BT-Drucksache 18/12657

zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Dörner, Dr. Franziska Brantner, Ulle Schauws, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/12110 - Geld, Zeit, Bildung und Teilhabe - Familien gezielt unterstützen

Vom 2. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12657
18. Wahlperiode 02.06.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Dörner, Dr. Franziska Brantner, Ulle
Schauws, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/12110 –

Geld, Zeit, Bildung und Teilhabe – Familien gezielt unterstützen

A. Problem
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legt in dem Antrag auf der Grundlage
ihrer bisherigen parlamentarischen Initiativen in dieser Wahlperiode ihre fami-
lienpolitischen Forderungen dar. Eine gute und gerechte Familienpolitik müsse
die Vielfalt von Familien berücksichtigen und dürfe Familien nicht ungerecht be-
handeln. Familie sei, wo Kinder seien; Familie sei auch da, wo Menschen für-
einander Verantwortung übernähmen. Aufgabe des Staates sei es, gute Rahmen-
bedingungen für das Aufwachsen von Kindern zu schaffen und Eltern zu unter-
stützen, damit sie die Verantwortung gegenüber ihren Kindern wahrnehmen
könnten. Eine moderne Familienpolitik müsse daher Geld, Zeit und Infrastruktur
in den Blick nehmen. Die Familienförderung müsse ausgebaut und am Kind ori-
entiert werden. Die Kinderarmut solle durch eine Stärkung Alleinerziehender be-
kämpft werden.

In dem Antrag wird u. a. gefordert, Bildungs- und Betreuungsangebote sowie
Ganztagsschulen quantitativ und qualitativ auszubauen und hierbei die Fachkraft-
Kind-Relation im SGB VIII zu definieren. Die Bundesregierung solle ein Maß-
nahmenpaket umsetzen, das Beschäftigten mehr Mitsprache über den Umfang,
die Lage und den Ort ihrer Erwerbstätigkeit einräume. Die finanziellen Leistun-
gen für Kinder sollten so ausgestaltet werden, dass das Existenzminimum von
Kindern einfach und unbürokratisch abgesichert sei und Familien mit geringen
und mittleren Einkommen entlastet würden, z. B. durch Einführung einer einkom-
mensunabhängigen Kindergrundsicherung.

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

Drucksache 18/12657 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Kosten wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12657
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/12110 abzulehnen.

Berlin, den 31. Mai 2017

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Paul Lehrieder
Vorsitzender

Marcus Weinberg (Hamburg)
Berichterstatter

Sönke Rix
Berichterstatter

Norbert Müller (Potsdam)
Berichterstatter

Katja Dörner
Berichterstatterin

Drucksache 18/12657 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Marcus Weinberg (Hamburg), Sönke Rix, Norbert Müller
(Potsdam) und Katja Dörner

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 18/12110 wurde in der 231. Sitzung des Deutschen Bundestages am 27. April 2017
dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur federführenden Beratung und dem Ausschuss für
Arbeit und Soziales sowie dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur Mitbera-
tung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

In dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird von einem weiten Familienbegriff ausgegangen.
Familie sei, wo Kinder seien, Familie sei auch da, wo Menschen füreinander Verantwortung übernähmen. Somit
gebe es vielfältige Erscheinungsbilder von Familie. Eine gute und gerechte Familienpolitik müsse diese Vielfalt
berücksichtigen und dürfe Familien nicht ungerecht behandeln.

