BT-Drucksache 18/12272

Unklare Daten des Ausländerzentralregisters zu Ausreisepflichtigen

Vom 3. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12272
18. Wahlperiode 03.05.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Jan Korte, Martina Renner und
der Fraktion DIE LINKE.

Unklare Daten des Ausländerzentralregisters zu Ausreisepflichtigen

Aus einem „Leitfaden zur Verbesserung der Datenqualität im Ausländerzentral-
register (AZR)“ des „Beauftragten für Flüchtlingsmanagement“ Frank-Jürgen
Weise vom 31. März 2017 ergeben sich erhebliche Zweifel an der Richtigkeit und
Zuverlässigkeit der von der Bundesregierung verwandten Daten zu (angeblich)
ausreisepflichtigen Personen in Deutschland. Von „teils erheblichen Defiziten“
und einer „signifikanten Anzahl inkonsistenter oder unplausibel erscheinender
Datensätze“ ist dort die Rede. Fälschliche Eintragungen zur Ausreisepflicht führ-
ten „zu einer überhöhten Anzahl ausreisepflichtiger Personen im AZR und somit
in offiziellen Statistiken“. Fehlerhafte Datenbestände im AZR hätten eine „außer-
ordentliche Tragweite“, falsche Zahlen könnten zu „verfehlten Strategien führen“
sowie zu „einer verzerrten Debatte über den Umgang mit Ausreisepflichtigen und
die Notwendigkeit politischer Maßnahmen“. „Fehlerhafte Datenbestände können
die politische Berichterstattung und damit die öffentliche Rezeption der Flücht-
lingsthematik negativ beeinflussen“.
Die Fragesteller teilen diese Einschätzung und Besorgnis, denn mit Verweis auf
die Zahl (angeblich) Ausreisepflichtiger werden sowohl aufenthalts- und asyl-
rechtliche Verschärfungen als auch ein härteres Vorgehen bei Abschiebungen
eingefordert. Die Bundesregierung begründet den aktuellen Gesetzentwurf zur
besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht unter anderem mit der Zahl der Aus-
reisepflichtigen und einer zu erwartenden Steigerung (Bundestagsdrucksache
18/11546). In einem Vorentwurf zu diesem Gesetz vom Oktober 2016 war fälsch-
lich prognostiziert worden, dass die Zahl der Ausreisepflichtigen bis Ende 2016
um mindestens 100 000 ansteigen würde – stattdessen sank die Zahl der in Deutsch-
land lebenden Ausreisepflichtigen bis Ende 2016 geringfügig auf 207 500 Perso-
nen (vgl. Bundestagsdrucksache 18/11814, Antwort auf die Schriftliche Frage 7,
S. 5 f.).
Das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) beauftragte Bera-
tungsunternehmen McKinsey prognostizierte in einer Studie, die nach Angaben
des „SPIEGEL“ 1,86 Mio. Euro gekostet haben soll (SPIEGEL ONLINE vom
5. August 2016: „Bund zahlt McKinsey Millionenhonorar für Abschiebetipps“),
dass bis Ende des Jahres 2017 mit „mindestens 485 000“ ausreisepflichtigen Per-
sonen in Deutschland gerechnet werden müsse (vgl. welt.de vom 4. Dezember
2016: „So soll das ‚Rückkehrmanagement 2017‘ funktionieren“; www.proasyl.de/
news/teure-panikmacher-mckinsey-und-die-abschiebehindernisse/). Diese an-
gesichts der aktuellen Entwicklung (Ende Februar 2017: knapp 216 000 Ausrei-
sepflichtige) offenkundig unhaltbare Prognose machte sich die Bundesregierung
auf Nachfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke nicht zu eigen; eine exakte Prognose
sei „wegen der vielen hierfür entscheidenden Parameter und Annahmen …

