BT-Drucksache 18/12653

Rolle der Sicherheitsbehörden in Vorbereitung des G20-Gipfels in Hamburg

Vom 31. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12653
18. Wahlperiode 31.05.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan van Aken, Christine Buchholz, Annette Groth,
Heike Hänsel, Inge Höger, Niema Movassat und der Fraktion DIE LINKE.

Rolle der Sicherheitsbehörden in Vorbereitung des G20-Gipfels in Hamburg

Im Vorfeld des G20-Gipfels am 7. und 8. Juli 2017 in Hamburg äußern Bürger-
rechtsorganisationen und globalisierungskritische Organisationen ernsthafte Sor-
gen über die Gewährleistung demokratischer Grundrechte. Das Komitee für
Grundrechte und Demokratie, die Humanistische Union, die Internationale Liga
für Menschenrechte, der Republikanische Anwältinnen- und Anwaltsverein so-
wie die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen befürchten, dass die
Stadt Hamburg anlässlich des Gipfeltreffens in einen Ausnahmezustand versetzt
wird (Presseinformation der Internationalen Liga für Menschenrechte vom
19. April 2017). Anlass dafür sind Diskussionen über umfangreiche Sperrzonen,
Demonstrationsverbote bzw. -einschränkungen und einen großangelegten Poli-
zeieinsatz.
In einem offenen Brief an die Hamburger Bevölkerung warnten G20-Gegner aus
mehreren Ländern vor einer Vorverurteilung als „Störenfriede“ und „Krawallma-
cher“. Die auf dem Gipfel verhandelten Politiken seien dieselben, „die unsere
Städte in Spielwiesen für profitorientierte Immobilen- und Finanzspekulation ver-
wandeln.“ Die seien die wahren Eindringlinge und Zerstörer der Städte, vor denen
man sich schützen müsse (dpa, 17. Mai 2017).
Erfahrungen mit anderen derartigen Großereignissen lassen auch aus Sicht der
Fragesteller befürchten, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu-
gunsten eines weitgehend ungestörten Gipfelablaufs unverhältnismäßig einge-
schränkt wird. Das gilt zum einen für die Behörden Hamburgs, die das Versamm-
lungsrecht aus Sicht der Fragesteller beispielsweise dadurch einschränken, dass
sie die angemeldeten Camps der Demonstrantinnen und Demonstranten verwei-
gern (vgl. z. B. Hamburger Abendblatt, 15. Mai 2017). Dabei verweisen sie zum
einen auf den G7-Gipfel in Heiligendamm im Jahr 2007 und auf Schloss Elmau
in Oberbayern im Jahr 2015. Der Bund ist durch die Bereitstellung polizeilicher
wie auch militärischer Unterstützung für die jeweiligen Landespolizeikräfte wie
auch durch die Rolle des Bundeskriminalamts (BKA) als Zentralstelle für den
Austausch personenbezogener Informationen mit anderen Staaten an diesen Si-
cherheitsmaßnahmen beteiligt.
Die Fragesteller begehren daher Auskunft über die Planungen und Vorhaben ins-
besondere der Sicherheitsbehörden des Bundes (einschließlich der Bundeswehr).

Drucksache 18/12653 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Aufgaben und welche Rolle haben die Behörden des Bundes im Zu-
sammenhang mit dem G20-Gipfel (bitte konkret und vollständig benennen)?
Wie haben sie sich jeweils bislang auf den Gipfel vorbereitet?

2. Inwiefern kann die Bundesregierung Informationen der Fragesteller bestäti-
gen, dass die Mitarbeiterin einer in der Hamburger Innenstadt gelegenen
Firma von ihrem Arbeitgeber aufgefordert worden sei, sich beim BKA ak-
kreditieren zu lassen, damit der Zutritt zur Innenstadt im Zweifelsfall gesi-
chert sei?
Ist das BKA in irgendeiner Form an der Entgegennahme und/oder Bearbei-
tung von Akkreditierungen, Anmeldungen oder ähnlichen Vorgängen betei-
ligt, deren Ziel es ist, berechtigten Personen leichteren Zugang zu Orten in
den Sicherheitszonen der Hamburger Innenstadt zu gewähren, und falls ja,
welche Rolle genau hat das BKA dabei, um welche Zonen geht es dabei (bitte
die genauen Örtlichkeiten nennen), wie ist das Verfahren gestaltet, welche
Daten müssen die betroffenen Bürgerinnen und Bürger angeben, wo werden
diese gespeichert, und was haben Personen zu gewärtigen, die diese Akkre-
ditierung nicht durchlaufen?

