BT-Drucksache 18/12434

zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Katja Kipping, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/10891 - Gesetzliche Rente stärken, Rentenniveau anheben und die solidarische Mindestrente einführen

Vom 18. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12434
18. Wahlperiode 18.05.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann
(Zwickau), Katja Kipping, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/10891 –

Gesetzliche Rente stärken, Rentenniveau anheben und die solidarische
Mindestrente einführen

A. Problem
Die antragstellende Fraktion kritisiert, dass die gesetzliche Rente in Deutschland
zunehmend nicht mehr den mit der Erwerbsarbeit geschaffenen Lebensstandard
im Alter sichere. Die Gefahr, dass sich Altersarmut bis in die Mitte der Gesell-
schaft ausbreite, werde immer größer. Bis zum Jahr 2045 werde die Rente voraus-
sichtlich mehr als ein Fünftel an Wert verloren haben.

B. Lösung
Die Fraktion DIE LINKE. fordert gesetzliche Regelungen, orientiert u. a. an den
Eckpunkten:
In einem einkommensbasierten Rentensystem würden mit guter Arbeit und guten
Löhnen die Grundlagen für eine gute Rente im Alter geschaffen. Daher solle künf-
tig jede Stunde Erwerbsarbeit der Sozialversicherungspflicht unterworfen wer-
den. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz müsse im Sinne der Leiharbeitskräfte
dahingehend geändert werden, dass das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“
ab dem ersten Einsatztag ohne Ausnahme festgeschrieben, ein 10-prozentiger Fle-
xibilitätszuschlag eingeführt und Leiharbeit strikt begrenzt werde. Ferner sichere
eine gute Rente den erarbeiteten Lebensstandard. Niemand solle hinter den Stan-
dard zurückfallen, der während der Erwerbsphase erreicht worden sei. Daher
werde das Rentenniveau (Sicherungsniveau vor Steuern) als Sicherungsziel der
gesetzlichen Rentenversicherung wieder in den Mittelpunkt der Rentenpolitik ge-
rückt. Im Gegenzug sei die staatliche Förderung der zusätzlichen Altersvorsorge
einzustellen. Darüber hinaus seien zunächst die gesetzlichen Beitragssatzober-
grenzen zur allgemeinen Rentenversicherung aufzuheben. Die Dämpfungsfakto-
ren (Riester- und Nachhaltigkeitsfaktor) in der Rentenanpassungsformel würden
gestrichen und die bislang durch die Dämpfungsfaktoren und gesetzlichen Null-
Runden bewirkte Senkung des Rentenniveaus über einen anpassungserhöhenden
Rückholfaktor schrittweise ausgeglichen, sodass das Rentenniveau von aktuell
48 Prozent (2016) wieder auf mindestens 53 Prozent angehoben und dort stabili-
siert werden könne. Eine neue Rentenanpassungsformel werde eingesetzt, die

Drucksache 18/12434 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
wieder dem Anpassungsgrundsatz „die Rente folgt den Löhnen“ entspreche. Der
Kreis der Pflichtversicherten sei deutlich auszuweiten. Zudem solle niemand
mehr im Alter in Armut leben müssen u. v. a. m.
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE.

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Kostenberechnungen wurden nicht angestellt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12434
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 18/10891 abzulehnen.

Berlin, den 17. Mai 2017

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Gabriele Schmidt (Ühlingen)
StellvertretendeVorsitzende

Peter Weiß (Emmendingen)
Berichterstatter
Drucksache 18/12434 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht des Abgeordneten Peter Weiß (Emmendingen)

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 18/10891 ist in der 231. Sitzung des Deutschen Bundestages am 27. April 2017 an
den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung sowie an den Finanzausschuss zur Mitbera-
tung überwiesen worden.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die antragstellende Fraktion verweist darauf, dass die Angst vor dem sozialen Abstieg und vor Armut im Alter
zu den großen Zukunftssorgen gehöre. Eine repräsentative Umfrage der IG Metall zeige: „Fast zwei Drittel der
Bürgerinnen und Bürger sind mit Blick auf ihre persönliche Rente pessimistisch: 64 Prozent der Befragten glau-
ben nicht, dass sie von ihrer Rente im Alter gut leben können. Unter den 18- bis 34-Jährigen gehen fast drei Viertel
(73 Prozent) davon aus, dass sie überhaupt nicht oder eher nicht gut von ihrer Rente werden leben können“. Diese
deprimierende Einschätzung der Menschen sei Folge der Leistungskürzungen in der gesetzlichen Rentenversi-
cherung seit der Jahrtausendwende. Die politisch aufgerissenen Sicherungslücken sowie die daraus resultierende
Akzeptanzkrise der gesetzlichen Rentenversicherung seien nur zu überwinden, wenn die Leistungsansprüche
spürbar verbessert würden. Erwerbseinkommen von deutlich unter 12 Euro die Stunde seien nicht ausreichend,
um existenzsichernde Rentenansprüche aufbauen zu können. Mit dem sinkenden Rentenniveau werde die Fehl-
entwicklung am Arbeitsmarkt zusätzlich verschärft. Arbeit müsse für alle existenzsichernd, planbar, geschlech-
tergerecht und tariflich abgesichert im Sinne eines „neuen Normalarbeitsverhältnis“ gestaltet werden.
Gute Arbeit führe dann zu guten Renten, wenn das Leistungsniveau der gesetzlichen Rente angehoben werde. Die
Rentnerinnen und Rentner seien durch entsprechende Rentensteigerungen am Zuwachs des gesellschaftlichen
Reichtums zu beteiligen. Eine Politik, die trotz steigender Beiträge auf niedrige Leistungen setze, verwische die
Grenzen zwischen der leistungsbezogenen Rente und der bedarfsorientierten Grundsicherung im Alter. Reichten
im Jahr 2000 noch 24,3 Entgeltpunkte aus, um allein mit der Rente den durchschnittlichen Bruttobedarf der
Grundsicherung decken zu können, so seien hierfür aktuell 30,3 Entgeltpunkte erforderlich.
Um den weiteren schleichenden Wertverlust der Renten zu verhindern, müssten die Renten ohne Ausnahmen
wieder den Löhnen folgen.