Jedes Kind habe das Recht auf ein gutes Aufwachsen. Kein Kind dürfe zurücklassen werden und es müsse Chan-
cengleichheit verwirklicht werden. Familienpolitik müsse vom Kind und seinen Bedürfnissen her gedacht und
gestaltet werden. Kinder bräuchten Zeit und Aufmerksamkeit. Auch Eltern wünschten sich mehr Zeit für ihre
Kinder und eine partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit. Kinder bräuchten gute Bildung
und Betreuung und echte Teilhabe an gesellschaftlichen Gütern wie Kultur und Sport. Deswegen seien für Kinder
neben ihrer Familie gute Kitas, Schulen oder Angebote der Kinder- und Jugendhilfe notwendig. Kinder bräuchten
viele Dinge des alltäglichen Lebens, die Geld kosteten. Dafür sei für ihre Eltern und für die Familie ein ausrei-
chendes Existenzminimum erforderlich. Aufgabe des Staates sei es, gute Rahmenbedingungen für das Aufwach-
sen von Kindern zu schaffen, und Eltern zu unterstützen, damit sie die Verantwortung gegenüber ihren Kindern
wahrnehmen könnten. Eine moderne Familienpolitik müsse daher Geld, Zeit und Infrastruktur in den Blick neh-
men.

Nach dem Antrag soll die Bundesregierung aufgefordert werden,

einen Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag einzubringen und dafür zu sorgen, dass

1. Bildungs- und Betreuungsangebote sowie Ganztagsschulen quantitativ wie qualitativ ausgebaut würden und
dazu:

– zur Förderung der Qualität in den Kindertageseinrichtungen im SGB VIII die Fachkraft-Kind-Relation
zu definieren. Die Fachkraft-Kind-Relation gebe im Unterschied zum Personalschlüssel die Zeit für die
direkte pädagogische Interaktion mit dem Kind (unmittelbare pädagogische Arbeitszeit) wieder und
sollte sich an der Maximalgröße von 1:4 für unter Dreijährige und 1:10 für über Dreijährige orientieren;
zusätzlich sollten Leitungszeiten und Verfügungszeiten, wie z. B. Ausfallzeiten, Elterngespräche, Wei-
terbildungszeiten, Vor- und Nachbereitung, ausreichend berücksichtigt werden;

– zur Förderung der Qualität in der Kindertagespflege die Eignungsvoraussetzungen für Tagespflegeper-
sonen mindestens an das Absolvieren eines qualifizierenden Lehrgangs zu knüpfen und „andere“ Nach-
weise nach einer Übergangsfrist nicht mehr zuzulassen und damit auch für die in der Kindertagespflege
tätigen Personen eine fundierte, pädagogische Qualifikation als Grundvoraussetzung festzuschreiben,
um frühkindliche Bildung und Förderung zu gewährleisten;

– einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in Kita und Tagespflege für alle Kinder ab dem vollen-
deten ersten Lebensjahr im SGB VIII zu verankern und dafür Sorge zu tragen, dass die Angebote der
öffentlich geförderten Kindertagesbetreuung sowie die Kindertagespflegeangebote den zeitlichen Be-
dürfnissen von berufstätigen Eltern (vor allem von Alleinerziehenden), insbesondere mit Arbeitszeiten
außerhalb der üblichen Betreuungszeiten, entsprächen; dabei müssten in der Umsetzung der Flexibili-
sierung die kindlichen Bedürfnisse nach verlässlichen Bezugspersonen, vertrauten Tagesabläufen und
der Zugehörigkeit zu anderen Kindern berücksichtigt werden;

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– für die weiteren Anstrengungen beim Platzausbau ein Sonderprogramm „Ausbau der Kindertagesbe-
treuung“ einzurichten;

– sicherzustellen, dass die Elternbeiträge in der Kindertagesbetreuung angemessen sozial gestaffelt seien
und vor allem geringverdienende Eltern nicht belasteten;

– zur Verbesserung der Qualität der Bildungs- und Betreuungsangebote, vor allem zur Realisierung fach-
lich anerkannter, bundesweiter Standards ein Sonderprogramm „Verbesserung der Qualität in der Kin-
dertagesbetreuung“ einzurichten;

– für die Abschaffung des Kooperationsverbotes einzutreten und den Entwurf eines neuen Ganztagsschul-
programms vorzulegen, damit so schnell wie möglich der flächendeckende Ausbau von guten Ganz-
tagsschulangeboten vorangebracht werden könne. Dies wolle man über den Kommunalinvestitionsför-
derungsfonds unterstützen. Länder und Kommunen sollten sich im Gegenzug bereiterklären, den not-
wendigen Mix des Personals von den Lehrkräften über die Schulsozialarbeit bis hin zu Technik und
kommunaler Bildungsvernetzung zu finanzieren und kontinuierlich weiterzubilden;