3. In welchen gemeinsamen Gremien mit den Polizei- sowie Verfassungs-
schutzbehörden der Länder waren welche Behörden des Bundes im Zusam-
menhang mit dem G20 bislang vertreten, und welchem Zweck dienen diese
Gremien?

4. Bei welchen Besprechungen haben Vertreter von Bundesbehörden oder der
Bundesregierung bisher die Sicherheitsmaßnahmen, ggf. gemeinsam mit
Vertretern von Landesbehörden, anlässlich des Gipfels erörtert (bitte Datum,
Kreis der Teilnehmer, Themen der Besprechung sowie etwaige Beschlüsse
angeben)?

5. Welchen gegenwärtigen Stand hat nach Kenntnis der Bundesregierung die
Erörterung bzw. Planung der Sicherheitsmaßnahmen (bitte jeweils die Zu-
ständigkeit angeben)?

6. Wer ist nach Kenntnis der Bundesregierung für die Rahmenkonzeption der
Sicherheitsarchitektur des Gipfels verantwortlich, welche Gremien sind hier-
für geschaffen worden, und wie setzen sich diese zusammen?

7. Inwiefern haben sich das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismus-Ab-
wehrzentrum (GETZ) sowie das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum
(GTAZ) mit dem Gipfel befasst, und welche Themen wurden dabei ange-
sprochen?
Inwiefern gab es hierbei Beschlüsse oder Empfehlungen, und was war deren
Inhalt?
Welche konkreten Erkenntnisse über mögliche extremistische Gefährdungen
hat die Bundesregierung derzeit?

8. Inwiefern haben welche Sicherheitsbehörden des Bundes eigene Sicherheits-
konzepte entwickelt oder Beiträge zu den Sicherheitskonzepten unter Zu-
ständigkeit der Länder geleistet, und was ist jeweils Inhalt dieser Konzepte?

9. Welche Beiträge zu den Sicherheitsmaßnahmen haben die Bundesregierung
bzw. Bundesbehörden bislang durchgeführt oder geplant (bitte ggf. zusätz-
lich nach folgenden Merkmalen aufgliedern: eingesetztes bzw. bereitgestell-
tes Material, Personal, Zeitraum und Ort)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12653

10. Inwiefern haben jeweils welche Behörden der Freien und Hansestadt Ham-

burg gegenüber Sicherheitsbehörden des Bundes allgemeinen oder spezifi-
schen Bedarf an Unterstützungsleistungen geäußert, und in welchem Um-
fang ist diese Unterstützung auch zugesagt, noch in Prüfung oder zurückge-
wiesen worden (bitte unter Einschluss von Amtshilfe- und sonstigen Unter-
stützungsersuchen vollständig unter Angabe von Datum, Zweck, beantragter
Unterstützung, Material, Personaleinsatz, Dauer und Ort angeben)?

11. Inwiefern wird erwogen oder ist bereits beschlossen, militärische Sicher-
heitsbereiche einzurichten, wo genau sollen diese sich befinden, für welchen
Zeitraum, und mit welcher Begründung werden sie eingerichtet?

12. Welche Absprachen hat es zwischen Bundes- oder Landessicherheitsbehör-
den und dem Bundesministerium für Verteidigung bzw. diesem nachgeord-
neten Stellen bezüglich eines Einsatzes von Bundeswehrpersonal oder -ma-
terial im Rahmen des G20-Gipfels gegeben (bitte ggf. Auftrag, Zeitraum,
Ort, Zweck, eingesetzte Soldatinnen und Soldaten, Einheiten, denen die Sol-
daten angehören, sowie Material angeben; die Frage schließt auch Amtshilfe-
und sonstige Unterstützungsmaßnahmen ein)?

13. Ist ein Einsatz von Bundeswehrpersonal oder Material zur Aufklärung vor-
gesehen (falls ja, in welchem Rahmen, in welchem Zeitraum, mit welchen
Gerätschaften, an welchen Orten und mit welchem Auftrag; bitte auch die
Einheiten angeben, denen die Soldaten angehören)?

