BT-Drucksache 18/1262

Ausbildung in und Nutzung der Reid-Methode durch deutsche Bundesbehörden

Vom 24. April 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1262
18. Wahlperiode 24.04.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Martina Renner, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth,
Heike Hänsel, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Katrin Kunert, Petra Pau
und der Fraktion DIE LINKE.

Ausbildung in und Nutzung der Reid-Methode durch deutsche Bundesbehörden

Im Jahr 1947 entwickelte der US-Amerikaner John E. Reid eine Verhörmethode
die unter dem Namen „Reid-Methode“ bekannt wurde. Die Privatfirma John E.
Reid & Associates, Inc. arbeitete die Methode weiter aus und bietet bis heute
Schulungen darin an. Zu ihren Kunden zählen unter anderen das FBI (Federal
Bureau of Investigation), die CIA (Central Intelligence Agency), die DEA (Drug
Enforcement Administration) sowie die US-Armee, was sich auf der Webseite
der Firma Reid nachlesen lässt. Auch in Deutschland hat das Unternehmen nach
eigenen Angaben Ausbildungsverträge geschlossen und Schulungen durchge-
führt, etwa mit den „law enforcement communities“ in Bayern und Berlin
(www.reid.com).
In den Ausbildungsunterlagen der Bundespolizei (Fachhochschule des Bundes
für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Bundespolizei, Fachgruppe Kriminalis-
tik, 23. Oktober 2008, „Vernehmung in der Bundespolizei“) heißt es, „Ziel der
Reid-Methode ist es, durch einen strukturierten Aufbau der Vernehmung den Tä-
ter auf Grund seines verbalen, nonverbalen und paralinguistischen Verhaltens
von einer unschuldigen Person zu unterscheiden, teilweise durch Angaben von
Unwahrheiten.“ Laut einer kritischen Analyse des Journalisten Douglas Starr in
der Zeitschrift „THE NEW YORKER“ sei das primäre Ziel dieser Verhörtechnik,
Geständnisse zu erreichen. Zu diesem Zweck würden im Verhör durch Ermittler
die moralischen Konsequenzen einer Straftat heruntergespielt, die negativen Fol-
gen eines Geständnisses für den Verdächtigen vernachlässigt und die Angst vor
dem Leugnen verstärkt. Die Ermittler würden mitunter auch Beweise oder Zeu-
genaussagen erfinden, um aus der Reaktion des Verdächtigen Erkenntnisse zu
gewinnen (THE NEW YORKER, 9. Dezember 2013, Douglas Starr, „The Inter-
view“, www.newyorker.com/reporting/2013/12/09/131209fa_fact_starr).
Die Reid-Methode ist äußerst umstritten. Nach Ansicht von Douglas Starr in der
Zeitschrift „THE NEW YORKER“, der sich auf verschiedene Studien beruft, führt
sie zu einer hohen Rate an falschen Geständnissen. Das zeige sich anschaulich
an dem Fall Darrel Parker, der im Jahr 1955 von John Reid persönlich vernom-
men wurde und einen Mord gestand, den er nicht begangen hatte. Für Darrel
Parker resultierte daraus eine lebenslange Freiheitsstrafe, für John Reid war die
Verurteilung Darrel Parkers der Grundstein seiner Karriere. Erst im Jahr 1970
kam Darrel Parker aus der Haft frei, im Jahr 1991 wurde er schließlich vom
Gouverneur von Illinois begnadigt. Im Jahr 2011 entschuldigte sich der General-
staatsanwalt von Illinois öffentlich bei Parker und zahlte ihm eine Wiedergut-
machungszahlung von 500 000 US-Dollar für die erlittene Haft (THE NEW
YORKER, 9. Dezember 2013, Douglas Starr, „The Interview“, www.newyorker.