– einem Anspruch auf eine ganztägige Kinderbetreuung auch im Schulalter zu verankern;

2. Beschäftigte mehr Arbeitszeitsouveränität erhielten und Arbeit besser ins Leben passe. Die Bundesregierung
solle ein Maßnahmenpaket umsetzen, das Beschäftigten mehr Mitsprache über den Umfang, die Lage und
den Ort ihrer Erwerbstätigkeit einräume. Darüber hinaus solle die betriebliche Mitbestimmung in diesen
Fragen gestärkt werden:

– Im Teilzeit- und Befristungsgesetz solle ein Vollzeitkorridor mit Wahlarbeitszeiten geschaffen werden.
Im Bereich von 30 bis 40 Stunden pro Woche könnten Beschäftigte dadurch – unter Einhaltung von
Ankündigungsfristen – leichter ihren Arbeitszeitumfang bedarfsgerecht nach oben oder nach unten an-
passen.

– Es solle nur aus dringenden betrieblichen Gründen, die vom Arbeitgeber darzulegen seien, möglich
sein, diese Arbeitszeitwünsche zurückzuweisen.

– Der bestehende Rechtsanspruch auf Teilzeit solle um ein Rückkehrrecht auf den früheren Stundenum-
fang ergänzt werden. Dies könne durch eine Befristung der Teilzeitphase erreicht werden.

– Beschäftigte sollten die Möglichkeit erhalten, in Abstimmung mit ihren Arbeitgeberinnen und Arbeit-
gebern die Lage und den Ort ihrer Arbeit mitzugestalten, sofern dem keine betrieblichen Gründe entge-
genstünden. Das könne Beginn, Ende und die Verteilung der Arbeit über Tag, Woche oder Monat um-
fassen.

– Es solle ein Recht auf Home-Office als Ergänzung zum Büroarbeitsplatz, sofern dem keine wichtigen
betrieblichen Belange entgegenstünden, eingeführt werden.

– Betriebs- und Personalräte sollten die Möglichkeit erhalten, eine Betriebsvereinbarung zu Vereinbar-
keitsfragen und für mehr Zeitsouveränität bei der Lage der Arbeitszeit und beim Arbeitsort von der
Geschäftsführung zu verlangen, damit passgenaue Lösungen für das jeweilige Unternehmen und dessen
Beschäftigte gefunden werden könnten;

– Das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz solle zu einem Gesetz für mehr Zeitsouveränität für Mütter
und Väter weiterentwickelt werden, das mehr Zeit für Kinder durch eine bessere Vereinbarkeit von
Familie und Beruf und die partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit ermögliche
und sich an folgenden Eckpunkten orientiere:

– Das derzeitige Elterngeld und Elterngeld Plus sollten in der KinderZeit Plus aufgehen.

– Der Anspruch auf KinderZeit Plus solle auf 24 Monate erhöht werden – wovon jedem Elternteil
jeweils acht Monate zustünden. Die weiteren acht Monate sollten sich die Eltern untereinander
aufteilen können.

– Den Eltern solle ermöglicht werden, unter Einhaltung von Ankündigungsfristen die jeweiligen
Monatsbeträge abwechselnd oder gleichzeitig zu beziehen. Alleinerziehende sollten Anspruch auf
die vollen 24 Monate KinderZeit Plus haben.

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– Der bestehende „Schonraum“ für Familien im ersten Lebensjahr solle erhalten bleiben. Daher solle
es möglich sein, die KinderZeit Plus – wie das bisherige Elterngeld – im ersten Lebensjahr des
Kindes für einen vollständigen Ausstieg aus der Berufstätigkeit zu benutzen.

