BT-Drucksache 18/12610

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksachen 18/12037, 18/12479 - Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt b) zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Möhring, Matthias W. Birkwald, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/7540 - Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen - Bundeseinheitliche Finanzierung voranbringen

Vom 31. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12610

18. Wahlperiode 31.05.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung

– Drucksachen 18/12037, 18/12479 –

Entwurf eines Gesetzes
zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011
zur Verhütung und Bekämpfung
von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Möhring, Matthias W. Birkwald,

Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/7540 –

Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen –
Bundeseinheitliche Finanzierung voranbringen

A. Problem

Zu Buchstabe a

Durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung sollen die Voraussetzungen nach
Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die Ratifikation des Überein-
kommens des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von
Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) geschaffen
werden.

Mit dem Übereinkommen werden auf europäischer Ebene einheitliche Schutz-
standards in den Bereichen Prävention, des Opferschutzes, der Strafverfolgung
und einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit geschaffen, um Gewalt gegen
Frauen und häusliche Gewalt zu verhindern und zu eliminieren. Nach einer Erhe-
bung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte über Gewalt gegen

Drucksache 18/12610 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Frauen aus dem Jahr 2014 (FRA 2014) waren 35 Prozent der Frauen in Deutsch-
land seit ihrem 15. Lebensjahr von körperlicher und/oder sexualisierter Gewalt
betroffen. Nach Angaben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend ist für Frauen, die Gewalt in Kindheit und Jugend miterlebt haben,
das Risiko für spätere Partnergewalt mehr als doppelt so hoch wie bei nicht be-
troffenen Frauen.

Zu Buchstabe b

In dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. wird darauf hingewiesen, dass es nach
Angaben der Bundesregierung zum Jahreswechsel 2011/2012 insgesamt
353 Frauenhäuser und 41 Zufluchtswohnungen mit über 6000 Plätzen gegeben
habe. Diese seien für die hohe Anzahl an betroffenen Frauen und Kindern jedoch
bei weitem nicht ausreichend. Auf der Grundlage einer Empfehlung des Europa-
rates seien in Deutschland mindestens 11.000 Plätze in Schutzeinrichtungen an-
gemessen. Die mangelnde Versorgung liege an den bisher ungeklärten Zuständig-
keiten und den regional sehr unterschiedlichen Finanzierungsregelungen. Nur
rund 30 Prozent der bestehenden Frauenhäuser seien pauschal finanziert und
könnten daher Frauen, die gerade einer Gewaltsituation entflohen seien, schnell
und unbürokratisch aufnehmen.

Die Fraktion DIE LINKE. fordert deshalb, einen Rechtsanspruch auf sofortigen
Schutz und umfassende Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder
durch Gesetz einzuführen. Außerdem solle die Finanzierung des gesamten
Schutz- und Hilfesystems dauerhaft und verbindlich sichergestellt werden.

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Annahme des Gesetzentwurfs, mit dem die Voraussetzungen für die Ratifikation
der Istanbul-Konvention des Europarats geschaffen werden.

Einstimmige Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksachen 18/12037,
18/12479 in unveränderter Fassung.

Zu Buchstabe b

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/7540 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Zu Buchstabe a

Keine.

Zu Buchstabe b

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kosten wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12610

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Gesetzentwurf auf Drucksachen 18/12037, 18/12479 unverändert anzu-
nehmen;

b) den Antrag auf Drucksache 18/7540 abzulehnen.

Berlin, den 31. Mai 2017

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Paul Lehrieder
Vorsitzender

Sylvia Pantel
Berichterstatterin

Dr. Fritz Felgentreu
Berichterstatter

Cornelia Möhring
Berichterstatterin

Ulle Schauws
Berichterstatterin

Drucksache 18/12610 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Sylvia Pantel, Dr. Fritz Felgentreu, Cornelia Möhring und
Ulle Schauws

I. Überweisung

Zu Buchstabe a

Der Gesetzentwurf auf Drucksache 18/12037, wurde in der 231. Sitzung am 27. April 2017 und die Unterrich-
tung der Bundesregierung auf Drucksache 18/12479 in der 236. Sitzung des Deutschen Bundestages am
31. Mai 2017 dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur federführenden Beratung sowie dem
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz und dem Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zur
Mitberatung überwiesen.

