BT-Drucksache 18/12590

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksache 18/11926 - Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Leistungen bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und zur Änderung anderer Gesetze (EM-Leistungsverbesserungsgesetz) b) zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/12087 - Die Erwerbsminderungsrente stärken und den Zugang erleichtern

Vom 31. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12590

18. Wahlperiode 31.05.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung

– Drucksache 18/11926 –

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Leistungen bei Renten wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit und zur Änderung anderer Gesetze
(EM-Leistungsverbesserungsgesetz)

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine

Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/12087 –

Die Erwerbsminderungsrente stärken und den Zugang erleichtern

A. Problem

Zu Buchstabe a

Jedes Jahr müssten ausweislich des Gesetzentwurfs mehr als 170.000 Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in
Anspruch nehmen, weil sie krankheitsbedingt vorzeitig aus dem Erwerbsleben
ausschieden oder nur noch eingeschränkt arbeiten könnten. Erwerbsminderungs-
rentnerinnen und -rentner seien in dieser schwierigen Situation vielfach nicht aus-
reichend abgesichert. In der Folge beziehe ein erheblicher Teil von ihnen Leistun-
gen der Grundsicherung.

Darüber hinaus entsprächen die Vorschriften über die Mitteilungen der Hand-
werkskammern aus der Handwerksrolle an die Rentenversicherungsträger in der
derzeitigen Fassung nicht mehr den aktuellen Gegebenheiten und Erfordernissen.

Drucksache 18/12590 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Weiterhin seien redaktionelle Änderungen und Änderungen im Nachgang zum
Flexirentengesetz vom 8. Dezember 2016 (BGBl. I S. 2838) erforderlich. Außer-
dem ergebe sich die Möglichkeit, abgelaufene (Übergangs-)Bestimmungen zur
Rechtsbereinigung aufzuheben.

Die EU-Richtlinie 2015/1794 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
6. Oktober 2015 zur Änderung der Richtlinien 2008/94/EG, 2009/38/EG und
2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien
98/59/EG und 2001/23/EG des Rates in Bezug auf Seeleute (ABl. L 263 vom
08. 10. 2015, S. 1 bis 5) sei bis zum 10. Oktober 2017 umzusetzen.

Zu Buchstabe b

Die Fraktion DIE LINKE. kritisiert, dass der Verlust der Arbeitsfähigkeit für die
Betroffenen zumeist den direkten Weg in die Armut bedeute. Die durchschnittli-
che Rente bei Erwerbsminderung für vollständig Erwerbsgeminderte habe bei
Renteneintritt im Jahr 2015 bei 711 Euro gelegen. Damit liege die Erwerbsmin-
derungsrente deutlich unter dem schon zu niedrig bemessenen Bruttobedarf der
Grundsicherung für Erwerbsgeminderte in Höhe von 756 Euro.

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Menschen mit verminderter Erwerbsfähigkeit sollen besser abgesichert werden,
indem die Zurechnungszeit für Rentenzugänge schrittweise auf das vollendete
65. Lebensjahr verlängert wird. Erwerbsgeminderte werden langfristig so gestellt,
als ob sie – entsprechend der Bewertung ihrer Zurechnungszeit – drei Jahre länger
als bisher gearbeitet hätten.

Diese Verlängerung der Zurechnungszeit wird auch in der Alterssicherung der
Landwirte eingeführt.

Das Verfahren zur Meldung von versicherungspflichtigen Handwerkern wird op-
timiert.

Zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/1794 werden das Kündigungsschutzge-
setz (KSchG) und das Europäische Betriebsräte-Gesetz in Bezug auf die See-
schifffahrt angepasst.

Mit dem Änderungsantrag wird die Übergangsregelung zur Nichtberücksichti-
gung von Aufwandsentschädigungen von kommunalen Ehrenbeamten als Hinzu-
verdienst bei Alters- und Erwerbsminderungsrenten der gesetzlichen Rentenver-
sicherung über den 30. September 2017 hinaus auf den 30. September 2020 ver-
längert.

Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/11926 in geänderter Fas-
sung mit den Stimmen aller Fraktionen.

Zu Buchstabe b

Die Fraktion DIE LINKE. fordert einen Gesetzentwurf, wonach die geltende Re-
gelung, nach der in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung
drei Jahre mit Pflichtbeiträgen liegen müssen, dahingehend geändert werde, dass
lediglich zwei Jahre mit Pflichtbeiträgen liegen müssten. Ferner solle als alterna-
tive Zugangsvoraussetzung für die Rente bei Erwerbsminderung eine Mindestbei-
tragszeit von 20 Jahren eingeführt und die Abschläge bei Renten wegen Erwerbs-
minderung für gegenwärtige Empfängerinnen und Empfänger ebenso wie für

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12590

Neuzugänge der Erwerbsminderungsrente zum 1. Januar 2018 abgeschafft wer-
den. Die Zurechnungszeit für Erwerbsminderungsrenten solle ab diesem Zeit-
punkt vom 62. auf das 65. Lebensjahr verlängert werden.

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/12087 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.
bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Zu Buchstabe a

Durch die bessere Absicherung bei Erwerbsminderung entstehen ausweislich des
Gesetzentwurfs in der gesetzlichen Rentenversicherung steigende Mehrausgaben.
Die Verlängerung der Zurechnungszeit erfolgt stufenweise für Rentenzugänge ab
1. Januar 2018, sodass sich im Zeitverlauf immer mehr Rentenzugänge mit höhe-
ren Erwerbsminderungsrenten im Rentenbestand befinden.

Im Jahr der Einführung ergeben sich in der gesetzlichen Rentenversicherung zu-
nächst geringe Mehrausgaben, die bis zum Ende des mittelfristigen Finanzpla-
nungszeitraums im Jahr 2021 auf 140 Millionen Euro ansteigen. Auswirkungen
auf den Beitragssatz und auf die Höhe der Bundesmittel, die an die gesetzliche
Rentenversicherung gezahlt werden, sind damit nicht verbunden.

Durch den sich im Zeitverlauf aufbauenden Rentenbestand mit verbesserten Leis-
tungen steigen die Mehrausgaben längerfristig auf rund 1,5 Milliarden Euro im
Jahr 2030 und auf rund 3,2 Milliarden Euro im Jahr 2045 an.

Die Mehrausgaben in der gesetzlichen Rentenversicherung führen über höhere
Beiträge der Rentnerinnen und Rentner zu Mehreinnahmen in der gesetzlichen
Kranken- und Pflegeversicherung. Diese Mehreinnahmen steigen bis zum Ende
des mittelfristigen Finanzplanungszeitraums im Jahr 2021 auf 23 Millionen Euro
in der Krankenversicherung und auf 4 Millionen Euro in der Pflegeversicherung
an.