– Ab dem ersten Geburtstag des Kindes solle die KinderZeit Plus in Anspruch genommen werden
können, wenn der vorherige Stellenumfang um mindestens 20 Prozent reduziert werde und dabei
die Erwerbstätigkeit noch mindestens die Hälfte der tariflichen oder branchenüblichen Wochenar-
beitszeit umfasse. Die Höhe der monatlichen Leistung und die Bezugszeit änderten sich entspre-
chend.

– Es solle ermöglicht werden, den Bezug der KinderZeit Plus zu unterbrechen und den Rahmen des
Bezugszeitraums bis zum 14. Geburtstag des Kindes zu verlängern;

3. ein Familienbudget geschaffen werde und damit die finanziellen Leistungen für Kinder so ausgestaltet wür-
den, dass das Existenzminimum von Kindern einfach und unbürokratisch abgesichert sei sowie Familien mit
geringen und mittleren Einkommen entlastet würden, indem

– eine einkommensunabhängige Kindergrundsicherung, die das Kindergeld und die Kinderfreibeträge
zusammenfasse, eingeführt werde. Diese neue Kindergrundsicherung solle mit der Einführung einer
Individualbesteuerung mit einem übertragbaren Grundfreibetrag verknüpft werden. Dadurch werde die
Benachteiligung von unverheirateten Paaren und Paaren, die sich Erwerbs- und Sorgearbeit partner-
schaftlich teilten, beendet und außerdem erhielten Eltern mit kleinen und mittleren Einkommen für ihre
Kinder die gleiche Unterstützung wie Eltern mit hohen Einkommen, welche derzeit von den Freibeträ-
gen stärker profitierten. Bereits bestehende Ehen sollten eine Wahlmöglichkeit zwischen dem alten
Modell der Familienförderung mit Ehegattensplitting, Kinderfreibeträgen und Kindergeld und dem
neuen Modell mit Kindergrundsicherung und Individualbesteuerung erhalten;

– ein einkommensabhängiger Kindergeld-Bonus eingeführt werde der das sächliche Existenzminimum
unbürokratisch und ohne Antrag garantiere. Der Kindergeld-Bonus werde zusammen mit dem Kinder-
geld ausgezahlt. Eltern mit geringen Einkommen erhielten den Kindergeld-Bonus in voller Höhe. Wenn
das Einkommen der Eltern deren Existenzminimum übersteige, werde der Betrag mit steigendem Ein-
kommen bis auf die Höhe des Kindergeldes bzw. der Kindergrundsicherung abgeschmolzen;

– die Teilhabe von allen Kindern und ihren Eltern, die von Grundsicherung lebten, tatsächlich sicherge-
stellt werde. Die Regelsätze für Kinder und Erwachsene in der Grundsicherung müssten so ermittelt
werden, dass sie das Existenzminimum verlässlich und in ausreichender Höhe absicherten. Die Bedarfe
müssten tatsächlich gedeckt werden, auch diejenigen zur Teilhabe am sozialen Leben, an Bildung, Kul-
tur und Mobilität, soweit diese nicht durch freie Infrastruktur-Angebote gedeckt würden;

– das Bildungs- und Teilhabepaket, bei dem bürokratischer Aufwand und Ertrag für die Betroffenen in
keinem Verhältnis zueinander stünden, abzuschaffen und stattdessen

– die Höhe der Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets den tatsächlichen Bedarfen entspre-
chend anzuheben und diese Leistungen zum Teil durch einen bundeseinheitlich garantierten An-
spruch auf kostenlose Sachleistungen durch eine verbesserte Infrastruktur wie Kindertagesstätten
und Schulen und zum Teil über den Regelsatz zu gewähren, die Eigenbeteiligung beim Mittages-
sen abzuschaffen und den Zugang für die Kinder durch geringere bürokratischere Ansprüche, zum
Beispiel durch einen Globalantrag, und bessere Beratung für die Eltern zu erleichtern;

– die zwischen Bund und Ländern am 14. Oktober 2016 verabredete Grundgesetzänderung so aus-
zugestalten, dass der Bund die Schulen derart finanziell unterstützen könne, dass Sport und Mu-
sikangebote im Ganztagsangebot genutzt werden könnten und individuelle Lernförderung in der
Schule stattfinde. Zudem solle die Lernförderung rechtssicher nicht nur bei Versetzungsgefähr-
dung, sondern auch zum Erreichen von Bildungszielen gewährt werden;