Drucksache 18/1262 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
com/reporting/2013/12/09/131209fa_fact_starr). Auch in Deutschland wird
momentan ein Fall aus dem Jahr 2001 erneut untersucht. Im Jahr 2004 wurde der
geistig behinderte Ulvi K. für den Mord an der neunjährigen Peggy K. vor dem
Landgericht Hof verurteilt (DER TAGESSPIEGEL, 10. Dezember 2013, „Fall
Peggy wird neu aufgerollt“, www.tagesspiegel.de/weltspiegel/der-fall-peggy-
wird-neu-aufgerollt/9194124. html). Ulvi K. war von der „Soko Peggy II“ unter
Leitung von Wolfgang Geier verhört worden und hatte den Mord gestanden
(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. April 2014, Karin Truscheit, „Falsche
Wahrheit, richtige Wahrheit“, www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/
wiederaufnahmeverfahren-im-fall-peggy-falsche-wahrheit-richtige-wahrheit-
12889938-p3.html). Derselbe Wolfgang Geier übernahm später die Leitung der
BAO „Bosporus“ (BAO = Besondere Aufbauorganisation), die erfolglos in der
sogenannten Ceska-Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrundes ermit-
telte (Frankenpost, 8. April 2014, Joachim Dankbar, „Die Vernehmung“, www.
frankenpost.de/regional/oberfranken/laenderspiegel/Die-Vernehmung;art2388,
3263713).
Die Ausbildungsunterlagen der Bundespolizei (Fachhochschule des Bundes,
Fachbereich Bundespolizei, Fachbereich Kriminalistik, 23. Oktober 2008, „Ver-
nehmung in der Bundespolizei“) schätzen die Reid-Methode kritisch ein. Sie
werde zwar in einigen Bundesländern bereits geschult und angewandt, sei aber
umstritten. Besonders die Methode der „akzeptablen Täuschung“ des Verdäch-
tigen sei problematisch. Deutschen Polizisten sei es laut § 136a der Strafprozess-
ordnung (StPO) verboten, durch Täuschung von Verdächtigen, Aussagen zu pro-
vozieren.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zu Schulungen von Mitarbeitern

und Mitarbeiterinnen von Bundesbehörden in der Reid-Methode (bitte nach
Datum, Ort, Angaben zu den Teilnehmern nach Bundes- und Landesbehör-
den und Anzahl aufschlüsseln)?
Wer waren die Ausbilder?
Mit welchen Zielvorstellungen wurden die Schulungen durchgeführt?

2. Wie bewertet die Bundesregierung die Reid-Methode und deren Einsatz
durch deutsche Bundesbehörden?

3. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zu den Kosten für die Schu-
lungsveranstaltungen in der Reid-Methode?
Wie hoch waren die Referenten-, Reise- oder sonstigen Kosten für die jewei-
ligen Schulungsveranstaltungen?

4. Gibt es Evaluationen zur Anwendung der Reid-Methode durch Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen deutscher Bundesbehörden?
Wenn ja, wer hat die Evaluationen in Auftrag gegeben, und durch wen wur-
den sie ausgeführt?
Wann sind die Evaluationen erfolgt, und zu welchen Ergebnissen kamen sie?

5. Unter welchen Voraussetzungen kommt die Reid-Methode bei Mitarbeitern
deutscher Bundesbehörden zum Einsatz?

6. Wie bewertet die Bundesregierung den Konflikt zwischen Techniken der
Reid-Methode und der StPO, besonders hinsichtlich des § 136a StPO (Täu-
schung des/der Verdächtigen im Verhör)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1262
7. Waren nach Kenntnissen der Bundesregierung Beamte des Bundeskriminal-
amts (BKA) und anderer Behörden, die zur BAO „Bosporus“ abgeordnet
waren, in der Reid-Methode ausgebildet?
Und wenn ja, wurde die Reid-Methode in den Ermittlungen zur Ceska-Mord-
serie eingesetzt?

8. Gab bzw. gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung auf europäischer und
internationaler Ebene Fortbildungsveranstaltungen zu Verhörmethoden, in
deren Rahmen die Reid-Methode vorgestellt und ggf. geschult wird (bitte mit
Datum, Zahl und Status der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Thema und
Module der jeweiligen Veranstaltung angeben)?

9. Ist die Reid-Methode nach Kenntnis der Bundesregierung Bestandteil der
Lehrinhalte an der Europäischen Polizeiakademie (EPA) oder an der Mittel-
europäischen Polizeiakademie (MEPA)?
Wenn ja, werden dort nach Kenntnis der Bundesregierung Dozenten oder
Trainer der John E. Reid & Associates, Inc oder einer ihrer Partner- oder Sub-
firmen eingesetzt?

Berlin, den 22. April 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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