Zu Buchstabe b

Der Antrag auf Drucksache 18/7540 wurde in der 155. Sitzung des Deutschen Bundestages am 18. Februar 2016
dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur federführenden Beratung sowie dem Ausschuss für
Recht und Verbraucherschutz zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Zu Buchstabe a

In der Denkschrift zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 wird zur Präambel ausgeführt, sie
verdeutliche die Auffassung der Vertragsparteien, dass geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen strukturellen
Charakter habe, zur Verfestigung der historisch gewachsenen ungleichen Machtverhältnisse zwischen Frauen und
Männern und zur Diskriminierung von Frauen beitrage. Somit stelle diese Gewalt ein Haupthindernis für das
Erreichen der Gleichstellung von Frauen und Männern dar. Von den Vertragsparteien werde anerkannt, dass
Frauen in disproportional hohem Maße Opfer häuslicher Gewalt seien, jedoch auch Männer Opfer von häuslicher
Gewalt sein könnten, ebenso wie Kinder, die häufig auch als Zeuginnen und Zeugen indirekt Opfer häuslicher
Gewalt würden. Mit dem Übereinkommen solle ein Beitrag für ein gewaltfreies Europa geleistet werden.

Als Zweck des Übereinkommens würden in Artikel 1 folgende fünf Ziele benannt:

– Schutz von Frauen vor allen Formen von Gewalt und die Verhütung, Verfolgung und Beseitigung von Ge-
walt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.

– Beseitigung aller Formen von Diskriminierung der Frau und Förderung der Gleichstellung von Frauen und
Männern. Damit werde anerkannt, dass Gewalt gegen Frauen auch Ausdruck und Folge der bestehenden
Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern sei.

– Gestaltung eines Rahmens, der Opfern von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt Schutz und Unter-
stützung biete. Dadurch werde zum Ausdruck gebracht, dass es aufeinander abgestimmter Maßnahmen be-
dürfe, die individuell ausgestaltet werden müssten und die Wahrung der Menschenrechte der Opfer zur
Grundlage hätten.

– Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit.

– Förderung der behördenübergreifenden Zusammenarbeit.

Weiterer Zweck des Übereinkommens sei, die wirksame Durchführung des Übereinkommens sicherzustellen.
Dafür solle ein besonderer Überwachungsmechanismus eingeführt werden.

Betroffen von häuslicher Gewalt als Gewalt durch den aktuellen oder ehemaligen Lebenspartner seien weit über-
wiegend Frauen. Nach der „Kriminalstatistischen Lagedarstellung Partnerschaftsgewalt 2015“ des Bundeskrimi-
nalamts (BKA), seien insgesamt rund 82 Prozent der Opfer von Gewaltdelikten im Kontext einer aktuellen oder

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12610

früheren Partnerschaft weiblich und rund 80 Prozent der Täter männlich. Diese Lagedarstellung zeige, dass auch
Männer häusliche Gewalt erlebten und in rund 18 Prozent der polizeilich erfassten Fälle Opfer würden. Bei häus-
licher Gewalt gegen einen Elternteil, meistens gegen die Mutter, seien Kinder immer betroffen. Häufig erlitten
sie selbst Gewalt oder beobachteten sie. In jedem Fall habe dies schädigende Folgen. In der repräsentativen Studie
zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend (BMFSFJ) hätten 60 Prozent der befragten Frauen, die über die letzte gewaltbelastete Paarbeziehung be-
richtet hätten, in dieser Paarbeziehung auch mit Kindern zusammengelebt. 57 Prozent der Befragten hätten ange-
geben, die Kinder hätten die gewalttätigen Situationen gehört, und 50 Prozent, sie hätten sie gesehen. Etwa 25 Pro-
zent hätten berichtet, die Kinder seien in die Auseinandersetzungen mit hineingeraten oder hätten die Befragten
zu verteidigen versucht. Jedes zehnte Kind sei dabei nach Angaben der betroffenen Frauen selbst körperlich an-
gegriffen worden. Die in der Kindheit und Herkunftsfamilie erlebte Gewalt habe wiederum nachhaltige Auswir-
kungen auf das Erwachsenenleben. Für Frauen, die Gewalt in Kindheit und Jugend miterlebt hätten, sei das Risiko
für spätere Partnergewalt mehr als doppelt so hoch wie bei nicht betroffenen Frauen gewesen.

Seit 2014 lägen aus der europaweiten Befragung der „European Union Agency of Fundamental Rights“ von
Frauen zu Gewalt (FRA 2014) erstmals europaweit belastbare Daten vor, die ein schockierendes Ausmaß an Ge-
walt gegen Frauen in der gesamten Europäischen Union belegten. Die Ergebnisse dieser FRA-Studie seien ver-
gleichbar mit den Ergebnissen der repräsentativen Studie zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland im Auftrag des
BMFSFJ aus dem Jahr 2004 und bestätigten die schon damals festgestellten hohen Gewaltprävalenzen für
Deutschland.

