BT-Drucksache 18/12409

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/8420 - Inklusive Bildung für alle - Ausbau inklusiver Schulen fördern b) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/8421 - Inklusive Bildung für alle - Ausbau inklusiver Bildung in der beruflichen Bildung umsetzen c) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Matthias W. Birkwald und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/8889 - Inklusive Bildung für alle - Ausbau inklusiver Bildung in der Kindertagesbetreuung umsetzen d) zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/9127 - Inklusive Bildung für alle - Ausbau inklusiver Hochschulen fördern

Vom 18. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12409
18. Wahlperiode 18.05.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
(18. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach,
Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE.
– Drucksache 18/8420 –

Inklusive Bildung für alle – Ausbau inklusiver Schulen fördern

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach,
Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE.
– Drucksache 18/8421 –

Inklusive Bildung für alle – Ausbau inklusiver Bildung in der beruflichen
Bildung umsetzen

c) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach,
Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE.
– Drucksache 18/8889 –

Inklusive Bildung für alle – Ausbau inklusiver Bildung in der
Kindertagesbetreuung umsetzen

Drucksache 18/12409 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

d) zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie Hein,
Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/9127 –

Inklusive Bildung für alle – Ausbau inklusiver Hochschulen fördern

A. Problem
Die Deutsche UNESCO-Kommission definiert Inklusion im Bildungsbereich,
„dass allen Menschen die gleichen Möglichkeiten offen stehen, an qualitativ
hochwertiger Bildung teilzunehmen und ihre Potenziale zu entwickeln, unabhän-
gig von besonderen Lernbedürfnissen, Geschlecht, sozialen und ökonomischen
Voraussetzungen.“ Deutschland hat der UN-Behindertenrechtskommission (UN
BRK) im Dezember 2008 zugestimmt und sich damit zur Inklusion verpflichtet.
Die Fraktion DIE LINKE. geht in ihren vier Anträgen von einem weiten Inklusi-
onsbegriff aus, der nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern alle Men-
schen mit ihrer individuellen Herkunft sowie ihren Voraussetzungen und Bedürf-
nissen umfasst. Die Antragsteller identifizieren im deutschen Bildungssystem er-
hebliche Exklusionsrisiken, u. a. aufgrund von körperlichen, geistigen und seeli-
schen Behinderungen, sozialen Benachteiligungen, Geschlecht und Herkunft.

B. Lösung
Die Fraktion DIE LINKE. fordert, Inklusion als gesamtgesellschaftliche Aufgabe
zu begreifen, das „Kooperationsverbot“ zwischen Bund und Ländern aufzuheben
und die Gemeinschaftsaufgabe Bildung im Grundgesetz zu verankern.

Der Deutsche Bundestag soll die Bundesregierung auffordern, die Inklusions-
hemmnisse mit einem umfangreichen Maßnahmenbündel in Kindertagesstätten,
Schulen, Hochschulen und in der Beruflichen Bildung gemeinsam mit Ländern,
Kommunen und weiteren relevanten Partnern zu überwinden. Ferner soll ein In-
vestitionsprogramm „Inklusive Bildung“ auf den Weg gebracht werden.

Zu Buchstabe a

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/8420 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Zu Buchstabe b

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/8421 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12409
Zu Buchstabe c

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/8889 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Zu Buchstabe d

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/9127 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.
bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen
Annahme der Anträge.

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Drucksache 18/12409 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Antrag auf Drucksache 18/8420 abzulehnen;

b) den Antrag auf Drucksache 18/8421 abzulehnen;

c) den Antrag auf Drucksache 18/8889 abzulehnen;

d) den Antrag auf Drucksache 18/9127 abzulehnen.

Berlin, den 18. Januar 2017

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Patricia Lips
Vorsitzende

Xaver Jung
Berichterstatter

Oliver Kaczmarek
Berichterstatter

Dr. Rosemarie Hein
Berichterstatterin

Özcan Mutlu
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12409
Bericht der Abgeordneten Xaver Jung, Oliver Kacmarek, Dr. Rosemarie Hein und
Özcan Mutlu

I. Überweisung

Zu Buchstabe a

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/8420 in seiner 183. Sitzung am 7. Juli 2016 beraten
und dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur federführenden Beratung sowie
dem Ausschuss für Arbeit und Soziales und dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Mitbe-
ratung überwiesen.

Zu Buchstabe b

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/8421 in seiner 176. Sitzung am 6. Juni 2016 beraten
und dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur federführenden Beratung sowie
dem Ausschuss für Arbeit und Soziales und dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Mitbe-
ratung überwiesen.

Zu Buchstabe c

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/8889 in seiner 183. Sitzung am 7. Juli 2016 beraten
und dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur federführenden Beratung sowie
dem Innenausschuss, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales und dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend zur Mitberatung überwiesen.