In der Alterssicherung der Landwirte ergeben sich Mehrausgaben, die bis 2040
nicht über einen einstelligen Millionenbetrag hinausgehen und die nach § 78 des
Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) im Rahmen der Defizit-
deckung vom Bund getragen und im Einzelplan 10 aufgefangen werden.

Die stufenweisen Verbesserungen bei den Renten wegen verminderter Erwerbs-
fähigkeit ab Zugangsjahr 2018 führen tendenziell zu Steuermehreinnahmen in
nicht bezifferbarer Höhe.

Durch die Neuregelung der Meldepflicht von Handwerkskammern sind finanzi-
elle Auswirkungen auf die gesetzliche Rentenversicherung nur in geringem, nicht
näher quantifizierbarem Umfang zu erwarten. Soweit es durch die Regelung zu
einer umfassenden Erfassung der versicherungspflichtigen selbstständigen Hand-
werker kommt, entstünden Beitragsmehreinnahmen, denen entsprechende Mehr-
ausgaben in der Zukunft gegenüberstünden.

Zu Buchstabe b

Genaue Kostenrechnungen wurden nicht angestellt.

Drucksache 18/12590 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

E. Erfüllungsaufwand

Zu Buchstabe a

Durch die Selbstmeldeverpflichtung zur Feststellung der Rentenversicherungs-
pflicht für selbstständig tätige Handwerker, die von der Meldepflicht der Hand-
werkskammern nicht erfasst werden, entsteht Erfüllungsaufwand für die Wirt-
schaft insofern, als die betreffenden Handwerker dazu verpflichtet werden, sich
bei ihrem Rentenversicherungsträger im Hinblick auf eine möglicherweise einge-
tretene Versicherungspflicht zu melden. Dies betrifft nur eine geringe, jedoch
nicht bezifferbare Anzahl an Fällen. Für jeden Betroffenen entsteht ein einmaliger
zeitlicher Aufwand von rund drei Minuten. Dies entspricht einem finanziellen
Aufwand von etwa drei Euro je Fall.

Über den bereits bestehenden § 17 KSchG werden in Zukunft auch Reedereien
mit deutschflaggigen Schiffen verpflichtet, Massenentlassungen bei der Bunde-
sagentur für Arbeit anzuzeigen. Damit unterliegen künftig auch Reedereien mit
deutschflaggigen Schiffen dieser Informationspflicht. Diese beruht auf einer
zwingenden EU-Vorgabe (Artikel 4 EU-Richtlinie 2015/1794). Der mit der An-
zeigepflicht und der Einbeziehung von Seeschiffen in den Dritten Abschnitt des
KSchG einhergehende Erfüllungsaufwand fällt nur im Einzelfall an. Es gibt rund
330 unter deutscher Flagge fahrende Schiffe.

Da es derzeit nur höchstens 20 Reederei-Betriebe in Deutschland gibt, von denen
nicht bekannt ist, ob bei ihnen überhaupt Gremien nach der Richtlinie 2009/38/EG
existieren, fällt der durch die Nutzung von Informations- und Kommunikations-
technologie einhergehende Erfüllungsaufwand allenfalls im Einzelfall an.

Durch die Umsetzung der Verbesserungen bei den Renten wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit entsteht den Trägern der Deutschen Rentenversicherung ein ein-
maliger Umstellungsaufwand in Höhe von rund 90.000 Euro.

Der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) ent-
steht ein einmaliger Umstellungsaufwand von rund 70.000 Euro, beziehungs-
weise bei externer Dienstleistung von rund 220.000 Euro.

Im Zusammenhang mit der Neuregelung der von den Handwerkskammern zu er-
stattenden Meldungen entsteht für die Rentenversicherungsträger einmaliger Er-
füllungsaufwand für die übergangsweise Bereitstellung einer Webanwendung,
Implementierungen und Registrierungen für den eXTra-Standard und erste An-
passungen im Programmsystem der Rentenversicherungsträger zur Verarbeitung
der Meldungen in Höhe von etwa 550.000 Euro. Darüber hinaus ergeben sich lau-
fende Verwaltungskosten für Anpassungen, Wartungen und den Betrieb der We-
banwendung und des eXTra-Standard-Verfahrens von rund 105.000 Euro jähr-
lich. Langfristig sind durch die Einführung einer effizienteren, einheitlichen Form
der Meldungen Einsparungen zu erwarten, deren Höhe jedoch zum jetzigen Zeit-
punkt nicht abgeschätzt werden kann.

Auch für die Handwerkskammern entsteht durch die Vorgabe, ihre Meldungen in
einheitlicher Form abgeben zu müssen, einmaliger Erfüllungsaufwand in gerin-
gerem Umfang für Softwareanpassungen. Die Höhe der Kosten hängt vom Um-
fang der jeweils erforderlichen Anpassungen ab und kann nicht konkret beziffert
werden.

Durch die Einbeziehung von Seeschiffen und ihrer Besatzungen in den Dritten
Abschnitt des KSchG zu anzeigepflichtigen (Massen-) Entlassungen entsteht bei
der Bundesagentur für Arbeit als für die Anzeige zuständige Behörde ein sehr

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12590

geringfügiger und nicht quantifizierbarer Erfüllungsaufwand. Es ist keine Ände-
rung des bestehenden Verwaltungsfahrens erforderlich. Es gibt rund 330 unter
deutscher Flagge fahrende Schiffe.

F. Weitere Kosten

Zu Buchstabe a

Durch das Gesetz wird das verfügbare Einkommen der Rentnerhaushalte erhöht.
Den möglichen geringen preiserhöhenden Wirkungen höherer Arbeitskosten und
einer höheren Konsumnachfrage der Rentnerhaushalte steht eine mögliche ge-
ringe preisdämpfende Wirkung einer geringeren Konsumnachfrage seitens der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Selbständigen gegenüber, sofern
mit den Regelungen Beitragsmehreinnahmen der Rentenversicherung verbunden
sind. Nennenswerte Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere das Ver-
braucherpreisniveau, sind somit nicht zu erwarten.

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Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/11926 mit folgenden Maßgaben, im
Übrigen unverändert anzunehmen:

Artikel 1 wird wie folgt geändert:

1. Nach Nummer 14 wird folgende Nummer 14a eingefügt:

‚14a. In § 302 Absatz 7 wird die Angabe „2017“ durch die Angabe
„2020“ ersetzt.‘

2. Nach Nummer 16 wird folgende Nummer 16a eingefügt:

‚16a. In § 313 Absatz 8 wird die Angabe „2017“ durch die Angabe
„2020“ ersetzt.‘;

b) den Antrag auf Drucksache 18/12087 abzulehnen.