Gewalt gegen Frauen sei ein weltweites Phänomen, das seit der Veröffentlichung der Allgemeinen Empfehlung
Nummer 19 des Ausschusses für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau, in Auslegung des Übereinkom-
mens der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeglicher Form von Diskriminierung der Frau (1979) als eine we-
sentliche Form der Diskriminierung von Frauen anerkannt sei. Bislang habe es jedoch kein umfassendes, weltweit
anerkanntes völkerrechtliches Instrument, das die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen als spezifisches Ziel
habe, gegeben.

Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Ergebnisse der in den Jahren 2006 bis 2008 durchge-
führten Kampagne des Europarats gegen Gewalt an Frauen sowie der Machbarkeitsstudie zu einem Übereinkom-
men gegen häusliche Gewalt des Lenkungsausschusses justizielle Zusammenarbeit des Europarats aus dem Jahr
2007 habe das Komitee der Ministerbeauftragten im Dezember 2008 einen Ad-hoc-Ausschuss zur Verhütung und
Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (CAHVIO) eingesetzt, der damit beauftragt worden
sei, ein entsprechendes Übereinkommen zu erarbeiten. Das Übereinkommen sei in sechs Sitzungen dieses Ad-
hoc-Ausschusses in der Zeit zwischen Dezember 2009 und Dezember 2010 ausgehandelt worden. Es sei am
7. April 2011 vom Ministerkomitee des Europarats verabschiedet, am 11. Mai 2011 in Istanbul zur Unterzeich-
nung aufgelegt und von Deutschland am Tag der Zeichnungsauflegung unterzeichnet worden. Nach der Ratifi-
zierung durch den zehnten Mitgliedstaat des Europarats sei das Übereinkommen am 1. August 2014 in Kraft
getreten. Inzwischen lägen die Ratifikationsurkunden von 22 Staaten vor, 21 weitere Staaten hätten das Überein-
kommen gezeichnet.

Die besondere Bedeutung des Übereinkommens liege darin, dass erstmalig in einem völkerrechtlichen Vertrag,
dem europäische Staaten beitreten könnten, umfassende und spezifische Maßnahmen zur Prävention und Be-
kämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sowie des Schutzes der Opfer geregelt würden. Hier-
bei sei hervorzuheben, dass in Deutschland als einem föderal verfassten Staat in erster Linie die Länder für die
Durchführung beziehungsweise Bereitstellung einer Reihe von Maßnahmen in diesen Themenbereichen nach
Maßgabe der im Grundgesetz angelegten Aufgabenverteilung verantwortlich seien. Darüber hinaus sei zu beto-
nen, dass das Übereinkommen Bereiche regle, für die kein EU-Acquis existiere, und dass es gelungen sei, im
Übereinkommen einen unabhängigen Überwachungsmechanismus zu verankern, der die Kontrolle der Umset-
zung der Verpflichtungen durch die Vertragsstaaten gewährleiste.

Zur Erfüllung der Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen seien im innerstaatlichen Recht zwischenzeitlich
die nachfolgenden Maßnahmen umgesetzt worden:

– Mit der Einrichtung einer bundesweiten, kostenlosen und rund um die Uhr erreichbaren Telefonberatung
(Hilfetelefon) durch das Hilfetelefongesetz vom 7. März 2012 (BGBl. I S. 448) würden die Voraussetzungen
des Artikels 24 (Telefonberatung) erfüllt.

Drucksache 18/12610 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

– Mit dem 49. Strafrechtsänderungsgesetz – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht – vom
21. Januar 2015 (BGBl. I S. 10) seien Lücken im Bereich der Gerichtsbarkeit (Artikel 44) und Verjährungs-
fristen (Artikel 58) geschlossen worden.

– Mit dem 50. Strafrechtsänderungsgesetz – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung –
vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460) seien die Vorgaben von Artikel 36 (sexuelle Gewalt) erfüllt wor-
den.

Weitere bundesgesetzliche Schritte seien zur Erfüllung der Anforderungen der Konvention nicht mehr erforder-
lich.

