BT-Drucksache 18/12567

zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Niema Movassat, Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/12366 - Menschenrechtsverletzungen von Unternehmen verbindlich sanktionieren - UN-Treaty-Prozess unterstützen

Vom 31. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12567
18. Wahlperiode 31.05.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Niema Movassat, Inge Höger,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/12366 –

Menschenrechtsverletzungen von Unternehmen verbindlich sanktionieren –
UN-Treaty-Prozess unterstützen

A. Problem
Am 16. Juni 2011 nahm der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (VN) die
„Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte“ („Ruggie-Prinzipien“) an.
Ziel des Rahmenwerkes ist es, Menschenrechtsverletzungen unter Beteiligung
von Unternehmen zu verhindern und die Rechte betroffener Menschen zu stärken.
Mit diesen Prinzipien werden die Staaten dazu aufgefordert, mit freiwilligen und
gesetzlichen Maßnahmen dazu beizutragen, dass die international anerkannten
Menschenrechtsabkommen, die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeits-
organisation (International Labour Organization, ILO) sowie die Kernbestandteile
der internationalen Umweltabkommen entlang der Lieferketten eingehalten wer-
den. Zur Umsetzung der VN-Leitprinzipien auf nationaler Ebene sind die VN-
Mitgliedstaaten aufgefordert, Nationale Aktionspläne (NAPs) zu erarbeiten.

Im Juni 2014 setzte der Menschenrechtsrat der VN auf Initiative von Ecuador und
Südafrika eine Arbeitsgruppe ein, die einen verbindlichen Völkerrechtsvertrag
(„Binding Treaty“) erarbeiten sollte. Die Europäische Union (EU) und die Verei-
nigten Staaten von Amerika (USA) haben geschlossen gegen die Einrichtung die-
ser Arbeitsgruppe gestimmt. Im Sommer 2017 will diese Arbeitsgruppe dennoch
erste Textvorschläge vorlegen.

Am 25. Oktober 2016 hat auch das Europäische Parlament (EP) alle Mitgliedstaa-
ten noch einmal ermahnt, geeignete Maßnahmen zur gesetzlichen Verankerung
menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten zu ergreifen. Frankreich hat als erstes
Land weltweit menschenrechtliche und ökologische Sorgfaltspflichten entlang
der gesamten Lieferkette gesetzlich geregelt; diese gelten ebenso für Tochterun-
ternehmen.

Drucksache 18/12567 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die Bundesregierung beharre nach Auffassung der Antragsteller selbst nach Er-
stellung des NAP „Wirtschaft und Menschenrechte“ auf dem Prinzip eines „Cor-
porate Social Responsibility“ (CSR). Dieses Vorgehen würde nicht über unver-
bindliche, freiwillige Regelungen hinausgehen und keine rechtsverbindlichen
Sanktionen bei Verstößen vorsehen. Auch mit dem im März 2017 verabschiede-
ten Gesetz zur Umsetzung der CSR-Richtlinie (Gesetz zur Stärkung der nichtfi-
nanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlage-
berichten) verpflichte sie nur wenige Unternehmen, über ihre soziale und gesell-
schaftliche Verantwortung bei der transnationalen Geschäftstätigkeit zu berich-
ten. Angesichts fortwährender Verletzung der Sorgfaltspflichten genügten nach
Auffassung der Antragsteller die bisherigen, auf Freiwilligkeit basierenden Initi-
ativen nicht. Insofern bestehe im UN-Treaty-Prozess die historische Chance, erst-
mals ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen zum Schutz der Menschen-
rechte gegenüber Unternehmen zu verabschieden.

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Kosten wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12567
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/12366 abzulehnen.

