BT-Drucksache 18/12222

Lebensmittelverschwendung verhindern

Vom 27. April 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12222
18. Wahlperiode 27.04.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Nicole Maisch, Harald Ebner, Friedrich Ostendorff,
Matthias Gastel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Lebensmittelverschwendung verhindern

Die Bundesregierung ist gefordert, eine gesetzliche Initiative zur Verringerung
der Lebensmittelverluste in Deutschland zu erarbeiten. Das hat der Bundesrat am
31. März 2017 beschlossen und weitere konkrete Forderungen aufgestellt, mit
denen die Bundesregierung aufgefordert wird, sich endlich aktiver und zielfüh-
render mit politischen Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung einzuset-
zen.
Denn Lebensmittelverschwendung ist aus ethischen und ökologischen Gründen
nicht hinnehmbar. Ein aktueller Bericht des Umweltbundesamtes (UBA) bezif-
fert den Wasserverbrauch, der allein durch Lebensmittelverluste in Deutschland
entsteht, auf rund ein Fünftel des deutschen Wasserverbrauchs. Die Belegung
landwirtschaftlicher Fläche für den Lebensmittelkonsum entspricht insgesamt
etwa 60 Prozent der Fläche Deutschlands – der Anteil der Lebensmittelverluste
allein verbraucht etwa die Flächengröße Niedersachsens. Zudem bezeichnet das
UBA insbesondere den hohen Abfallanteil im Außer-Haus-Konsum, in dem rund
ein Drittel der eingesetzten Lebensmittel nicht verzehrt werden, als auffällig.
Vor allem Lebensmittelverluste von tierischen Produkten seien außerdem mit
hohen Umweltauswirkungen verbunden und sollten daher prioritär vermieden
werden (siehe Endbericht „Entwicklung von Instrumenten zur Vermeidung von
Lebensmittelabfällen“, www.umweltbundesamt.de/publikationen/entwicklung-
von-instrumenten-zur-vermeidung-von).
Als Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gab die Bundesregierung an, fehlende Daten zu Ausmaß und Gründen der Le-
bensmittelverluste für alle Stufen der Wertschöpfungskette zu ermitteln (siehe
Bundestagsdrucksache 18/5903). Das war im Herbst 2015. Dies wäre angesichts
unterschiedlicher kursierender Angaben zu Ausmaß, Verantwortlichkeiten und
Gründen der Verluste dringend notwendig. Zudem hat die Bundesregierung diese
fehlende Datengrundlage wiederholt als Grund dafür angeführt, warum sie der
Einführung quantitativer Ziele zur Lebensmittelabfallvermeidung kritisch gegen-
überstehe (s. u. a. Bundestagsdrucksache 18/2863) – obwohl sowohl durch die
Europäische Kommission und das Europäische Parlament als auch im Rahmen
der Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (SDGs) konkrete
Minimierungsziele vorgelegt wurden.
Auch der Bundesrechnungshof hat in seinem Bericht „Bemerkungen des Bundes-
rechnungshofes 2016 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes“ im No-
vember 2016 (Bundestagsdrucksache 18/10200) die fehlende Datengrundlage –
insbesondere in Bezug auf den Einzelhandel – bemängelt und die Informations-
kampagne „Zu gut für die Tonne“ des BMEL als „unzureichend vorbereitet und
Erfolg nicht nachweisbar“ stark kritisiert.

Drucksache 18/12222 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

Umsetzung der Bundesratsforderungen
1. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem vom Bundesrat

am 31. März 2017 gefassten Beschluss „Lebensmittelverluste in Deutsch-
land verringern“ (Bundesratsdrucksache 180/17)?
Wann ist mit der Vorlage der Gegenäußerung der Bundesregierung hierzu zu
rechnen?

2. Wie positioniert sich die Bundesregierung zur Forderung des Bundesrates,
eine gesetzliche Initiative zur Verringerung der Lebensmittelverluste in
Deutschland zu erarbeiten, und wie begründet sie ihre diesbezüglichen Über-
legungen?

3. In welchem Erarbeitungs- bzw. Abstimmungsstand befindet sich die bereits
seit langem angekündigte (s. Ernährungspolitischer Bericht 2016, Bundes-
tagsdrucksache 18/8650) und nun auch vom Bundesrat geforderte Aufstel-
lung einer nationalen Strategie zur Verminderung der Lebensmittelverluste
in Deutschland?

4. Plant die Bundesregierung, verbindliche branchenspezifische Reduktions-
ziele festzulegen bzw. zu vereinbaren?

Wenn ja, wann, und welche konkreten Überlegungen gibt es diesbezüglich?
Wenn nein, warum nicht, und inwiefern ist das mit dem bereits im Jahr 2012
fraktionsübergreifend beschlossenen Antrag „Lebensmittelverluste reduzie-
ren“ (Bundestagsdrucksache 17/10987) sowie dem Antrag der Koalitions-
fraktionen „Gesunde Ernährung stärken – Lebensmittel wertschätzen“ (Bun-
destagsdrucksache 18/3726) aus dem Jahr 2015 vereinbar, die beide entspre-
chende Forderungen an die Bundesregierung gestellt haben?