Zu Buchstabe d

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/9127 in seiner 206. Sitzung am 1. Dezember 2016
beraten und dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur federführenden Beratung
sowie dem Ausschuss für Arbeit und Soziales und dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur
Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Die nachfolgenden einleitenden Ausführungen betreffen alle vier Anträge der Fraktion DIE LINKE. zur Inklu-
sion. Sie werden daher nur einmal aufgeführt:

Die Deutsche UNESCO-Kommission definiert Inklusion im Bildungsbereich, „dass allen Menschen die gleichen
Möglichkeiten offen stehen, an qualitativ hochwertiger Bildung teilzunehmen und ihre Potenziale zu entwickeln,
unabhängig von besonderen Lernbedürfnissen, Geschlecht, sozialen und ökonomischen Voraussetzungen.“
Deutschland hat der UN-Behindertenrechtskommission (UN BRK) im Dezember 2008 zugestimmt und sich da-
mit zur Inklusion verpflichtet. Die Fraktion DIE LINKE. geht in ihren vier Anträgen von einem weiten Inklusi-
onsbegriff aus, der nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern alle Menschen mit ihrer individuellen Her-
kunft sowie ihren Voraussetzungen und Bedürfnissen umfasst. Die Antragsteller identifizieren im deutschen Bil-
dungssystem erhebliche Exklusionsrisiken, u. a. aufgrund von körperlichen, geistigen und seelischen Behinde-
rungen, sozialen Benachteiligungen, Geschlecht und Herkunft.

Die Fraktion DIE LINKE. fordert, Inklusion als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu begreifen, das „Kooperati-
onsverbot“ zwischen Bund und Ländern aufzuheben und die Gemeinschaftsaufgabe Bildung im Grundgesetz zu
verankern.

Der Deutsche Bundestag soll die Bundesregierung auffordern, die Inklusionshemmnisse mit einem umfangrei-
chen Maßnahmenbündel in Kindertagesstätten, Schulen, Hochschulen und in der Beruflichen Bildung gemeinsam

Drucksache 18/12409 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
mit Ländern, Kommunen und weiteren relevanten Partnern zu überwinden. Ferner soll ein Investitionsprogramm
„Inklusive Bildung“ auf den Weg gebracht werden.

Zu Buchstabe a

Nach Auffassung der Fraktion DIE LINKE. verhindert das derzeitige gegliederte Schulsystem eine erfolgreiche
und konsequente Inklusion, und die meisten Absolventinnen und Absolventen von Förderschulen verließen diese
ohne einen Schulabschluss. Nach der 2015 von Klaus Klemm im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung vorgelegten
Studie würden inzwischen 31,4 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit festgestelltem Förderbedarf in Regel-
schulen unterrichtet. Aber außer in den drei Stadtstaaten und Schleswig-Holstein seien in allen anderen Ländern
die Exklusionsquoten größer als die Inklusionsquoten. Die Bereitschaft zur inklusiven Bildung sei in unterschied-
lichen Schulen und Schulformen unterschiedlich stark ausgeprägt; sie konzentriere sich hauptsächlich auf Grund-
schulen und nichtgymnasiale Schulformen.

Die Antragsteller kritisieren, dass inklusionsbezogene politische Vorgaben unklar definiert seien und Inklusion
vorrangig auf Behinderungen und sonderpädagogischen Förderbedarf bezogen werde. Sie fordern jedoch eine am
Individuum ausgerichtete neue Lehr- und Lernkultur und in die inklusive Bildung ebenfalls sozial Benachteiligte,
Hochbegabte, Menschen mit Zuwanderungshintergrund und auch Geflüchtete, unabhängig vom Aufenthaltssta-
tus, einzubeziehen.

Inklusive Bildung erfordere nicht nur gut vorbereitete Lehrkräfte und andere pädagogische und therapeutische
Fachkräfte, sondern teilweise auch andere Lehr- und Lernmittel, eine andere technische und räumliche Ausstat-
tung der Schulen und des Schulumfeldes und auch Schulgebäude mit adäquaten Arbeits- und Lernbedingungen.

Vor dem Hintergrund solle das sogenannte Kooperationsverbot aufgehoben, eine parlamentarische Enquete-Kom-
mission einberufen, ein Investitionsprogramm „Inklusive Bildung“ initiiert, verbindliche bundesweite Handlungs-
empfehlungen und Standards für die inklusive Schule einschließlich personeller, baulicher und technischer Aus-
stattung entwickelt werden.

Schließlich solle die Bundesregierung aufgefordert werden, sich u.a. dafür einzusetzen, dass alle Fachkräfte ihrer
Qualifikation und dem hohen Anspruch ihrer Tätigkeit entsprechend tariflich eingruppiert und auch bezahlt wer-
den, ein Ganztagsschulprogramm auf den Weg zu bringen, in Zusammenarbeit mit den Ländern und Kommunen
ein Netz von barrierefreien Beratungs- und Unterstützungssystemen vor Ort zu befördern, die Öffentlichkeitsar-
beit für Inklusive Bildung zu verbessern und die empirische Bildungsforschung an den Anforderungen inklusiver
Bildung auszurichten.

Zu Buchstabe b

Die Fraktion DIE LINKE. hält die Berufsbildung für den Bereich mit dem größten Nachholbedarf in der Umset-
zung inklusiver Bildung. Junge Menschen mit und ohne Behinderungen und ungeachtet anderer Benachteiligun-
gen müssten das gleiche Recht auf berufliche Aus- und Weiterbildung haben. Die größten Defizite identifiziere
sie in der beruflichen Bildung von Menschen mit Behinderungen. Insbesondere der Übergang von der Schule in
die Berufsbildung sei grundlegend für eine erfolgreiche Teilhabe an der Arbeitswelt.