Zu Buchstabe b

In dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. wird auf die oben genannte Erhebung der Agentur der Europäischen
Union für Grundrechte (European Union Agency of Fundamental Rights) über Gewalt gegen Frauen aus dem Jahr
2014 verwiesen, wonach 35 Prozent der Frauen in Deutschland seit ihrem 15. Lebensjahr von körperlicher und/o-
der sexualisierter Gewalt betroffen gewesen seien. Die Gewalt werde dabei – wie in der repräsentativen Studie
des BMFSFJ aus dem Jahr 2004 festgestellt werde – überwiegend durch aktuelle oder frühere Partner verübt und
Kinder seien meist von Beginn an in das Gewaltgeschehen gegen die Mutter involviert. Je nach Gewaltform
trügen bis zu 80 Prozent der betroffenen Frauen psychische Folgebeschwerden davon und bei vielen erleide das
soziale Leben langfristig einen Bruch. Frauenhäuser böten seit nunmehr 40 Jahren Schutz und Unterstützung für
gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder. Nach dem Bericht der Bundesregierung zur Situation der Frauenhäu-
ser vom August 2012 (BT-Drucksache 17/10500) habe es zum Jahreswechsel 2011/2012 genau 353 Frauenhäuser
und 41 Zufluchtswohnungen mit über 6000 Plätzen gegeben. Diese seien für die hohe Anzahl an betroffenen
Frauen und Kindern jedoch bei weitem nicht ausreichend. So seien nach einer Empfehlung des Europarates in
Deutschland umgerechnet mindestens 11000 Plätze in Schutzeinrichtungen angemessen. Es fehle an Schutz- und
Unterstützungseinrichtungen sowohl im ländlichen Raum als auch in städtischen Ballungsgebieten. Die finanzi-
elle und personelle Ausstattung sei unzureichend.

Die mangelnde Versorgung liege an den bisher ungeklärten Zuständigkeiten und den daraus folgenden regional
sehr unterschiedlichen Finanzierungsregelungen. Nur rund 30 Prozent der bestehenden Frauenhäuser seien pau-
schal finanziert. Der weit größere Anteil der Frauenhäuser werde durch freiwillige Leistungen von Ländern und
Kommunen, Eigenmittel der Träger (z. B. Spenden) und aus sogenannten Tagessätzen finanziert. Bei der Tages-
satzfinanzierung würden die Kosten auf die Bewohnerinnen umgelegt. Frauen mit eigenem Einkommen müssten
selbst für den Aufenthalt im Frauenhaus aufkommen, für sozialleistungsberechtigte Frauen würden je nach Bun-
desland Tagessätze auf der Grundlage des SGB II oder SGB XII gezahlt. Diese Art der Finanzierung führe zu
einer Überforderung der Kommunen und einer großen Unsicherheit für die Frauenhäuser selbst. Die Finanzierung
sollte daher zwischen Bund, Ländern und Kommunen sachgerecht aufgeteilt und dauerhaft gesichert werden,
wobei die Tagessatzfinanzierung nicht weitergeführt werden sollte. Für Frauen mit Behinderung gebe es nur sehr
wenige ausreichend ausgestattete Einrichtungen. Da Artikel 2 Absatz 2 Grundgesetz die körperliche Unversehrt-
heit gewährleiste, sei es Aufgabe des Staates, die desolate Lage beim Schutz von gewaltbetroffenen Frauen zu
beenden. Dazu gehöre es, den Aufbau der notwendigen Infrastruktur gezielter zu fördern. Zum erweiterten Hilfe-
system bei Gewalt gegen Frauen gehörten auch ambulante Unterstützungseinrichtungen wie Frauenberatungsstel-
len, Frauennotrufe, verschiedene zielgruppenspezifisch oder auf bestimmte Gewaltformen spezialisierte Bera-
tungsstellen sowie Interventionsstellen, die nach einem Polizeieinsatz wegen häuslicher Gewalt aktiv mit den
Betroffenen Kontakt aufnähmen und ihnen Informationen und Unterstützung anböten.

Nach dem Antrag soll die Bundesregierung aufgefordert werden,

1. in dieser Wahlperiode einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem der Rechtsanspruch auf sofortigen Schutz
und umfassende Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder geregelt sei. Dieser müsse zwin-
gend so gestaltet sein, dass er unabhängig von Einkommen, Aufenthaltstitel, Herkunftsort, gesundheitlichen
Einschränkungen oder Behinderungen für die betroffenen Frauen und deren Kinder gelte und keine Nach-
weispflichten enthalte, die die betroffenen Frauen zusätzlich belasteten oder ihre Sicherheit gefährdeten;

2. die Finanzierung des gesamten Schutz- und Hilfesystems (ambulante und stationäre Dienste) dauerhaft und
verbindlich sicherzustellen und die finanzielle Verantwortung dafür zwischen Bund und Ländern so zu re-
geln, dass eine bedarfsgerechte Infrastruktur entwickelt werden könne;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/12610

3. Rechtsvorschriften, die dem Rechtsanspruch auf Schutz entgegenstünden – beispielsweise im Sozial-, Um-
gangs- und Aufenthaltsrecht – mit Inkrafttreten des Gesetzes durch anspruchskonforme Regelungen zu er-
setzen;

4. das Gesetz und die Behördenpraxis nach drei Jahren gemeinsam mit Vertreterinnen der Frauenhäuser zu
evaluieren und ggf. weiterzuentwickeln.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Zu Buchstabe a

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat in seiner Sitzung am 31. Mai 2017 einstimmig die An-
nahme des Gesetzentwurfs auf Drucksachen 18/12037, 18/12479 empfohlen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat in seiner Sitzung am 31. Mai 2017 einstimmig
die Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksachen 18/12037, 18/12479 empfohlen.

