BT-Drucksache 18/12156

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Dörner, Kerstin Andreae, Dr. Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/10473 - Familien stärken - Kinder fördern b) zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Dörner, Dr. Franziska Brantner, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/9007 - Zeit für mehr - Damit Arbeit gut ins Leben passt

Vom 26. April 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12156
18. Wahlperiode 26.04.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Dörner, Kerstin Andreae,
Dr. Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/10473 –

Familien stärken – Kinder fördern

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Dörner, Dr. Franziska Brantner,
Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/9007 –

Zeit für mehr – Damit Arbeit gut ins Leben passt

A. Problem
Zu Buchstabe a

In ihrem Antrag auf Drucksache 18/10473 weist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN darauf hin, dass trotz des relativen Wohlstandes in Deutschland die
Zahl der in Armut aufwachsenden Kinder und Jugendlichen wachse. Ein Auf-
wachsen in Armut sei der Entwicklung der betroffenen Kinder und Jugendlichen
nicht förderlich.

Zur Vermeidung von Armut gebe es eine Vielzahl von Leistungen wie das Kin-
dergeld, die Kinderfreibeträge, das Sozialgeld und den Kinderzuschlag. Trotz al-
lem seien Familien und Kinder in Deutschland überdurchschnittlich von Armut
bedroht. Besonders gefährdet seien Alleinerziehende und Familien mit drei oder
mehr Kindern.

Drucksache 18/12156 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Andauernde Armut wirke sich besonders negativ auf die Gesundheit und die Ent-
wicklung von Kindern aus. So trügen Kinder aus sozial benachteiligten Familien
ein größeres Risiko zu erkranken, litten häufiger unter psychischen Auffälligkei-
ten und würden Opfer von Gewalt.

Um Kindern unabhängig von der materiellen Situation ihrer Eltern gleiche Chan-
cen auf Teilhabe und Entwicklung zu sichern, brauche es ein kombiniertes Ange-
bot von Unterstützung durch Kindertagesstätten, Schulen, Jugendeinrichtungen
und Geldleistungen.

Rund zwei Millionen Minderjährige und ihre Eltern bezögen Leistungen zur
Grundsicherung. Die Höhe dieser Leistungen reiche aber nicht aus, den Kindern
eine angemessene Teilhabe zu sichern. Darüber hinaus gebe es eine große Zahl
von Armut Betroffener, die nicht erfasst seien. Verdeckte Armut sei nach wie vor
ein drängendes Problem. Schwierig bleibe schließlich auch die Situation der
55.000 Familien, die Kinderzuschlag erhielten. Dieser Zuschlag reiche, zusam-
men mit dem Kindergeld, nicht aus, das sächliche Existenzminimum der Kinder
in diesen Familien zu decken. Hinzu komme das komplizierte Verfahren zur Be-
antragung des Kinderzuschlags. Nur 30 Prozent der Kinder, die Anspruch auf
Kinderzuschlag hätten, erhielten auch tatsächlich entsprechende Leistungen.

Besonderer Unterstützung bedürften Alleinerziehende. Jede/r zweite Alleinerzie-
hende erhalte keinen Kindesunterhalt, ein weiteres Viertel nicht den ihr/ihm zu-
stehenden vollen Unterhalt. Der vom Staat angebotene Unterhaltsvorschuss
könne diese Lücke nicht schließen, solange er auf maximal sechs Jahre begrenzt
sei und nur bis zum 12. Lebensjahr des Kindes gewährt werde.

Insgesamt orientiere sich die Familienförderung zu wenig am Unterstützungsbe-
darf der Kinder und Familien und müsse durch eine echte Existenzsicherung er-
setzt werden.

Zur Umsetzung dieser Existenzsicherung solle der Bundestag die Bundesregie-
rung auffordern, ein Gesetz einzubringen, mit dem

– die Teilhabe von Kinder und Eltern, die auf Grundsicherung angewiesen
seien, tatsächlich sichergestellt werde,

– Familien mit niedrigem Einkommen eine gezielte existenzsichernde Unter-
stützung gewährt werde,

– Alleinerziehende verlässlich materiell abgesichert würden und

– eine einkommensunabhängige Kindergrundsicherung eingeführt werde.

