BT-Drucksache 18/12343

zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Dr. Gerhard Schick, Anja Hajduk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/10639 - Staaten vor illegitimen Rückzahlungsansprüchen sogenannter Geierfonds wirksam schützen

Vom 15. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12343
18. Wahlperiode 15.05.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Dr. Gerhard Schick, Anja Hajduk,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/10639 –

Staaten vor illegitimen Rückzahlungsansprüchen sogenannter Geierfonds
wirksam schützen

A. Problem
Immer wieder geraten Staaten in Schwierigkeiten, ihre Schulden zu bedienen, und
das sind nicht nur, aber überwiegend, Entwicklungs- und Schwellenländer. Der
Internationale Währungsfonds (IWF) weist vierteljährlich eine beständig zuneh-
mende Zahl von Ländern als Staaten mit „hohem“ oder „mittlerem“ Überschul-
dungsrisiko aus. Das trifft laut Schuldenreport der Nichtregierungsorganisationen
(NROs) erlassjahr.de und MISEREOR auf 108 Länder zu, die einen, mehrere oder
alle Indikatoren im kritischen Bereich aufweisen.

Das internationale Recht sieht bislang keine Insolvenzen von Staaten oder gar ei-
nen rechtlichen Mechanismus zum Umgang damit vor. Solange Forderungen an
Staaten, insbesondere jene von Entwicklungsländern, von multilateralen Instituti-
onen, anderen Staaten oder wenigen großen Finanzinvestoren oder global operie-
renden Banken gehalten wurden, waren Ad-hoc-Verhandlungslösungen, wie im
Pariser Club, ein hinlängliches, aber kein verrechtlichtes Mittel, Zahlungsproble-
men staatlicher Gläubiger zu begegnen.

In den 1980er Jahren sind einige spekulative Investmentfonds gegründet worden,
die sehr umstrittene Geschäfte zu Lasten von Staaten und ihrer Bevölkerung sowie
der übrigen Gläubiger betreiben. Am Sekundärmarkt erwerben diese sogenannten
Geierfonds Staatsanleihen weit unter dem Nennwert, und das geschieht, wenn ein
Staat absehbar oder bereits akut in Zahlungsschwierigkeiten kommt. Obgleich ein
Großteil der Gläubiger sich im Rahmen von Verhandlungen auf einen teilweisen
Erlass der Schulden verständigt, klagen die Fonds vor Gerichten verschiedener
Jurisdiktionen auf den de jure bestehenden Rückzahlungsanspruch samt Zinsen
und Zinseszinsen. Nach Auffassung der Antragsteller geschehen diese Aktivitäten
in vollem Bewusstsein um die negativen Auswirkungen auf die Staaten und deren
Bürgerinnen und Bürger.

Drucksache 18/12343 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die Bundesrepublik Deutschland ist bislang kein bedeutender Finanzplatz, auf
dem Geierfonds aktiv sind, weder als Ort, an dem entsprechende Klagen geführt
werden, noch als Sitz von entsprechenden Investmentgesellschaften. Ob dies
künftig so bleibt, ist offen. Als bevölkerungsreichstem und wirtschaftsstärkstem
Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) sowie in seiner Funktion als Mitglied
der G7, der G20, des Pariser Clubs und der OECD kommt ihm jedoch eine Füh-
rungsrolle und Verantwortung zu, die über die unmittelbare und konkrete Betrof-
fenheit hinausreicht. Es ist daher, nach Auffassung der Antragsteller, insbeson-
dere als Signal an die globale Finanzwelt, entscheidend, dass auch von Deutsch-
land das Signal ausgeht, das illegitime Geschäftsmodell der so genannten Geier-
fonds nicht länger zu dulden. Ein „Anti-Geier-Gesetz“ sollte, so die Antragsteller,
einen notwendigen Zwischenschritt darstellen, der im nationalen bzw. europäi-
schen Rahmen gegangen werden muss, ehe es zu einem global implementierten
Staateninsolvenzverfahren kommt.

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12343
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/10639 abzulehnen.

Berlin, den 29. März 2017

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Dagmar G. Wöhrl
Vorsitzende

Johannes Selle
Berichterstatter

Stefan Rebmann
Berichterstatter

Heike Hänsel
Berichterstatterin

Uwe Kekeritz
Berichterstatter

Drucksache 18/12343 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Johannes Selle, Stefan Rebmann, Heike Hänsel und Uwe
Kekeritz

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache 18/10639 in seiner 209. Sitzung am 15.12.2016 beraten
und an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur federführenden Beratung und an
den Auswärtigen Ausschuss, den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, den Finanzausschuss, den Haus-
haltsausschuss, den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und den Ausschuss Digitale Agenda zur
Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die Antragsteller fordern die Bundesregierung auf, dem Deutschen Bundestag zeitnah einen an den EU-Vorbil-
dern Belgien und Großbritannien orientierten Gesetzentwurf vorzulegen, der Staaten vor illegitimen Rückzah-
lungsansprüchen sogenannter Geierfonds wirksam schützen könne.