– einen unbürokratischen und bedarfsdeckenden Umgangsmehrbedarf in der Grundsicherung für die Be-
darfe der Kinder, die zwischen den Haushalten ihrer getrennt lebenden Eltern wechselten, einzuführen
und dabei dem Elternteil, in dessen Haushalt das Kind überwiegend sei, den kompletten Regelsatz des

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Kindes auszuzahlen und dem anderen Elternteil einen Umgangsmehrbedarf zu gewähren, sofern sich
das Kind mehr als tageweise in dem zweiten Haushalt aufhalte;

– den Entlastungsbeitrag für Alleinerziehende um eine Steuergutschrift für Geringverdienende zu ergän-
zen, wie es sie zum Beispiel in Österreich gebe;

– insbesondere Alleinerziehende, die keinen oder zu wenig Unterhalt für ihre Kinder erhielten, verlässlich
materiell abgesichert würden und auch für die Kinder von Alleinerziehenden das sächliche Existenzmi-
nimum aus einer Hand und ohne viel Bürokratie gewährleistet sei. Damit sollten diese Kinder so gestellt
werden wie Kinder, die den Unterhalt direkt vom anderen Elternteil erhielten.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner Sitzung am 31. Mai 2017 mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Antrags empfohlen.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat in seiner Sitzung am 31. Mai 2017
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Antrags empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Antrags.

Der Ausschuss hat die Vorlage in seiner 92. Sitzung am 31. Mai 2017 beraten.

Im Rahmen der Beratung führte die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus, eines ihrer zentralen Anliegen
sei die materielle Absicherung von Familien. Hier habe die Bundesregierung in den vergangenen Jahren viel zu
wenig getan. Die jüngsten Zahlen belegten, dass Kinderarmut nicht etwa sinke, sondern weiter steige. Der Kin-
derzuschlag komme in seiner derzeitigen Konzeption bei einem Großteil der eigentlich Anspruchsberechtigten
nicht an. Diese Alarmsignale müsse man aufgreifen. In dem Antrag werde ein grünes Familienbudget vorgeschla-
gen, wobei es u. a. um die Frage gehe, wie die Regelsätze ermittelt würden. Bei dieser Ermittlung würden Kinder
bislang wie kleine Erwachsene behandelt. Es werde nicht festgestellt, welchen Bedarf die Kinder selbst hätten.
Dieser Kritikpunkt werde auch von den Wohlfahrtsverbänden und aus der Wissenschaft seit Jahren vorgetragen.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mache in ihrem Antrag einen Vorschlag zur Weiterentwicklung des
Kinderzuschlags, um sicherzustellen, dass alle Anspruchsberechtigten diesen wirklich erhielten. Man fordere eine
Kindergrundsicherung, da man der Auffassung sei, dass alle Familien materiell besser ausgestattet sein sollten.

Ein weiteres zentrales Anliegen sei die Frage der Infrastruktur, die insbesondere den Kitaausbau betreffe. Mit
dem Gesetz zum weiteren quantitativen und qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung sei vor einigen Wo-
chen die Finanzierung von weiteren 100.000 Kitaplätzen beschlossen worden, was man grundsätzlich begrüße.
Allerdings sei von den Expertinnen und Experten in der hierzu durchgeführten öffentlichen Anhörung vorgetragen
worden, dass der eigentliche Bedarf mindestens bei einem Dreifachen von dem liege, was von Seiten des Bundes
derzeit mitfinanziert werde. Daran erkenne man, dass das, was die Bundesregierung getan habe, nur ein „Tropfen
auf den heißen Stein“ sei. Es müsse auch mit Blick auf die Berufstätigkeit von Frauen mehr Investitionen in
Kitaplätze geben. Die Frage der Qualität von Kitas sei der Fraktion ebenfalls sehr wichtig. Kitas seien frühkind-
liche Bildungseinrichtungen, was auch den Wünschen der Eltern entspreche. Berichte der Bundesregierung zu
den Ausbaufortschritten zeigten, dass die Qualität in den Bundesländern sehr unterschiedlich und in manchen
Bundesländern bedenklich sei. Man spreche sich deshalb dafür aus, einen Standard in Bezug auf die Fachkraft-
Kind-Relation im SGB VIII zu verankern.