Berlin, den 31. Mai 2017

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Kerstin Griese
Vorsitzende

Peter Weiß (Emmendingen)
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/12590

Bericht des Abgeordneten Peter Weiß (Emmendingen)

A. Allgemeiner Teil

I. Überweisung

1. Überweisung

Der Gesetzentwurf auf Drucksache 18/11926 ist in der 232. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. April
2017 an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung sowie an den Ausschuss für Recht
und Verbraucherschutz, den Haushaltsausschuss und den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
zur Mitberatung überwiesen worden. Der Haushaltsausschuss befasst sich mit der Vorlage zudem gemäß § 96
GOBT, der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung gutachtlich.

Der Antrag auf Drucksache 18/12087 ist ebenfalls in der 232. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. April
2017 beraten worden und an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung sowie an den
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, den Haushaltsausschuss und den Ausschuss für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend zur Mitberatung überwiesen worden.

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz in seiner 151. Sitzung, der Haushaltsausschuss in seiner
107. Sitzung sowie der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in seiner 92. Sitzung haben am
31. Mai 2017 einstimmig die Annahme des Gesetzentwurfes auf Drucksache 18/11926 in der Fassung der Ände-
rungsanträge der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD empfohlen. Der Parlamentarische Beitrat für
nachhaltige Entwicklung hat am 19. April 2017 eine gutachtliche Stellungnahme abgegeben.

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz in seiner 151. Sitzung, der Ausschuss für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend in seiner 92. Sitzung und der Haushaltsausschuss in seiner 107. Sitzung am 31. Mai 2017
haben mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.
bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache
18/12087 abzulehnen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Zu Buchstabe a

Die Zurechnungszeit bei Erwerbsminderungsrenten wird für Rentenzugänge schrittweise von heute 62 Jahren auf
das vollendete 65. Lebensjahr angehoben, wird in der Gesetzesbegründung ausgeführt. Erwerbsgeminderte wer-
den dadurch langfristig so gestellt, als ob sie entsprechend der Bewertung ihrer Zurechnungszeit drei Jahre länger
als bisher gearbeitet hätten. Die Zurechnungszeit wird im gleichen Zeitraum wie die Anhebung des Referenzalters
für die Abschlagsfreiheit der Renten wegen Erwerbsminderung, das heißt von 2018 bis 2024, verlängert. Profi-
tieren werden davon langfristig alle Rentenzugänge in die Erwerbsminderungsrente im Alter von unter 65 Jahren.
Entsprechendes gilt für Erziehungs- und Hinterbliebenenrenten. Die schrittweise Verlängerung der Zurechnungs-
zeit für Rentenzugänge auf das vollendete 65. Lebensjahr wird auch in der Alterssicherung der Landwirte einge-
führt.

Darüber hinaus erfolgen weitere gesetzliche Änderungen:

Änderung des Rechts der Anrechnungszeiten nach § 58 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI), um
Lücken zu schließen, die sich während des Bezugs von Arbeitslosengeld II und einer parallelen schulischen Aus-
bildung ergeben konnten.

Drucksache 18/12590 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Änderung bei der Ausschlussregelung des § 58 Absatz 1 Satz 3 SGB VI im Anrechnungszeitenrecht, um insbe-
sondere bei Beziehern einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, bei denen neben dem Erwerbsminde-
rungsrentenbezug ein versicherungspflichtiger Sozialleistungsbezug vorliegt, negative leistungsrechtliche Aus-
wirkungen in der künftigen Altersrente zu vermeiden.

Die im Übergangsrecht geregelten Hinzuverdienstgrenzen der Bestandsrentner (§ 302 Absatz 6, § 313 Absatz 1)
werden dynamisiert.

Das Verfahren zur Meldung von versicherungspflichtigen Handwerkern wird optimiert, insbesondere durch eine
differenziertere Fassung der Meldetatbestände und zeitgemäßere Datenübermittlungsverfahren.

Im Geltungsbereich des SGB VI werden Regelungen mit Wirkung für die Zukunft rechtsbereinigend aufgehoben.

Weiterhin werden redaktionelle Änderungen vorgenommen.

Im Zusammenhang mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) wird eine falsche Verweisung im Betriebsverfas-
sungsgesetz korrigiert sowie eine Ergänzung vorgenommen, um eine transparente sowie sach- und fristgerechte
Umsetzung der mit dem BTHG beschlossenen Modellvorhaben zur Stärkung der Rehabilitation sicherzustellen.

Zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/1794 werden das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und das Europäi-
sche Betriebsräte-Gesetz in Bezug auf die Seeschifffahrt angepasst.

Als Alternative zur vorliegenden Änderung der Zurechnungszeiten ist die Abschaffung der Abschläge bei Renten
wegen verminderter Erwerbsfähigkeit abzulehnen. Die Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten stellen sicher,
dass Altersrenten und Erwerbsminderungsrenten hinsichtlich des vorzeitigen Rentenbezugs grundsätzlich gleich
behandelt werden. Mit der Verlängerung der Zurechnungszeit erfolgt eine zielgerichtete und effiziente Verbesse-
rung für den Fall der Erwerbsminderung.

Zu Buchstabe b

Die gegenwärtige Zugangsregel, der zufolge in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung min-
destens drei Jahre Pflichtbeiträge geleistet worden sein müssten, enge den Zugang zur Erwerbsminderungsrente
zu stark ein, heißt es in der Antragsbegründung. Da für Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen nach dem
SGB II (sog. Hartz IV) seit 2011 keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung mehr vorliege und ent-
sprechend von den zuständigen Jobcentern keine Beiträge mehr an die Rentenversicherung abgeführt würden,
hätten Menschen im SGB-II-Bezug oder mit unregelmäßiger Beschäftigung kaum die Möglichkeit, eine Erwerbs-
minderungsrente zu beantragen. Mit der Verkürzung der obligatorischen Pflichtbeitragszeit auf zwei Jahre inner-
halb der fünf Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung würde der Zugang zur Erwerbsminderungsrente für Be-
troffene erheblich erleichtert.

Die ergänzende alternative Zugangsvoraussetzung von 20 Mindestbeitragsjahren nehme einen Änderungsantrag
des Ausschusses für Arbeit, Integration und Sozialpolitik des Bundesrates auf. Unter Nummer 3 Buchstabe b
schlage der Ausschuss vor, eine alternative Zugangsvoraussetzung einzuführen, durch die Versicherte mit insge-
samt 20 Beitragsjahren grundsätzlich Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente hätten. Dabei spiele die Anzahl
der Beitragsjahre in den fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung keine Rolle. Damit werde Umbrüchen in
der Sozialstruktur und einem wechselnden Beschäftigungsstatus Rechnung getragen.