Zu Buchstabe b

In dem Antrag auf Drucksache 18/9007 wird festgestellt, dass gehetzt zu sein für
viele Menschen ein alltägliches Gefühl geworden sei. Beschleunigung und Ver-
dichtung hätten das berufliche wie das private Leben verändert. Immer wieder
gebe es Zeiten, in denen Menschen beruflich kürzer treten wollten oder müssten.
Arbeitszeiten müssten deshalb flexibler werden. Dazu gehörten mehr Mitbestim-
mung über Lage und Ort der Arbeit, flexible Vollzeitbeschäftigungen und ein
Rückkehrrecht in Vollzeitarbeit nach einer Unterbrechung oder Reduzierung auf
Teilzeit.

Unter besonderem Druck stünden Menschen, die sich um andere kümmerten wie
Eltern und pflegende Angehörige. Beruf, Familie und Pflege unter einen Hut zu
bringen falle immer schwerer. Bisher sorge das Zusammenspiel von altherge-
brachter Rollenverteilung, Minijobs, Ehegattensplitting, beitragsfreier Mitversi-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12156
cherung, nicht bedarfsgerechter Kinderbetreuung und zu wenig Tagesbetreuungs-
angeboten für Pflegebedürftige dafür, dass insbesondere Frauen erziehende und
pflegende Tätigkeiten zu Lasten ihrer eigenen Existenzsicherung übernähmen.
Das müsse verändert werden. Ziel einer modernen Familien- und Arbeitszeitpoli-
tik müsse es sein, zu einer gleichberechtigten Aufteilung der Erwerbs- und Sor-
gearbeit zwischen Männern und Frauen zu kommen. Dazu bedürfe es neben der
stärkeren Unterstützung der Familie und der Pflege der Schaffung einer dem Fa-
milienleben im 21. Jahrhundert angepassten Arbeitszeitkultur.

B. Lösung
Zu Buchstabe a

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/10473 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

Zu Buchstabe b

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/9007 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

C. Alternativen
Annahme der Anträge.

D. Kosten
Kosten wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Drucksache 18/12156 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Antrag auf Drucksache 18/10473 abzulehnen;

b) den Antrag auf Drucksache 18/9007 abzulehnen.

Berlin, den 26. April 2017

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Paul Lehrieder
Vorsitzender

Marcus Weinberg (Hamburg)
Berichterstatter

Dr. Fritz Felgentreu
Berichterstatter

Norbert Müller (Potsdam)
Berichterstatter

Katja Dörner
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12156
Bericht der Abgeordneten Marcus Weinberg (Hamburg), Dr. Fritz Felgentreu,
Norbert Müller (Potsdam) und Katja Dörner

I. Überweisung

Zu Buchstabe a

Der Antrag auf Drucksache 18/10473 wurde in der 207. Sitzung des Deutschen Bundestages am 2. Dezem-
ber 2016 dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur federführenden Beratung und dem Finanz-
ausschuss sowie dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Mitberatung überwiesen.

Zu Buchstabe b

Der Antrag auf Drucksache 18/9007 wurde in der 183. Sitzung des Deutschen Bundestages am 7. Juli 2016 dem
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur federführenden Beratung und dem Haushaltsausschuss,
dem Ausschuss für Arbeit und Soziales sowie dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät-
zung zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Zu Buchstabe a

In der Begründung ihres Antrags auf Drucksache 18/10473 weist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf
die trotz des relativen Wohlstandes wachsende Zahl in Armut aufwachsender Kinder und Jugendlicher in Deutsch-
land hin. Nach geltendem Recht seien Eltern verpflichtet, ihren Kindern Unterhalt zu leisten. In einer wachsende
Zahl von Fällen seien sie dazu aber nicht mehr in der Lage. Kinderarmut in Deutschland sei ein Massenphänomen.
Rund zwei Millionen Minderjährige hätten Ende 2015 in Hartz-IV-Haushalten gelebt. Insgesamt seien 14,7 Pro-
zent aller Kinder in Deutschland auf staatliche Grundsicherung angewiesen.

Zur Vermeidung von Armut gebe es eine Vielzahl von Leistungen wie das Kindergeld, die Kinderfreibeträge, das
Sozialgeld und den Kinderzuschlag. Trotz all dieser Leistungen seien Familien und Kinder in Deutschland über-
durchschnittlich von Armut bedroht. Besonders gefährdet seien Alleinerziehende und Familien mit drei oder mehr
Kindern.