Schließlich gehe es der Fraktion um den Aspekt der Zeit. Viele Familien seien gehetzt, insbesondere Familien, in
denen beide Elternteile berufstätig seien. Da dies negative Auswirkungen auf Eltern und Kinder habe, seien Maß-
nahmen notwendig, damit Familien wieder mehr Zeit für ihr Familienleben hätten und durch die zudem die Wün-

Drucksache 18/12657 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
sche der Mehrheit der Eltern nach einer partnerschaftlichen Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit unter-
stützt würden. Man schlage hierzu eine „KinderZeit Plus“ vor. Bedauerlich sei, dass aus den Ankündigungen von
Bundesministerin Manuela Schwesig zur Zeitpolitik in dieser Legislaturperiode nichts geworden sei.

Die Fraktion der CDU/CSU wies zu dem Anliegen der materiellen Absicherung von Familien auf den deutlichen
Aufwuchs bei den finanziellen Leistungen der Bundesregierung für die Familien in den vergangenen drei Jahren
hin. Dies betreffe auch Leistungen wie die Erhöhung der Freibeträge und des Kindergeldes. Gerade für Familien,
Alleinerziehende und Mehrkindfamilien habe man in dieser Wahlperiode viel getan. Hierzu gehöre z. B. die deut-
liche Erhöhung des Kinderzuschlags. Es sei allerdings zutreffend, dass man beim Kinderzuschlag im Hinblick auf
die Komplexität der Beantragung nachsteuern müsse. In dieser Woche werde auch die Änderung des Unterhalts-
vorschussgesetzes vom Bundestag beschlossen. Dies sei für die CDU/CSU-Fraktion auch mit Blick auf die Situ-
ation von Alleinerziehenden seit langem ein zentraler Punkt gewesen, zumal der Unterhaltsvorschuss eine der
zielgenauesten familienpolitischen Leistungen sei. Erfreulich sei, dass man hier eine Einigung mit den Ländern
erreicht habe. Die Länder hätten bei den Verhandlungen in erster Linie ihre Finanzsituation im Blick gehabt und
weniger parteipolitische Interessen. Neben der Verbesserung des Unterhaltsvorschusses sei der Entlastungsbei-
trag, der zehn Jahre lang unverändert geblieben sei, um 600 Euro erhöht worden. Insgesamt handele es sich um
ein Bündel von Einzelmaßnahmen, die insbesondere mit Blick auf die Alleinerziehenden gut wirkten.

Soweit darüber hinaus eine Kindergrundsicherung gefordert werde, sei auf Berechnungen von Prof. Dr. Holger
Bonin zu verweisen, wonach dies zu Mehrausgaben von 14 bis 18 Mrd. Euro netto führen werde. Deshalb müsse
auch erklärt werden, welche Maßnahmen in der Familienpolitik eingespart werden sollten. Eine Kindergrundsi-
cherung sei finanziell nicht tragbar. Bei der materiellen Absicherung gelte für die CDU/CSU-Fraktion der Grund-
satz, dass die Erwerbstätigkeit der Eltern von zentraler Bedeutung für die Familien sei.