Allerdings gebe es keine verlässlichen Daten und statistische Erfassungen von Menschen mit Behinderungen nach
Beendigung ihres Besuchs allgemeinbildender Schulen. Nach Schätzungen der Bertelsmann-Studie absolvierten
von 50.000 jungen Menschen mit Behinderungen, die jährlich die Schule verließen, 16.500 eine berufsvorberei-
tende Maßnahme, weitere 10.000 eine Ausbildung in Fachpraktiker- oder Sonderberufen. Nur ca. 5.000 machten
eine außerbetriebliche anerkannte Ausbildung, und lediglich 3.500 nähmen eine betrieblich-duale Berufsausbil-
dung auf. Auch wenn das Berufsbildungsgesetz und die Handwerksordnung keine Zugangsvoraussetzungen für
die Aufnahme einer Berufsausbildung enthielten, schreckten Betriebe jedoch aus unterschiedlichen Gründen da-
vor zurück, Auszubildende mit Behinderungen oder besonderen Unterstützungs- und Förderbedarfen aufzuneh-
men. Sie würden auf das Übergangssystem verwiesen, würden oftmals in Sonderberufen ausgebildet oder durch-
liefen berufsvorbereitende Maßnahmen in Sondereinrichtungen oder außerbetrieblichen Bildungsgängen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/12409
Die Fraktion DIE LINKE. weist darauf hin, dass die Bundesregierung zwar zahlreiche Projekte der Inklusion von
Menschen mit Behinderungen in den Ausbildungsmarkt fördere, diese deckten aber bei weitem nicht den aktuel-
len Bedarf. Es fehle darüber hinaus auch eine wirksame Strategie der inklusiven Gestaltung der beruflichen Bil-
dung.

Die Bundesregierung solle daher zu einem umfangreichen Maßnahmenbündel zur Förderung der Inklusion in der
Berufsbildung in der Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern, Kommunen, der Bundesagentur für Arbeit und
Betrieben aufgefordert werden. Im Einzelnen soll u. a. ein Investitionsprogramm „Inklusive Bildung“ aufgelegt,
das sogenannte „Kooperationsverbot“ zwischen Bund und Ländern als inklusionshindernd aufgehoben, die not-
wendige Länderfinanzierung gesichert, die Schulsozialarbeit an berufsbildenden Schulen eingeführt und die Be-
rufsorientierungsmöglichkeiten von Schülerinnen und Schülern ausgebaut werden. Ferner sei das Instrument der
Assistierten Ausbildung zu reformieren, eine Qualifizierungsoffensive für Lehrkräfte an Berufsschulen sowie
Ausbilderinnen und Ausbilder in inklusiver Berufsbildung zu starten und die Möglichkeit steuerlicher Vergünsti-
gungen als Anreize für die Ausbildung behinderter Menschen zu prüfen.

Zu Buchstabe c

Die Fraktion DIE LINKE. führt aus, dass mit dem Ausbau integrativer Kindertageseinrichtungen der Elementar-
bereich im Unterschied zu anderen Bildungsbereichen im Bemühen um inklusive Bildung am weitesten vorange-
schritten sei. Von 54.536 Tageseinrichtungen böten derzeit 18.572 Tageseinrichtungen eine integrative Betreuung
an. Dem inklusiven Ansatz komme aber auch aufgrund der besonderen Stellung der frühkindlichen Bildung im
gesamten Bildungssystem eine besondere Rolle zu. Inklusive frühkindliche Bildung lege wesentliche Grundlagen
für erfolgreiche Inklusion in den weiterführenden Bildungsbereichen.

Die Antragsteller weisen darauf hin, dass aktuell die Umsetzung inklusiver Pädagogik innerhalb der Kindertages-
einrichtungen bundeslandspezifisch, regional und standortbestimmt sehr unterschiedlich vorangeschritten sei. Es
fehle an bundesweit verbindlichen Regelungen zur Umsetzung der eingegangenen völkerrechtlichen Verpflich-
tung zur Inklusion – auch in Bezug auf die frühkindliche Bildung. Auch in dem letztmalig im Sommer des Jahres
2004 von der Kultusministerkonferenz und der Jugendministerkonferenz beschlossenen „Gemeinsame Rahmen
der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen“ spiele die inklusive Dimension der Elementarbil-
dung keine Rolle. Da die Eingliederungshilfen für Kinder mit Beeinträchtigungen und/oder Benachteiligungen
entsprechend der jeweiligen gesetzlichen Zuständigkeit durch die Träger der Kinder- und Jugendhilfe oder die
Träger der Sozialhilfe geleistet würden, könnten Hilfeleistungen nicht optimal erfolgen.

Die Fraktion sieht auch noch erhebliche Defizite bei den Rahmenbedingungen für eine gute inklusive Bildung in
der Kindertagesbetreuung wie ein flächendeckendes Netz an inklusiv arbeitenden Einrichtungen, ein barriere-
freies und gesundheitsförderndes Umfeld, ausreichendes und gut ausgebildetes Personal sowie einfache Antrags-
verfahren für Eltern. Die Leistungen nach SGB VIII, SGB XII, SGB IX und SGB V müssten an einem Ort zu-
sammengeführt und entbürokratisiert werden, damit zu bewilligende Hilfen unkompliziert und aus einer Hand
geleistet werden könnten.

