BT-Drucksache 18/12532

Ermittlungen zum so genannten Lasermann als mögliche Blaupause für den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU)

Vom 24. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12532
18. Wahlperiode 24.05.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Martina Renner, Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion
DIE LINKE.

Ermittlungen zum so genannten Lasermann als mögliche Blaupause für den
Nationalsozialistischen Untergrund (NSU)

Im Zuge der Ermittlungen nach der Selbstenttarnung des „Nationalsozialistischen
Untergrunds“ (NSU) am 4. November 2011 übermittelte das Bundesamt für Ver-
fassungsschutz den Ermittlungsbehörden und dem 1. Parlamentarischen Untersu-
chungsausschuss zum NSU u. a. Informationen über den so genannten Laserman,
den deutsch-schwedischen Staatsbürger John W. A. Ausonius, der im Zeitraum
von August 1991 bis Januar 1992 in Stockholm und Uppsala (Schweden) zehn
rassistische Mordanschläge auf insgesamt elf Migranten verübte. Eines der Opfer
starb, alle weiteren wurden zum Teil schwer verletzt. John Ausonius benutzte für
seine Mordanschläge ein Gewehr mit Laservorrichtung – das führte auch dazu,
dass er in der schwedischen Öffentlichkeit als „Laser Man“ bezeichnet wurde –
und einen Revolver. Seinen Lebensunterhalt finanzierte er u. a. durch 18 Bank-
überfälle (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14600, S. 163). Zur Tatbegehung bei
den Banküberfällen benutzte er zumeist ein Fahrrad; zu seinen Mordanschlägen
fuhr er oft mit Mietfahrzeugen (vgl. Gellert Tamas „Der Lasermann“, Vom Eli-
teschüler zum Serientäter, 2007, Militzke Verlag, Leipzig). John Ausonius hielt
sich bis zu seiner Festnahme im Juni 1992 mehrfach in Deutschland auf. Er be-
kannte sich erst im Jahr 2000 zu seiner Täterschaft; seine rassistische Mordan-
schlagsserie wurde jedoch schon im Tatzeitpunkt von Neonazis international
wahrgenommen und im so genannten Field Manual der Blood&Honour-Bewe-
gung als Vorbild gefeiert. Im Januar 2012 stellte das Bundesamt für Verfassungs-
schutz fest: „Es besteht die Möglichkeit, dass die Jenaer Rechtsextremisten durch
die im Jahr 2000 veröffentlichte Publikation ,Field Manual‘ Kenntnis von den
durch Ausonius verübten Anschlägen auf Ausländer erhalten haben und dessen
Vorgehensweise als ,Blaupause‘ für die Taten des ,Trios‘ diente. Zudem bestan-
den zwischen der deutschen und skandinavischen ,Blood&Honour‘-Bewegung
insbesondere Ende der 1990er Jahre und zu Beginn des neuen Jahrtausends Kon-
takte, durch die das ,Trio‘ möglicherweise über die Vorgehensweise und Taten
des Ausonius informiert war“ (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14600, S. 164,
S. 855). Die schwedische Neonaziterrorgruppe „Weißer Arischer Widerstand“
(WAW) druckte ein T-Shirt mit der Aufschrift „Der Lasermann – ein Lichtblick
im Dasein“ und schrieb in ihrer Zeitschrift bewundernd über den Lasermann:
„Sein Name und sein Symbol, der rote Laserpunkt, verbreiten Angst und Schre-
cken in der Rassemischgesellschaft und bei den dafür Verantwortlichen. Ist er ein
Vorkämpfer eines totalen Rassenkrieges oder ist er ein einsamer Rächer (…)?“
(vgl. Gellert Tamas, Der Lasermann, S. 264). Mitglieder des WAW hatten inten-
sive Kontakte zu deutschen Neonazis, u. a. zu Blood&Honour-Aktivisten (vgl.
Drahtzieher im Braunen Netz: Der Wiederaufbau der NSDAP, Ein Handbuch des
antifaschistischen Autorenkollektivs, ID Archiv (Hg.), 1992). Laut Gellert Tamas