Ferner erwarten sie, dass die Bundesregierung im Rahmen der G7, der G20, des Pariser Clubs und der OECD für
eine entsprechende Regelung werbe und auf EU-Ebene auf eine entsprechende EU-Regulierung hinwirke.

Schließlich wird von der Bundesregierung gefordert, dass sie die bei den Vereinten Nationen (VN) laufenden
Prozesse zum Thema Staateninsolvenzregime aktiv mitgestalten solle. Die Umsetzung der auf der Entwicklungs-
finanzierungskonferenz in Addis Abeba 2015 getroffenen Beschlüsse sowie die vereinbarte Folgekonferenz solle
ebenfalls konstruktiv begleitet werden.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Auswärtige Ausschuss hat die Vorlage auf Drucksache 18/10639 in seiner 87. Sitzung am 18.01.2017 bera-
ten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags.

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat die Vorlage auf Drucksache 18/10639 in seiner 138.
Sitzung am 29.03.2017 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags.

Der Finanzausschuss hat die Vorlage auf Drucksache 18/10639 in seiner 108. Sitzung am 29.03.2017 beraten
empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags.

Der Haushaltsausschuss hat die Vorlage auf Drucksache 18/10639 in seiner 100. Sitzung am 22.03.2017 beraten
und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat die Vorlage auf Drucksache 18/10639 in seiner
84. Sitzung am 29.03.2017 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags.

Der Ausschuss Digitale Agenda hat die Vorlage auf Drucksache 18/10639 in seiner 86. Sitzung am 29.03.2017
beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12343

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat die Vorlage in seiner 81. Sitzung
am 29.03.2017 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stim-
men der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erläutert, dass es in diesem Antrag um das Generalthema Staaten-
insolvenz gehe. Die Konsequenzen für die einzelnen Staaten, wenn sie heutzutage insolvent würden, könne man
am Beispiel Griechenland sehen. Aber auch in den 1980er Jahren seien viele Staaten in die Insolvenz gegangen,
und damals habe es keine Regelungen gegeben, wie man damit umgehen sollte. IWF und Weltbank (WB) hätten
daraufhin in den betroffenen Ländern Strukturanpassungsmaßnahmen erzwungen, die fürchterliche Auswirkun-
gen gehabt hätten. Damit wären häufig vernünftige zukünftige Entwicklungen nicht mehr möglich gewesen. Die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sei der Meinung, dass man bei Staateninsolvenzen gesetzlich verbindliche
internationale Regelungen brauche, damit ein ohnehin geschwächter Staat nicht vollends abgleite. Es sei schwie-
rig, Regelungen auf internationaler Ebene zu vereinbaren, und da blockiere auch Deutschland. Über 100 Länder
zeigten im Verschuldungsbereich negative Entwicklungen, und da einige tatsächlich insolvent werden könnten,
müsse man aktiv werden. Belgien und Großbritannien hätten das Thema Geierfonds aufgegriffen und national
geregelt. Die Geierfonds arbeiteten mit viel Geld, würden hervorragende Wirtschaftsanalysen erstellen lassen und
dementsprechend genau wissen, wann Länder zahlungsunfähig würden. Darauf aufbauend würden sie ein oder
zwei Jahre vor der Insolvenz Billigstaatsanleihen kaufen. Wenn sie dann fällig würden, verlangten die Geierfonds
100 Prozent Rückzahlung. Das sei nach Auffassung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein illegitimer
Rückzahlungsanspruch, denn man setze darauf, dass die Staaten nicht mehr in die Lage kämen, sich zu erholen,
und daraus würden sie Kapital generieren. In Belgien habe man das Agieren dieser Fonds so geregelt, dass ein
Geierfonds lediglich einen Rückzahlungsanspruch in Höhe der geleisteten Zahlungen, plus Verzinsung, habe. In
Deutschland wäre das Gleiche machbar, auch wenn es bislang keine Geierfonds gebe, aber man wisse nicht, ob
das in Zukunft so bleibe. So könnte sich durch den Brexit einiges ändern, und deshalb bestehe durchaus Hand-
lungsnotwendigkeit. Ein Feuerlöscher sei ja auch dann sinnvoll und wichtig, wenn es akut nirgendwo brennen
würde.