Die Antragsteller kritisieren, dass seitens des Bundes kein umfangreiches Konzept zur Umsetzung inklusiver Bil-
dung in Kitas festzustellen sei. Der Deutsche Bundestag trage aber Verantwortung dafür, Inklusion auch im Be-
reich der frühkindlichen Bildung im Sinne der Umsetzung der völkerrechtlich verbrieften Menschen- und insbe-
sondere Kinderrechte auf Partizipation, Selbstbestimmung und inklusive Bildung für alle Kinder umzusetzen.

Vor diesem Hintergrund solle die Bundesregierung aufgefordert werden, ein Investitionsprogramm „Inklusive
Bildung“ zum Zwecke der Aufhebung von Barrieren in Gebäuden, bei Transport und Verkehrswegen, bezüglich
Kommunikation und Beratung aufzulegen. Ferner soll sie sich gemeinsam mit dem Bundesrat und der Kultusmi-
nisterkonferenz dazu verpflichten, den Umbau zu einem inklusiven Bildungssystem umgehend in allen Ländern
verbindlich durchzusetzen und die Jugend- und Kultusministerkonferenz dazu angehalten werden, ihren aus dem
Jahre 2004 aufgestellten „Gemeinsamen Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen“
unter Beachtung des Inklusionsindexes für Kitas schnellstmöglich zu aktualisieren und zu präzisieren. Schließlich
soll das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern aufgehoben, die Verteilung bezüglich der Finanzierung
der Kindertagesbetreuung stärker zu Lasten des Bundes gehen, ein Kita-Qualitätsgesetz erarbeitet werden, der

Drucksache 18/12409 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Rechtsanspruch des Kindes auf einen ganztägigen Betreuungsplatz im SGB VIII verankert und notwendige Be-
antragungen entbürokratisiert werden.

Zu Buchstabe d

Die Fraktion DIE LINKE. fordert, dass sich der Deutsche Bundestag für Inklusion im Bereich der Hochschulbil-
dung, z. B. für Studierende mit Kind, Studierende mit Migrationshintergrund, aus Nichtakademikerfamilien und
mit einer studienerschwerenden Beeinträchtigung wie zum Beispiel chronisch Kranke oder Menschen mit Behin-
derungen und Geflüchtete, einsetzt. Obwohl sich die Hochschulen verpflichtet hätten, die Chancengleichheit für
alle Studierenden zu sichern und entsprechende Unterstützungsstrukturen entwickelt hätten, sei es bisher in un-
terschiedlichem Maße gelungen, diese Selbstverpflichtung umzusetzen. Im Studium selbst stünden Studierende
mit studienerschwerenden Beeinträchtigungen häufig vor besonderen Herausforderungen, wie u. a. auch ein er-
höhter Organisationsaufwand, mit dem Studierende mit Behinderung und/oder chronischer Erkrankung im Laufe
ihres Studiums konfrontiert wären. Diese besonderen Erschwernisse führten oft im Vergleich zu anderen Studie-
renden zu längeren Studienzeiten und auch Studienabbrüchen.

Daher soll die Bundesregierung aufgefordert werden, in Zusammenarbeit mit Ländern, Kommunen und Studen-
tenwerken ein Investitionsprogramm „Inklusive Bildung“ auf den Weg zu bringen, um eine umfassende Barrie-
refreiheit bei Neubauten, Mensen und Wohnheimen, im öffentlichen Nahverkehr und der Verkehrswegeplanung
sowie bei der Kommunikation und Beratung zu gewährleisten. Sie soll sich ferner mit dem Bundesrat und der
Kultusministerkonferenz dazu verpflichten, dass der Umbau zu einem inklusiven Bildungssystem umgehend in
allen Ländern durchgesetzt und verbindliche Handlungsempfehlungen und Empfehlungen für personelle Stan-
dards erarbeitet werden. Schließlich solle sie sich für eine Aufhebung des Kooperationsverbots als Inklusions-
hemmnis, Gewährung des BAföG als Vollzuschuss ab dem ersten Semester und eine Anpassung der Curricula
und Studienorganisation an die individuellen Voraussetzungen der Studierenden einsetzen. Im Rahmen eines
„Inklusionspakts“ mit den Ländern unter Einbeziehung der Behindertenselbstvertretungsorganisationen soll sich
die Bundesregierung für weitere strukturelle, finanzielle und personelle Einzelmaßnahmen zur Förderung der
Inklusion an Hochschulen einsetzen.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Zu Buchstabe a

Der mitberatende Ausschuss für Arbeit und Soziales und der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend haben jeweils in ihren Sitzungen am 18. Januar 2017 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag
auf Drucksache 18/8420 abzulehnen.

Zu Buchstabe b

Der mitberatende Ausschuss für Arbeit und Soziales und der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend haben jeweils in ihren Sitzungen am 18. Januar 2017 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag
auf Drucksache 18/8421 abzulehnen.