III. Stellungnahmen des mitberatenden Ausschusses

Der Finanzausschuss hat den Antrag auf Drucksache 18/10891 in seiner Sitzung am 17. Mai 2017 beraten und
dem Deutschen Bundestag mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Antrag auf Drucksache 18/10891 in seiner 117. Sitzung am
17. Mai 2017 beraten und dem Deutschen Bundestag mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung empfohlen.
Die Fraktion der CDU/CSU lehnte den Antrag ab. Alle darin enthaltenen Forderungen seien in dieser Wahlpe-
riode bereits mehrfach ausgiebig diskutiert und abgelehnt worden. Die Fraktion lehne diese Sammlung von For-
derungen und den damit verbundenen Überbietungswettbewerb der Versprechungen ab. Es sei kein Zufall, dass
auch die anderen Fraktionen diese Forderungen nicht teilten. Sie seien finanziell nicht machbar. An eine Reali-
sierung glaubten auch die Bürger und Bürgerinnen nicht. Der demographische Wandel erfordere vielmehr eine
nachhaltige Finanzierung der Renten. Wenn man dies versäume, liege die Alternative absehbar in deutlichen Ren-
tensenkungen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12434
Die Fraktion der SPD kritisierte den Antrag. Der Überschrift „Gesetzliche Rente stärken, Rentenniveau anheben
und die solidarische Mindestrente einführen“ könnte die Fraktion vom Prinzip her zustimmen. Aber der Antrag
selber sei fachlich nicht gut gemacht, nicht stimmig und blende aktuelles Regierungshandeln aus. Falsch sei der
Vorschlag, den Mindestlohn politisch festlegen zu wollen. Die SPD habe sich aus guten Gründen dafür entschie-
den, durch Gesetz hiermit eine Kommission zu beauftragen – wie es jetzt geltendes Recht sei. Das sei eine gute
Lösung. Der Antrag lasse die Finanzierungsseite völlig außen vor. Es bedürfe aber vielmehr einer doppelten Hal-
telinie, die sowohl ein gutes Rentenniveau als auch die Frage der Finanzierung berücksichtige. Darüber hinaus
ignorierten die Antragsteller alle Verbesserungen, die die Koalition bereits auf den Weg gebracht habe. Das gelte
u. a. für die Angleichung der Renten in den alten und den neuen Bundesländern wie auch für die Leistungsver-
besserungen bei der Erwerbsminderungsrente. Man werde den Antrag daher ablehnen.
Die Fraktion DIE LINKE. forderte, dass die Rente den im Erwerbsleben erarbeiteten Lebensstandard sichern
und wirkungsvoll vor Altersarmut schützen müsse. Zu den wesentlichen Forderungen gehöre daher die Anhebung
des Rentenniveaus von aktuell 48,2 Prozent auf wieder 53 Prozent. Man wolle zudem zur paritätischen Finanzie-
rung der Alterssicherung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber zurückkehren, statt die Arbeitnehmer mit den Bei-
trägen etwa zur Riesterrente einseitig zu belasten. Die Fraktion wolle den Solidarausgleich stärken und u. a. die
Rente nach Mindestentgeltpunkten entfristen. Zudem sollten alle Menschen in die gesetzliche Rentenversicherung
einbezogen und so die Basis für die Rente verbreitert werden. Auch müsse der dritte Entgeltpunkt für die Mütter-
rente zur Anerkennung der Kindererziehungsleistung endlich eingeführt werden und der Renteneintritt wieder
regulär mit 65 Jahren erfolgen. Um die Finanzierung zu sichern, solle u. a. die Beitragsbemessungsgrenze mittel-
fristig deutlich angehoben und langfristig abgeschafft werden, die Beiträge angehoben und eine Beitragsäquiva-
lenzgrenze eingeführt werden.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kritisierte den Antrag ebenfalls. Zwar könne man sich einzelnen
Forderungen, wie der Erweiterung der Versichertengruppe, anschließen. Aber insbesondere die Kombination der
einzelnen Forderungen werde einer alternden Gesellschaft nicht gerecht und wäre in keiner Hinsicht finanzierbar.
So passe zu der steigenden Lebenserwartung in dieser Gesellschaft der von den Antragstellern vorgesehene
frühere Renteneintritt nicht. In dem Antrag seien diese Forderungen zudem nicht finanziell hinterlegt und es liege
auf der Hand, dass eine Finanzierung nicht realisierbar sei. Insgesamt sei der Antrag nicht glaubwürdig. Die Frak-
tion werde ihn ablehnen.

Berlin, den 17. Mai 2017

Peter Weiß (Emmendingen)
Berichterstatter

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