Die Fraktion der CDU/CSU erklärt, dass man den Antrag ablehnen werde. Die Bundesrepublik Deutschland sei
kein Finanzplatz, auf dem internationale Finanzvereinbarungen geschlossen und vor Gericht verhandelt werden
könnten. Ein Gesetzgebungsverfahren würde dementsprechend ins Leere laufen. Man sei der Überzeugung, dass
Fonds durchaus für Schuldenrestrukturierungen benötigt würden. Die Lösung für das beschriebene Problem wäre
ein internationales Resolvenzverfahren. Insgesamt müsse man die Misswirtschaft eines potenziellen Schulden-
staates kritischer betrachten. Ob ein solches Verfahren Resolvenz- oder Insolvenzverfahren genannt würde, sei
zweitrangig, aber man müsse es erschaffen. Als man im Fall Griechenland festgestellt habe, dass das Land zum
einen seinen Verpflichtungen nicht nachkommen könne, zum anderen ein geordnetes Verfahren gefehlt habe, um
mit der Situation umzugehen, habe man den Handlungsbedarf erkannt, wobei neben anderen auch Deutschland
gegen die Maßnahmen gestimmt habe. Generell müsse man aber an einem solchen Verfahren festhalten. Das
erwähnte Gesetz in Belgien befinde sich vor dem dortigen Bundesverfassungsgericht und werde geprüft. Die
Geierfonds würden so heißen, weil sie sich entsprechend verhalten würden, aber trotzdem benötige man Fonds
und deren Know-how, um Schulden umzustrukturieren und Entwicklung möglich zu machen. Das müsse freilich
geregelt werden.

Die Fraktion der SPD konstatiert, dass es zweifellos so sei, dass die Bundesrepublik Deutschland als einer der
Staaten, die am meisten von der Globalisierung profitieren würden, bei dem Thema eine ganz besondere Verant-
wortung trage. Insofern wäre es notwendig, wenn Deutschland proaktiv agieren würde. Auch wenn man über den
Terminus „Symbolpolitik“ streiten könne, erzeuge sie unzweifelhaft Wirkung. Dementsprechend müsse Deutsch-
land bei G7, G20 und den anderen Organisationen eine klare Position einnehmen. Die Fraktion der SPD sei davon
überzeugt, dass eine nationale Gesetzgebung augenblicklich noch nicht der richtige Weg wäre. Alle seien sich in
der Runde der Ausschussmitglieder einig, dass man in der laufenden 18.Legislaturperiode kein Gesetz mehr auf
den Weg bringen und verabschieden werde. Gleichwohl sei in den vorangegangenen Wahlperioden an einer Lö-
sung gearbeitet worden, und daran könne man nach der Bundestagswahl am 24. September 2017 weiterarbeiten.

Drucksache 18/12343 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die Fraktion der SPD werde den vorliegenden Antrag ablehnen, da dieser suggeriere, das Thema noch bearbeiten
zu können, obwohl auch die Antragsteller wissen müssten, dass nichts mehr passieren werde.

Die Fraktion DIE LINKE. stellt fest, dass man das Thema bereits mehrfach debattiert habe. Es habe dazu An-
träge verschiedener Inhalte gegebenen, wie die Streichung illegitimer Schulden nach dem Vorbild Norwegens
oder das Staateninsolvenzverfahren. Es gebe aber nach wie vor ungenügende Antworten für die Länder des Sü-
dens, die mit jahrzehntelanger Schuldenlast und den katastrophalen Aktivitäten solcher Geierfonds leben müssten,
und die Bundesregierung sei bisher tatenlos geblieben. Den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
unterstütze man, da ein wichtiges Zeichen gesetzt werde, obgleich er sich auf die Geierfonds beschränke, wohin-
gegen die Fraktion DIE LINKE. einen multilateralen Ansatz verfolge. Wenn man beispielsweise im Falle Grie-
chenlands die politische Vereinbarung über einen Schuldenschnitt treffen würde, dann wären auch die Geierfonds
betroffen. Die Fraktion DIE LINKE. werde dem Antrag zustimmen, da es ein erster Schritt sei.

Berlin, den 29. März 2017

Johannes Selle
Berichterstatter

Stefan Rebmann
Berichterstatter

Heike Hänsel
Berichterstatterin

Uwe Kekeritz
Berichterstatter

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Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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