BT-Drucksache 18/12645

Entwicklung der Kaiserschnittrate in Deutschland

Vom 31. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12645
18. Wahlperiode 31.05.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Ulle Schauws, Maria Klein-Schmeink,
Kordula Schulz-Asche, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Franziska Brantner,
Katja Dörner, Kai Gehring, Tabea Rößner, Doris Wagner,
Beate Walter-Rosenheimer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwicklung der Kaiserschnittrate in Deutschland

Die Kaiserschnittrate ist in den vergangenen Jahren in Deutschland erheblich ge-
stiegen. Im Jahr 1991 lag sie noch bei 15 Prozent aller Geburten. Heute entbindet
nahezu jede dritte Schwangere mit Kaiserschnitt (Statistisches Bundesamt 2015).
Deutschland liegt damit über dem EU-Durchschnitt und weit über der Rate skan-
dinavischer und einiger osteuropäischer Länder (15 bis 22 Prozent); vgl. Petra
Kolip et al., Faktencheck Kaiserschnitt, 2012, Europäischer Perinatalbericht
20082.
Auch innerhalb Deutschlands schwanken die Raten erheblich, je nach Region,
teilweise auch je nach Einrichtung. Erfolgten im Jahr 2013 im Saarland 38,1 Pro-
zent aller Entbindungen per Kaiserschnitt, sind es in Sachsen nur 23,8 Prozent
(Quelle: Statistisches Bundesamt). Die Gründe für den Anstieg und die regiona-
len Unterschiede sind bislang nicht genau erforscht. Eine steigende Zahl an Ri-
siko- oder Mehrlingsschwangerschaften allein kann den Anstieg nicht erklären
(vgl. Petra Kolip et al., Faktencheck Kaiserschnitt, 2012).
Die überwiegende Mehrheit der Frauen gibt an, in die Entscheidung zum Kaiser-
schnitt aktiv eingebunden gewesen zu sein. Weniger gut sind die Informationen
zu den möglichen späteren Folgen: nur die Hälfte der Frauen, die einen ungeplan-
ten Kaiserschnitt hatten, geben an, über die Folgen wie Schmerzen, Stillprobleme,
Thrombosegefahren, Risiken für weitere Schwangerschaften oder die Folgen für
ihre Kinder ausreichend informiert gewesen zu sein (vgl. Lutz/Kolip, GEK-Kai-
serschnittstudie, 2006).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie bewertet die Bundesregierung die steigende Zahl der Kaiserschnitte in

Deutschland?
2. In welchem Ausmaß hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung durch die

steigenden Kaiserschnittraten die Mütter- und Säuglingssterblichkeit rund
um die Geburt in den letzten 20 Jahren verringert (vgl. Antwort der Bundes-
regierung zu Frage 11 auf Bundestagsdrucksache 17/9039)?

Drucksache 18/12645 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Welchen Einfluss haben nach Auffassung der Bundesregierung folgende
Faktoren derzeit auf die Kaiserschnittrate:
a) individuelle Geburtsrisiken bei Mutter und Kind;
b) vorhergehende Interventionen und Eingriffe in den natürlichen Geburts-

verlauf (z. B. Wehentropf, Periduralanästesie, vorangegangener Kaiser-
schnitt);

c) Aspekte der Klinikorganisation (Personalsituation, Größe der Geburtsab-
teilung, Belegwesen, 1:1-Betreuung unter der Geburt);

d) Aspekte der Vergütung, insbesondere im Vergleich zu Spontanentbindun-
gen;

e) Aspekte der Ausbildung der Geburtshelfer, insbesondere im Hinblick auf
Risikoentbindungen;

f) Haftungsrisiken, insbesondere im Zusammenhang mit verspäteten oder
unterlassenen Kaiserschnitten;

g) unzureichende Aufklärung der Mütter über Risiken und gesundheitliche
Konsequenzen eines Kaiserschnitts;

h) Versichertenstatus der Mutter (gesetzlich, privat);
i) andere Gründe?

4. Wie erklärt sich die Bundesregierung die im Vergleich zu Deutschland nied-
rigen Kaiserschnittraten von 15 bis 22 Prozent in Skandinavien und einigen
osteuropäischen Ländern (s. o.), und ist in diesen Ländern die Mütter- und
Säuglingssterblichkeit rund um die Geburt höher?

5. Wie erklärt sich die Bundesregierung die teilweise großen Unterschiede bei
der Kaiserschnittrate zwischen den Bundesländern (vgl. Statistisches Bun-
desamt 2015)?

6. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den regional oder ein-
richtungsbezogen unterschiedlichen Umgang mit relativen Indikationen zum
Kaiserschnitt, und inwieweit kann dies die unterschiedlich hohen Kaiser-
schnittraten erklären?

7. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit der Anteil an pri-
mären Kaiserschnitten (geplant vor oder nach Einsetzen der Wehen) im Ver-
gleich zu sekundären Kaiserschnitten (aufgrund einer Notfallsituation oder
einer spontan auftretenden medizinischen Indikation bei Mutter und/oder
Kind)?

8. Wie hat sich dieses Verhältnis seit 2009 entwickelt, und welche Gründe ver-
mutet die Bundesregierung hinter dieser Entwicklung?

9. Inwieweit wird nach Kenntnis der Bundesregierung die Indikation zu einem
sekundären Kaiserschnitt im Nachhinein von der Klinik überprüft, und wie
hoch ist der Anteil der Fälle, in denen sich diese Indikation im Nachhinein
nicht bestätigt?

10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die körperlichen und
psychischen Folgen eines Kaiserschnitts für die Mutter?

11. Hält die Bundesregierung die aktuelle Studienlage in diesem Bereich für aus-
reichend, und falls nicht, zu welchen Fragen sieht sie zusätzlichen For-
schungsbedarf?

12. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die gesundheitlichen Fol-
gen eines Kaiserschnitts für die betroffenen Kinder?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12645

13. Hält die Bundesregierung die aktuelle Studienlage in diesem Bereich für aus-

reichend, und falls nicht, zu welchen Fragen sieht sie zusätzlichen For-
schungsbedarf?

14. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung in den letzten Jahren ergriffen,
um die Information von Schwangeren über Risiken und Folgen von Kaiser-
schnitten zu verbessern, und welche weiteren Maßnahmen plant sie diesbe-
züglich?
Falls sie keine Maßnahmen ergriffen hat oder plant, wieso nicht?

15. Welche speziellen Informationsangebote von Seiten der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gibt es im Hinblick auf Chancen und
Risiken von Kaiserschnittgeburten?

16. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung in den letzten Jahren ergriffen,
um Anreize für Kliniken, Kaiserschnitte durchzuführen, zu senken, und wel-
che weiteren Maßnahmen plant sie diesbezüglich?
Falls sie keine Maßnahmen ergriffen hat oder plant, wieso nicht?

17. Inwieweit befürwortet die Bundesregierung eine Verpflichtung der Kliniken,
ihre Kaiserschnittraten und gegebenenfalls die ergriffenen Maßnahmen zu
deren Senkung zu veröffentlichen?

18. Welche sonstigen Maßnahmen hat die Bundesregierung in den letzten Jahren
ergriffen, um natürliche Geburten zu fördern, und welche weiteren Maßnah-
men plant sie diesbezüglich?
Falls sie keine Maßnahmen ergriffen hat oder plant, wieso nicht?

Berlin, den 30. Mai 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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