Zu Buchstabe c

Der mitberatende Innenausschuss, der Ausschuss für Arbeit und Soziales und der Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend haben jeweils in ihren Sitzungen am 18. Januar 2017 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/8889 abzulehnen.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/12409
Zu Buchstabe d

Der mitberatende Ausschuss für Arbeit und Soziales und der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend haben jeweils in ihren Sitzungen am 18. Januar 2017 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/9127 abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat die Anträge in seiner 83. Sitzung
am 18. Januar 2017 abschließend beraten und empfiehlt:

Zu Buchstabe a

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/8420 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Zu Buchstabe b

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/8421 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Zu Buchstabe c

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/8889 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Zu Buchstabe d

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/9127 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Die Fraktion DIE LINKE. weist zunächst auf eine Definition von Inklusion der Deutschen UNESCO-Kommis-
sion in ihren Leitlinien für Inklusion in der Bildungspolitik im Jahr 2014 hin. Danach sei Inklusive Bildung ein
Prozess, der die Kompetenzen im Bildungssystem stärke, die notwendig seien, um alle Lernenden zu erreichen.
Sie berücksichtige die verschiedenen Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Die Fraktion
kritisiert, dass auch mit dem zweiten Nationalen Aktionsplan und mit dem kürzlich verabschiedeten Bundesteil-
habegesetz der Anspruch noch bei weitem nicht eingelöst worden sei. Denn Inklusion betreffe nicht nur Menschen
mit Behinderung, sondern habe ein anderes Gesellschaftskonzept im Blick, das Inklusion und Integration zwei
verschiedenen Systematiken und Strategien zuordne. Es reiche vor diesem Hintergrund noch nicht, die Teilhabe-
rechte und -möglichkeiten von Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten. Vielmehr sei ein komplettes Um-
denken im Herangehen an Bildung, an die Bildungsinhalte, an Strukturen und Strategien im Bildungswesen not-
wendig.

Die Antragsteller erklären, dass nach fünf Jahren Behindertenrechtskonvention im Nationalen Aktionsplan 2.0
immer noch eingestanden werden müsse, dass man eigentlich nicht wisse, wie Inklusive Bildung in den unter-
schiedlichen Bildungseinrichtungen funktionieren könne. Sie empfehlen, die durchaus vorhandenen guten Bei-
spiele in der Praxis anzuschauen. Der im Nationalen Aktionsplan erwähnte Jakob-Muth-Preis zeichne z. B. Schu-
len aus, die Inklusive Bildung beispielhaft umsetzten. Der Weiterbildungsbedarf der Fachkräfte sei groß, denn es
reiche nicht, wenn Fachkräfte für Förderpädagogik an den Schulen ein Kind für zwei Stunden in der Woche
individuell förderten.

Die Fraktion DIE LINKE. warnt, dass die Inklusion scheitere, wenn „pfiffige“ Kämmerer und Finanzminister die
Inklusion als ein Sparprogramm missbrauchten. Der gesellschaftliche Mehrwert entstehe erst, wenn Inklusive
Bildung auch individuelle Förderung für jede und jeden einzelnen unabhängig von seiner sozialen Situation und
seiner konkreten persönlichen Lage umfasse. Sie hebt Kindertagesstätten als beispielhaft hervor, weil diese den
integrativen Ansatz viel früher erkannt hätten als andere Bildungseinrichtungen.

Die Ausbildung multiprofessioneller Fachkräfte für Inklusion sei nicht zufriedenstellend, und Schulsanierungs-
programme und Schulbauvorhaben der Kommunen würden nicht inklusionsgerecht durchgeführt.

Drucksache 18/12409 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Zur Situation in der Berufsbildung führt die Fraktion DIE LINKE. aus, dass von etwa 50 000 SchulabgängerInnen,
die ein Handicap hätten, nur 3 500 in dualen Berufen unterkämen. Das Berufsbildungsinstitut habe dazu umfas-
sende Analysen und Vorschläge vorgelegt, die in entsprechende Gesetze wie das Berufsbildungsgesetz umgesetzt
werden müssten.

Die Fraktion schließt ihre Berichterstattung mit dem Hinweis, dass die Umsetzung der Inklusion eine gesamtge-
sellschaftliche Aufgabe sei und Inklusionsstrategien mit rechtlichen Vereinbarungen und nötigen Finanzierungen
über Kommunen, Länder und den Bund in die Tat umgesetzt werden müssten.

Die Fraktion der CDU/CSU schließt sich zunächst den wesentlichen Einschätzungen der individuellen Förde-
rung von Menschen über Inklusive Bildung der Fraktion DIE LINKE. an. Die Verantwortung dafür liege aber bei
den Ländern. Deutschland befinde sich zurzeit zwar in einer Phase der Umstrukturierung, aber trotzdem in einer
sehr guten Situation mit sonderpädagogischen Einrichtungen, Schulen und Förderschulen. Allerdings nehme die
Fraktion in der Bevölkerung eine Überforderung wahr, weil häufig in den Ländern die Quantität und Schnelligkeit
vor der Qualität der Inklusion stehe. Kindern, Eltern, Lehrern und Fachkräften vor Ort werde zu viel zugemutet.

Die Fraktion der CDU/CSU weist darauf hin, dass die wesentlichen Inhalte und Forderungen der Anträge den
Verantwortungsbereich der Länder beträfen und der mehrfach angesprochene Nationale Aktionsplan in der Zu-
ständigkeit des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) liege. Viele der inklusionsspezifischen Fra-
gen würden aber auch im Sinne einer Bewusstseinsänderung gemeinsam zwischen dem Bund und der KMK be-
arbeitet. Die Bemühungen würden aber leider durch zu übereifrige Landesregierungen konterkariert.