5. In welchem Erarbeitungs- bzw. Abstimmungsstand befindet sich die bereits
seit langem angekündigte und nun auch vom Bundesrat geforderte Einrich-
tung einer nationalen, ressortübergreifenden Koordinierungsplattform?

6. Wie positioniert sich die Bundesregierung zur Forderung des Bundesrates,
ein deutschlandweites Forschungsnetzwerk zur besseren Vernetzung und
Koordination zu schaffen, um zu einer Stärkung der Wertschätzung von Le-
bensmitteln sowie einer Verringerung der Verluste beizutragen?

Daten zu Ausmaß und Gründen für Lebensmittelverluste
7. a) Weshalb hat die Bundesregierung entgegen der Ankündigung in ihrer

Antwort auf die Kleine Anfrage „Lebensmittelverschwendung beenden“
(Bundestagsdrucksache 18/5903) bislang keine neuen Zahlen zu Lebens-
mittelverlusten auf allen Stufen der Wertschöpfungskette ermittelt?

b) In welchem Stand befindet sich dieses Ermittlungsverfahren (bitte spezi-
fisch für die unterschiedlichen Stufen der Wertschöpfungskette angeben)?

Wie, und durch wen werden die jeweiligen Daten erhoben?
c) Wie hoch sind die Finanzmittel, die für die Erhebung der Daten eingesetzt

wurden, und aus welchem Haushaltstitel wurden diese bereitgestellt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12222
d) Wann ist mit dem Abschluss des jeweiligen Ermittlungsverfahrens zu rech-
nen, und wann werden die Ergebnisse der Öffentlichkeit vorgelegt (bitte
spezifisch für die unterschiedlichen Stufen der Wertschöpfungskette an-
geben)?

e) Welche konkreten Ergebnisse zur Höhe der Lebensmittelverluste auf al-
len Stufen der Wertschöpfungskette hat das von der Bundesregierung fi-
nanzierte Forschungsprojekt REFOWAS erlangt (bitte pro Stufe der
Wertschöpfungskette angeben)?
Welche weiteren Untersuchungen zur Analyse der Höhe der Lebensmit-
telverluste sind im Rahmen dieses Forschungsprojekts geplant?

8. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller sowie des Um-
weltbundesamtes (s. o. g. Bericht), dass es bezüglich fehlender Daten pro-
blematisch ist, dass für Lebensmittel-Discounter überhaupt keine Zahlen
vorliegen, und wie wird die Bundesregierung dieses Problem beheben?

9. a) Liegen der Bundesregierung aktuelle Daten vom Lebensmittelhandel vor
bezüglich des Ausmaßes und der Gründe für Lebensmittelverluste – auch
für die unterschiedlichen Warengruppen, und wenn ja, welche?

b) Welche Maßnahmen sind geplant, um diese Daten zu erhalten?
Werden diese Daten im Rahmen des Forschungsprojekts REFOWAS er-
hoben?

10. Liegen der Bundesregierung die Ergebnisse der im Ernährungsbericht 2016
angekündigten repräsentativen Befragung von Privathaushalten, die für
April 2017 angekündigt waren, bereits vor?

Wenn ja, zu welchen Ergebnissen kommt die Befragung?
Wenn nein, wann werden die Ergebnisse vorliegen?

11. a) Teilt die Bundesregierung das Ziel des Kreislaufwirtschaftspakets, das am
14. März 2017 im Europaparlament verabschiedet wurde, Lebensmittel-
verschwendung bis zum Jahr 2025 um 30 Prozent zu reduzieren und bis
zum Jahr 2030 zu halbieren?
Wird die Bundesregierung diese Reduktionsziele in den nun anstehenden
Verhandlungen im Rat unterstützen?

b) Wie will sie – angesichts fehlender Daten und ihrer bisherigen Ablehnung
quantitativer Reduktionsziele – die Erfüllung dieser Ziele gewährleisten?

Gesetzliche Regelungen und politische Handlungsempfehlungen
12. Welche EU-Staaten sowie andere Länder haben nach Kenntnis der Bundes-

regierung welche gesetzlichen Maßnahmen zur Verringerung der Lebensmit-
telverluste ergriffen?

13. a) Inwiefern hat die Bundesregierung geprüft, den Lebensmitteleinzelhandel
dazu zu verpflichten, Lebensmittel zu spenden anstatt sie zu entsorgen,
wie dies etwa in Frankreich und Italien gesetzlich festgeschrieben ist?

b) Welche Gründe sprechen nach Auffassung der Bundesregierung für eine
solche Regelung, und welche dagegen?