Zu Buchstabe b

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat in seiner Sitzung am 31. Mai 2017 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN die Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/7540 empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat die Vorlagen in seiner 92. Sitzung am 31. Mai 2017
abschließend beraten.

Hierzu lag ihm ein Stellungnahmeersuchen des Petitionsausschusses gemäß § 109 Absatz 1 Satz 2 GO-BT zu
einer öffentlichen Petition vor. Darin wird die Einrichtung eines Hilfetelefons „Gewalt gegen Männer“ ähnlich
dem – auch in den Medien beworbenen – Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ gefordert. Auch Männer seien
Opfer von häuslicher Gewalt sowie von Stalking und Mobbing. Vielfach seien sie sogar besonders von Gewalt
betroffen, wie z. B. als Homosexuelle, als Angehörige der Bundeswehr oder als Heimbewohner. Es handele sich
um ein Tabuthema, wobei ein Hilfetelefon helfen könne, das Tabu aufzubrechen. Zudem sei es ein niedrigschwel-
liges Angebot, mit dem betroffene Männer erreicht werden könnten.

Zu dem Gesetzentwurf lag dem Ausschuss außerdem eine gutachtliche Stellungnahme des Parlamentarischen
Beirats für nachhaltige Entwicklung vor. Der Beirat stellte fest, dass eine Nachhaltigkeitsrelevanz des Gesetzent-
wurfs gegeben sei. Der Bezug zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ergebe sich hinsichtlich des globalen Ziels 5
für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Developement Goal – SDG 5) – Geschlechtergerechtigkeit und Selbst-
bestimmung für alle Frauen und Mädchen erreichen – und des Indikators 16.1 (Straftaten). Dabei bezog er sich
auf die Aussagen zur Nachhaltigkeit in der Begründung des Gesetzentwurfs. Darin werde u. a. dargelegt, dass der
Gesetzentwurf im Einklang mit den Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne
der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie zur Erreichung des SDG 5 stehe – hier insbesondere 5.2: „Beseitigung
von allen Formen der Gewalt gegen Frauen und Mädchen“. Das Gesetz sei daher von hoher gleichstellungspoli-
tischer Bedeutung. Der Beirat bewertete diese Darstellung der Nachhaltigkeitsprüfung als plausibel. Eine Prüfbitte
sei deshalb nicht erforderlich.

Im Rahmen der Beratung führte die Fraktion der CDU/CSU aus, der Europarat habe am 11. Mai 2011 das Über-
einkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konven-
tion) beschlossen. Mit dem Übereinkommen würden auf europäischer Ebene einheitliche Schutzstandards in den
Bereichen Prävention, Opferschutz, Strafverfolgung und einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit geschaf-
fen, um Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu bestrafen und den Frauen zu helfen. Durch das vorgesehene
Gesetz würden die erforderlichen Voraussetzungen für die Ratifizierung geschaffen. Es sehe die Zustimmung des
Deutschen Bundestages zu dem am 11. Mai 2011 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Überein-

Drucksache 18/12610 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

kommen vor. Diese sei nach Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes Voraussetzung für eine völkerrechtli-
che Ratifikation durch die Bundesrepublik Deutschland, weil sich das Übereinkommen auf Gegenstände der Bun-
desgesetzgebung beziehe. Am Internationalen Frauentag, am 8. März 2017, habe die Bundesregierung dem Ge-
setzentwurf zur Istanbul-Konvention zugestimmt und damit die Voraussetzungen für deren Ratifizierung erfüllt.
Deutschland habe das Übereinkommen bereits im Mai 2011 in Istanbul unterzeichnet und angekündigt, es in
nationales Recht umzusetzen.