Ferner führten die zum 1. Januar 2001 u. a. auf Erwerbsminderungsrenten ausgeweiteten Rentenabschläge (Zu-
gangsfaktor) für Renteneintritte vor dem 65. Geburtstag fast zwangsläufig in die Armut und seien systematisch
nicht zu begründen: Die Erwerbsminderungsrente solle – zumindest theoretisch – das Risiko eingeschränkter Er-
werbsfähigkeit absichern, die Altersrente dagegen die materielle Absicherung im Alter gewährleisten. Dennoch
würden die Rentenabschläge nach Zugangsfaktor parallel für Erwerbsminderungs- und Altersrenten angewandt
und führten zu Rentenabschlägen für jeden Monat, den der Renteneintritt vor Vollendung des 65. Lebensjahrs
liege. Das treffe auf nahezu alle Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner zu.

III. Öffentliche Anhörung von Sachverständigen

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/11926 und des
Antrags auf Drucksache 18/12087 in seiner 114. Sitzung am 28. April 2017 aufgenommen und die Durchführung

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/12590

einer öffentlichen Anhörung von Sachverständigen beschlossen. Die Anhörung fand in der 115. Sitzung am
15. Mai 2017 statt.

Die Teilnehmer der Anhörung haben schriftliche Stellungnahmen abgegeben, die in der Ausschussdrucksache
18(11)1028 zusammengefasst sind.

Folgende Verbände, Institutionen und Einzelsachverständige haben an der Anhörung teilgenommen:

Deutscher Städte- und Gemeindebund

Deutscher Gewerkschaftsbund

Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände

Zentralverband des Deutschen Handwerks

Deutsche Rentenversicherung Bund

Deutscher Caritasverband e. V.

Sozialverband VdK Deutschland e. V.

Prof. Dr. Gert G. Wagner, Berlin

Prof. Dr. Eckart Bomsdorf, Köln

Prof. Dr. Heinz-Dietrich Steinmeyer, Münster

Prof. Dr. Gerhard Bäcker, Duisburg

Prof. Dr. Stefan Sell, Remagen

Prof. Dr. jur. Felix Welti, Kassel

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund begrüßt die Absicht, die Erwerbsminderungsrenten der gesetzlichen
Rentenversicherung nach dem RV-Leistungsverbesserungsgesetz in einem weiteren Schritt zu verbessern. Die
schrittweise Anhebung der Zurechnungszeiten bis 2024 um weitere drei Jahre auf das vollendete 65. Lebensjahr
könne dazu beitragen, das Armutsrisiko bei Erwerbsminderung zu reduzieren. Die materielle Lage der Betroffe-
nen werde sich dadurch verbessern. Gleichwohl würden Betroffene auch weiterhin auf Grundsicherungsleistun-
gen angewiesen bleiben. Mittelfristig wären weitere Maßnahmen erforderlich, die Absicherung von erwerbsge-
minderten Menschen zu verbessern. Insbesondere die Abschaffung der Abschläge bei den Erwerbsminderungs-
renten könnte hierzu in Erwägung gezogen werden. Die Umsetzung setze allerdings eine Gegenfinanzierung vo-
raus. Die im Gesetzentwurf enthaltene Streichung der Ausschlusstatbestände nach § 58 Absatz 1 Satz 1 Num-
mer 6 Buchstaben c) und d) SGB VI-E stelle für die Leistungsberechtigten nach dem SGB II, die das Arbeitslo-
sengeld II nur deshalb bezögen, weil sie sich in einer schulischen Ausbildung befinden und aus bestimmten Grün-
den keinen oder einen reduzierten Anspruch auf BAföG-Leistungen hätten, eine Leistungsverbesserung dar und
werde ebenfalls begrüßt. Man appelliere nachdrücklich, den Entwurf des Änderungsantrages der Fraktionen von
CDU/CSU und SPD auf Ausschussdrucksache 18(11)993 aufzugreifen. Aus kommunaler Sicht halte man es für
zwingend erforderlich, eine dauerhaft tragfähige Lösung zu finden, die sicherstelle, dass kommunalen Ehrenbe-
amten bei einer vorgezogenen Altersrente bzw. einer Erwerbsminderungsrente nach dem 30.09.2017 keine Kür-
zung ihrer Rente drohe. Um dies umzusetzen, sollte man die einschlägigen Übergangsregelungen in § 302 Ab-
satz 7 SGB VI und § 313 Absatz 8 SGB VI entfristen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßt ebenfalls ausdrücklich den Gesetzentwurf der Bundesregie-
rung, mit dem die Leistung bei Erwerbsminderung sowie im Todesfall durch eine verlängerte Zurechnungszeit
verbessert werde. Mittlerweile beziehe rund jede siebte Person, die eine Rente wegen Erwerbsminderung erhalte,
zusätzlich noch Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung. Dem Problemaufriss und der Zielstellung
des vorliegenden Referentenentwurfs zur Frage der Absicherung bei Erwerbsminderung sei vollumfänglich zu-
zustimmen. Der Bezug einer Erwerbsminderungsrente sei mittlerweile eines der größten Armutsrisiken für Be-
schäftigte. Die durchschnittlichen Zahlbeträge seien seit Jahren deutlich gesunken. Kritisch anzumerken sei aber,
dass auch die erneute Verbesserung – wie schon jene im Jahr 2014 – ausschließlich für den Rentenzugang gelten
soll. Hier wäre es angebracht gewesen, einen pauschalierten Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für den
Bestand zu berücksichtigen, analog wie dies für den Bestand bei der Kindererziehungszeit 2014 umgesetzt worden

