BT-Drucksache 18/125

Möglichkeiten der Vernichtung syrischer Chemiewaffen in Deutschland

Vom 2. Dezember 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/125
18. Wahlperiode 02.12.2013
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Katja Keul, Omid Nouripour,
Dr. Frithjof Schmidt und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Möglichkeiten der Vernichtung syrischer Chemiewaffen in Deutschland

Die Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OVCW) hat entschieden,
dass bis zum 5. Februar 2014 das komplette syrische Chemiewaffenarsenal
außer Landes gebracht werden muss. Albanien hat es kürzlich abgelehnt, die Ver-
nichtung der syrischen Chemiewaffen durchzuführen. Deutschland könnte mit
seiner langjährigen praktischen Abrüstungsexpertise im Bereich der Chemie-
waffen einen engagierten Beitrag zur Vernichtung liefern. Da es auf die Vernich-
tung von Chemiewaffen spezialisierte Unternehmen in Deutschland gibt, sollte
geprüft werden, ob eine Vernichtung hierzulande möglich ist. Ebenso muss un-
tersucht werden, wie der Transport der syrischen Chemiewaffen nicht nur unter
höchsten technischen Sicherheitsmaßnahmen, sondern auch im Einklang mit
den Bestimmungen der Chemiewaffenkonvention durchgeführt werden kann.
Aus den deutschen Chemikalienlieferungen an Syrien bis zum Jahr 2011 (vgl.
ZEIT ONLINE vom 30. September 2013) ergibt sich auch eine Verantwortung,
die Vernichtung maßgeblich zu unterstützen.
Mitglieder und Vertreter der Bundesregierung haben sich hinsichtlich des deut-
schen Beitrags zur Vernichtung syrischer Chemiewaffen in den letzten Wochen
widersprüchlich geäußert. So sagte der Bundesminister des Auswärtigen,
Dr. Guido Westerwelle, im September 2013 „Wir haben bei der Vernichtung von
Chemiewaffen erhebliche Erfahrung und auch entsprechende Programme“
(www.zeit.de). Auch der außen- und sicherheitspolitische Berater der Bundes-
kanzlerin, Christoph Heusgen, erklärte am Dienstag, den 18. November 2013:
„Es ist gar nicht ausgeschlossen, dass auch Deutschland einen Beitrag leistet“.
Niemand sage, dass „in Deutschland nicht auch nachgedacht wird über be-
stimmte Produkte, die wir hier vernichten können“ (http://augengeradeaus.net).
Am gleichen Tag äußerte sich Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle ge-
genteilig: Die Frage einer Vernichtung der syrischen Chemiewaffenbestände in
Deutschland stelle sich nicht, „weil es wirklich aus unserer Sicht weit geeig-
netere Regionen und Wege gibt“ (www.handelsblatt.com). Der Sprecher der
Bundesregierung, Steffen Seibert, bekräftigte dies gegenüber „Reuters Deutsch-
land“ am Mittwoch, den 20. November 2013: „Es ist für uns nicht denkbar, dass
die Vernichtung in Deutschland stattfindet“. Eine Begründung dieser Aussagen
blieb bisher aus.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wurde die Bundesregierung von offizieller Seite oder auf informellem Weg

angefragt, ob ein Teil des syrischen Chemiewaffenarsenals bzw. der zur Her-
stellung benötigten Vorprodukte in Deutschland vernichtet werden können,
und wenn ja, von wem?

Drucksache 18/125 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
a) Um welche Mengen welcher Stoffe der rund 1 000 Tonnen würde es sich
handeln?

b) Wie wurde die Anfrage – im Wortlaut – beantwortet?
c) Wenn keine Anfrage erfolgt ist, hat die Bundesregierung eine Vernichtung

von syrischen Chemiewaffen oder ihrer Komponenten in Deutschland
eigeninitiativ angeboten?

2. Gab es Vorgespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Vereinten Natio-
nen oder der OVCW bzw. mit Vertreterinnen und Vertretern anderer Staaten
über eine mögliche Vernichtung syrischer Chemiewaffen in Deutschland?
Wenn ja, was war der Gegenstand dieser Gespräche, und zu welchem Ergeb-
nis kamen sie?

3. Welche Gründe sprechen nach Auffassung der Bundesregierung für und wel-
che gegen die Vernichtung eines Teils des syrischen Chemiewaffenarsenals
in Deutschland (bitte detaillierte Erklärung)?
a) Was spricht nach Auffassung der Bundesregierung für und was gegen die

Vernichtung eines Teils des syrischen Chemiewaffenarsenals bei der
Gesellschaft zur Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und Rüstungs-
altlasten (GEKA) mbh in Munster?

b) Hat die Bundesregierung mit der GEKA mbH oder anderen Betreibern in-
frage kommender Unternehmen erste Gespräche geführt bzw. sind solche
geplant?

c) Welche Komponenten der syrischen Chemiewaffenbestände könnten in
welchen Mengen und in welchem Zeitraum in Deutschland, zum Beispiel
in Munster, vernichtet werden?
aa) Welche Komponenten davon können dauerhaft nicht in Munster ver-

nichtet werden?
bb) Welche Komponenten können nach leichten Umbaumaßnahmen in

Munster vernichtet werden?
d) Ist die GEKA mbH gegebenenfalls dazu in der Lage, Komponenten von

mittels Hydrolyse unschädlich gemachten Teilen des syrischen Chemie-
waffenpotentials zu vernichten?

e) Kann die Kapazität der GEKA mbH erhöht werden, und welche Mehr-
kosten würden hierfür entstehen?

f) Wie bewertet die Bundesregierung mögliche Gefahren für die Bevölke-
rung durch die Vernichtung von Teilen des syrischen Chemiewaffenarse-
nals in Deutschland, und welche Vorkehrungen sollen hier ggf. getroffen
werden, um diesen entgegenzuwirken?