Andauernde Armut wirke sich besonders negativ auf die Gesundheit und die Entwicklung von Kindern aus. So
trügen Kinder aus sozial benachteiligten Familien ein größeres Krankheitsrisiko, litten häufiger unter psychischen
Auffälligkeiten und würden Opfer von Gewalt.

Rund zwei Millionen Minderjährige und ihre Eltern bezögen Leistungen zur Grundsicherung. Die Höhe dieser
Leistungen reiche aber nicht aus, Kindern eine angemessene Teilhabe zu sichern. Derzeit werde Bürgerinnen und
Bürgern, die auf Grundsicherung angewiesen seien, eine Unterstützung zugestanden, die deutlich unter dem liege,
was die statistische Referenzgruppe ausgebe. Die Berechnung der Kinderregelsätze sei nach einem Gutachten der
Ruhr-Universität Bochum aus dem Jahr 2013 ebenfalls methodisch fragwürdig. Darüber hinaus gebe es eine große
Zahl von Armut Betroffener, die nicht erfasst seien. Verdeckte Armut sei nach wie vor ein drängendes Problem.

Schwierig bleibe schließlich auch die Situation der 55.000 Familien, die Kinderzuschlag erhielten. Dieser Zu-
schlag betrage derzeit maximal 160 Euro pro Monat. Zusammen mit dem Kindergeld erreichten die Leistungen
damit nicht das anerkannte sächliche Existenzminimum für Kinder von 384 Euro monatlich. Hinzu komme das
komplizierte Verfahren zur Beantragung des Kinderzuschlags. Nur 30 Prozent der Kinder, die Anspruch auf Kin-
derzuschlag hätten, erhielten auch tatsächlich entsprechende Leistungen.

Besonderer Unterstützung bedürften Alleinerziehende. Jede/r zweite Alleinerziehende erhalte keinen Kindesun-
terhalt, ein weiteres Viertel nicht den ihr/ihm zustehenden vollen Unterhalt. Der vom Staat angebotene Unter-
haltsvorschuss könne diese Lücke nicht schließen, solange er auf maximal sechs Jahre begrenzt sei und nur bis
zum 12. Lebensjahr des Kindes gewährt werde.

Drucksache 18/12156 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Insgesamt orientiere sich die Familienförderung zu wenig am Unterstützungsbedarf der Kinder und Familien.
Kinderarmut müsse durch eine Existenzsicherung für Kinder beseitigt werden, die ihre tatsächlichen Bedarfe de-
cke, echte Teilhabe und Chancengerechtigkeit ermögliche und Alleinerziehende stärke.

Um dies umzusetzen, solle der Bundestag die Bundesregierung auffordern, einen Gesetzentwurf einzubringen und
dafür zu sorgen, dass

1. die Teilhabe von allen Kindern und ihren Eltern, die von Grundsicherung lebten, tatsächlich sichergestellt
werde. Die Regelsätze für Kinder und Erwachsene in der Grundsicherung müssten so ermittelt werden, dass
sie das Existenzminimum verlässlich und in ausreichender Höhe absicherten. Die Bedarfe müssten tatsäch-
lich gedeckt werden, auch die zur Teilhabe am sozialen Leben, an Bildung, Kultur und Mobilität;

2. Kinder in Familien mit niedrigem Einkommen eine gezielte und bedarfsdeckende Unterstützung erhielten,
die das sächliche Existenzminimum decke, aus einer Hand geleistet und automatisch ausgezahlt würden;

3. insbesondere Alleinerziehende, die keinen oder zu wenig Unterhalt für ihre Kinder erhielten, verlässlich
materiell abgesichert würden und auch für die Kinder von Alleinerziehenden das sächliche Existenzmini-
mum aus einer Hand und ohne viel Bürokratie gewährleistet werde und diese Kinder so gestellt würden wie
Kinder, die den Unterhalt direkt vom anderen Elternteil erhielten;

4. eine einkommensunabhängige Leistung für Kinder eingeführt werde, mit der die Benachteiligung von un-
verheirateten Paaren und Paaren, die sich Erwerbs- und Sorgearbeit partnerschaftlich teilten, beendet werde
und außerdem Eltern mit kleinen und mittleren Einkommen für ihre Kinder die gleiche Unterstützung erhiel-
ten wie Eltern mit hohen Einkommen, welche derzeit von den Freibeträgen stärker profitierten. Diese neue
Kindergrundsicherung solle mit einer Reform des Ehegattensplittings kombiniert werden, wobei bereits be-
stehende Ehen eine Wahlmöglichkeit zwischen dem alten Modell der Familienförderung mit Ehegattensplit-
ting, Kinderfreibeträgen und Kindergeld und dem neuen Modell mit Kindergrundsicherung und Individual-
besteuerung erhalten sollten.

