wandel – Mensch – Tech-
nik – Interaktion“. Das Bundesministerium wolle in diesem Zusammenhang auch auf die Konferenz am 20. und
21. September 2016 zum Thema „Soziale Innovation“ hinweisen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN entgegnet dem BMBF, dass sie zwar eine „verbale“ Adressierung
des Themas „Soziale Innovation“ wahrgenommen habe. Die Frage sei jedoch, welche konkreten und sozialen
Innovationen aus den einzelnen Forschungsprojekten entstünden. Die Fraktion verweist als Beispiel auf den
Nacktscanner an Flughäfen als technologische Innovation, bei dessen Entwicklung Geistes- und Sozialwissen-
schaftler, Datenschützer und Strahlenschutzexperten in einen Diskurs einbezogen werden müssten. Sie fordere
die klare Einbeziehung der Fragen sozialer Innovationen in die Hightech-Strategie.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wendet sich an die Fraktion der SPD, die die Förderung von Realla-
boren in Zweifel gezogen habe. Sie plädiere jedoch dafür, dem guten Brauch zu folgen, Maßnahmen, die sich in
den Bundesländern bewährt hätten, auch in die Förderstrategien des Bundes mit aufzunehmen.

Schließlich wolle sie noch einmal auf die Anhörung im Finanzausschuss in dieser Woche hinweisen, die mehr
steuerliche Forschungsförderung für innovative Start-ups angemahnt habe.
Berlin, den 21. September 2016

Dr. Stefan Kaufmann
Berichterstatter

René Röspel
Berichterstatter

Ralph Lenkert
Berichterstatter

Kai Gehring
Berichterstatter

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.