Berlin, den 31. Mai 2017

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Dagmar G. Wöhrl
Vorsitzende

Tobias Zech
Berichterstatter

Stefan Rebmann
Berichterstatter

Heike Hänsel
Berichterstatterin

Claudia Roth (Augsburg)
Berichterstatterin

Drucksache 18/12567 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Tobias Zech, Stefan Rebmann, Heike Hänsel und Claudia
Roth (Augsburg)

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/12366 in seiner 234. Sitzung am 18.05.2017 beraten
und an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur federführenden Beratung und an
den Auswärtigen Ausschuss, den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, den Ausschuss für Wirtschaft und
Energie und den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die Bundesregierung wird von den Antragstellern aufgefordert, den UN-Treaty-Prozess dahingehend aktiv zu
fördern, dass sie sich für ein verbindliches Vertragswerk zur Regelung der menschenrechtlichen Verantwortung
von Unternehmen einsetzt. Außerdem solle sie in der 2014 vom Menschenrechtsrat der VN eingesetzten Arbeits-
gruppe inhaltlich konstruktiv mitwirken und diese Arbeit finanziell unterstützen.

In diesem Prozess soll die Bundesregierung darauf hinwirken, dass mit dem zu entwickelnden Vertragswerk die
Unterzeichnerstaaten zusagen, ansässige Unternehmen rechtlich auf die Einhaltung der Menschenrechte zu ver-
pflichten, was auch Menschenrechtsverletzungen bei Geschäften im Ausland entlang internationaler Lieferketten,
auch von Tochterunternehmen, beinhalten soll. Dabei sollen die in dem Vertragswerk zu vereinbarenden Normen
rechtlich Vorrang vor Verpflichtungen aus Handels- und Investitionsschutzabkommen haben.

Darüber hinaus sollen mindestens die acht Kernarbeitsnormen der ILO aufgenommen sowie die Möglichkeit für
Betroffene vorgesehen werden, auch im Heimatstaat des Unternehmens ein Klagerecht zu haben.

Weiterhin fordern die Antragsteller die Bundesregierung auf, selbst einen Gesetzentwurf zur verbindlichen Rege-
lung der menschenrechtlichen Verantwortung von Unternehmen im Sinne des Treaty-Prozesses einzubringen.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag auf Drucksache 18/12366 in seiner 96. Sitzung am 31.05.2016 beraten
und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags.

Das Votum des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz lag zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch
nicht vor.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat den Antrag auf Drucksache 18/12366 in seiner 114. Sitzung am
31.05.2017 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen
der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags.

Das Votum des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe lag zum Zeitpunkt der Beschlussfas-
sung noch nicht vor.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat den Antrag auf Drucksache
18/12366 in seiner 84. Sitzung am 31.05.2017 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ab-
lehnung des Antrags.

Die Fraktion DIE LINKE. weist darauf hin, dass man seit langer Zeit Probleme mit der Einhaltung von Men-
schenrechten und sozialen und ökologischen Standards durch multinational agierende Unternehmen in den Län-
dern des Südens habe. Es habe viele Vorläuferinitiativen gegeben, zum Beispiel die Global Compact Initiative,

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12567
die VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte („Ruggy-Prinzipien“), das Textilbündnis der Bundes-
regierung und zuletzt den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte, um dies zu ändern. Allen
Initiativen der Bundesregierung und auch den Freihandelsabkommen, würde aber immer nur das Prinzip Freiwil-
ligkeit zugrunde liegen, ohne dass es die Möglichkeit der Sanktionierung gebe. Darum hätten die Länder des
Südens im Menschenrechtsrat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um verbindliche Regeln für Unternehmen festzule-
gen, die auch sanktionsfähig, also einklagbar seien. Diese Gruppe werde von der EU und den USA nicht nur nicht
unterstützt, sondern schlichtweg abgelehnt. Die Bundesregierung habe hierbei nur eine marginale Beobachterrolle
gespielt. Mit dem Antrag fordere man die Bundesregierung auf, sich aktiv und ohne Vorbedingungen für diese
Arbeitsgruppe einzusetzen und mitzuwirken.