Drucksache 18/12272 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

schwierig“. Aber auch sie geht für das Jahr 2017 von einer „erheblichen Steige-
rung der Zahl der Ausreisepflichtigen“ aus (Nachbeantwortung des Parlamen-
tarischen Staatssekretärs Dr. Ole Schröder vom 20. Dezember 2016).
In dem AZR-Leitfaden des Beauftragten Frank-Jürgen Weise heißt es nun, dass
20,4 Prozent der nach Angaben des AZR (angeblich) ausreisepflichtigen Perso-
nen in Deutschland sich noch in einem laufenden Asylverfahren befinden sollen –
obwohl „eine Person mit laufendem Asylverfahren nicht ausreisepflichtig sein“
kann (bis auf wenige mögliche Ausnahmefälle). Bei weiteren 4,4 Prozent der (an-
geblich) Ausreisepflichtigen geht es um EU-Bürgerinnen und EU-Bürger, bei de-
nen jedoch kein Verlust der Freizügigkeit vermerkt ist. Im AZR werden sogar
anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus als angeblich
ausreisepflichtig geführt (0,8 Prozent). Somit bestehen bei über 25 Prozent der im
AZR als „Ausreisepflichtige“ geführten Personen erhebliche Zweifel, ob diese
tatsächlich ausreisepflichtig sind, ob es um Fehleintragungen oder veraltete In-
formationen geht.
Im AZR-Leitfaden wird auf weitere Ungereimtheiten im AZR hingewiesen, deren
Überprüfung ergeben könnte, dass sich etliche im AZR gespeicherte Ausreise-
pflichtige gar nicht mehr in Deutschland aufhalten: Bei 5,4 Prozent der Ausreise-
pflichtigen wurde der Aufenthaltsstatus zuletzt vor über drei Jahren aktualisiert,
bei 4,4 Prozent war die Duldung seit mehr als einem Jahr abgelaufen. Nach dem
Leitfaden könnte ein nicht registrierter „Fortzug ins Ausland“ die Erklärung hier-
für sein.
Bereits aus früheren Anfragen der Fraktion DIE LINKE. ergab sich, dass „eine
nicht unerhebliche Zahl von Ausreisepflichtigen ohne Duldung ohne Kenntnis
der Ausländerbehörden aus Deutschland ausreist oder untertaucht“ (Bundestags-
drucksache 18/6860, Antwort zu Frage 22), so dass aus diesem Grund die Zahl
der im AZR erfassten Ausreisepflichtigen ohne Duldung vermutlich zu hoch ist
(Ende des Jahres 2015 waren im AZR 49 106 Ausreisepflichtige ohne Duldung
erfasst – jedoch bezogen zum gleichen Zeitpunkt nur 29 384 Personen als Aus-
reisepflichtige ohne Duldung Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsge-
setz).
Schon im Jahr 2011 musste die Bundesregierung nach mehrmaligem Nachfragen
(vgl. z. B. die Bundestagsdrucksachen 17/2269 und 17/3160, jeweils die Antwort
zu Frage 11) einräumen, dass mehr als 40 000 von den Ende 2009 im AZR
gespeicherten 70 020 angeblich Ausreisepflichtigen ohne Duldung „im Rechts-
sinn nicht ausreisepflichtig waren“; eine Überprüfung ergab, dass in diesen Fällen
nach einer Aufenthaltserteilung aus technischen Gründen die ungültig gewordene
Ausreisepflicht nicht gelöscht worden war (Bundestagsdrucksache 17/4631, Ant-
wort zu Frage 25). Die Zahl der Ausreisepflichtigen ohne Duldung war tatsäch-
lich nicht einmal halb so groß wie offiziell angegeben. Schon damals hatte das
Bundesministerium des Innern das BAMF, und darüber die Ausländerbehörden,
zu korrekten Eintragungen im AZR und entsprechenden Qualitätsverbesserungen
aufgefordert (Bundestagsdrucksache 17/2269, Antwort zu Frage 11c).
Dass weniger als die Hälfte der im AZR als „ausreisepflichtig“ gespeicherten Per-
sonen abgelehnte Asylsuchende sind (99 399 von 207 484 Ausreisepflichtigen,
Stand: 30. Dezember 2016), wie sich aus der Antwort der Bundesregierung auf
die Schriftliche Frage 7 der Abgeordneten Ulla Jelpke ergibt (vgl. Bundestags-
drucksache 18/11814), war auch für die Bundesregierung überraschend (vgl.
www.tagesschau.de/inland/ausreise-asylbewerber-101.html), denn in der politi-
schen Diskussion geht es beim Thema Durchsetzung der Ausreisepflicht regel-
mäßig um abgelehnte Asylsuchende. Ende Februar 2017 waren zum Beispiel
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12272