Es sei richtig gewesen, dass die Koalition die Infrastruktur in dieser Wahlperiode deutlich ausgebaut habe. Der
Bund habe über 4 Mrd. Euro an Investitionsmitteln bereitgestellt, wobei das kürzlich beschlossene Programm ein
Volumen von 1,126 Mrd. Euro habe. Obwohl man massiv Kitaplätze geschaffen habe, fehlten weiterhin fast
300.000 Plätze, da ein anderes Angebot auch eine weitere Nachfrage erzeuge. Möglicherweise werde man ein
fünftes und sechstes Investitionsprogramm auf den Weg bringen müssen. Man habe auch in die Qualität des Kita-
ausbaus investiert. Auch für den Ausbau von besonderen Angeboten seien Mittel bereitgestellt worden. Hierzu
gehöre das Programm „Kita Plus“, das Eltern, die z. B. Schichtarbeit leisteten, die Möglichkeit gebe, ihre Kinder
in Randzeiten betreuen zu lassen. Hierdurch entspreche man den Wünschen vieler Eltern. In den nächsten Jahren
werde es auch um die Frage der weiteren Betreuung im schulischen Bereich gehen. Hier müsse die Kontinuität
der Betreuung auf einem qualitativ bestmöglichen Stand gewährleistet sein.

Zur Frage der Qualitätssteigerung habe das BMFSFJ in einem Dialog mit den Bundesländern die Handlungsfelder
skizziert. Auch die Finanzierung müsse gemeinschaftlich zwischen Bund und Ländern geklärt werden. In den
Ländern gebe es viele gute Angebote in Bezug auf die Qualität. Hier befinde man sich auf dem richtigen Weg.
Der weitere Ausbau der Quantität und der massive Ausbau der Qualität habe für die CDU/CSU-Fraktion oberste
Priorität. Zunächst gehe es – auch nach den Wünschen der Väter und der Mütter – darum, dass die Kinder gut
betreut würden. Die Frage der Beitragsfreiheit sei demgegenüber nachrangig.

Das Thema Zeitmanagement gehe mit dem Kitaausbau einher. Die Koalition habe hierbei auch dem gesellschaft-
lichen Wandel zu der Frage, ab welchem Zeitpunkt man die Kinder betreuen lassen wolle, entsprochen. Mit dem
„Elterngeld Plus“ habe man genau den richtigen Schritt getan. Der Vorschlag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, eine „KinderZeit Plus“ einzuführen, werde demgegenüber dem Grundanliegen vieler Eltern nicht ge-
recht, die Beantragung der Leistung möglichst einfach zu gestalten. Es sei der falsche Ansatz, hoch komplexe
Rechenmodelle zu entwickeln. Bereits bei der Beantragung von „Elterngeld Plus“ nehme die Komplexität gegen-
über der Beantragung des bisherigen Elterngeldes zu. Da das Modell einer „KinderZeit Plus“ nur schwer in For-
mulare für dessen Beantragung umgesetzt werden könne, sei dieser Vorschlag nicht praxisgerecht.

Die Fraktion DIE LINKE. stellte fest, der Antrag enthalte ein „Sammelsurium“ an Forderungen, die die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Verlauf dieser Wahlperiode erhoben habe. Viele davon teile man, andere dage-
gen nicht. Im Ergebnis werde man sich der Stimme enthalten. Der Forderungsteil zur Arbeitszeitsouveränität
enthalte mehrere Punkte, denen man zustimme. Dies betreffe grundsätzlich auch die Vorschläge zur Kitaqualität,
wobei man allerdings eine Sozialstaffelung der Beiträge anstelle einer Beitragsfreiheit nicht für sinnvoll halte,
zumal die Sozialstaffelung ohnehin bereits im SGB VIII vorgesehen sei. Für Familien stellten Kitabeiträge mit-
unter eine hohe Hürde dar und es stelle sich die Frage, weshalb für Bildung Geld bezahlt werden solle.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/12657
Bei der in dem Antrag geforderten „KinderZeit Plus“ habe die Fraktion DIE LINKE. die Befürchtung, dass sie
dazu führen werde, dass schließlich die Frauen 16 Monate zu Hause blieben und so das bereits derzeit aufgrund
der beiden Vätermonate bestehende Ungleichgewicht beibehalten werde. Man sei der Auffassung, dass man das
Elterngeld so weiterentwickeln müsse, dass es für junge Väter noch attraktiver werde, zu Hause zu bleiben und
sich die Betreuung gemeinsam aufzuteilen. Die Fraktion schlage 12 feste Monate für beide Elternteile vor, die
man bis zum siebten Lebensjahr des Kindes – jeweils in zwei Monate am Stück aufgeteilt – nehmen könne.