Jeden Tag erlebten in Deutschland Frauen jeden Alters, jeder sozialen Schicht und jeder Nationalität Gewalt. Die
Reform des Sexualstrafrechts, das den Grundsatz „Nein heißt Nein“ umfasse, sei der letzte wichtige Baustein
gewesen, damit nun auch Deutschland die Istanbul-Konvention ratifizieren könne. Mit dem Beitritt zum Überein-
kommen verpflichte sich Deutschland, auch in Zukunft alles dafür zu tun, um Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen,
Frauen zu schützen und ihnen Hilfe und Unterstützung zu bieten. Mit der Ratifizierung werde der Schutz von
Frauen vor Gewalt in Deutschland weiterhin nachhaltig gestärkt. In den 81 Artikeln des Übereinkommens seien
umfassende Verpflichtungen zur Stärkung der Gleichstellung von Mann und Frau enthalten, insbesondere das
Recht von Frauen auf ein gewaltfreies Leben. Sobald das Gesetz zum Beitritt in Kraft sei, könnten Bürgerinnen
und Bürger etwaige Klagen vor deutschen Gerichten direkt auf die Bestimmungen der Konvention stützen.

Die Konvention sei am 11. Mai 2011 von 13 Mitgliedstaaten des Europarates in Istanbul unterzeichnet worden.
Bis heute hätten insgesamt 43 Staaten das Abkommen unterzeichnet und 22 ratifiziert. Georgien werde es voraus-
sichtlich noch vor Deutschland ratifizieren, so dass Deutschland dann voraussichtlich der 24. Staat sein werde,
der das Abkommen ratifiziere. Die Istanbul-Konvention sei der erste völkerrechtliche Vertrag, dem europäische
Staaten beitreten könnten, mit dem umfassende und spezifische Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von
Gewalt gegen Frauen sowie zum Schutz der Opfer formuliert worden seien. Die Konvention sehe vor, dass die
Gleichstellung der Geschlechter in den Verfassungen und Rechtssystemen der Unterzeichnerstaaten verankert
werden müsse und alle diskriminierenden Vorschriften abzuschaffen seien. Die einzelnen Maßnahmen sähen für
Opfer unter anderem eine Rechtsberatung, psychologische Betreuung, finanzielle Beratung und den Zugang zu
Unterbringungsmöglichkeiten vor. Zudem verpflichteten sich die Vertragsstaaten, gegen alle Formen körperli-
cher, sexueller und physischer Gewalt, gegen Zwangsheirat, Genitalverstümmelung, Zwangsabtreibung und
Zwangssterilisation vorzugehen. Die Koalition habe ihre Hausaufgaben gemacht. Erst nachdem man die Reform
des Sexualstrafrechts mit dem Grundsatz „Nein heißt Nein“ beschlossen habe, könne man nunmehr den letzten
Akt vollziehen und ratifizieren.

Die Fraktion DIE LINKE. erklärte, es sei gut und richtig, dass die Istanbul-Konvention nun endlich ratifiziert
werde. Allerdings halte man es für eher peinlich, dass Deutschland erst der 24. Staat sei, der sich anschließe. Der
Grund hierfür sei, dass viele Voraussetzungen, um die Istanbul-Konvention zu ratifizieren, leider noch nicht er-
füllt gewesen seien. Vor diesem Hintergrund sei es ein großer Erfolg, zu dem sich alle Fraktionen beglückwün-
schen könnten, dass endlich der Grundsatz „Nein heißt Nein“ im Strafrecht verankert worden sei. Dennoch sei
der mit der Ratifizierung erreichte Stand bei Weitem nicht ausreichend. Es sei zu befürchten, dass die Bundesre-
gierung die Ratifizierung zum Anlass nehme, sich auf dem Erreichten auszuruhen und nicht weiter konsequent
notwendige Reformen umzusetzen.

Aus der Denkschrift ergäben sich nämlich Vorbehalte und Einschränkungen der Bundesregierung. Besonders
Frauen mit Beeinträchtigungen, Migrantinnen mit prekärem Aufenthaltsstatus und geflüchtete Frauen würden
dadurch nicht ausreichend geschützt. In der Denkschrift, die immerhin Gesetzesbegründungscharakter habe,
werde ausgeführt, es gehe „lediglich um punktuelle Versorgungslücken und Zugangsschwierigkeiten zum Hilfe-
system.“ Wenn man bedenke, dass 18.000 Frauen und ihre Kinder jährlich in Frauenhäuser aufgenommen, aber
genauso viele abgewiesen würden, so entspreche diese Aussage nicht den tatsächlichen Verhältnissen in Deutsch-
land. Ebenso sei bekannt, dass 35 Prozent aller Frauen in Deutschland körperliche oder sexualisierte Gewalt erlebt
hätten. Zum Hilfesystem gehöre weit mehr als ein bundesweites Hilfetelefon. Dazu gehörten eine ausreichende
Zahl von Frauenhausstellen, ambulante Unterstützungssysteme wie Frauenberatungsstellen, Frauennotrufe sowie
auf bestimmte Gewaltformen spezialisierte Interventionsstellen. Diese müssten ausreichend finanziert sein und
entsprechend Personal vorhalten. Eine solche Infrastruktur gebe es nicht. Es gebe kein flächendeckendes, ausfi-
nanziertes Schutzsystem in Deutschland. Die dafür immer wieder vorgebrachten Entschuldigungen könne man
nicht gelten lassen. Vielfach werde vorgebracht, das Ehrenamt müsse in diesem Bereich weiter unterstützt und
ausgebaut werden. Außerdem werde darauf verwiesen, dass es sich um Angelegenheiten der Länder und Kom-
munen handele. Es sei jedoch nicht richtig, dass es sich ausschließlich um eine Zuständigkeit der Länder und