Drucksache 18/12590 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

sei. Zudem seien ergänzend zur Zurechnungszeit die Abschläge auf Erwerbsminderungsrenten abzuschaffen.
Beim Antrag der Fraktion DIE LINKE. würden die Forderungen nach Verlängerung der Zurechnungszeit in einem
Schritt auf das 65. Lebensjahr sowie nach Abschaffung der Abschläge auf EM-Renten auch für den Bestand be-
fürwortet. Sie deckten sich weitgehend mit Forderungen des DGB. Als wenig zielführend würden die Änderungen
bei den Zugangsvoraussetzungen angesehen.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) beurteilt das Ziel, für Erwerbsminde-
rungsrentner weitere Verbesserung zu erreichen, als grundsätzlich nachvollziehbar. Allerdings sollten vor einer
weiteren Erhöhung der Erwerbsminderungsrenten zunächst die bislang noch nicht vollständig ermittelten Aus-
wirkungen der bereits mit dem RV-Leistungsverbesserungsgesetz (Rentenpaket 2014) erfolgten Erhöhung abge-
wartet und dann ausgewertet werden. Zudem sei der Umfang der geplanten neuerlichen Ausweitung der Zurech-
nungszeiten um weitere drei Jahre zu groß. Angesichts des ohnehin im Zuge der demografischen Entwicklung
drohenden Beitragssatzanstiegs sollten die gewollten Leistungsverbesserungen außerdem kostenneutral erfolgen,
d. h. durch Einsparungen an anderer Stelle gegenfinanziert werden.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) sieht die geplanten Leistungsverbesserungen durch An-
hebung der Zurechnungszeit von derzeit 62 auf 65 Jahre bei künftigen Erwerbsminderungsrenten trotz der hohen
Kosten für die Versichertengemeinschaft als begründet an. Darüber hinausgehende Leistungserhöhungen für Er-
werbsminderungsrenten würden diese aber im Gegensatz zu den Altersrenten so deutlich besserstellen, dass er-
hebliche Leistungsverwerfungen innerhalb der Versichertengemeinschaft entstünden. Die Abschaffung der Ab-
schläge würde darüber hinaus fatale Frühverrentungsanreize aussenden. Mit Blick auf die wesentlichen Ursachen
für Erwerbsminderung bedürfe es daher keiner weiteren Leistungsverbesserungen, sondern einer besseren und
deutlich früheren Versorgung insbesondere psychisch Kranker.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund begrüßt die stufenweise Verlängerung der Zurechnungszeit. Eine der
Sicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare ergänzende Absicherung des Erwerbsminde-
rungsrisikos im Rahmen der kapitalgedeckten Zusatzvorsorge werde bislang für viele Versicherte nicht oder nur
zu kaum tragbaren Konditionen angeboten. Es spreche vieles dafür, dass eine solche Sicherung zu Konditionen,
die für alle Versicherten tragbar seien, auch nur im Rahmen einer umlagefinanzierten Sozialversicherung zu rea-
lisieren sei. Die vorgesehene Neuregelung trage vor diesem Hintergrund dazu bei, den Versicherten im Fall der
Erwerbsminderung eine am früheren Lebensstandard orientierte Absicherung zu ermöglichen. Darüber hinaus
dürfte sie das mit einer Erwerbsminderung verbundene Risiko der Altersarmut verringern. Durch die verlängerte
Zurechnungszeit würden die Versicherten bei einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit so gestellt, als
hätten sie bis zum vollendeten 65. Lebensjahr Beiträge gezahlt. Für die Altersrente könnten dagegen nur die bis
zum Rentenbeginn zurückgelegten Versicherungszeiten berücksichtigt werden, gegebenenfalls also nur bis zum
Ablauf des Monats, in dem das 63. Lebensjahr vollendet werde. Das habe zur Folge, dass im Regelfall bei glei-
chem Rentenbeginn die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit höher sei als die Altersrente. Wegen der
Leistungsverbesserungen sei ein höherer Antragseingang nicht ausgeschlossen. Die Deutsche Rentenversicherung
befürworte auch die Optimierung des Meldeverfahrens der Handwerkskammern. Das bisherige Verfahren zur
Meldung der rentenversicherungspflichtigen Gewerbetreibenden im Handwerksbetrieb sei nicht mehr zeitgemäß.
Nach dem Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von
Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben (Flexirentengesetz) von 2016 sei bei Bezug einer Teilrente am
30. Juni 2017 die zu diesem Zeitpunkt geltende Hinzuverdienstgrenze besitzgeschützt. Diese Hinzuverdienst-
grenze solle gemäß dem vorliegenden Gesetzentwurf künftig entsprechend der Entwicklung der Bezugsgröße
dynamisiert werden. Nach der Gesetzesbegründung zum Flexirentengesetz sollte eine wie auch immer gestaltete
Dynamisierung aber gerade nicht erfolgen. Dies sei auch sachgerecht gewesen; denn ein dynamisierter Besitz-
schutz diene schon wegen der geringen Erhöhungsbeträge nur einem kleinen Personenkreis, erhöhe aber den Ver-
waltungsaufwand deutlich.

Der Deutsche Caritasverband begrüßt es sehr, dass die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode die Reform
der Erwerbsminderungsrente erneut in den Blick nehme. Erwerbsgeminderte Personen hätten ein hohes Risiko,
dauerhaft von Grundsicherung im Alter abhängig zu sein. Die Anhebung der Zurechnungszeit, die dieses Risiko
mindere, werde begrüßt. Sie greife jedoch nicht weit genug, da erwerbsgeminderte Personen neben den Kürzun-
gen durch die Bestimmungen der Zurechnungszeiten weiterhin auch weitere Abschläge hinnehmen müssten. Der
Deutsche Caritasverband halte deshalb eine Senkung bzw. Abschaffung der Abschläge verbunden mit einer an-
gemessenen medizinischen Begutachtung der Antragsteller für notwendig. Die stufenweise Anhebung der Zu-
rechnungszeiten führe dazu, dass die Leistungsverbesserungen in den ersten Jahren sehr niedrig ausfallen würden.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/12590

Deshalb wäre eine schnellere Einführung zu prüfen. Nachgedacht werden solle auch über eine Altfallregelung,
damit der Gesetzentwurf seinem Anspruch zeitnah gerecht werde, einen nachhaltigen Beitrag zur Verringerung
von Armut und zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts zu leisten.

Der Sozialverband VdK Deutschland warnt vor der Gefahr steigender Altersarmut. Anhaltspunkte seien das
stetig sinkende Rentenniveau, die niedrigen durchschnittlichen Höhen der Zugangsrenten und die zunehmende
Inanspruchnahme von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Von der Gefahr der
Armut auch im Alter besonders betroffen seien Menschen, die eine Erwerbsminderungsrente bezögen. Im Jahr
2014 habe die durchschnittliche Erwerbsminderungsrente im Zugang bei nur noch 628 Euro gelegen und damit
deutlich unter der Grundsicherungsschwelle von 747 Euro. Gegenwärtig seien fast 15 Prozent aller Erwerbsmin-
derungsrentnerinnen und –rentner zur Existenzsicherung auf ergänzende Grundsicherungsleistungen angewiesen.
Dies sei in einem solidarischen Pflichtversicherungssystem nicht akzeptabel. Wie im Entwurf zu Recht festgestellt
werde, seien Erwerbsminderungsrentner in besonderem Maße auf die Solidarität der Versichertengemeinschaft
angewiesen. Denn die Absicherung des Erwerbsminderungsrisikos sei durch betriebliche oder steuerlich geför-
derte zusätzliche Altersvorsorge kaum möglich, weil adäquate Angebote fehlten. Mit dem Rentenversicherungs-
Leistungsverbesserungsgesetz habe die Regierungskoalition die Zurechnungszeit vom 60. auf das 62. Lebensjahr
angehoben und damit den Neubeziehern von Erwerbsminderungsrenten zu einem spürbaren Rentenplus verhol-
fen. Diese Maßnahme habe sich durchaus als wirksam erwiesen. Nach Angaben der Deutschen Rentenversiche-
rung habe dies zu einer durchschnittlichen Rentensteigerung von 40 Euro je Monat geführt. Der durchschnittliche
Zahlbetrag der Erwerbsminderungsrente im Zugang sei von 2014 auf 2015 von 628 Euro auf 672 Euro gestiegen.
Diese Leistung liege damit aber immer noch deutlich unter der Grundsicherungsschwelle, so dass weiterer ge-
setzgeberischer Handlungsbedarf bestehe. Daher sei es zu begrüßen, dass noch in dieser Legislaturperiode ein
weiterer Schritt zur Verbesserung der Situation der Erwerbsminderungsrentner unternommen werde. Notwendig
sei aber, dass auch die weitere Erhöhung genau wie die bereits erfolgte in einem Zug durchgeführt werde. Die
vorgesehene zeitliche Streckung würde dazu führen, dass eine weitere spürbare Verbesserung erst in sieben Jahren
eintreten werde. Dies sei nicht akzeptabel.