auch 11 389 EU-Bürgerinnen und EU-Bürger als ausreisepflichtig erfasst (Bun-
destagsdrucksache 18/11885, Antwort auf die Schriftliche Frage 17, S. 16), bei
weiteren Ausreisepflichtigen, die keine abgelehnten Asylsuchenden sind, könnte
es sich um Personen mit abgelaufenem Visum oder Aufenthaltstitel handeln
(ebd.).
Das Ministerium für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz
in Rheinland-Pfalz erklärte auf eine parlamentarische Anfrage im Landtag (dor-
tige Drucksache 17/26136), dass Duldungszahlen für Rheinland-Pfalz immer
noch Personen enthalten würden, „die beim Bundesamt für Migration und Flücht-
linge keinen Asylantrag stellen konnten.“ Eine Anfrage der Bundesländer zur
Zahl der Ausreisepflichtigen, soweit diese die Zahl der Geduldeten übersteigt,
„konnte vom Bundesministerium des Innern und vom Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge als Registerbehörde nicht beantwortet werden“. Eine Überprü-
fung „auf der Grundlage der Ausländerzentralregister-Nummer“ durch mehrere
Bundesländer habe ergeben: „Es handelt sich um EU-Bürgerinnen und EU-Bür-
ger, die früher als Drittstaatsangehörige in der Bundesrepublik Deutschland aus-
reisepflichtig waren, heute aber freizügigkeitsberechtigt sind und sich rechtmäßig
in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. (…) Es handelt sich ferner um Per-
sonen, die ausgereist sind, mutmaßlich ausgereist sind, bei denen die Datensätze
aber noch im Ausländerzentralregister verbleiben, bis von Amts wegen eine Ab-
meldung erfolgt. Zum Teil sind die Personen auch noch im Besitz einer Aufent-
haltsgestattung.“ Eigentlich sollten inzwischen längst alle Asylsuchenden die Ge-
legenheit zur Asylantragstellung oder zumindest einen Ankunftsnachweis erhal-
ten haben; es ist aber auch möglich, dass die AZR-Angaben zu Asylsuchenden
mit einer Duldung nicht aktuell sind – in jedem Fall sind die in Rede stehenden
Personen nicht ausreisepflichtig.
Im AZR gibt es, dies geht aus dem Leitfaden hervor (S. 13 f.), keinen eigenen
Datenbestand „Ausreisepflicht“. Die Zahl der Ausreisepflichtigen wird vielmehr
durch Addition der Zahl der Ausgewiesenen, Abgeschobenen und Zurückgewie-
senen/Zurückgeschobenen sowie der Geduldeten ermittelt, wobei Personen mit
einem Eintrag „Fortzug ins Ausland/unbekannt, verstorben usw.“ abgezogen wer-
den. Jede nicht registrierte Ausreise führt damit zu einer Überhöhung der Zahl
der Ausreisepflichtigen. Zudem dürfen viele Ausgewiesene oder in der Vergan-
genheit einmal Ab- oder Zurückgeschobene nicht abgeschoben werden, wenn
rechtliche Abschiebungshindernisse vorliegen (familiäre Bindungen, drohende
unmenschliche Behandlung, laufende Asylprüfung usw.).
Alles in allem ergibt sich, dass die aktuelle politische Diskussion um vermeintli-
che Defizite bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht nicht auf gesicherten em-
pirischen Erkenntnissen beruht und die Zahl der Ausreisepflichtigen in Deutsch-
land offenkundig fälschlich als zu hoch angesehen wird.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Personen waren zum letzten Stand im AZR als ausreisepflichtig

erfasst (bitte nach Bundesländern und den 15 wichtigsten Herkunftsstaaten
sowie nach Aufenthaltsstatus differenziert darstellen)?