Zu Buchstabe b

In ihrem Antrag auf Drucksache 18/9007 stellt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einleitend fest, dass
gehetzt zu sein für viele Menschen zu einem alltäglichen Gefühl geworden sei. Beschleunigung und Verdichtung
hätten das berufliche wie das private Leben verändert. Immer wieder gebe es Zeiten im Leben, in denen der
Einzelne beruflich kürzer treten wolle oder müsse. Ein einziges Arbeitszeitmodell reiche dafür nicht aus. Vielmehr
müssten Arbeitszeiten beweglicher werden, um Arbeit und Leben besser miteinander vereinbaren zu können.
Dazu gehörten mehr Mitbestimmung über Lage und Ort der Arbeit, eine flexiblere Vollzeitarbeit und ein Rück-
kehrrecht in Vollzeitarbeit nach einer Unterbrechung oder Reduzierung auf Teilzeitarbeit.

Besonders belastet seien Menschen, die sich um andere kümmerten wie Eltern und pflegende Angehörige. Auch
Menschen, die sich beruflich weiterentwickeln oder sich „neu erfinden“ wollten, könnten dies aufgrund fehlender
Zeit oder mangelnder Finanzierung oft nicht verwirklichen. Ihnen müsse durch zielgerichtete staatliche Unterstüt-
zung, die einerseits zeitliche Flexibilität schaffe und andererseits Einkommensverluste abfedere, geholfen werden.

Bisher führe das Zusammenspiel von althergebrachter Rollenverteilung, Minijobs, Ehegattensplitting, beitrags-
freier Mitversicherung, nicht bedarfsgerechter Kinderbetreuung und zu wenig Tagesbetreuungsangeboten für
Pflegebedürftige dazu, dass viel zu oft Frauen erziehende und pflegende Tätigkeiten zu Lasten ihrer eigenen Exis-
tenzsicherung übernähmen. Das müsse durch eine moderne Familien- und Arbeitszeitpolitik zugunsten einer
gleichberechtigten Aufteilung der Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern durchbrochen wer-
den.

Mehr Zeitsouveränität und flexible Arbeitszeitarrangements brauchten alle Menschen, um auf Veränderungen im
Leben reagieren zu können. Eine Ausweitung, Verlängerung und Flexibilisierung von Elterngeld und Elterngeld-
Plus hin zu einer KinderZeit Plus sei ein wirksames Instrument, Eltern mehr Zeitsouveränität und eine faire Ver-
teilung untereinander zu ermöglichen.

Die Unterstützung und Pflege alter und kranker Menschen sei keine private, sondern eine gesellschaftliche Auf-
gabe. Die Sorge für Andere werde in einer alternden Gesellschaft immer wichtiger. Wer dafür Verantwortung

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/12156
übernehme, verdiene Wertschätzung und Unterstützung. Mit einer dreimonatigen PflegeZeit Plus, in der es erst-
mals eine Lohnersatzleistung geben solle, werde die Übernahme von Verantwortung für Pflegebedürftige aner-
kannt.

Eine höhere Lebenserwartung verändere schließlich auch die Arbeitswelt. Lebensbegleitendes Lernen werde im-
mer wichtiger. Mit der BildungsZeit Plus sollten insoweit Alternativen zum früher verbreiteten gradlinigen Aus-
bildungs- und Berufsweg eröffnet werden.

Zur Lösung der zuvor aufgezeigten Probleme soll die Bundesregierung aufgefordert werden,

1. das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz zu einem Gesetz für mehr Zeitsouveränität für Mütter und Väter
weiterzuentwickeln, das mehr Zeit für Kinder durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und
die partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit befördere und sich an folgenden Eck-
punkten orientiere:

– Das derzeitige Elterngeld und ElterngeldPlus solle in der KinderZeit Plus aufgehen.

– Der Anspruch auf KinderZeit Plus solle auf 24 Monate erhöht werden – wovon jedem Elternteil jeweils
acht Monate zustünden. Die weiteren acht Monate könnten sich die Eltern untereinander aufteilen. Die
Eltern könnten unter Einhaltung von Ankündigungsfristen die jeweiligen Monatsbeträge abwechselnd
oder gleichzeitig beziehen. Alleinerziehende hätten Anspruch auf die vollen 24 Monate KinderZeit
Plus.