14. Welche spezifischen Beiträge leisten das Bundeswehrkrankenhaus sowie
das Bundeswehr-Rettungszentrum (bitte nach bereitgestellten bzw. vorge-
haltenem Personal, Bettenkapazitäten, Notarzt- bzw. Rettungswagen und -
hubschraubern und ggf. weiterem Material oder Fahrzeugen aufgliedern)?

15. Inwiefern ist der Einsatz von AWACS geplant?
16. Inwiefern und von wem wird im Zusammenhang mit dem Gipfel die Störung

des Funk- und Mobilfunkverkehrs, der Einsatz von IMSI-Catchern oder stil-
ler SMS erwogen?

17. Welche Sicherheitsmaßnahmen und -überprüfungen hinsichtlich der Akkre-
ditierung von Journalistinnen und Journalisten sind vorgesehen?

18. Beabsichtigt das BKA oder eine Sicherheitsbehörde des Bundes die Errich-
tung spezieller Dateien mit personenbezogenen Hinweisen für den Gipfel,
oder ist dies bereits erfolgt, und wenn ja, welche Bezeichnungen tragen diese
Dateien, für welchen Zweck sind sie vorgesehen, welcher Personenkreis soll
aufgrund welcher Kriterien darin gespeichert werden, und wie viele Personen
sind ggf. bereits darin gespeichert (bitte die Errichtungsanordnung angeben)?
a) Inwiefern sollen sich diese Dateien aus anderen, bereits zustehenden oder

ebenfalls noch in Planung befindlichen Dateien speisen?
b) Welchen Charakter sollen diese Dateien haben, und wie sollen die

Schreib- und Zugriffsrechte gestaltet werden?
19. Inwiefern stehen die Bundesregierung bzw. die Sicherheitsbehörden des

Bundes in Kontakt mit den zuständigen hamburgischen Landesbehörden hin-
sichtlich der Einrichtung von Camps von Demonstrantinnen und Demons-
tranten?
Inwiefern haben die Bundesbehörden hierzu Einschätzungen vorgelegt, und
was war deren Tenor?

20. Gibt es im Bereich der Bundessicherheitsbehörden Planungen für Urlaubs-
sperren oder -einschränkungen im Zusammenhang mit dem Gipfel, und
wenn ja, für welche Abteilungen bzw. Einheiten, für welchen Zeitraum?

Drucksache 18/12653 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

21. Wie viele Polizistinnen und Polizisten des Bundes und, soweit die Bundes-

regierung Kenntnis davon hat, der Länder werden im Zusammenhang mit
dem Gipfel in Hamburg eingesetzt?
Wie viele Polizisten werden im Zusammenhang mit dem Gipfel an anderen
Orten (bitte konkret angeben) eingesetzt?
Wie viele der Bundespolizisten sollen ihren originären Aufgaben nachkom-
men, wie viele zur Unterstützung der zuständigen Landespolizei abgestellt
werden?

22. Welche Neuanschaffung von Software und Hardware sowie weiterem Mate-
rial ist seitens der Bundessicherheitsbehörden anlässlich des Gipfels beab-
sichtigt, und für welchen Zweck?

23. Inwiefern gibt es in Zusammenhang mit den Sicherheitsmaßnahmen Abspra-
chen und/oder gemeinsame Gremien mit den Behörden anderer Staaten, und
welche Vereinbarungen wurden bislang mit diesen getroffen?

24. Welche Angaben kann die Bundesregierung zur Wiederaufnahme von
Grenzkontrollen in Zusammenhang mit dem Gipfel machen?
a) In welchem Zeitraum sollen Grenzkontrollen stattfinden?
b) Inwiefern gibt es eine Priorisierung hinsichtlich der Intensität von Kon-

trollen an bestimmten Grenzübergängen (bitte konkret angeben)?
c) Wie soll die Verhinderung der Einreise von Gewalttätern (was nach Me-

dienberichten Zweck der Kontrollen sein soll) praktisch gestaltet werden?
Welche Dateien werden hierfür herangezogen (bitte vollständig ange-
ben)?

25. Beschäftigen sich nach Kenntnis der Bundesregierung Gremien auf interna-
tionaler Ebene mit den Sicherheitsmaßnahmen, und wenn ja, wie setzen sich
diese zusammen, und was wurde dort bislang erörtert?