2. Wie viele ausreisepflichtige Personen waren nach Angaben des AZR zum
letzten Stand abgelehnte Asylsuchende (bitte nach den 15 wichtigsten Her-
kunftsstaaten sowie nach Aufenthaltsstatus differenziert darstellen)?

Drucksache 18/12272 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Wie viele Ablehnungen im Asylverfahren gab es in den Jahren 2014, 2015,
2016 und im laufenden Jahr 2017 (bitte jeweils nach den zehn wichtigsten
Herkunftsländern differenzieren), wie viele Personen wurden in den Jahren
2014, 2015, 2016 und im laufenden Jahr 2017 ausreisepflichtig (bitte jeweils
nach den zehn wichtigsten Herkunftsländern differenzieren), und welche
Entscheidungen des BAMF werden im AZR als Ablehnungen im Asylver-
fahren gewertet, werden insbesondere auch sonstige Verfahrenserledigungen
oder Dublin-Entscheidungen (gegebenenfalls welche) als Ablehnungen ge-
wertet (bitte darstellen)?

4. Welche Angaben können bei Auswertung des AZR zur Dauer der Ausreise-
pflicht, differenziert nach den wichtigsten 15 Herkunftsstaaten, gemacht
werden (einerseits: vom Entstehen der vollziehbaren Ausreisepflicht bis zur
Ausreise, andererseits: Dauer der vollziehbaren Ausreisepflicht bei noch
Aufhältigen, differenziert nach Aufenthaltsstatus und Staatsangehörigkeit)?

5. Welche Angaben können gemacht werden zur Zahl der Asylsuchenden, die
im laufenden Verfahren (ohne Asylablehnung) ausgereist sind, oder die aus-
gereist sind oder abgeschoben wurden, bevor die Asylablehnung oder die
vollziehbare Ausreisepflicht im AZR vermerkt wurde (bitte so differenziert
wie möglich darstellen)?

6. Wie genau wird die Zahl der Ausreisepflichtigen aus den Daten des AZR
ermittelt, ist es insbesondere zutreffend, dass es keinen eigenen Vermerk
über die Ausreisepflicht im AZR gibt (bitte im Detail darlegen, insbesondere
insofern Abweichungen zur Darstellung im AZR-Leitfaden, S. 13 f. beste-
hen), und sollte nach Auffassung der Bundesregierung oder nach der fachli-
chen Einschätzung des BAMF als zuständiger Behörde hieran etwas geän-
dert werden (bitte begründen)?
a) Ist es zutreffend, dass nach der jetzigen Berechnung der Ausreisepflichti-

gen jede nicht registrierte Ausreise oder Abschiebung (entsprechend auch
jeder nicht registrierte Todesfall) dazu führt, dass die Zahl der nach dem
AZR ausreisepflichtigen Personen fälschlich als erhöht erscheint, und in-
wieweit beabsichtigt die Bundesregierung, dieser verzerrten Darstel-
lung bzw. Wahrnehmung entgegenzuwirken, etwa indem die weitere tat-
sächliche Anwesenheit einer Person positiv festgestellt werden muss,
z. B. durch Vorsprache bei Ablauf der Gültigkeit des jeweiligen Aufent-
haltstitels bzw. der erteilten Duldung (andernfalls müsste „Fortzug nach
unbekannt“ vermerkt werden)?

b) Wie wird begründet, dass Personen mit den Merkmalen Ausweisungen,
Abschiebungen, Zurückweisungen/Zurückschiebungen als ausreisepflich-
tig gelten, inwieweit sind Personen, die nach einer früheren Ausweisung,
Abschiebung oder Zurückschiebung ein Asylgesuch gestellt haben, für
die Dauer der Asylprüfung vollziehbar ausreisepflichtig, und welche An-
gaben können dazu gemacht werden, wie viele Personen, die in der Ver-
gangenheit einmal ausgewiesen, ab- oder zurückgeschoben wurden, nicht
abgeschoben werden dürfen, etwa wegen familiärer Bindungen, einem
laufenden Asylverfahren, schwerer gesundheitlicher Erkrankungen, recht-
licher Abschiebungshindernisse (Gefahr der Todesstrafe oder Folter usw.;
bitte darstellen)?

