BT-Drucksache 18/12685

Rechtsextreme Tendenzen in der Hooligan-Szene

Vom 6. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12685
18. Wahlperiode 06.06.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Dr. André Hahn, Petra Pau,
Martina Renner und der Fraktion DIE LINKE.

Rechtsextreme Tendenzen in der Hooligan-Szene

Neonazis und Rechtsextremisten versuchen immer wieder, über Fußballvereine
Anhänger zu werben. Bündnisse zwischen rechten Fußballhooligans und Neona-
zis gibt es seit den 1980er Jahren. In den letzten Jahren ist diese von Fußballver-
einen und dem Staat nach Ansicht der Fragesteller lange ignorierte oder verharm-
loste Allianz wieder verstärkt in die Öffentlichkeit getreten (www.jungewelt.de/
artikel/270174.15-prozent-%C3%BCberschneidung.html). Anfang 2012 schlos-
sen sich laut „SPIEGEL ONLINE“ 17 eigentlich rivalisierende Hooligan-Grup-
pen aus ganz Deutschland zum Bündnis GnuHonnters (New Hunters) zusam-
men. Eingeladen zu dem Treffen hatte die langjährige rechtsextreme Dortmun-
der Hooligantruppe Borussenfront um ihren als „SS-Siggi“ bekannten Anführer
und Aktivisten der Neonazi-Partei DIE RECHTE Siegfried Borchardt. Als ihre
Ziele benannten die GnuHonnters die „Herstellung alter Werte“ und „Keine An-
tifa im Stadion“. In der Folge kam es bei verschiedenen Bundesligavereinen zu
gewaltsamen Übergriffen von rechtsgerichteten Hooligans auf antirassistisch
motivierte Ultra-Gruppen. Die GnuHonnters erscheinen als ein Vorläufer der
ebenfalls aus eigentlich rivalisierenden Hooligan-Gruppen gebildeten „Hooli-
gans gegen Salafisten“ (HoGeSa). Im Oktober 2014 verwüsteten mehrere Tau-
send HoGeSa-Anhänger, darunter neben Fußball-Hooligans auch Rocker und
Anhänger rechtsextremer Parteien, auf einer Demonstration die Kölner Innen-
stadt. In der Folge trat die sich aufsplitternde HoGeSa-Bewegung auch unter an-
deren Namen auf, rechte Hooligans marschierten zudem bei den Aufzügen der
rassistischen und islamfeindlichen Pegida-Bewegung mit (www.bpb.de/politik/
extremismus/rechtsextremismus/199362/hogesa-wie-hooligans-rechte-bruecken-
schlagen).
Während organisierte Neonazis durch die Zusammenarbeit von Vereinen und
Fans bei vielen Bundesliga-Klubs aus den Stadien verdrängt wurden, tummeln
sich Rechtsextreme verstärkt in den unteren Ligen. Beim Fußballregionalligisten
Energie Cottbus war 18 Jahre lang die von den Innenbehörden als rechtsextrem
eingeschätzte Fangruppierung Inferno Cottbus, der Neonazis, Kampfsportler,
Hooligans und Rocker angehören, aktiv. Verschiedene Medien berichteten über
ein kriminelles rechtsextremes Netzwerk innerhalb der Szene. So habe Inferno
andere Fangruppen des Brandenburger Vereins „bedroht und mit Gewalt auf Li-
nie bringen“ wollen. Als der Staatsschutz nach Ausschreitungen bei einem Aus-
wärtsspiel gegen SV Babelsberg, bei denen rechtsextreme Parolen gerufen wur-
den, die Ermittlungen einleitete, gab Inferno Cottbus im Mai 2017 seine Auflö-
sung bekannt, möglicherweise um einem Verbot zuvorzukommen (www.rbb-
online.de/sport/beitrag/2017/05/Inferno-Cottbus-Fanclub-Energie-loest-sich-auf.
html; www.neues-deutschland.de/artikel/1050625.jaehes-ende-des-infernos.html).

Drucksache 18/12685 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Personen, die derzeit in der Datei „Gewalttäter Sport“ gespeichert
sind,
a) haben nach Kenntnis der Bundesregierung einen rechtsextremen Hinter-

grund bzw. sind der rechtsextremen Szene zuzuordnen,
b) wie viele sind in welchen einschlägigen Polizeidateien sowie Dateien des

Bundesamtes für Verfassungsschutz erfasst?
2. Wie viele der sogenannten Problemfans (Kategorie A, B, C) gehören nach

Einschätzung der Bundesregierung rechtsextremen Parteien und Organisati-
onen bzw. der rechtsextremen Szene an?

3. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden nach Kenntnis der Bundesregierung
innerhalb der letzten fünf Jahre gegen Fußballfans wegen Verstoßes gegen
§ 86 des Strafgesetzbuchs (StGB) (Verbreitung von Propagandamateria-
lien verfassungswidriger Organisationen) bzw. § 130 StGB (Volksverhet-
zung) im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen durchgeführt?

4. Welche konkreten Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über Unterwan-
derungsversuche von Rechtsextremen und Neonazis bei Fußballvereinen,
Fanclubs und den bei Fußballspielen eingesetzten Ordnerdiensten vor?

5. Welche konkreten Erkenntnisse über eine gezielte rechtsextreme Unterwan-
derung von Hooligan- und Ultragruppen liegen der Bundesregierung vor?