4. Wie ist die Aussage des Sprechers der Bundesregierung, Steffen Seibert, in
der Bundespressekonferenz am 20. November 2013 „Die Vorstellung, dass
die syrischen Chemiewaffen in Deutschland vernichtet werden, ist allerdings
für die Bundesregierung nicht denkbar.“ mit der Aussage des außen- und
sicherheitspolitischen Beraters der Bundeskanzlerin, Christoph Heusgen,
vereinbar, der bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. in
Berlin am 19. November 2013 zu dieser Frage wie folgt Stellung nahm: „Wir
stehen auch zu unserer Verantwortung, und es gibt ja auch deutsche
Unternehmen. Es gibt Orte hier in Deutschland, wo man etwas machen kann.
Es ist gar nicht ausgeschlossen, dass auch Deutschland den Beitrag leistet.“?
Auf welche Unternehmen und Orte bezog sich der außen- und sicherheits-
politische Berater der Bundeskanzlerin, Christoph Heusgen, dabei?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/125
5. Unter welchen Bedingungen lässt sich der Abtransport der syrischen
Chemiewaffen in ein anderes Land zur Vernichtung mit den Bestimmungen
der Chemiewaffenkonvention vereinbaren?

6. Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über die Transportmög-
lichkeiten von Chemiewaffen aus Syrien heraus?

7. Inwiefern ist die Bundesregierung der Auffassung, dass ein etwaiger Ab-
transport der chemischen Kampfstoffe bzw. ihrer Bestandteile aus Syrien
heraus besonderer Absicherungen gegen Angriffe bedarf, und inwieweit er-
wägt die Bundesregierung hier eine entsprechende Beteiligung?
Wenn nein, warum nicht?

8. Wie könnte ein sicherer Transport und eine sichere Lagerung der syrischen
Chemiewaffen ermöglicht werden?

9. Hat die Bundesregierung Unterstützung für den Transport der chemischen
Kampfstoffe von syrischem Kriegsgebiet geprüft?
Wenn ja, welche Maßnahmen, und wie wurde entschieden?

10. Welche Regionen erachtet die Bundesregierung als besser geeignet, und
warum (vgl. Äußerung von Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle in
der Vorbemerkung der Fragesteller)?

11. Wenn eine Vernichtung auch von Teilen des syrischen Chemiewaffenarse-
nals nach Auffassung der Bundesregierung in Deutschland nicht möglich
ist, welche alternativen unterstützenden Maßnahmen sollten von deutscher
Seite ergriffen werden, und warum?

12. Welche finanziellen und/oder technischen Zusagen hat die Bundesregie-
rung bisher für einen Beitrag zur Vernichtung des syrischen Chemiewaffen-
arsenals gegeben?

13. Unterstützt die Bundesregierung die Pläne, die Vernichtung der Chemie-
waffen auf Hoher See vorzunehmen, wie von Seiten der OVCW diskutiert
wurde (bitte begründen)?

14. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung auch in Russland entsprechende
Anlagen, die zur Vernichtung entsprechender Komponenten der syrischen
Chemiewaffenbestände geeignet wären?
a) In welcher Höhe hat das Auswärtige Amt oder ein anderes Bundesminis-

terium den Bau von Vernichtungsanlagen und die Vernichtung von
Chemiewaffen in Russland finanziell unterstützt?

b) Ist die Bundesregierung an Russland herangetreten, um gegebenenfalls
für eine Vernichtung in diesen Anlagen zu werben?
Wenn ja, wie war die Reaktion?
Wenn nein, wieso nicht?

15. Welche Methode wurde in Potschep, wo in deutsch-russischer Kooperation
seit dem Jahr 2008 ein Bestand von rund 5 745 Tonnen des Nervenkampf-
stoffes Sarin vernichtet wurde (vgl. Auswärtiges Amt vom 20. September
2013 „Deutschland unterstützt russische Förderation beim Bau von Chemie-
waffen-Vernichtungsanlagen“), angewandt?
a) Inwiefern ergeben sich aus dieser Kooperation von deutscher und/oder

russischer Seite konkrete Unterstützungsoptionen für die Vernichtung
syrischer Chemiewaffen?

b) Wo und unter welchen Sicherheitsvorkehrungen werden die Abfallpro-
dukte gelagert?

Drucksache 18/125 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
c) Welche Methoden könnten für die Vernichtung syrischer Chemiewaffen
übernommen werden?

Berlin, den 2. Dezember 2013

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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