c) Welche Angaben oder Einschätzungen können dazu gemacht werden, wie
viele der Geduldeten nicht abgeschoben werden dürfen, und falls nicht
einmal Einschätzungen hierzu möglich sind, welchen Änderungsbedarf
hinsichtlich der entsprechenden Datenerfassung im AZR sieht die Bun-
desregierung (bitte darstellen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12272
d) Inwieweit hält es die Bundesregierung oder das BAMF als zuständige Be-
hörde für sinnvoll, künftig im AZR zu erfassen, wie viele der „ausreise-
pflichtigen“ Personen nicht abgeschoben werden dürfen, insbesondere
weil rechtliche Abschiebungshindernisse vorliegen (bitte begründen)?

7. Wie viele Personen sind im AZR als Ausreisepflichtige ohne Duldung regis-
triert, die seit mehr als drei Monaten keine Duldung haben (bitte nach den 15
wichtigsten Herkunftsstaaten und den Bundesländern differenzieren), und
wie erklärt und bewertet die Bundesregierung diese Zahl vor dem Hinter-
grund, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil
vom 25. September 1997, 1 C 3.97) eine schriftliche Duldung erteilt werden
muss, wenn die Ausreisepflicht nicht ohne Verzögerung durchgesetzt wer-
den kann (bitte ausführen)?

8. Wie groß ist die Zahl der nach Angaben des AZR Ausreisepflichtigen, die
sich zugleich noch in einem Asylverfahren befinden (bitte auch nach Bun-
desländern und den 15 wichtigsten Staatsangehörigkeiten differenzieren),
und wie bewertet, wie erklärt sich die Bundesregierung dies?

9. Wie groß ist die Zahl der nach Angaben des AZR Ausreisepflichtigen, die
Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten der EU sind und bei denen kein
Verlust des Freizügigkeitsrechts vermerkt ist (bitte auch nach Bundesländern
und den 15 wichtigsten Staatsangehörigkeiten differenzieren), und wie be-
wertet, wie erklärt sich die Bundesregierung dies?

10. Wie groß ist die Zahl der nach Angaben des AZR Ausreisepflichtigen, die
zugleich anerkannte Asylberechtigte, Flüchtlinge oder subsidiär Schutzbe-
rechtigte sind (bitte auch nach Bundesländern und den 15 wichtigsten Staats-
angehörigkeiten differenzieren), und wie bewertet, wie erklärt sich die Bun-
desregierung dies?

11. Wie groß ist die Zahl der nach Angaben des AZR Ausreisepflichtigen, deren
Aufenthaltsstatus zuletzt vor über drei Jahren aktualisiert wurde (bitte auch
nach Bundesländern und den 15 wichtigsten Staatsangehörigkeiten differen-
zieren), und wie bewertet, wie erklärt sich die Bundesregierung dies?

12. Wie groß ist die Zahl der nach Angaben des AZR Ausreisepflichtigen, deren
Duldung seit mehr als einem Jahr abgelaufen ist (bitte auch nach Bundeslän-
dern und den 15 wichtigsten Staatsangehörigkeiten differenzieren), und wie
bewertet, wie erklärt sich die Bundesregierung dies?

13. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, nachdem sich im Jahr 2010 heraus-
gestellt hatte, dass die Zahl der Ausreisepflichtigen ohne Duldung nicht, wie
zuvor aufgrund des AZR angegeben, 70 000, sondern tatsächlich nur 30 000
betrug (Bundestagsdrucksache 17/2269, Antwort zu Frage 11c), und welche
Maßnahmen wurden anschließend ergriffen um zu prüfen, ob solche Fehlein-
träge in relevanter Größenordnung erneut entstanden sind (bitte im Einzelnen
darlegen)?

14. Welche Stellung genau hat der „Beauftragte für Flüchtlingsmanagement“
(arbeitsrechtlich, weisungsrechtlich, politisch), wem ist er angegliedert, wem
rechenschaftspflichtig, inwieweit ist er unabhängig oder Weisungen unter-
worfen, wie wird er von welchen Mitteln bezahlt, welcher Mitarbeiten-
denstab steht ihm zur Verfügung, und welchen Charakter haben seine Emp-
fehlungen?

