BT-Drucksache 18/12560

Nachtzugverkehr als Teil moderner und klimafreundlicher Mobilität ausbauen – Zehn-Punkte-Plan für ein europäisches Nachtzugnetz

Vom 31. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12560
18. Wahlperiode 31.05.2017
Antrag
der Abgeordneten Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), Markus
Tressel, Dr. Valerie Wilms, Annalena Baerbock, Harald Ebner, Bärbel Höhn,
Sylvia Kotting-Uhl, Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke, Nicole Maisch,
Peter Meiwald, Friedrich Ostendorff, Dr. Julia Verlinden und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Nachtzugverkehr als Teil moderner und klimafreundlicher Mobilität ausbauen –
Zehn-Punkte-Plan für ein europäisches Nachtzugnetz

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Den wachsenden Mobilitätsbedürfnissen der Menschen im nationalen und internatio-
nalen Verkehr steht in Deutschland seit mehreren Jahren ein schrumpfendes Schienen-
verkehrsangebot im Nachtsprung gegenüber. Angesichts des wachsenden Bedarfs an
zeitlich passgenauen, kundenorientierten, klimafreundlichen und ressourcenschonen-
den Mobilitätsangeboten bei Privat- und Geschäftsreisenden wird das fortlaufend
schrumpfende Nachtreiseangebot auf der Schiene vor allem mit den vergleichsweise
hohen Produktionskosten begründet. Die hieraus im Nachtsprung resultierende Be-
schränkung der Mobilitätsangebote weitgehend auf Angebote des Flugverkehrs ist we-
der klimapolitisch noch volkswirtschaftlich nachhaltig. Im Kontext der Verpflichtun-
gen aus dem Klimaschutzabkommen von Paris ist die Bundesrepublik Deutschland
angehalten, den Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaftsordnung einzuschlagen und
für den Mobilitätssektor am 1,5°C-Ziel orientierte Maßnahmen zur ökologischen Mo-
dernisierung abzuleiten.
Nach dem schrittweisen Rückzug der Deutschen Bahn AG aus dem Segment des
Nachtreiseverkehrs mit Schlafwagen und der vollständigen Einstellung dieses Seg-
ments zum Fahrplanwechsel 2016/17 existiert in Deutschland nur noch ein rudimen-
täres Angebot an entsprechenden langlaufenden Nachtzuglinien innerhalb Deutsch-
lands. Mit der Übernahme des Nachtreiseangebots durch die Österreichischen Bundes-
bahnen (ÖBB) ist eine gegenüber den Vorjahren deutlich geschrumpfte Fahrleistung
von klassischen Schlafwagenzügen in Deutschland gesichert worden. Ergänzt wird
dieses Angebot durch einzelne ICE- und Intercity-Züge der Deutschen Bahn zwischen
nationalen Destinationen, welche in kein zusammenhängendes europäisches Nacht-
zugnetz eingebunden sind. Internationale Ziele in den Nachbarstaaten Deutschlands
sind nur noch vereinzelt in angemessener Zeit im Nachtsprung erreichbar. Für diese
beschränkt sich das Mobilitätsangebot nunmehr nur noch auf Angebote der Flugge-
sellschaften und Fernbusanbieter.

Drucksache 18/12560 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Auf Grund der verkehrspolitischen und klimapolitischen Herausforderungen und der
herausgehobenen geografischen Lage Deutschland in der Mitte Europas ist ein ange-
botsorientiertes europäisches Nachtzugnetz auf der Grundlage eines „Deutschland-
Taktes“ und einer internationalen Vertriebsplattform ein entscheidender Beitrag zur
spürbaren Erweiterung des Nachtzugverkehrs in Deutschland.

II. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich auf europäischer Ebene für einen fairen Wettbewerb der Verkehrsträger ein-
zusetzen, so dass der nationale und internationale Nachtzugverkehr gegenüber
den bestehenden Angeboten des Luftverkehrs deutlich an Wettbewerbsfähigkeit
gewinnt;

2. sich auf europäischer Ebene für eine zielstrebige technische und administrative
Harmonisierung des Eisenbahnverkehrs in Europa einzusetzen mit dem Ziel, den
grenzüberschreitenden Personenfernverkehr und Nachtzugverkehr attraktiver zu
gestalten;

3. sich auf europäischer Ebene für die zielgerichtete Entwicklung eines Nachtzug-
netzes einzusetzen, welches die Nutzung von Hochgeschwindigkeitsstrecken um-
fasst, so dass das Zurücklegen längerer Distanzen im Nachtsprung als im derzei-
tigen Nachtzugverkehr ermöglicht wird und folglich die Wettbewerbsfähigkeit
des Nachtzugverkehrs innerhalb Europas deutlich erhöht wird;

4. sich auf europäischer Ebene für eine einheitliche Buchungsplattform für alle An-
gebote des Schienenpersonenfernverkehrs und Nachtzugverkehrs einzusetzen,
die im Gebiet der Europäischen Union verkehren;

5. einen „Deutschland-Takt“ als deutschlandweiten Taktfahrplan zu konzipieren
und hieraus einen Zielfahrplan für ein europäisches Nachtzugnetz zu entwickeln,
der zur Grundlage für die Weiterentwicklung des nationalen und grenzüberschrei-
tenden Nachtzugverkehrs gelegt wird;

6. die durchschnittliche Trassenpreisentwicklung für den Betrieb von Nachtzügen
in Deutschland seit der Fahrplanperiode 2007/08 zu evaluieren und hierfür einen
Bericht seitens der Regulierungsbehörde zur finanziellen Situation der Betreiber
der Schienenwege im Hinblick auf die Kostendeckung in den drei für den Ver-
kehrsdienst des Schienenpersonenfernverkehrs relevanten und zeitlich gegenei-
nander abgegrenzten Verkehrssegmenten „Nacht“, „Basic“ und „Metro Tag“ dar-
zustellen. Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes erhalten Gelegen-
heit, innerhalb einer von der Regulierungsbehörde zu setzenden angemessenen
Frist zu dem Berichtsentwurf Stellung zu nehmen. Ein solcher Bericht über die
durchschnittliche Trassenpreisentwicklung im Nachtzugverkehr und die finanzi-
elle Situation der Betreiber der Schienenwege aus der Entwicklung des Nacht-
zugverkehrs ist alle drei Jahre, erstmals zum 31. Dezember 2018, vorzulegen;

7. schnellstmöglich dem Deutschen Bundestag einen Vorschlag für eine Reform der
Trassenpreisfestlegung nach § 36 Abs. 1 ERegG vorzulegen, mit dem Ziel, die
Trassenpreise im deutschen Schienennetz nach dem Grenzkostenprinzip zu be-
messen und so zu einer erhöhten Wettbewerbsfähigkeit des Schienenpersonen-
fernverkehrs und somit des Nachtzugverkehrs beizutragen;

8. als Vertreterin des Eigentümers der Deutschen Bahn AG mit dem Vorstand der
Deutschen Bahn AG in Gespräche über die Bildung einer Kooperation mit wei-
teren europäischen Eisenbahnverkehrsgesellschaften in den Nachbarstaaten
Deutschlands einzutreten mit dem Ziel, den europäischen Nachtzugverkehr unter
einer gemeinsamen Dachmarke weiterzuentwickeln und auszuweiten, Tarife auf
internationalen Verbindungen zu harmonisieren und Kundenrabatte gegenseitig
anzuerkennen. Nach Abschluss der Gespräche hat die Bundesregierung dem Aus-
schuss für Verkehr und digitale Infrastruktur über die Ergebnisse zu informieren;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12560
9. als Vertreterin des Eigentümers der Deutschen Bahn AG mit dem Vorstand der

Deutschen Bahn AG in Gespräche einzutreten, mit dem Ziel, nicht mehr genutzte
Zuggarnituren mittels europaweiter Ausschreibung an andere Eisenbahnver-
kehrsunternehmen zu veräußern. Nach Abschluss der Gespräche hat die Bundes-
regierung den Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur über die Ergeb-
nisse zu informieren;

10. sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass jede Bürgerin und jeder Bür-
ger der Europäischen Union bei Vollendung des 18. Lebensjahres kostenfrei ein
Interrail-Ticket zur Nutzung im europäischen Schienenpersonenfernverkehr er-
hält und so eine niedrigschwellige Gelegenheit ermöglicht wird, das Reisen im
europäischen Fern- und Nachtzugverkehr als attraktive, moderne und klima-
freundliche Mobilität zu erleben.

Berlin, den 30. Mai 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.