Eine Aufgabe für die nächste Wahlperiode werde es sein, den Kinderzuschlag und andere familienpolitische Leis-
tungen zu entbürokratisieren, damit diese mehr in Anspruch genommen würden. Eine Inanspruchnahme des Kin-
derzuschlags durch lediglich 30 Prozent der Berechtigten sei – gerade bei sozial schwachen Menschen, um die es
hier gehe – inakzeptabel. Zudem müsse man über den Vorschlag nachdenken, allen Eltern vom Tag der Geburt
ihres Kindes an die Möglichkeit einzuräumen, familienpolitische Leistungen bei einer einzigen Stelle zu beantra-
gen, bei der man auch eine vernünftige Beratung erhalte. Diese Stelle könne z. B. an die Kommunen angekoppelt
werden. Auch dadurch könne die Inanspruchnahme von familienpolitischen Leistungen verbessert werden.

Die Fraktion der SPD schloss sich den Ausführungen der anderen Fraktionen zur Frage der Entbürokratisierung
von familienpolitischen Leistungen, auch beim Kinderzuschlag, an. Hier gehe es um die Frage, wie die Betroffe-
nen leichter an solche Leistungen kämen und wie sie besser darüber informiert werden könnten. Diese Problema-
tik sei nicht erst in dieser Wahlperiode aufgetreten, sondern bestehe schon seit vielen Jahren. Hier bestehe Hand-
lungsbedarf. Man könne durchaus Leistungen bündeln. Es bestünden aber Zweifel, ob es dadurch einfacher werde,
dass man neue, womöglich kompliziertere Leistungen hinzufüge. Der Kinderzuschlag werde nach wie vor positiv
dargestellt. Allerdings müsse man auch Wege finden, wie sichergestellt werden könne, dass die Leistung bei den
Menschen ankomme.

Man schließe sich den Ausführungen der CDU/CSU-Fraktion in Bezug auf die Leistungen der Koalition in dieser
Wahlperiode an. Insbesondere bei der finanziellen Ausstattung von Familien habe man sehr viel Gutes geleistet.
Dies gelte gerade auch für Alleinerziehende. Den nächsten großen Schritt mache man mit der Erweiterung des
Unterhaltsvorschusses. Man könne durchaus erwägen, bestimmte Leistungen in einer Kindergrundsicherung zu-
sammenzufassen. Allerdings müsse man sich darüber im Klaren sein, dass die Zusammenlegung von Leistungen
hohe Kosten verursachen könne. Dies gelte gerade auch für das von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
vorgestellte Modell.

In den vergangenen Jahren habe der Bund sehr viel für den Kitaausbau getan. Sowohl beim quantitativen als auch
beim qualitativen Ausbau müsse man beachten, wofür die Länder und wofür der Bund zuständig seien. Gerade
bei den Fragen der Qualität habe man sich mit den Ländern auseinandergesetzt und sei nicht nur bei den Gesprä-
chen vorangekommen, sondern habe auch gemeinsame Ziele mit diesen vereinbart. Ein bundesweites Qualitäts-
gesetz werde derzeit eher von Seiten der Länder blockiert. Man dürfe die Länder hier nicht aus der Verantwortung
entlassen.

Zu dem von Bundesministerin Manuela Schwesig vorgestellten Modell einer Familienarbeitszeit gebe es keine
einhellige Meinung innerhalb der Koalition. Von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sei allerdings zu
Unrecht behauptet worden, es sei nichts vorgelegt worden. Zutreffend sei lediglich, dass die Bundesregierung
insgesamt keinen Gesetzentwurf habe vorlegen können, weil man sich noch nicht habe einigen können.

Berlin, den 31. Mai 2017

Marcus Weinberg (Hamburg)
Berichterstatter

Sönke Rix
Berichterstatter

Norbert Müller (Potsdam)
Berichterstatter

Katja Dörner
Berichterstatterin

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