Drucksache 18/12272 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

15. Welche Schlussfolgerungen haben die Bundesregierung bzw. das BAMF

(bitte differenzieren) aus den Informationen und Problembeschreibungen im
AZR-Leitfaden des Beauftragten für Flüchtlingsmanagement gezogen, wo-
nach teils erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des AZR zur
Zahl der Ausreisepflichtigen bestehen, was eine signifikante Anzahl inkon-
sistenter oder unplausibel erscheinender Datensätze betreffe und zu einer
„überhöhten Anzahl ausreisepflichtiger Personen im AZR und somit in offi-
ziellen Statistiken“ führe (siehe Vorbemerkung der Fragesteller, bitte im De-
tail darlegen)?

16. Welche Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung aus dem AZR-Leitfa-
den des Beauftragten für Flüchtlingsmanagement gezogen, insoweit dort vor
„verfehlten Strategien“ auf der Grundlage falscher Zahlen und vor einer ver-
zerrten Debatte über den Umgang mit Ausreisepflichtigen gewarnt wird, ins-
besondere mit Blick auf die auch von der Bundesregierung beklagten Mängel
bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht, die unter anderem mit der (offen-
bar falschen) Zahl Ausreisepflichtiger nach dem AZR begründet wurden
(bitte begründen)?

17. Welche konkreten Maßnahmen wurden oder werden durch die Bundesregie-
rung ergriffen, um die fraglichen Daten zu bereinigen und zu aktualisieren,
und welche ungefähre Einschätzung kann die Bundesregierung bzw. kann
das BAMF zur tatsächlichen Zahl der im Land lebenden Ausreisepflichtigen
machen, wenn die in dem AZR-Leitfaden benannten Mängel und Unklarhei-
ten berücksichtigt werden – in welcher ungefähren Größenordnung ist mit
notwendigen Korrekturen zur Zahl der Ausreisepflichtigen aus Sicht fach-
kundiger Bediensteter des BAMF zu rechnen (bitte darlegen, ggf. auch, wa-
rum keine entsprechenden Einschätzungen gemacht werden können)?

18. Wieso wird in der Präsentation des Beauftragten für Flüchtlingsmanagement
vom 13. März 2017 für das erste Treffen der Ansprechpartner der Länder am
16. März 2017 in Berlin an zwei Stellen (S. 11 und S. 20) auf eine prognos-
tizierte bzw. voraussichtliche Zahl von rund 485 000 Ausreisepflichtigen bis
Ende des Jahres 2017 als Ausgangspunkt für Handlungsempfehlungen Be-
zug genommen, obwohl die Bundesregierung sich diese Prognose ausdrück-
lich nicht zu eigen gemacht hat (siehe Vorbemerkung) und obwohl aufgrund
der aktuellen Entwicklung der Zahl der Ausreisepflichtigen und wegen der
im AZR-Leitfaden benannten Datenmängel nach Ansicht der Fragesteller da-
von ausgegangen werden muss, dass diese Prognose viel zu hoch ausgefallen
sein dürfte, und warum sollen die aus dieser Prognose abgeleiteten Hand-
lungsempfehlungen gegebenenfalls unverändert umgesetzt werden, selbst
wenn sich die Prognose als unhaltbar erweisen sollte (bitte ausführlich dar-
legen)?

19. Welche mit den Regierungschefs bzw. Regierungschefinnen der Länder
(Ausnahme: Thüringen) am 9. Februar 2017 beschlossenen Maßnahmen zur
„Rückkehrpolitik“, die vor allem mit einem Anstieg der Zahl der Ausreise-
pflichtigen begründet wurden, sind nach Auffassung der Bundesregierung
nicht mehr erforderlich, wenn sich herausstellen sollte, dass die Zahl der
Ausreisepflichtigen – unter Berücksichtigung von Fehleinträgen im AZR –
nicht signifikant gestiegen ist (bitte ausführen)?