– Der bestehende finanzielle „Schonraum“ für Familien im ersten Lebensjahr solle erhalten bleiben. Da-
her könne die KinderZeit Plus – wie das bisherige Elterngeld – im ersten Lebensjahr des Kindes für
einen vollständigen Ausstieg aus der Berufstätigkeit benutzt werden.

– Ab dem ersten Geburtstag des Kindes könne die KinderZeit Plus in Anspruch genommen werden, wenn
der vorherige Stellenumfang um mindestens 20 Prozent reduziert werde und dabei die Erwerbstätigkeit
noch mindestens die Hälfte der tariflichen oder branchenüblichen Wochenarbeitszeit umfasse. Die
Höhe der monatlichen Leistung und die Bezugszeit änderten sich entsprechend.

– Der Bezug der KinderZeit Plus könne unterbrochen werden und der Rahmen des Bezugszeitraums
werde bis zum 14. Geburtstag des Kindes verlängert;

2. das Pflegezeitgesetz und das Familienpflegezeitgesetz zu einem Gesetz für mehr Zeitsouveränität für berufs-
tätige Pflegende weiterzuentwickeln, das die Vereinbarkeit von Familie und Pflege befördere und sich an
folgenden Eckpunkten orientiere:

– Die Einführung einer dreimonatigen PflegeZeit Plus pro zu pflegender Person, die eine Lohnersatzleis-
tung enthalten und wie das Elterngeld berechnet und aus Steuermitteln finanziert werden solle.

– Anspruchsberechtigt seien nicht nur Verwandte der Pflegebedürftigen, sondern auch Freundin-
nen/Freunde oder Nachbarinnen/Nachbarn, die Verantwortung übernähmen und sich kümmern wollten.

– Anspruchsberechtigt seien alle Erwerbstätigen, auch Selbständige usw.

– Der Anspruch sei nicht an die Betriebsgröße gebunden.

– Die PflegeZeit Plus müsse – wie die derzeitige Pflegezeit – zehn Arbeitstage im Voraus angekündigt
werden.

– Zwei Personen könnten sich die Pflegezeit untereinander aufteilen.

– Das bereits existierende Pflegeunterstützungsgeld werde zukünftig jährlich gewährt, könne auch antei-
lig/tageweise genommen werden;

3. das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz zu einem Gesetz für lebenslanges Lernen weiterzuentwickeln,
das die Vereinbarkeit von Bildung und Beruf für alle Menschen befördere und sich an folgenden Eckpunkten
orientiere:

– Es werde eine BildungsZeit Plus eingeführt.

Drucksache 18/12156 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

– Die BildungsZeit Plus werde für alle zertifizierten Fort- und Weiterbildungen geöffnet, die zu einem
anerkannten Abschluss führten.

– Es werde ein individueller Mix aus Darlehen und Zuschuss verankert, mit dem Menschen, die sich
weiterbildeten, bei Maßnahmekosten und Lebensunterhalt sozial gestaffelt unterstützt würden. Dabei
gelte der Grundsatz: wer weniger habe, bekomme mehr.

– Zugangsvoraussetzung sei die Inanspruchnahme einer zertifizierten Bildungsberatung.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Zu Buchstabe a

Der Finanzausschuss hat in seiner Sitzung am 26. April 2017 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE
LINKE. die Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/10473 empfohlen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner Sitzung am 26. April 2017 mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/10473 empfohlen.

Zu Buchstabe b

Der Haushaltsausschuss hat in seiner Sitzung am 29. September 2016 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/9007 empfohlen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner Sitzung am 26. April 2017 mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/9007 empfohlen.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat in seiner Sitzung am 26. April
2017 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Antrags auf Drucksa-
che 18/9007 empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/10473.