Der Sachverständige Prof. Dr. Eckart Bomsdorf begrüßt die Erhöhung des Endes der Zurechnungszeit auf das
Alter von 65 Jahre. Allerdings stellten sich in diesem Zusammenhang die Fragen, ob das Tempo dieses Übergangs
einer Anhebung des Endes der Zurechnungszeit auf das vollendete 65. Lebensjahr zieladäquat sei und ob diese
Anhebung auch auf den Rentenbestand ausgedehnt werden solle. Als im Jahr 2014 das Ende der Zurechnungszeit
bei Erwerbsminderungsrenten um zwei Jahre auf 62 Jahre angehoben worden sei, sei dies in einem Schritt mithilfe
einer Stichtagsregelung geschehen. Diese sei für die von der Erhöhung der Zurechnungszeiten Profitierenden
hilfreich gewesen, habe jedoch auch den Nachteil beinhaltet, dass unmittelbar vor dem Inkrafttreten des Gesetzes
festgesetzte und bezogene Erwerbsminderungsrenten deutlich niedriger als nach diesem Zeitpunkt festgesetzte
vergleichbare Erwerbsminderungsrenten ausgefallen seien, was für die Betroffenen spürbar und schwer nachvoll-
ziehbar gewesen sei. Dies werde durch das jetzt schrittweise Anheben des Endes der Zurechnungszeit weitgehend
– wenn auch nicht vollständig – vermieden. Das Nichteinbeziehen des Rentenbestandes in die vorgesehene Re-
gelung schließe an die 2014 getroffene Regelung an. Eine Einbeziehung des Rentenbestandes wäre für die be-
troffenen Versicherten zwar wünschenswert, jedoch sei bei derartigen in gewissem Sinne rückwirkenden Anpas-
sungen nicht nur der finanzielle Aspekt für die Rentenversicherung zu beachten, sondern auch zu berücksichtigen,
dass es natürlich problematisch sei – wenn auch aus Sicht der Betroffenen verständlich, dass Verbesserungen
immer auf den Rentenzugang und den Rentenbestand wirken sollten, Verschlechterungen allerdings allenfalls den
Rentenzugang treffen dürften.

Der Sachverständige Prof. Dr. Heinz-Dietrich Steinmeyer stellt fest, dass es problematisch erscheine, dass im
Gesetzentwurf eine Abschaffung der Abschläge bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht erfolge.
Diese Abschläge ergäben sich aus § 77 SGB VI (Zugangsfaktor), wo im geltenden Recht in Absatz 2 Satz 1 Num-
mer 3 vorgesehen sei, dass der Zugangsfaktor bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalen-
dermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch
genommen werde, um 0,003 niedriger sei als 1,0. Absatz 2 Satz 2 sieht dann vor, dass dann, wenn eine Rente
wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente vor Vollendung des 62. Lebensjahres beginne,
die Vollendung des 62. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend sei. Von der Systematik
her sei es eigentlich Sinn dieser Abschläge, der längeren Rentenbezugsdauer bei solchen Versicherten Rechnung
zu tragen, die freiwillig vorzeitig die Rente in Anspruch nähmen. Ihnen werde zugemutet, dass sich ihr Renten-

Drucksache 18/12590 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

zahlbetrag bei vorzeitiger Inanspruchnahme verringere, da dem versicherungsmathematisch eine längere Zah-
lungsdauer gegenüberstehe. Bezieher von Renten wegen Erwerbsminderung hingegen nähmen die Rentenleistung
in diesem Sinne unfreiwillig in Anspruch und die möglicherweise längere Rentenbezugsdauer erkläre sich nicht
aus einer autonomen Entscheidung des Versicherten sondern aus dem früheren Beginn der verminderten Erwerbs-
fähigkeit. Der sog. versicherungsmathematische Abschlag für vorzeitigen Rentenbezug auch bei Renten wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit scheine deshalb dem Gedanken der Anhebung des Alters bei der Bemessung der
Zurechnungszeit zu widersprechen. Allerdings sei diese Abschlagsregelung begrenzt auf eine Inanspruchnahme
nach Vollendung des 62. Lebensjahres. Das bedeute, dass eine Reduzierung sich begrenzt auf höchstens 10,8 %.
Der Gesetzentwurf lasse die bisherige Regelung unangetastet und begründe das damit, dass so Altersrenten und
Erwerbsminderungsrenten hinsichtlich des vorzeitigen Rentenbezugs grundsätzlich gleichbehandelt würden. Ver-
sicherte eines bestimmten Alters müssten also in beiden Fällen Abschläge in Kauf nehmen. Dahinter stehe aber –
unausgesprochen – auch der Gedanke der Anreizwirkung.