Welche Konsequenzen zieht sie daraus?
14. Was ist aus der Ankündigung der Bundesregierung geworden, „neben den

Verbrauchern künftig auch verstärkt Handel, Erzeuger und Gastronomie mit
in die Verantwortung zu nehmen“ (s. Bundestagsdrucksache 18/5903), was
ist seit dieser Ankündigung konkret passiert, und wie definiert die Bundes-
regierung „in die Verantwortung nehmen“ in diesem Fall?

Drucksache 18/12222 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

15. Mit welchen Akteuren hat die Bundesregierung seit Herbst 2015 – wie in

o. g. Antwort angekündigt – Gespräche über deren Beiträge und Initiativen
zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung mit welchen konkreten
Resultaten und Schlussfolgerungen geführt (bitte Angabe der jeweiligen Ak-
teure, des jeweiligen Gesprächsdatums sowie der konkreten Gesprächsergeb-
nisse bzw. Vereinbarungen)?

16. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Bericht des Um-
weltbundesamtes „Entwicklung von Instrumenten zur Vermeidung von Le-
bensmittelabfällen“?

17. Wie bewertet die Bundesregierung die Empfehlung der Gutachterinnen und
Gutachter, „gezielt für ausgewählte Bereiche des Lebensmittel verarbeiten-
den Gewerbes Referenzdokumente für eine abfallvermeidende „Gute Fach-
liche Praxis“ zu erarbeiten“?
Welche Konsequenzen zieht sie daraus, und plant sie, gemeinsam mit den
Ländern, entsprechende Maßnahmen umzusetzen (wenn ja, gibt es hierzu be-
reits konkrete Pläne mit inhaltlichen und zeitlichen Ablaufplänen)?

18. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Gutachterinnen und Gutachter,
dass die „Planung und Durchführung eines gemeinsamen Diskussions- und
Abstimmungsprozesses zwischen Fachexperten aus dem Bereich der Län-
derarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz (…) sowie Vertretern der Um-
weltressorts aus Bund und Ländern, bei der die Möglichkeiten und Grenzen
der Integration von Abfallvermeidungsaspekten in die Leitlinien für eine
gute Verfahrenspraxis thematisiert werden“ – inklusive Beteiligung des Bun-
des für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. – sinnvoll wäre, und
inwiefern setzt sich die Bundesregierung hierfür ein?

19. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Empfehlung der
Gutachterinnen und Gutachter, einzelne Leitsätze des Deutschen Lebensmit-
telbuches auf möglicherweise bestehende Hemmnisse der Abfallvermeidung
zu prüfen?

20. Wie steht die Bundesregierung zur von den Gutachterinnen und Gutachtern
vorgeschlagenen Einrichtung eines paritätisch von Staat und Einzelhandel
finanzierten Entschädigungsfonds, um mögliche Haftungsrisiken bei der
Weitergabe von Lebensmitteln an Dritte aufzufangen?
Hat sie diesbezüglich bereits eigene Prüfungen vorgenommen oder Gesprä-
che geführt, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, wieso nicht, und ist dies noch geplant?

Mindesthaltbarkeitsdatum und intelligente Verpackungen
21. Welche Ergebnisse konnten bislang bei der Entwicklung sogenannter intel-

ligenter Verpackungen erzielt werden, deren Förderung der Bundesminister
für Ernährung und Landwirtschaft, Christian Schmidt, im September 2016 in
der Presse ankündigte (siehe www.topagrar.com/news/Home-top-News-
Schmidt-will-Verbrauchsverfallsdatum-auf-intelligenten-Verpackungen-
4719859.html)?

22. An wen und wann wurde dieses Forschungsvorhaben mit welchen finanziel-
len Mitteln vergeben (bitte Angabe des Auftragnehmers, des konkreten Pro-
jekts inkl. Fragestellung und Laufzeit sowie der Höhe der Finanzmittel und
des Haushaltstitels)?

23. Wie weit ist der Bundesminister Christian Schmidt mit seinen Bestrebungen,
ein verpflichtendes Verbrauchsverfallsdatum einzuführen (siehe www.
topagrar.com/news/Home-top-News-Schmidt-will-Verbrauchsverfallsdatum-
auf-intelligenten-Verpackungen-4719859.html)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12222

24. Soll es nach dem Willen der Bundesregierung das angekündigte Verbrauchs-

verfallsdatum zusätzlich zum Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) geben oder
stattdessen?

25. Welche Gespräche wurden dazu mit wem in Brüssel geführt, bzw. welche
Schreiben an wen versandt?

Mit welchen Ergebnissen?
26. Welche Vorteile sieht die Bundesregierung bei einem verpflichtenden Ver-

brauchsverfallsdatum im Vergleich zum geltenden MHD?
27. Welche Herausforderungen wären damit verbunden (insbesondere bezüglich

der Bekanntmachung und Kommunikation)?

Berlin, den 25. April 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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