Er empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Antrags auf
Drucksache 18/9007.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat zu dem Antrag auf Drucksache 18/10473 in seiner
84. Sitzung am 20. März 2017 eine öffentliche Anhörung durchgeführt. In der Anhörung wurden folgende Sach-
verständige gehört:

– Prof. Dr. Holger Bonin, Universität Bonn

– Holger Hofmann, Deutsches Kinderhilfswerk e. V., Berlin

– Alexander Nöhring, Zukunftsforum Familie e. V., Berlin

– Anette Stein, Bertelsmann Stiftung, Gütersloh

Wegen der Ergebnisse der Anhörung wird auf das Wortprotokoll der Sitzung vom 20. März 2017 verwiesen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/12156
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat die Anträge in seiner 90. Sitzung am 26. April 2017
abschließend beraten.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betonte einleitend, dass sie die zu beratenden Anträge eingebracht
habe, weil die Bundesregierung zu den aufgezeigten Problemen keine hinreichenden Lösungen angeboten habe.
Im Einzelnen handele es sich um die Bekämpfung der Kinderarmut und das Problem einer Zeitpolitik.

Kinderarmut sei in Deutschland nach wie vor ein Problem. Die Zahlen seien bekannt, sie müssten aufrütteln.
Gleichwohl sei es bisher nicht gelungen, die Kinderarmut zu verringern, im Gegenteil, die Zahlen seien sogar
leicht gestiegen. Aus Sicht der Fraktion könne man nicht verstehen, dass die Bundesregierung bis auf eine geringe
Erhöhung des Kindergeldes insoweit keine weiteren Initiativen ergriffen habe. Deshalb habe man den vorliegen-
den Antrag eingebracht, er enthalte vor allem drei dringende Maßnahmen. Die erste sei eine sachgerechte Erhö-
hung der Regelsätze für Kinder in der Grundsicherung, um das Existenzminimum verlässlich abzusichern. Kinder
würden weiter wie kleine Erwachsene behandelt, das werde den Bedarfen nicht gerecht. Insbesondere müssten
die Regelsätze auch die Teilhabe am sozialen Leben, an Bildung und Kultur sicherstellen und Mobilität gewähr-
leisten. Der zweite Punkt sei die Wirksamkeit des Kinderzuschlags. Ein Großteil der Berechtigten nehme den
Kinderzuschlag wegen hoher bürokratischer Hürden gar nicht in Anspruch. Deshalb müsse das bestehende System
hin zu einer unmittelbaren Auszahlung des Kinderzuschlags weiterentwickelt werden. Der letzte Punkt sei die
Tatsache, dass durch die Kinderfreibeträge Bezieher höherer Einkommen überproportional von staatlicher Förde-
rung profitierten. Deshalb plädiere die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für die Einführung einer Kinder-
grundsicherung als eine einkommensunabhängige Leistung, die sich ausschließlich am Kind orientiere.

Der zweite Antrag befasse sich mit einer neuen Zeitpolitik. Dabei gehe es unter anderem darum, Menschen, die
Verantwortung für andere Menschen übernähmen, mehr Zeit zu verschaffen. So sollten durch Einführung einer
KinderZeit Plus Eltern mehr Zeit für ihre Kinder haben und sich Erwerbs- und Familienarbeit untereinander besser
aufteilen können. Das solle durch eine Ausweitung der Bezugszeit von Elterngeld auf 24 Monate geschehen,
wobei durch eine Aufteilung in drei Blöcke von je acht Monaten auch eine größere Flexibilität erreicht werden
solle. Ein weiteres Anliegen sei die Einführung einer PflegeZeit Plus. Damit wolle man Menschen, die sich der
Pflege Anderer annähmen, Auszeiten ermöglichen und diese mit einer Lohnersatzleistung hinterlegen. Die Dauer
solle drei Monate betragen und nicht nur Verwandten von Pflegebedürftigen zugutekommen, sondern allen Per-
sonen, die Pflegeaufgaben übernähmen. Die genannten Leistungen seien dringend erforderlich, um die Gestaltung
von Lebens- und Arbeitszeit auf eine neue, zeitgerechte Grundlage zu stellen.