Die Fraktion der CDU/CSU stellt klar, dass es über die Zielsetzung keinen Dissens gebe. Die Koalition habe
sich 2016 dafür entschieden, dieses gemeinsame Ziel über den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschen-
rechte zu erreichen. Auch streite niemand einen möglichen Nachbesserungsbedarf ab; im Aktionsplan sei bereits
eine Evaluierung für das Jahr 2020 vereinbart worden. Insofern sei die Behauptung, die Bundesregierung sei
tatenlos und „stehe auf der Bremse“ schlichtweg falsch. Zudem gehöre Deutschland zu den acht EU-Ländern, die
die Arbeit dieser Arbeitsgruppe aufmerksam beobachte. Es sei nach ihrer Auffassung auch falsch, ohne Vorbe-
dingungen in einen solchen Prozess einzusteigen, denn man müsse Nachhaltigkeits- und Qualitätsaspekten Rech-
nung tragen. Man selbst habe sich für einen Stakeholder orientierten Ansatz entschieden. Genau das sei in dieser
Arbeitsgruppe aber nicht gewährleistet. Nur wenn man die verantwortlichen Unternehmen mit am Verhandlungs-
tisch habe, mache ein solcher Prozess Sinn. Es reiche auch nicht aus, nur über transnationale Unternehmen zu
verhandeln; man müsse dabei auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung die Heimatunternehmen mit
berücksichtigen. Aus diesen Gründen werde man den Antrag ablehnen.

Die Fraktion der SPD schließt sich der Bewertung der Fraktion der CDU/CSU an. Grundsätzlich habe man große
Sympathien für mehr Verbindlichkeit und einen ordentlichen Rechtsrahmen. Man habe inzwischen aber einen
Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte auf den Weg gebracht, den man unterstütze, auch wenn
man selbst ambitioniertere Vorstellungen habe. Der UN-Treaty-Prozess sei nicht, wie behauptet werde, eine Ini-
tiative des Südens gewesen, auch keine Initiative des Menschenrechtsrates, sondern eine Initiative der Länder
Südafrika und Ecuador. Gegen diesen Prozess an sich habe man keine Einwände. Man könne nicht wie die An-
tragsteller behaupten, die Bundesregierung verweigere jegliche Verbesserung der Rechtslage der Opfer von Men-
schenrechtsverletzungen durch deutsche Unternehmen. Schon aus diesem Grunde müsse man den Antrag ableh-
nen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betont, dass das Anliegen der Fraktion DIE LINKE. von ihnen un-
terstützt werde. Über die Frage, wer zum Adressatenkreis der Unternehmensverantwortung gehöre, wenn es um
den Menschenrechtsschutz gehe, die Regierungen, die Parlamente oder die Unternehmen, werde schon sehr lange
gestritten. Nicht weniger lange streite man auch über die Frage, ob diese Verantwortung freiwillig oder gesetzlich
bindend geregelt werden solle. Ihrer Auffassung nach sei es nicht zu verantworten, dass sich die Bundesregierung
ebenso lange und hartnäckig weigere, die Unternehmensverantwortung gesetzlich zu regeln. Auch der Nationale
Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte sei von ihr erst sehr spät vorgelegt worden. Von dem im Koalitions-
vertrag vereinbarten Unternehmensstrafrecht sei heute keine Rede mehr, und die EU-Richtlinien zur Verbesse-
rung der Transparenz in Lieferketten und bei öffentlichen Beschaffungen würden von der Bundesregierung nur
unzureichend umgesetzt. Am Textilbündnis erkenne man, dass das Prinzip Freiwilligkeit seine Grenzen habe.
Anstatt die VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte gegen einen verbindlichen Völkerrechtsvertrag
(„Binding Treaty“) auszuspielen, müsse man beide Initiativen aufgreifen, da sie sich gegenseitig ergänzen wür-
den. Aus diesen Gründen werde man für den Antrag der Fraktion DIE LINKE. stimmen.

Berlin, den 31. Mai 2017

Tobias Zech
Berichterstatter

Stefan Rebmann
Berichterstatter

Heike Hänsel
Berichterstatterin

Claudia Roth (Augsburg)
Berichterstatterin

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