6. Welche explizit rechtsextremen oder neonazistischen Hooligan- und Ultra-
gruppen welcher Vereine sind der Bundesregierung bekannt?
a) Seit wann existieren diese Gruppen jeweils?
b) Welche dieser Gruppen haben welche Art von Kontakten zu welchen

rechtsextremen Parteien und Organisationen?
c) Welche rechtsextremen Hooligan- und Ultragruppen wurden wann und

warum verboten?
d) Welche rechtsextremen Hooligan- und Ultragruppen haben sich wann und

warum selbst aufgelöst?
e) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über etwaige Tätigkeiten

von Ersatz- oder Nachfolgeorganisationen?
f) Welche rechtsextremen Hooligan- und Ultragruppen haben nach Kennt-

nis der Bundesregierung Stadionverbote durch die jeweiligen Vereine?
g) Welche einschlägigen rechtsmotivierten Straftaten gingen von den jewei-

ligen Gruppen nach Kenntnis der Bundesregierung aus?
7. Welche Drohungen und Übergriffe von rechtsgerichteten Hooligans auf an-

tirassistische Ultra- und Fangruppen des eigenen Vereins sind der Bundesre-
gierung während der letzten fünf Jahre bekannt geworden (bitte einzeln nach
Vorkommnis, Datum, Verein und beteiligten Gruppierungen aufschlüs-
seln)?

8. Inwieweit kann die Bundesregierung in Drohungen und Übergriffen rechts-
gerichteter Hooligans auf andere, vor allem antirassistische Fangruppen des
eigenen Vereins eine gezielte Strategie zur Herstellung einer rechten Hege-
monie in den Fankurven erkennen?

9. Welche Drohungen und Übergriffe von rechtsgerichteten Hooligans auf an-
tirassistische Fan- und Ultragruppen gegnerischer Vereine während der letz-
ten fünf Jahre sind der Bundesregierung bekannt geworden (bitte einzeln
nach Vorkommnis, Datum, Verein und beteiligten Gruppierungen aufschlüs-
seln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12685

10. In wie vielen und welchen Fällen beteiligten sich während der letzten fünf

Jahre nach Kenntnis der Bundesregierung Hooligans und Ultras in größerer
Zahl an offen neonazistischen und rechtsextremen Aufmärschen (bitte Ort,
Datum, Thema und Veranstalter des Aufzugs sowie Zugehörigkeit der
Hooligans oder Ultras benennen)?

11. In wie vielen und welchen Fällen beteiligten sich während der letzten fünf
Jahre nach Kenntnis der Bundesregierung Hooligans und Ultras an von der
Bundesregierung als nicht offen rechtsextrem eingeschätzten aber flücht-
lings- und fremdenfeindlichen oder islamfeindlichen Aufzügen (z. B. der
Pegida-Bewegung; bitte Ort, Datum, Thema und Veranstalter des Aufzugs
sowie Zugehörigkeit der Hooligans oder Ultras benennen)?

12. Wie viele und welche Aufzüge der Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa)
und ihrer Abspaltungen und möglichen Nachfolgevereinigungen fanden
nach Kenntnis der Bundesregierung wann und wo und mit wie viele Teilneh-
merinnen und Teilnehmern aus welchen Milieus seit Gründung dieser Grup-
pierung statt?
a) Inwieweit beteiligten sich Mitglieder rechtsextremer Parteien und Orga-

nisationen an den HoGeSa-Aufzügen?
b) Bei welchen dieser Aufzüge kam es zu welchen einschlägigen Straftaten

und Gewalttaten mit wie vielen Verletzten (bitte aufschlüsseln, ob die
Verletzten Teilnehmer der Aufzüge, Polizisten, Journalisten, Gegende-
monstranten oder Unbeteiligte sind)?

13. Wie entwickelte sich die HoGeSa-Bewegung nach Kenntnis der Bundesre-
gierung seit ihrer Gründung organisatorisch und personell?
a) Welche Abspaltungen oder Umbenennungen gab es?
b) Welche Internetauftritte (einschließlich sozialer Netzwerke) von HoGeSa

(einschließlich Abspaltungen und Umbenennungen) sind der Bundesre-
gierung bekannt?

14. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den auf Initiative der
rechtsextremen Borussenfront im Jahr 2012 erfolgten bundesweiten Zusam-
menschluss von Hooligans namens GnuHonnters (www.bpb.de/politik/
extremismus/rechtsextremismus/199362/hogesa-wie-hooligans-rechte-bruecken-
schlagen)?
a) Welche Hooligan-Gruppen aus welchen Städten und von welchen Fuß-

ballvereinen gehören den GnuHonnters an, und welche dieser Gruppie-
rungen gelten als rechtsextrem?

b) Welche Aktivitäten im Einzelnen gingen seit der Gründung der Gnu-
Honnters von diesem Zusammenschluss aus?

c) Inwiefern kann die Bundesregierung eine personelle, ideologische oder
organisatorische Verbindung zwischen den GnuHonnters und HoGeSa er-
kennen?

15. Welche Maßnahmen im Einzelnen hat die Bundesregierung in den letzten
fünf Jahren ergriffen, um den Einfluss fremdenfeindlich und rechtsextrem
motivierter Gruppen im Umfeld von Fußballfans zurückzudrängen, und wel-
chen Erfolg hatten diese Maßnahmen nach Kenntnis der Bundesregierung?

16. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Existenz explizit an-
tirassistisch orientierter Fanprojekte, und inwieweit gedenkt sie, diese zu un-
terstützen?

17. Wie viele und welche Fanprojekte werden über die Bundesprogramme zum
Thema Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus unterstützt, und
wie hat sich diese Unterstützung in den letzten fünf Jahren entwickelt?

Drucksache 18/12685 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

18. Inwiefern ist die Thematik rechtsextremer Fangruppen Gegenstand von Be-

sprechungen im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzen-
trum?

Berlin, den 2. Juni 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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