Die Fraktion der CDU/CSU weist auf den von den Oppositionsfraktionen oft verwendeten Begriff des Koopera-
tionsverbots hin, der im Grundgesetz jedoch nicht vorkomme. Sie bevorzuge den Begriff „Verantwortungsgaran-
tie“ und führt einige der Kooperationen zwischen Bund und Ländern in der Vergangenheit an, wie die Digitali-
sierung (5 Mrd. Euro), Bildungsinfrastruktur finanzschwacher Kommunen (3,5 Mrd. Euro) und Bewältigung der
Anforderungen im Zusammenhang von Flucht und Migration. Ferner sei eine neue Reform der Bund-Länder-
Finanzbeziehungen beschlossen worden, der die Länder zugestimmt hätten.

Die Fraktion führt weitere Maßnahmen zur Förderung von Menschen mit Behinderungen an wie die Weiterbil-
dungsinitiative frühpädagogischer Fachkräfte (seit 2008), das Ende 2016 verabschiedete Bundesteilhabegesetz,
die Förderausschreibungen zur Professionalisierung der pädagogischen Fachkräfte im Frühjahr 2016 und die im
Frühjahr 2017 beginnende Forschung zur Förderung der Diagnostik. Im Haushalt seien 2,4 Mrd. Euro allein für
die Förderung von Menschen mit Behinderungen vorgesehen, 130 davon für die Förderung schwerbehinderter
Menschen. Schließlich würden ausbildungsbegleitende Hilfen, berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen, Förde-
rung außerbetrieblicher Berufsausbildung, die Einrichtung behindertengerechter Arbeitsplätze und spezialisierte
Teams in Arbeitsagenturen mitfinanziert.

Sie führt aus, dass das von den Hochschulen geforderte Investitionsprogramm „Inklusive Bildung“ nicht im Zu-
ständigkeitsbereich des Bundes liege und die von der Fraktion DIE LINKE. geforderten Änderungen des BAföG
bereits beschlossen worden seien.

Abschließend bemerkt die Fraktion der CDU/CSU, dass mehr solides Wissen, unter welchen Bedingungen Inklu-
sion in der Praxis gelinge, vonnöten sei.

Von Seiten der Fraktion der SPD wird einleitend auf einen Paradigmenwechsel im Bildungssystem angesichts
der Herausforderungen im Umgang mit heterogenen Lerngruppen hingewiesen. Das Fachpersonal in Schulen
müsste für diese Herausforderungen ausreichend qualifiziert werden. Zu bedenken und in der politischen Debatte
aufzugreifen sei, dass behinderte Menschen immer noch stark am Rande der Gesellschaft stünden und dass Inklu-
sion weiter zu fassen sei als die Integration von Menschen mit Behinderung. Angesichts der Geschichte im Um-
gang mit Behinderten und einer ersten Generation von Menschen mit Behinderungen, die auch ein höheres Alter
erreichen könnten, sollten mit ausreichender Zeit die Rechte von Menschen mit Behinderung in den Mittelpunkt
politischer Anstrengungen gestellt werden.

Der Prozess, Inklusion zu verwirklichen, habe in Deutschland bereits unter sehr unterschiedlichen und teilweise
nicht ausreichenden Rahmenbedingungen begonnen, jedoch Ziel und Verfahrenswiese seien insgesamt noch un-
klar. Auch wenn es herausragende Beispiele gäbe, sollten unterschiedliche Wege zugelassen werden und müssten
auch Rückschläge hingenommen werden. Bremen und Schleswig Holstein seien positiv hervorzuheben, da sie

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/12409
bereits frühzeitig Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in allgemeinbildenden Schulen aufgenommen
und Erfolge vorzuweisen hätten.

Die Fraktion der SPD spricht das Thema „Kooperationsverbot“ an. Sie vermute, dass dieser Begriff häufig dann
verwendet werde, wenn dem Thema keine hohe Priorität eingeräumt werde. Das Beispiel der Vereinbarung der
Kultusministerkonferenz mit der Bundesbildungsministerin über ein Programm für die Begabtenförderung zeige
jedoch, dass Bund und Länder gemeinsame Ziele verfolgen könnten, wenn der entsprechende Wille dahinter stehe.

Sie verweist auf den Nachtragshaushalt, mit dem die Große Koalition weitere 3,5 Mrd. Euro für das kommunale
Investitionsprogramm für die Schulsanierung zur Verfügung stellen wolle. Die Fraktion sei der Auffassung, dass
Haushaltsüberschüsse für die Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur verwendet werden sollten. Sie werte es
im Übrigen als einen großen Erfolg, wenn noch in dieser Wahlperiode das Grundgesetz für eine bessere Koope-
ration von Bund und Ländern im Schulbereich geändert werde.

Die Fraktion der SPD führt zur Beruflichen Bildung aus, dass die Assistierte Ausbildung und die ausbildungsbe-
gleitenden Hilfen massiv ausgeweitet worden seien. Für die Diskussion von Reformen sei es ihrer Ansicht nach
aber noch zu früh, denn vielen Betrieben sei das Instrument noch nicht bekannt. Sie kritisiert, dass die Fraktion
DIE LINKE. Werkstätten für Menschen mit Behinderungen als Ort der Exklusion ansähen. Werkstätten müssten
eine wichtige Brücke bei der Berufsorientierung wahrnehmen, und mit dem Bundesteilhabegesetz sei die Mög-
lichkeit gestärkt worden.

