BT-Drucksache 18/12435

Übermittlung von Daten über Asylsuchende und Beteiligung des Verfassungsschutzes an Asyl-Anhörungen

Vom 17. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12435
18. Wahlperiode 17.05.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Jan Korte, Martina Renner,
Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Übermittlung von Daten über Asylsuchende und Beteiligung des
Verfassungsschutzes an Asyl-Anhörungen

Nach Medienberichten nehmen Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungs-
schutz (BfV) an Anhörungen von Asylsuchenden teil (DER SPIEGEL,
18. März 2017). Damit verdichten sich Informationen, die den Fragestellern seit
Herbst 2016 vorliegen (vgl. Bundestagsdrucksache 18/10585). Nach Angaben
des „Spiegels“ hat das BfV für die „Flüchtlingsaufklärung“ einen personellen
Mehrbedarf von rund 250 Stellen bis 2019 angemeldet.
Nach Auffassung der Fragesteller ist die unmittelbare Teilnahme von Geheim-
dienstleuten bei Anhörungen von Asylsuchenden mit den Interessen der Flücht-
linge nicht zu vereinbaren. Die Asylsuchenden müssen sich darauf verlassen kön-
nen, dass die Befragung tatsächlich allein dem Ziel dient, ihren Asylantrag zu
prüfen. Wenn sie aber Grund zur Annahme haben, dass ihnen nicht nur ein Mit-
arbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), sondern auch
ein Geheimdienstler gegenübersitzt, ändert dies den Charakter der Anhörung ent-
scheidend. Da Asylsuchende – genauso wie alle anderen Bürger – nicht überbli-
cken können, was die Geheimdienste mit ihren Angaben machen und wo die In-
formationen letztlich landen, müssen sie im schlimmsten Fall davon ausgehen,
sich selbst oder ihre Angehörigen in den Herkunftsländern zu gefährden. Zudem
besteht das Risiko, dass sie aufgrund ihres Kontakts zu einem deutschen Geheim-
dienst in den Fokus staatlicher oder auch nichtstaatlicher Verfolger in ihrer Hei-
mat geraten, was einen möglichen Nachfluchtgrund darstellt.
Den Fragestellern sind zudem keine Hinweise der Bundesregierung bekannt, wa-
rum von der früheren Praxis – einzelfallweise Übermittlung von Informationen
durch das BAMF an das BfV – durch eine unmittelbare Präsenz des BfV bei den
Anhörungen abgewichen werden sollte.
Die Bundesregierung hat auf Bundestagsdrucksache 18/10585 die Antwort auf
Fragen zu den Kriterien für den Sicherheitsabgleich und zur Rolle des BfV bei
den Anhörungen unter Hinweis auf Gründe des „Staatswohls“ verweigert und sie
auch nicht in eingestufter Form übermittelt. Die Fragesteller halten diese kom-
plette Antwortverweigerung für unverhältnismäßig. Aufgrund des hohen Stellen-
wertes, den das Grundgesetz dem Grundrecht auf Asyl einräumt, ist es im öffent-
lichen Interesse, über eine mögliche Gefährdung dieses Rechtes durch die Präsenz
von Geheimdienstmitarbeitern informiert zu werden. Dass mögliche Beobach-
tungsziele hierdurch in relevantem Umfang „Einzelheiten“ über das Vorgehen
des BfV erführen, ist aus Sicht der Fragesteller nicht zu befürchten und müsste
durch die Bundesregierung gegebenenfalls ausführlich begründet und nicht ledig-
lich behauptet werden. Durch die Kooperation des BfV mit dem BAMF hat oh-
nehin schon ein erheblicher Personenkreis Kenntnis davon, dieser Sachverhalt

