BT-Drucksache 18/12663

Artenverluste in Kleingewässern in Deutschland - Situation, Ursachen und Gegenmaßnahmen

Vom 1. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12663
18. Wahlperiode 01.06.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Harald Ebner, Steffi Lemke, Peter Meiwald, Matthias Gastel,
Bärbel Höhn, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Artenverluste in Kleingewässern in Deutschland – Situation, Ursachen und
Gegenmaßnahmen

Aktuell bekanntgewordene Untersuchungsergebnisse aus der Bodenseeregion
zeigen einen besorgniserregenden Rückgang von wirbelloser Arten in Kleinge-
wässern. Die fachliche Einschätzung der baden-württembergischen Behörden
sowie mehrere Studien, insbesondere zu Amphibien, deuten auf einen Zusam-
menhang mit Pestizideinträgen hin. Forschungen des Helmholtz-Zentrums für
Umweltforschung (UFZ) sowie eine Schweizer Studie zur Pestizidbelastung von
Bächen (vgl. www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.
msg-id-66224.html) zeigen zudem, dass Pestizidbelastungen in Kleingewässern
höher und gefährlicher sind als bislang angenommen.
Vor diesem Hintergrund stellen sich Fragen nach einer Verbesserung der Risiko-
bewertung von Pestizidwirkungen in Kleingewässern, der systematischen Erfas-
sung von Höhe und Folgen der Pestizidbelastung in Kleingewässern in Deutsch-
land sowie nach effektiven Maßnahmen zur Reduktion der Einträge.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen

aktueller Stichproben bei kleineren Gewässern in der Bodenseeregion durch
das Institut für Seenforschung, wonach teilweise alarmierende Einbrüche bei
der Artenvielfalt wirbelloser bodenlebender Tiere festgestellt wurden (vgl.
Artikel „Aus den Bächen verschwinden die Tiere“, Stuttgarter Zeitung
12. Mai 2017 sowie Pressemitteilung des Ministeriums für Umwelt, Klima
und Energiewirtschaft Baden-Württemberg vom 15. Mai 2017)?

2. Welche Erkenntnisse aus eigenen Untersuchungen oder Studien aus Deutsch-
land oder anderen mitteleuropäischen Ländern haben das Umweltbundesamt
und das Bundesamt für Naturschutz über Artenrückgänge in Kleingewäs-
sern, insbesondere in landwirtschaftlich intensiv genutzten Regionen?

3. Welche Arten bzw. Taxa von an und in Oberflächengewässern lebenden Or-
ganismen sind nach Kenntnis der Bundesregierung besonders stark von Be-
standsrückgängen betroffen?

4. Welche Kenntnisse bzw. Annahmen hat die Bundesregierung zu Ursachen
von Artenrückgängen in Kleingewässern?

Drucksache 18/12663 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
5. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung von Prof. Dr. Matthias Liess
(Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, UFZ) und des baden-württem-
bergischen Umweltministers Franz Untersteller, dass Pestizideinträge eine
wesentliche Ursache der Artenrückgänge darstellen (vgl. Artikel „Aus den
Bächen verschwinden die Tiere“, Stuttgarter Zeitung 12. Mai 2017), und
wenn nein, warum nicht?
Gibt es zwischen dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit (BMUB) und dem Bundesministerium für Ernährung und
Landwirtschaft (BMEL) sowie ggf. weiteren Ressorts (wenn ja, bitte ange-
ben, welche) in dieser Frage fachlichen Dissens?

6. Inwieweit hat sich die Bundesregierung für Verbesserungen bei der Risi-
kobewertung von Pestizidwirkstoffen und -formulierungen eingesetzt vor
dem Hintergrund, dass laut einer Studie unter Beteiligung der Universität
Koblenz-Landau aus dem Jahr 2013 Pestizide bereits in empfohlenen An-
wendungskonzentrationen zu Sterblichkeitsraten bei Amphibien von 20 bis
zu 100 Prozent führen können (vgl. www.umweltbundesamt.de/presse/
pressemitteilungen/pestizide-koennen-amphibien-gefaehrden), sowie wis-
senschaftliche Untersuchungen unter Beteiligung des Leipziger Helmholtz-
Zentrum für Umweltforschung (UFZ) für Europa eine um bis zu 42 Prozent
verringerte Artenvielfalt bei wirbellosen Tieren in Fließgewässern bei stark
mit Pestiziden belasteten Standorten ergeben und die Studienautoren fest-
gestellt haben, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Höchstmengen die Ar-
tenvielfalt der wirbellosen Tiere in Fließgewässern nicht ausreichend
schützen (vgl. www.ufz.de/index.php?de=35329)?

7. Welche verpflichtenden Maßnahmen und Auflagen bezüglich Belastungen
mit Pestiziden sowie deren Metabolite plant die Bundesregierung, um einen
guten Zustand der deutschen Oberflächengewässer auch in Hinblick auf den
besseren Schutz von Wasserorganismen vor potentiell schädlichen Pesti-
zideinwirkungen zu erreichen, wie es Bedingung ist für die von Deutschland
in Anspruch genommene Fristverlängerung zur Erreichung der Vorgaben der
Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)?

8. Wie ist der Konzeptionsstand des repräsentativen Monitorings zur Belastung
von Kleingewässern in der Agrarlandschaft im Rahmen des „Nationalen Ak-
tionsplan zur Nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“ (NAP),
und wann wird nach Einschätzung der Bundesregierung dieser zweite Teil
des Projekts Kleingewässer-Monitoring abgeschlossen sein?

9. Rechnet die Bundesregierung damit, dass die Umsetzung des Monitorings zur
Ermittlung des Belastungszustandes von Kleingewässern wie vorgesehen bis
2018 beginnen wird (vgl. www.nap-pflanzenschutz.de/indikatoren-forschung/
indikatoren-und-deutscher-pflanzenschutzindex/deutscher-pflanzenschutzindex/
rueckstaende-von-pflanzenschutzmitteln-in-kleingewaessern/), und wenn
nein, warum nicht?

10. Inwieweit wird die Bundesregierung sicherstellen, dass Deutschland zukünf-
tig hinsichtlich einer besseren Erfassung von Pestizidbelastungen in Klein-
gewässern parallel zum geplanten Monitoring im Rahmen des NAP dem
dreistufigen Prüfverfahren bei Kleingewässern im Rahmen der Umsetzung
der WRRL folgt, wie es in der von EU-Seite in der Common Implementation
Strategy vorgesehenen ist, und damit zukünftig nicht länger ein Großteil der
Oberflächengewässer faktisch vom Anwendungsbereich der WRRL ausge-
nommen bleibt (vgl. www.kritischer-agrarbericht.de/fileadmin/Daten-KAB/
KAB-2017/KAB_2017_73_78_vonVittorelli.pdf)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12663

11. Welche konkreten Ansätze, über den Rahmen des NAP hinausgehend, plant

die Bundesregierung, um die Pestizideinträge in Kleingewässer zu reduzie-
ren, um sicherzustellen, dass dort die Umweltqualitätsnormen für Oberflä-
chengewässer eingehalten werden?

Berlin, den 30. Mai 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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