An den Hochschulen seien die Zugänge durch sozialpolitische Förderung von Menschen mit Behinderungen deut-
lich erleichtert worden. Im Bundesteilhabegesetz sei zum ersten Mal mit dem Kapitel „Teilhabe an Bildung“ die
Teilhabe sozialpolitisch gesichert worden. Es müssten heilpädagogische oder sonstige Maßnahmen beschrieben
werden, die für einen Hochschulbesuch notwendig seien. Was die Finanzierung angehe, würden für die unabhän-
gige Beratung 60 Mio. Euro zur Verfügung gestellt und insgesamt 800 Mio. Euro pro Jahr zusätzlich für die
Rechte für Menschen mit Behinderung.

Zum Abschluss wolle die Fraktion der SPD denjenigen danken, die unter teilweise widrigen Umständen in ihrem
beruflichen Alltag versuchten, die Inklusive Bildung in den Kindertageseinrichtungen, in den Schulen, in der
beruflichen Bildung und in den Hochschulen voranzubringen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geht auf die Ausführungen der Fraktion der CDU/CSU über die
Zuständigkeiten von Bund und Ländern ein. Sie nehme wahr, dass die Fraktion einerseits Zuständigkeiten für die
Inklusion abstreite, anderseits aber auf Erfolge in diesem Bereich hinweise. Hintergrund seien finanzielle Schwie-
rigkeiten in einzelnen Ländern und das Kooperationsverbot, das immer wieder Sonderprogramme notwendig ma-
che. Ihrer Auffassung nach verabschiedeten sich die Koalitionsfraktionen auch mit der Neuregelung der Bund-
Länder-Beziehungen vom Kooperationsverbot. Dies werde befürwortet, denn auch die jüngste PISA-Studie habe
wieder offenbart, dass Bildungsungerechtigkeit ein Faktum und die „Achillesferse“ des deutschen Bildungssys-
tems sei.

Nach der Studie von Prof. Klaus Klemm von 2015 für die Bertelsmann-Stiftung sei trotz der Ratifizierung der
UN-Behindertenrechtskonvention 2009 im Deutschen Bundestag die Exklusionsrate lediglich um 0,2 Prozent,
von 4,9 Prozent auf 4,7 Prozent, zurückgegangen. Die Fraktion fordere, den Inklusionsbegriff über Menschen mit
Behinderungen hinaus weiter zu fassen. Alle Schülerinnen und Schüler sollten ihren individuellen Voraussetzun-
gen entsprechend die bestmögliche Förderung in den jeweiligen Schulstufen erhalten. Inklusion sollte auf allen
Schulstufen verankert, und die LehrerInnenaus- und -fortbildung darauf fokussiert werden. Auch diesbezüglich
seien die Länder auf die Unterstützung durch den Bund angewiesen.

Zum Schulsanierungsprogramm wird ausgeführt, dass das Vorhaben zwar prinzipiell löblich sei, aber 4,5 Mrd.
Euro in Anbetracht des Sanierungsstaus von 34 Mrd. Euro bei weitem nicht ausreiche. Daher unterstütze die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Anträge der Fraktion DIE LINKE.

Die Fraktion der CDU/CSU widerspricht den Ausführungen der SPD-Fraktion, dass Behinderte immer noch am
Rande der Gesellschaft stünden mit dem Hinweis auf hervorragende Einrichtungen in Deutschland, die engagierte
Arbeit der Sozialverbände und die hohen Ausgaben für diesen Bereich.

Die vorliegenden Anträge befassten sich hauptsächlich mit Inklusion im Bildungsbereich. Und in diesem Zusam-
menhang könne man durchaus unterschiedliche Wege gehen. Man verweise auf die zweifelhaften Maßnahmen

Drucksache 18/12409 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
des thüringischen Ministerpräsidenten Matschie (SPD). Dort seien die Förderschulen abgeschafft und die Schü-
lerinnen und Schüler ohne das Schaffen notwendiger Rahmenbedingungen in allgemeinbildende Schulen überge-
gangen. Die Fraktion der CDU/CSU sei der Auffassung, dass Inklusion nur mit dem Know-how des Personals an
den Förderschulen gelingen könne. Ebenfalls sei zu beklagen, dass das Engagement der verantwortlichen linken
Kultusministerin und der Landrätinnen und Landräte als Schulträger in Thüringen zu wünschen übrig ließe.

Die Fraktion der CDU/CSU müsse zum wiederholten Male darauf hinweisen, dass das Grundgesetz Bund und
Ländern klare Zuständigkeitsbereiche zuordne und der Begriff „Kooperationsverbot“ dort nicht zu finden sei. Vor
dem Hintergrund werde die Fraktion der CDU/CSU den Anträgen der Fraktion DIE LINKE. nicht zustimmen.

Die Fraktion DIE LINKE. stellt in Richtung der Fraktion der CDU/CSU klar, dass sie mit den Anträgen und
Reden keine Schuldzuweisungen in Richtung irgendeiner Partei gemacht hätte. Und wenn sie anstatt des Begriffs
„Kooperationsverbot“ lieber von „Verantwortungsgarantie“ der Länder spreche, wolle man auf die frühere Bil-
dungsministerin Schavan (CDU) hinweisen, die von einem Kooperationsgebot gesprochen habe, dass das Grund-
gesetz aber nicht zulasse.