Der Sachverständige Prof. Dr. Gerhard Bäcker identifiziert vier Kernprobleme. Die isolierte Verbesserung bei
den EM-Renten ändere nichts an dem Tatbestand, dass im Zuge des kontinuierlich absinkenden Rentenniveaus
(Netto-Rentenniveau vor Steuern) bei einer gegebenen Entgeltposition immer mehr Versicherungsjahre erforder-
lich seien, um eine Erwerbsminderungs- wie auch Altersrente in Höhe des Grundsicherungsniveaus zu erhalten.
Ferner handele es sich bei den Zurechnungszeiten um einen Kernbestandteil des Solidarausgleichs innerhalb der
Gesetzlichen Rentenversicherung. Insofern sei die Finanzierung dieser Leistungen aus den Gesamteinnahmen der
Rentenversicherung (Beitragseinnahmen und Bundeszuschüsse) systemgerecht. Allerdings müssten einzelne kos-
tenwirksame Maßnahmen in ein Gesamtkonzept zur Alterssicherung eingebettet werden, um ein umfassendes
Bild über die mittel- und längerfristigen Leistungs- wie auch Finanzierungsbedingungen der Rentenversicherung
zu erhalten. Es sei zu bedauern, dass sich die Regierungskoalition darauf nicht habe verständigen können. Die
Leistungsverbesserungen begünstigen ausschließlich die Neuzugänge in EM-Renten und träten zudem nur schritt-
weise in Kraft. Dahinter stünden administrativ-verwaltungstechnische Probleme aber zweifelsohne vor allem fi-
nanzielle Überlegungen. Dies sei für die Betroffenen, die bereits eine EM-Rente bezögen oder bald beziehen
würden, schwer vermittelbar, weil sich an deren, häufig misslichen Einkommenslage nichts ändere. Es bleibe
überdies kaum zu begründen, warum die sog. Mütterrente alle Rentnerinnen begünstigt, also auch jene im Ren-
tenbestand, während bei den EM-Renten eine andere Logik herrsche. Darüber hinaus seien die Zugangsvoraus-
setzungen für den Bezug einer EM-Rente in Deutschland besonders hoch.

Der Sachverständige Prof. Dr. Stefan Sell stellt fest, dass sich der Sinkflug der durchschnittlichen Zahlbeträge
bei neuen Erwerbsminderungsrenten auf ein Bündel unterschiedlicher Ursachen zurückführen lasse. Die im Jahr
2001 eingeführten Abschläge lieferten nur eine – wenn auch eine wichtige – Teilerklärung, zumal parallel zu den
Abschlägen auch die Zurechnungszeit verlängert worden sei, was partiell kompensierend gewirkt habe (und auch
hinsichtlich der geplanten neuen Verlängerung so wirken werde). Neben der Bedeutung der Abschläge müsse ein
Auge auf Strukturveränderungen im Rentenzugang bei den Erwerbsminderungsrenten geworfen werden: ein ge-
stiegener Frauenanteil, stark rückläufige Beitragszeiten in Kombination mit einer im Durchschnitt gesunkenen
Entgeltposition bei den Männern sowie insgesamt eine gestiegene Bedeutung von Zeiten der Arbeitslosigkeit, die
vor allem bei Langzeitarbeitslosigkeit rentenrechtlich entwertet worden seien. Das Risiko der Erwerbsminderung
konzentriere sich zunehmend auf bestimmte Gruppen, die mit mehreren vorgängigen erwerbsbiografischen Risi-
komerkmalen in den Bezug gehen müssten. Zeiten der Niedriglohnbeschäftigung sowie der Arbeitslosigkeit präg-
ten die Erwerbsverläufe der Betroffenen in weit größerem Ausmaß als dies im Durchschnitt aller Versicherungs-
biografien der Fall sei. Vor diesem Hintergrund sei es nicht unplausibel, davon auszugehen, dass eine Reform des
Leistungsrechts der Erwerbsminderungsrenten, die sich auf die Verlängerung der Zurechnungszeit beschränke,
am Ende zu kurz greifen werde. Um Alternativen zu schaffen, müsse man bei den vorgelagerten Problemen in
der Erwerbsbiografie der betroffenen Menschen ansetzen – etwa zum einen die Regelung zur sogenannten Rente
nach Mindestentgeltpunkten, mit der geringe Pflichtbeiträge um 50 Prozent ihres Wertes auf maximal 75 Prozent
des Durchschnittsentgelts aufgewertet würden, auf Zeiten der Niedriglohnbeschäftigung nach 1991 zu verlängern.
Zum anderen müssten Zeiten der Arbeitslosigkeit (nach dem Ende des ALG-Bezugs gemäß SGB III) den Status
bewerteter Anrechnungszeiten erhalten. Dies führe im Rahmen der (begrenzten) Gesamtleistungsbewertung in
der Regel ebenfalls zu höheren Rentenanwartschaften. Die im Antrag der Fraktion DIE LINKE vorgeschlagene
Mindestbeitragszeit von 20 Jahren als „alternative Zugangsvoraussetzung für die Rente bei Erwerbsminderung“
würde die Option eröffnen, das eigenständige System einer Absicherung des Invaliditätsrisikos in einer Renten-
versicherung abzubilden, die sich entsprechend der vielfältigen neuen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und
der erwerbsbiografischen Destandardisierung zu einer Erwerbstätigenversicherung weiterentwickeln sollte.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/12590

Der Sachverständige Prof. Dr. jur. Felix Welti beurteilt eine Verbesserung des Leistungsniveaus der Erwerbs-
minderungsrente als sozialpolitisch geboten. Sie sei auch verfassungsrechtlich geboten, um die Legitimation der
Pflichtversicherung zu erhalten und Benachteiligungen wegen Behinderung zu vermeiden. Ferner sei ein Aus-
gleich der Lücken in der gesetzlichen Rentenversicherung durch private Vorsorge derzeit nicht möglich. Die An-
hebung der Zurechnungszeit durch den vorgelegten Gesetzentwurf sei zu begrüßen. Sehr problematisch sei, dass
diese den Bestands-Erwerbsminderungsrentnern nicht zu Gute komme. Damit würden diejenigen benachteiligt,
die gesundheitlich besonders beeinträchtigt seien. Die Abschläge bei Inanspruchnahme der Erwerbsminderungs-
rente seien vor allem für jüngere Versicherte systemwidrig. Auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
sollten überprüft werden. Darüber hinaus sollten Prävention und Rehabilitation vor Erwerbsminderung gestärkt
werden. Dies betreffe insbesondere die stufenweise Wiedereingliederung, das Betriebliche Eingliederungsma-
nagement und die Kooperation der Rehabilitationsträger. In der 19. Wahlperiode sollte eine grundsätzliche Re-
form der sozialen Sicherung bei Erwerbsminderung diskutiert werden.

Weitere Einzelheiten können den Stellungnahmen sowie dem Protokoll der Anhörung entnommen werden.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/11926 sowie den Antrag auf
Drucksache 18/12087 in seiner 121. Sitzung am 31. Mai 2017 abschließend beraten. Der Ausschuss hat dem
Deutschen Bundestag dabei mit den Stimmen aller Fraktionen die Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksache
18/11926 in der vom Ausschuss geänderten Fassung empfohlen. Beim Antrag auf Drucksache 18/12087 wurde
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei
Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung empfohlen.