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/12610

Kommunen handele. Es sei dringend geboten, dass der Bund sich zumindest an einer bundeseinheitlichen Finan-
zierung beteilige.

Es sei nicht akzeptabel, dass die Bundesregierung einen Vorbehalt dagegen einlege, dass geflüchteten oder mig-
rierten Frauen und Mädchen, die von Gewalt betroffen seien oder als Zeuginnen im Strafprozess aussagen würden,
ein eigenständiges Aufenthaltsrecht gewährt werde. Dies werde damit begründet, dass Rechtsvorschriften mitei-
nander in Konflikt treten würden. Dies sei ein Armutszeugnis. Im Antrag der Fraktion DIE LINKE. werde genau
diese Forderung aufgestellt. Außerdem werde darin gefordert, einen Rechtsanspruch auf sofortigen Schutz und
umfassende Hilfe gesetzlich zu verankern. Rechtsvorschriften, die diesem Rechtsanspruch entgegenstünden, bei-
spielsweise im Sozial-, Umgangs- und Aufenthaltsrecht, sollten mit Inkrafttreten eines solchen Gesetzes durch
anspruchskonforme Regelungen ersetzt werden. Dies wäre ein echter Fortschritt bei der Hilfe und beim Schutz
für von Gewalt betroffenen Frauen. Schließlich werde gefordert, dass die Finanzierung des gesamten Schutz- und
Hilfesystems dauerhaft und verbindlich sichergestellt werde. Es dürfe kein Verschieben der Verantwortung auf
Länder und Kommunen mehr geben.

Die Fraktion der SPD stellte fest, es sei ein Grund zur Freude, dass man es in dieser Legislaturperiode schaffe,
die Istanbul-Konvention zu ratifizieren. Deutschland sei eines der wenigen Länder gewesen, das diesen Schritt
noch nicht gegangen sei. Es handele sich um einen „Schlussstein“ im Gefüge der insbesondere auf den Schutz
von Frauen vor Gewalt ausgerichteten politischen Maßnahmen der Koalition.

Es bestehe Einigkeit darüber, dass jede Frau ein Recht auf ein gewaltfreies Leben habe. Es sei ein gesellschaftli-
cher Missstand, dass es in Familien, in Haushalten und auf den Straßen immer noch Gewalt gegen Frauen gebe.
Man dürfe dies niemals akzeptieren und müsse dagegen immer wieder angehen. Die Istanbul-Konvention leiste
dazu einen wichtigen Beitrag. Die wichtigste Einzelmaßnahme in dieser Legislaturperiode sei die Reform des
Sexualstrafrechts auf der Grundlage des Grundsatzes „Nein heißt Nein“ gewesen. Man müsse den Vollzug dieser
Reform zusammen mit dem Rechtsausschuss begleiten und darauf achten, wie sich diese in der Rechtsprechung
niederschlage. Die Gerichte müssten lernen, mit der Reform umzugehen. Daneben habe man in dieser Wahlperi-
ode sinnvolle Änderungen bei der polizeilichen Kriminalstatistik vorgenommen. Die Koalition habe das Hilfe-
telefon eingeführt und die Telefonberatung verbessert. Insgesamt ziehe man eine Bilanz, die sich sehen lassen
könne. Deutschland sei vorbereitet, die Istanbul-Konvention nicht nur zu ratifizieren, sondern weiterhin das zu
tun, was notwendig sei und was sich daraus ergebe.