Drucksache 18/12435 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

schwächt bereits für sich das Erfordernis einer absoluten Geheimhaltung ab.
Wenn das BfV seine Tätigkeiten auslagert und andere Behörden mit hineinzieht,
kann es nicht den gleichen Geheimhaltungsanspruch einfordern, wie wenn es al-
leine in eigener Zuständigkeit handelt. Vor dem Hintergrund der hohen Bedeu-
tung des parlamentarischen Fragerechts fordern die Fragesteller die Bundesregie-
rung deswegen dazu auf, ihre diesbezügliche Position zu überdenken und wenigs-
tens eine konkrete Begründung zu liefern, sollte sie weiterhin keine, auch nicht
eingestufte, Informationen zu dieser Frage erteilen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwiefern gibt es aus Sicht der Bundesregierung eine ausreichende Rechts-

grundlage für eine Teilnahme von BfV-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern
bei Anhörungen Asylsuchender im BAMF?
Inwiefern gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung eine solche Rechts-
grundlage für die mögliche Teilnahme von Angehörigen der Landesämter für
Verfassungsschutz (LfV)?
a) Inwiefern müssen Asylsuchende nach Rechtsauffassung der Bundesregie-

rung davon in Kenntnis gesetzt werden, wenn Geheimdienstmitarbeiter
bei der Anhörung anwesend sind?

b) Inwiefern können nach Rechtsauffassung der Bundesregierung Geheim-
dienstangehörige, sofern sie bei Anhörungen anwesend sind, darin auch
einen aktiven Part einnehmen, indem sie zum Beispiel direkt Fragen an
den Asylsuchenden richten, bzw. inwiefern müssen sie sich auf bloßes
Zuhören beschränken?

c) Inwieweit können nach Rechtsauffassung der Bundesregierung Geheim-
dienstangehörige auf die Fragestellungen einer Anhörung einwirken, in-
dem sie z. B. im Vorfeld mit den Anhörern des BAMF Fragen oder Inhalte
absprechen?

2. Welche Angaben hinsichtlich der Praxis und des Umfangs des Einsatzes von
BfV-Mitarbeitern bei Asylanhörungen kann die Bundesregierung machen?
a) Welche Defizite sieht die Bundesregierung beim bisherigen Verfahren der

Informationsübermittlung seitens des BAMF (ohne direkte Anwesenheit
von BfV-Mitarbeitern)?

b) Inwiefern hat die Anwesenheit des BfV bislang Erkenntnisse erbracht, die
auf Grundlage der früher schon möglichen Informationsübermittlung sei-
tens des BAMF nicht möglich gewesen wären (bitte soweit möglich aus-
führen)?

3. Nehmen nach Kenntnis der Bundesregierung Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
ter von LfV an Anhörungen teil, und wenn ja, welche weiteren Angaben kann
die Bundesregierung hierzu machen?

4. Wurde die mögliche Teilnahme von Angehörigen des BfV und gegebenen-
falls weiterer Geheimdienste an Anhörungen im Gemeinsamen Terrorismus-
Abwehrzentrum (GTAZ) oder im Gemeinsamen Extremismus- und Terro-
rismusabwehrzentrum (GETZ) besprochen, und wenn ja, welche Positionen
wurden dabei vertreten, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesre-
gierung hieraus?

5. Inwiefern trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass ein (bewuss-
ter oder ggf. auch unbewusster) Kontakt von Asylsuchenden mit einem deut-
schen Geheimdienst Nachfluchtgründe verursachen kann?

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6. Wie bewertet die Bundesregierung das Risiko, dass potentielle Verfolger ei-
nes Asylsuchenden davon ausgehen, dass dieser im Rahmen seiner Anhö-
rung im BAMF auch mit Geheimdienstvertretern spricht (wissentlich oder
unwissentlich), und ihn deswegen bei einer möglichen Rückkehr umso eher
in den Fokus nehmen, und wie wird dies im Rahmen von Asylanhörungen
berücksichtigt?
Inwiefern gibt es hierzu Entscheidungsgrundsätze bzw. Richtlinien für An-
hörer und Entscheider?