Die Fraktion der CDU/CSU bezeichnete die erneute Verbesserung der Erwerbsminderungsrente als dringend
geboten. Dies sei eine Frage der Gerechtigkeit und des Respekts den Menschen gegenüber, die aufgrund ihrer
gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr arbeiten könnten. Mit dem Beschluss werde der durchschnittliche
Zahlbetrag der Erwerbsminderungsrente seit 2013 um 143 Euro pro Person erhöht. Das sei ein gewaltiger Schritt.
Viele Menschen, die bisher auf Grundsicherung angewiesen gewesen seien, würden zudem durch diesen Schritt
aus der Grundsicherung herausgeholt. Und um dem relativ niedrigen durchschnittlichen Alter bei Eintritt in die
Erwerbsminderung entgegenzusteuern, habe die Koalition in dieser Wahlperiode bereits das Flexirentengesetz
verabschiedet. Bedrückend bleibe die Tatsache, dass immer mehr Erwerbsminderungsrenten mit der Begründung
der Zunahme psychosomatischer und seelischer Erkrankungen beantragt würden. Wenn man den Herausforde-
rungen durch die Digitalisierung der Arbeitswelt und das Tempo der Veränderungen mit all den daraus resultie-
renden Anforderungen an die Arbeitnehmer erfolgreich begegnen wolle, gehe das nur mit gesunden Menschen.
Daher müsse auch die Politik diese Veränderungsprozesse in der Gesellschaft in den Blick nehmen und präventiv
zu ihrer Gestaltung beitragen. Der Änderungsantrag dient der Stärkung des kommunalen Ehrenamtes.

Die Fraktion der SPD begrüßte ebenfalls die erneute Verbesserung der Erwerbsminderungsrente. Wer aufgrund
von Krankheit nicht in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft aufzubringen, dürfe und müsse auf
die Hilfe der Solidargemeinschaft setzen können. Mit der angestrebten Gesetzesänderung erhielten diejenigen,
die nicht mehr arbeiten könnten, ein wenig mehr Rente. Das werde durch die Verlängerung der Zurechnungszeit
erreicht. So erfreulich die Verbesserungen seien, so sehr bedauere es die SPD, dass es nicht gelungen sei, auch
eine Lösung für Verbesserungen bei Bestandsrentnerinnen –und rentnern zu finden. Eine vollständige Übertra-
gung der Reform des neuen Rechts auf Bestandsfälle scheide aus einer Vielzahl von Gründen aus, dennoch wären
Verbesserungen hier wünschenswert. Die SPD bleibe bei diesem Thema daher „am Ball“. Darüber hinaus formu-
liere die Änderung zum Europäischen Betriebsrätegesetz eine Ausnahme ausschließlich für Seeleute, damit diese
unter Berücksichtigung der besonderen Bedingungen in der Schifffahrtsbranche mit oft wochenlanger Ausübung
ihrer Berufstätigkeit auf hoher See ihre Beteiligungsrechte als Mandatsträger ausüben könnten. Sie könnten re-
gelmäßig anders als etwa auf Dienstreisen befindliche europäische und nationale Mandatsträger nicht einfach per
Bahn, Flugzeug oder einem anderen Verkehrsmittel an den Ort der Sitzung des Gremiums gelangen. Der Ände-
rungsantrag habe den Zweck die Übergangsregelung zur Bewertung von Aufwandsentschädigungen von kommu-
nalen Ehrenbeamten und in der sozialen Selbstverwaltung Tätigen im Rahmen des Hinzuverdienstrechts bei Er-
werbsminderungsrenten und vorgezogenen Altersrenten zu verlängern. Klar sei auch, dass es hier dringend einer
abschließenden Regelung bedürfe, welche der geforderten Parallelität des Steuer- und Sozialrechts auch in diesen

Drucksache 18/12590 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Fällen respektiere, weshalb in der nächsten Legislatur hier gemeinsam an entsprechenden Lösungen ressortüber-
greifend gearbeitet werden solle.

Die Fraktion DIE LINKE. forderte die volle Unterstützung für chronisch Kranke. Sie hätten Anspruch auf Er-
werbsminderungsrente. Zu kritisieren sei, dass diese von durchschnittlich 738 Euro im Jahr 2000 auf 650 Euro im
Jahr 2013 gesunken sei. Entsprechend habe sich die Zahl der chronisch Kranken, die Grundsicherung beantragen
müssten, mehr als verdoppelt. Hauptgrund dafür seien die gesetzlichen Abschläge. Es sei richtig, jetzt die Zurech-
nungszeit wieder zu verlängern. Aber das helfe denjenigen nicht, die bereits Erwerbsminderungsrente bezögen.
Für sie verbessere sich gar nichts. Das lehne die Fraktion ab. Insgesamt seien erheblich größere Schritte notwen-
dig, um Armut bei vorzeitiger Erwerbsminderung zu verhindern.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN forderte die Abschaffung der Abschläge bei der Erwerbsminde-
rungsrente. Die Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente seien ein überfälliger Schritt. Allerdings lasse
der Gesetzentwurf eine ganze Reihe von Fragen offen. Bei der Erwerbsminderungsrente brauche man keine Re-
gelungen, um Fehlanreize zu vermeiden; denn in Erwerbsminderungsrente gehe man nicht freiwillig, sondern aus
gesundheitlichen Gründen. Darüber hinaus fehlten Regelungen und Hilfen zur Verbesserung der Situation beson-
ders belasteter Beschäftigter, die für die Erwerbsminderungsrente zu gesund, aber nicht mehr voll arbeitsfähig
seien. Bereits im Zusammenhang mit dem Flexirentengesetz habe die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine
abschlagsfreie Teilrente für diese Personengruppe vorgeschlagen – mit dem Ziel, sie länger im Arbeitsmarkt zu
halten. Gebraucht würden zudem Verbesserungen im Bereich der Rehabilitation, um frühzeitig etwas gegen zu
große Belastungen zu tun und einen beruflichen Neustart zu entwickeln. Eine längere Lebensarbeitszeit und ein
längeres gesundes Verbleiben im Berufsleben würden in Zukunft noch wichtiger auch für die nachhaltige Finan-
zierung der Rente sein.

B. Besonderer Teil

Zu den Buchstaben a und b

Grundsätzlich sind auch Einkünfte von sogenannten Ehrenbeamten (zum Beispiel ehrenamtliche Bürgermeister,
Ortsvorsteher) in der Höhe als Hinzuverdienst zu berücksichtigen, in der sie Arbeitsentgelt im Sinne von § 14
oder Arbeitseinkommen im Sinne von § 15 SGB IV darstellen. Bisher besteht aufgrund einer Rechtsprechungs-
änderung bis zum 30. September 2017 eine Übergangsregelung für die Berücksichtigung von Aufwandsentschä-
digungen von kommunalen Ehrenbeamten als Hinzuverdienst bei Alters- und bei Erwerbsminderungsrenten der
gesetzlichen Rentenversicherung. Diese Übergangsregelung wird über den 30. September 2017 hinaus auf den
30. September 2020 verlängert.

Berlin, den 31. Mai 2017

Peter Weiß (Emmendingen)
Berichterstatter

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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