Das grundsätzliche Anliegen des Antrages der Fraktion DIE LINKE. treffe auf einen breiten Konsens. Gleichwohl
müsse man die Rahmenbedingungen der föderalen Ordnung akzeptieren und dürfe sie nicht in Frage stellen. Die
statistischen Angaben der Fraktion DIE LINKE. müssten dahingehend hinterfragt werden, ob die abgewiesenen
Frauen auch nicht in einem anderen Frauenhaus Aufnahme gefunden hätten. Grundsätzlich sei es allerdings immer
bitter und falsch, wenn eine Frau in Not sei und nicht sofort die Hilfe bekomme, die sie eigentlich brauche. Eine
Beteiligung des Bundes an der Finanzierung von Frauenhäusern ergebe sich indirekt zumindest aus den Leis-
tungsansprüchen nach dem SGB II, dem SGB XII und dem Asylbewerberleistungsgesetz. Der von der Fraktion
DIE LINKE. gewählte Ansatz der Formulierung eines Rechtsanspruches, für das, was man darüber hinaus tun
könne, sei kreativ. Allerdings bedürfe es einer verfassungsrechtlichen Prüfung, ob die auf der Grundlage des
Modells der gleichartigen Lebensverhältnisse für den Bereich der Betreuung gewählte Lösung sich eins zu eins
auf den Bereich des Schutzes vor Gewalt übertragen lasse. Bei der Formulierung von Anspruchskriterien stelle
sich zudem die Frage, welche Beweise die Frauen erbringen müssten, um zu belegen, dass sie die Anspruchskri-
terien erfüllten. Hier könnten sich zusätzliche Hürden ergeben. Insgesamt seien es die von der Fraktion DIE
LINKE. vorgetragenen Ideen wert, sie weiter zu diskutieren. Gleichwohl werde man den Antrag aus den genann-
ten Gründen ablehnen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betonte, dass es höchste Zeit sei, die Istanbul-Konvention zu ratifi-
zieren. Damit werde einer seit langem erhobenen Forderung der Fraktion entsprochen, das sei zu begrüßen.
Gleichwohl müsse festgehalten werden, dass mit der überfälligen Reform nicht alle Probleme gelöst würden. Die
Realität folge nicht der Ratifizierung einer Konvention, sondern bilde ab, was an konkreten Maßnahmen zum
Schutz von Frauen vor Gewalt im öffentlichen und privaten Bereich beschlossen und umgesetzt worden sei. Dazu
gehöre die Verschärfung des Sexualstrafrechts unter dem Stichwort „Nein heißt Nein“. Zu dieser Verschärfung
sei es aber nur durch öffentlichen Druck, nicht zuletzt durch die unsäglichen Vorgänge in der Kölner Silvester-
nacht gekommen. Das müsse man zu dem Beifall, den die Koalition sich selbst für den entsprechenden Gesetz-
entwurf spende, durchaus kritisch anmerken.

Drucksache 18/12610 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Zu den Punkten, die unbedingt überdacht werden müssten, gehöre die durch einen von der Bundesregierung er-
klärten Vorbehalt erfolgte Herausnahme von Gewalt betroffener geflüchteter und emigrierter Frauen und Mäd-
chen aus der Konvention. Das sei mit dem Gleichbehandlungsgebot nicht zu vereinbaren.

Der zweite Punkt betreffe die Forderung nach Einrichtung einer Monitoring Stelle zur Koordinierung, Umsetzung,
Beobachtung und Bewertung aller von der Istanbul-Konvention geforderten Maßnahmen auf Bundesebene. Diese
Forderung werde von vielen Verbänden geteilt. Die vorgesehenen Bund-Länder-Arbeitsgruppen reichten insoweit
nicht aus.

Der dritte und letzte Punkt sei die Frauenhausfinanzierung. Während der vergangenen vier Jahre sei immer wieder
darüber diskutiert worden, wie man den unzureichenden Schutz von Frauen durch Erhöhung des Angebots an
Plätzen in Frauenhäusern ausgleichen könne. Dabei sei unter anderem auf die Zuständigkeit der Bundesländer
verwiesen worden. Überzeugend sei das nicht. In den ganzen vier Jahren habe es nicht eine einzige Initiative der
Koalitionsfraktionen gegeben, das Problem tatsächlich anzugehen. Konkrete Vorschläge seien nur von den Op-
positionsfraktionen vorgelegt worden. Vier Jahre habe die Koalition Zeit gehabt, aktiv zu werden, ohne Ergebnis.
Vor diesem Hintergrund werde man der Ratifizierung der Istanbul-Konvention, aber auch dem Antrag der Frak-
tion DIE LINKE. zustimmen.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt einstimmig die Annahme des Gesetzent-
wurfs auf Drucksachen 18/12037, 18/12479 in unveränderter Fassung.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ab-
lehnung des Antrags auf Drucksache 18/7540.

Berlin, den 31. Mai 2017

Sylvia Pantel
Berichterstatterin

Dr. Fritz Felgentreu
Berichterstatter

Cornelia Möhring
Berichterstatterin

Ulle Schauws
Berichterstatterin

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