7. In welchem Umfang wurden
a) seit dem letzten Stichtag am 9. November 2016,
b) seit 1. Januar 2017
Daten aus dem Ausländerzentralregister jeweils an das BfV, die LfV, den
Bundesnachrichtendienst (BND) und den Militärischen Abschirmdienst
(MAD) übermittelt?
In welchem Umfang wurden bislang im Jahr 2017 Daten aus dem Auslän-
derzentralregister im automatisierten Verfahren durch jeweils welche Be-
hörde abgerufen?

8. Welche Verwendungszwecke wurden bei Datenabrufen aus dem Ausländer-
zentralregister im automatisierten Verfahren durch die berechtigten Behör-
den angegeben (bitte Gesamtwerte für die einzelnen Verwendungszwecke
nennen)?

9. Welche Behörden haben bislang Anträge zum automatisierten Abruf einge-
reicht, und welche haben ihre Zulassung erhalten?

10. Welche aktuellen Angaben kann die Bundesregierung zum Stand der Ent-
wicklung des Stichprobenverfahrens nach § 22 Absatz 3 des Gesetzes über
das Ausländerzentralregister (AZRG) machen?

11. Welche Angaben kann die Bundesregierung, nach nochmaliger Überlegung,
zu den Kriterien machen, nach denen Befrager des BAMF potentiell interes-
sierende Fälle an das BAMF-interne „Sicherheitsreferat“ melden sollen?

12. Bei welchen Herkunftsländern bzw. Personengruppen erfolgen derzeit Si-
cherheitsabgleiche (vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 6 auf Bun-
destagsdrucksache 18/10585)?
Wie häufig wurde ein solcher Sicherheitsabgleich in der Vergangenheit vor-
genommen (bitte die Werte für das Jahr 2016 sowie seit Beginn des Jah-
res 2017 jeweils getrennt darstellen)?

13. Wie oft erfolgte seitens
a) der Polizeien,
b) des BND,
c) des BfV, und
d) des MAD
eine Rückmeldung an das BAMF (vgl. Antwort der Bundesregierung zu
Frage 11 auf Bundestagsdrucksache 18/10585), und wie häufig wurde da-
raufhin vom BAMF Asylberechtigung, Flüchtlingsschutz bzw. subsidiärer
Schutz versagt?
Welche weiteren Erkenntnisse hat das BAMF aus diesen Rückmeldungen
gewonnen?

Drucksache 18/12435 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus diesen Rückmel-
dungen (erbetene Zeiträume: Werte für 2016 sowie seit 1. Januar 2017, bitte
getrennt darstellen)?

14. Wie häufig haben das BfV, der BND und der MAD Daten über Asylsuchende
infolge des Sicherheitsabgleichs an Staatsanwaltschaften bzw. Polizeibehör-
den übermittelt, und inwiefern wurden infolge dessen Ermittlungsverfahren
eingeleitet (bitte soweit möglich nach Strafvorwürfen aufgliedern)?

15. In wie vielen Fällen erfolgten im Jahr 2017 Befragungen von Asylsuchenden
durch den BND?
Finden solche Befragungen (was für die Freiwilligkeit der Teilnahme von
Relevanz ist) grundsätzlich erst nach rechtskräftigem Abschluss des Asyl-
verfahrens statt, und wenn nein, wie häufig fanden sie im Jahr 2017 schon
vorher statt?

16. Wie erklärt die Bundesregierung den Anstieg der Meldungen, die das BAMF
an den BND macht, von 462 im Jahr 2015 auf 1 350 von Januar bis Oktober
2016 (netzpolitik.org vom 12. Dezember 2016)?

17. Residieren Beamte ausländischer Sicherheitsbehörden wenigstens zeitweise
in Gebäuden des BAMF (wenn ja, bitte nach Land, Behörde, Zweck und je-
weiliger Tätigkeit aufschlüsseln)?

Berlin, den 16. Mai 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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