26. In welcher Form haben deutsche Sicherheitsbehörden bislang im Zusammen-
hang mit dem Gipfel mit ausländischen Sicherheitsbehörden zusammenge-
arbeitet, was war Inhalt der Zusammenarbeit, welche Übereinkünfte wurden
erzielt, und welche weitere Zusammenarbeit ist vorgesehen?

27. Wurden bislang nach Kenntnis der Bundesregierung personenbezogene Da-
ten mit ausländischen Sicherheitsbehörden ausgetauscht, und wenn ja
a) wie viele Daten haben welche deutschen Sicherheitsbehörden welchen

ausländischen Sicherheitsbehörden übermittelt, aus welchen Dateien
stammen diese Daten, und nach welchem Kriterium wurde hier vorgegan-
gen,

b) wie viele Daten haben welche deutsche Sicherheitsbehörden von welchen
ausländischen Sicherheitsbehörden erhalten, welche näheren Angaben
wurden dazu gemacht, nach welchen Kriterien wurde hier vorgegangen,
und in welcher Form werden diese Daten gespeichert (bitte ggf. Dateibe-
zeichnung angeben)?

28. Werden sich nach Kenntnis der Bundesregierung türkische Sicherheitskräfte
im Vorfeld des G20-Gipfels sowie während des Gipfels in Hamburg aufhal-
ten?
a) Inwieweit gab es zwischen Bundesbehörden – und nach Kenntnis der

Bundesregierung Landesbehörden – Kontakte zu türkischen Regierungs-
stellen und Behörden bezüglich einer sicherheitspolitischen Zusammen-
arbeit beim G20-Gipfel?
Inwieweit und für wann sind solche Kontakte noch geplant?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12653
b) Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis vom gewalttätigen Agieren
von Personenschützern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan
gegenüber kurdischen Demonstrantinnen und Demonstranten während
des Staatsbesuchs von Präsident Erdoğan am 16. Mai 2017 in Washington
sowie Übergriffen türkischer Sicherheitsbehörden auf Journalisten und
Demonstranten bei anderen Auslandsbesuchen von Präsident Erdoğan
(www.welt.de/politik/ausland/article164727253/Erdogan-beobachtet-
Pruegelei-in-Washington.html), und was gedenkt die Bundesregierung zu
unternehmen, um solche Übergriffe im Umfeld der Teilnahme türkischer
Regierungsvertreter beim G20-Gipfel zu unterbinden?

c) Haben sich türkische Polizisten oder Angehörige anderer türkischer Si-
cherheitsbehörden während des Wahlkampfes zum Referendum vom
16. April 2017 nach Kenntnis der Bundesregierung im Bundesgebiet auf-
gehalten, und wenn ja, welche, wie viele, und zu welchem Zweck, und
inwieweit erfolgte eine Zusammenarbeit mit welchen deutschen Behör-
den?

29. Mit welchen Gesamtkosten im Zusammenhang mit dem Gipfel rechnet die
Bundesregierung, wie viel hiervon entfällt auf den Bundeshaushalt, und wel-
che Absprachen zur Kostenteilung gibt es mit den Hamburger Landesbehör-
den?

30. In welchem Umfang werden voraussichtlich im Rahmen des Prümer Vertra-
ges oder auf anderer Rechtsgrundlage (diese bitte angeben) ausländische Po-
lizeikräfte eingesetzt, und inwiefern haben diese die Befugnis, Waffen zu
tragen (bitte jeweils Herkunftsländer und Anzahl angeben)?

31. In welchem Umfang und von wem wurden bislang Waffentrageerlaubnisse
für Angehörige ausländischer Delegationen bzw. ausländisches Sicherheits-
personal beantragt, und in welchem Umfang wurden die Anträge bewilligt
(bitte jeweils darstellen, wie viele Erlaubnisse für wie viele Angehörige wel-
cher Delegationen bzw. Sicherheitsbehörden oder -unternehmen erteilt wur-
den)?
Inwiefern dürfen Angehörige ausländischer Delegationen bzw. ausländi-
sches Sicherheitspersonal auch ohne eigens beantragte Waffentrageerlaub-
nisse Waffen tragen (bitte ggf. die Delegationen bzw. jeweiligen Sicherheits-
organe vollständig benennen)?

Berlin, den 30. Mai 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.