Sie weist auf Äußerungen von Mitgliedern von Trägern aus dem Bildungs-, Kultur-, Kinder- und Jugendbereich
in Magdeburg hin, dass ein Grund für die schlechten Arbeitsbedingungen das Fehlen klarer, dauerhafter und ver-
lässlicher Regelungen und das häufige Agieren mit kurzfristigen Projekten sei.

Wenn Lehrkräfte an Schulen oder auch Förderschulpädagogen darüber sprächen, dass manche Kinder nicht „in-
kludierbar“ seien, zeige dies, dass noch nicht verstanden worden sei, dass Inklusion ein anderes Gesellschafts-
und Bildungskonzept als Grundlage habe, das niemanden ausschließe. Dies trage natürlich nicht, wenn viele Kin-
der mit unterschiedlichsten Lernvoraussetzungen mit einer Lehrkraft in der Klasse lernten.

Die Antragsteller betonen noch einmal, dass die Fachzuständigkeit für die Inklusion nicht nur allein beim BMAS
angesiedelt sein dürfe. Es handle sich auch um ein Bildungsproblem mit der Zuständigkeit beim BMBF. Man
glaube aber, dass die Bereitschaft, tatsächlich an den grundsätzlichen Strukturen etwas zu ändern, in der Gesell-
schaft, aber eben auch in den Koalitionsfraktionen, noch nicht vorhanden sei.

Die Fraktion führt zwei weitere Beispiele für Inklusionsprobleme an wie unterschiedliche SGB für die Unterstüt-
zung von Kindern mit Behinderungen in der Schule am Vormittag und nachmittags im Rahmen der Hortbetreuung
oder die Problematik einer Lese-Rechtschreibschwäche, die in Sachsen Anhalt bis zur Klasse 10 nicht in die
Bewertung einbezogen werde, jedoch auf dem Abiturzeugnis. Dies führe dort zu Wartesemestern, während Stu-
dienplatzsuchende mit einer Legasthenie in Bayern keine Nachteile zu erwarten hätten.

Was die Funktion der Werkstätten angehe, gebe es offensichtlich unterschiedliche Auffassungen. Sie leisteten
eine wertvolle Arbeit, auf die nicht einfach verzichtet werden könnte. Es gebe aber auch Integrationsbetriebe, die
etwas Ähnliches leisteten, aber nicht allein als „Parkstation“. Vor dem Hintergrund sei die gesellschaftliche De-
batte noch nicht abgeschlossen.

Die Fraktion der SPD erklärt, dass es keine Patentrezepte für eine gelingende Inklusion gebe und bei allen kont-
roversen Debatten gemeinsam um gute Lösungen gerungen werden müsse.

Es sei nicht redlich, wenn die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordere, jetzt endlich zu handeln. Es würden
trotz unterschiedlicher Trägerstrukturen 40 Prozent aller Kinder in einer Kinderbetreuungseinrichtung integrativ
oder inklusiv betreut. Angesichts des hohen finanziellen Aufwands für Inklusive Bildung sei es notwendig, dass
Bund und Länder zusammenarbeiteten. Einer Aufhebung des Kooperationsverbotes – der Begriff stehe zwar nicht
im Grundgesetz, sei aber zwischenzeitlich gebräuchlich – stehe daher die Fraktion der SPD positiv gegenüber.
Allerdings heiße dies nicht, wie es die vorliegenden Anträge suggerierten, dass der Bund dann eine umfassende
Zuständigkeit für Inklusive Bildung in den Kindertageseinrichtungen und Schulen erhielten.

Die Fraktion der SPD kritisiert an den Anträgen der Fraktion DIE LINKE. eine gewisse Ungeduld, wenn sie zum
Beispiel Forderungen einer „unverzüglichen“ Einführung der Beitragsfreiheit oder kostenlosen Essens stelle. Sie
plädiere daher für mehr Realismus. Auch wenn das Kooperationsverbot ein „Hemmschuh“ sei, sollte es möglich
sein, das Thema konstruktiv zu diskutieren und gemeinsam initiativ zu werden. Die Anträge böten dazu viele gute
Ansätze, aber Folgerungen und Forderungen seien teilweise überzogen und übereilt. Daher werde die Fraktion
der SPD den Anträgen nicht zustimmen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/12409
Von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird klargestellt, dass sie den Ländern ihre Bildungsho-
heit nicht absprechen wolle, aber bei den großen bildungspolitischen Herausforderungen wie Inklusion, Digitali-
sierung oder Ganztagsbetreuung eine Zusammenarbeit geboten sei. An die Fraktion der SPD gerichtet führt sie
weiter aus, dass sie offensichtlich im Wesentlichen den Inhalten und Forderungen der Anträge zustimme und
ihnen daher auch zustimmen könne.

Die Fraktion DIE LINKE. wendet sich an die Fraktion der CDU/CSU bezüglich ihrer Kritik der bildungspoliti-
schen Situation in Thüringen. Dort sei die SPD unter der Ministerpräsidentin Lieberknecht der kleinere Koaliti-
onspartner der CDU/CSU gewesen. Daher könne man ihr keine alleinige Verantwortung für die länderspezifi-
schen Probleme in der Bildung zuweisen.

Berlin, den 18. Januar 2017

Xaver Jung
Berichterstatter

Oliver Kaczmarek
Berichterstatter

Dr. Rosemarie Hein
Berichterstatterin

Özcan Mutlu
Berichterstatter

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