Drucksache 18/12532 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

„Der Lasermann“ hielt sich John Ausonius bis zu seiner Festnahme im Juni 1992
mehrfach in Deutschland auf und nutzte dabei auch einen deutschen Reisepass
auf den Namen Manfred Tilo Ulbrich, der am 17. Februar 1992 in Dresden aus-
gestellt worden sei. Gellert, der ausführliche Interviews mit John Ausonius in der
Haft geführt hat, schreibt u. a. „Ab Herbst 1989 pendelt John zwischen Deutsch-
land und Schweden“ (vgl. Der Lasermann, S. 246).
Zwischenzeitlich wurde John Ausonius nach Deutschland ausgeliefert und An-
klage gegen ihn wegen des Mordes an der damals 68-jährigen Blanka Z. – eine
Garderobenfrau jüdischer Herkunft – am 23. Februar 1992 in Frankfurt am Main
(www.welt.de/vermischtes/article160338546/Schweden-liefert-Lasermann-nach-
Deutschland-aus.html, www.fr.de/rhein-main/kriminalitaet/auslieferung-nach-
frankfurt-lasermann-kommt-vor-gericht-a-1275099) erhoben.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Haben das Bundeskriminalamt (BKA) oder eine andere Bundesbehörde nach

Kenntnis der Bundesregierung aufgrund der Analyse des Bundesamtes für
Verfassungsschutz vom Januar 2012 von John Ausonius als möglicher
„Blaupause“ für den NSU (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14600, S. 164, S.
855) inzwischen die Aufenthaltsorte von John Ausonius in Deutschland er-
mittelt (wenn ja, bitte unter Angabe von Daten, Orten, möglichen Kontakten
zu Aktivisten der extremen Rechten in Deutschland aufschlüsseln)?

2. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob die Personen in Dresden, die
John Ausonius während seiner Aufenthalte in Deutschland besuchte und die
ihm falsche Ausweispapiere zur Verfügung gestellt haben sollen, insbeson-
dere den Pass auf den Namen Manfred Tilo Ulbrich, der am 17. Februar 1992
in Dresden ausgestellt worden sein soll (vgl. Gellert Tamas, Der Lasermann),
Kontakte zur extremen Rechten hatten bzw. Aktivisten in der extremen
Rechten waren oder sind?

3. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob die Personen in Dresden, die
John Ausonius während seiner Aufenthalte in Deutschland besuchte und die
ihm falsche Ausweispapiere auf den Namen Manfred Tilo Ulbrich zur Ver-
fügung gestellt haben sollen (vgl. Gellert Tamas, Der Lasermann), vor und/o-
der seit Januar 2012 zeugenschaftlich vernommen wurden (wenn ja, bitte
auflisten, wann, und durch welche Behörden)?

4. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob gegen Kontaktpersonen von
John Ausonius in Deutschland eigenständige Ermittlungsverfahren eingelei-
tet wurden?

5. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob John Ausonius für seine Auf-
enthalte in Deutschland weitere falsche Ausweispapiere o. Ä. nutzte, und
wenn ja, welche dies waren, und woher diese stammten?

6. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die von John Ausonius
genutzten Aliaspersonalien wie beispielsweise „Manfred Tilo Ulbrich“, de-
ren Verwendung oder etwaige Weitergabe an Dritte?

7. Sind im Zuge der Ermittlungen zum Mord an Blanka Z. nach Kenntnis der
Bundesregierung DNA-Spuren ausgewertet worden, und wenn ja, wann, und
mit welchen Ergebnissen?

8. Wurden im Zuge der Ermittlungen zum Mord an Blanka Z. nach Kenntnis
der Bundesregierung auch Computer, Datenträger, elektronische Kalender
u. a. aufgefunden und ausgewertet (bitte auflisten, wann und wo was aufge-
funden, und durch welche Behörde ausgewertet wurde)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12532
9. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob John Ausonius bei seinem
Aufenthalt in Berlin im Februar 1992 (vgl. Gellert Tamas, Der Lasermann,
S. 447) Kontakte zur extremen Rechten hatte bzw. Aktivisten in der extre-
men Rechten in Berlin traf (bitte einzeln auflisten, wann zu welchen Perso-
nen Kontakt bestand)?

10. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob deutsche Ermittlungsbehör-
den im Wege der Amtshilfe Kontakt zu schwedischen Sicherheits- und Straf-
verfolgungsbehörden vor und nach dem 4. November 2011 hatten in Bezug
auf die Aufenthaltsorte und Kontaktpersonen des John Ausonius in Deutsch-
land (wenn ja, bitte nach Daten und Behörden in Deutschland und Schweden
aufschlüsseln)?

Berlin, den 23. Mai 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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