20. Inwieweit kann die Bundesregierung die Auskünfte des Ministeriums für Fa-
milie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz in Rheinland-Pfalz
(dortige Landtagsdrucksache 17/26136, siehe Vorbemerkung der Frage-
steller) bestätigen, wonach
a) es immer noch Asylsuchende geben soll, die keinen Asylantrag stellen

konnten und deshalb eine Duldung erhalten haben (und welche Angaben
zu bundesweiten Zahlen hierzu kann die Bundesregierung gegebenenfalls
machen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/12272
b) weder das Bundesministerium des Innern noch das Bundesamt für Mig-
ration und Flüchtlinge als Registerbehörde die Anfrage der Bundesländer
nach der Zahl der Ausreisepflichtigen, soweit diese die Zahl der Gedul-
deten übersteigt, beantworten konnten (wann wurde diese Anfrage mit
welchem Inhalt gestellt, wann wurde sie mit welchem Inhalt beantwor-
tet)?

c) eine Überprüfung mehrerer Bundesländer auf der Grundlage der Auslän-
derzentralregister-Nummer ergeben haben soll, dass es sich bei den Aus-
reisepflichtigen, soweit sie die Zahl der Geduldeten übersteigen, um EU-
Bürgerinnen und EU-Bürger, die früher als Drittstaatsangehörige in der
Bundesrepublik Deutschland ausreisepflichtig waren, heute aber freizü-
gigkeitsberechtigt sind und sich rechtmäßig in der Bundesrepublik
Deutschland aufhalten, um Personen, die (mutmaßlich) ausgereist sind,
bei denen eine Abmeldung von Amts wegen aber noch nicht erfolgt ist,
und um Personen mit einer Aufenthaltsgestattung handeln soll (und wel-
che genaueren quantitativen bundesweiten Angaben hierzu kann die Bun-
desregierung machen)?

Wenn die Bundesregierung diese Auskünfte nicht bestätigen kann, wie ist im
Einzelnen die davon abweichende Auffassung der Bundesregierung (bitte
darlegen)?

21. Was hat die Evaluierung der Rückmeldungen der Ausländerbehörden zur
Initiative des BAMF vom 15. Februar 2017 zur genaueren Erfassung der
„sonstigen“ Duldungsgründe erbracht (vgl. Plenarprotokoll 18/227, S. 22832,
Anlage 11; bitte im Detail darlegen), und wie bewertet die Bundesregierung
diese Rückmeldungen und gegebenenfalls geänderten Duldungsgründe (bitte
entsprechend geänderte Daten im AZR angeben)?

22. Sind die Angaben von „SPIEGEL ONLINE“ vom 5. August 2016 („Bund
zahlt McKinsey Millionenhonorar für Abschiebetipps“) zu Bezahlungen
für die Unternehmensberatungsfirma McKinsey im Zusammenhang einer
Studie zu Rückkehrprozessen und Optimierungspotenzialen zutreffend (bitte
im Detail darlegen, welche Leistungen mit wie viel Geld erstattet wurden),
und hält die Bundesregierung diese Zahlungen im Nachhinein für berechtigt,
wenn sich herausstellen sollte, dass die zentrale Prognose einer Zahl von
485 000 Ausreisepflichtigen bis Ende des Jahres 2017 grob falsch war (bitte
begründen)?

23. Sieht es die Bundesregierung als einen Qualitätsmangel der besagten Rück-
kehrstudie von McKinsey an, dass dort die Mängel bei der Datenerfassung
der Ausreisepflicht im AZR jedenfalls nicht in der konkreten Weise erkannt
und benannt wurden, wie dies im AZR-Leitfaden des Beauftragten für
Flüchtlingsmanagement geschehen ist, und welche Schlussfolgerungen zieht
sie hieraus?

24. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung insgesamt daraus,
dass ihre Pläne zu rechtlichen Verschärfungen zur Durchsetzung der Ausrei-
sepflicht, aber auch zu verstärkten Abschiebungen durch Vereinbarungen
mit den Bundesländern, offenbar auf falschen Zahlenannahmen basieren und
das angenommene Problem offenbar jedenfalls nicht in der vermuteten quan-
titativen Dimension besteht?

Berlin, den 2. Mai 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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