Die Fraktion der CDU/CSU hob hervor, dass die Anträge Anlass gäben, sie vor dem Hintergrund der familien-
politischen Leistungen insgesamt zu diskutieren. Dieser Bereich umfasse ein Finanzvolumen von über 200 Mrd.
Euro, aufgeteilt in über 150 verschiedene Einzelleistungen, da sei es immer ratsam, darüber nachzudenken, wie
zielgenau diese Leistungen ausgestaltet seien, wo Synergieeffekte zu erzielen bzw. Doppel- oder Parallelleistun-
gen festzustellen seien oder aber Leistungen ganz ins Leere liefen. Natürlich müssten Prioritäten gesetzt werden,
wobei es nicht nur um finanzielle Leistungen, sondern auch um Maßnahmen gehe. Die Regierungskoalition habe
sich das sehr genau angesehen. Die wichtigsten Vorhaben, die sie umgesetzt habe, seien die Reform des Unter-
haltsvorschusses, die Erweiterung des Kinderzuschlags und die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und
Beruf, nicht zuletzt durch den soeben beschlossenen Ausbau der Kindertagesbetreuung. Kinderarmut sei weiterhin
ein Thema in Deutschland, wobei man im Zusammenhang mit dem angesprochenen leichten Anstieg darauf hin-
weisen müsse, dass dieser auch mit dem Flüchtlingszuzug zusammenhänge. Die von der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN vorgeschlagene Kindergrundsicherung sei insoweit allerdings der falsche Ansatz. Grundlage
der Bekämpfung von Kinderarmut müsse die Stärkung der Familie sein. Worum es gehe sei, die Voraussetzungen
zu schaffen, dass Familien durch Arbeit und Selbstbestimmung aus Armut herausgeführt würden.

Die von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgeschlagene Kindergrundsicherung koste 17 bis 18 Mrd.
Euro netto, so die Berechnungen von Professor Bonin. Ein ähnlicher Antrag der Fraktion DIE LINKE. erfordere
13 bis 14 Mrd. Euro. Angesichts solcher Summen müsse man sich sehr genau überlegen, wie das Geld sinnvoll
einzusetzen sei. Letztlich gehe es darum, Eltern in die Lage zu versetzen, selbst für sich und ihre Kinder aufzu-
kommen. Das Konzept einer Kindergrundsicherung verfehle dieses Ziel.

Auch was das Thema Zeitmanagement angehe, habe die Koalition zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der
Vereinbarkeit von Familie und Beruf ergriffen. Es frage sich, ob der Vorschlag einer KinderZeit Plus von 3 mal
8 Monaten nicht zu kompliziert sei. Die Einführung des Betreuungsgeldes sei seinerzeit als Einführung einer

Drucksache 18/12156 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
„Herdprämie“ diffamiert worden. Jetzt gebe es Vorschläge aus anderen Parteien, 300 Euro zu zahlen, wenn El-
ternteile zwischen 26 und 34 Stunden arbeiteten, auch das sei komplex und schwierig. Eltern sprächen sich gegen
solche Regelungen aus und plädierten stattdessen dafür, sie selbst entscheiden zu lassen. Vor diesem Hintergrund
sei die Fraktion der CDU/CSU gern bereit, über Zeitmanagementsysteme zu sprechen, warne aber davor, sie mit
komplexen Regelungen zu überfrachten.

Die Fraktion DIE LINKE. wies darauf hin, dass es 2 bis 3 Mio. Kinder in Armut in Deutschland gebe. Diese
Kinder lebten in Armut, weil ihre Familien über gar kein oder nur ein geringes Einkommen verfügten. Um diese
Kinder aus der Armut herauszuholen, gebe es nur zwei Wege. Entweder man erhöhe den Mindestlohn – das habe
die Fraktion des CDU/CSU abgelehnt und auch die SPD Fraktion sei, entgegen der Position ihres Spitzenkandi-
daten, dagegen – oder man erhöhe die Transferleistungen. Eines von beiden müsse man machen, denn von selbst
werde die Armut sich nicht auflösen. Insofern ziele der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in die
richtige Richtung. Die Fraktion DIE LINKE. habe allerdings eigene Vorschläge zur Bekämpfung von Kinderar-
mut vorgelegt, diese stützten sich im Wesentlichen auf drei Maßnahmen. Die erste Maßnahme sei die Erhöhung
finanzieller Leistungen, namentlich die Anhebung des Mindestlohnes. Darüber hinaus müsse das Kindergeld sub-
stantiell erhöht werden. Die Erhöhung des Kinderzuschlages reiche insoweit nicht, im Übrigen sei diese Erhöhung
auch bürokratisch und kompliziert ausgestaltet. Es wäre wichtig diesen Kinderzuschlag zu entbürokratisieren.

Die von der Koalition verabschiedete Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes leide an der Einführung der büro-
kratischen 600 Euro Grenze, die unbedingt abgeschafft werden müsse. Am Ende gehe es um Kinder im SGB II
Bezug. Dort würden die Regelbedarfssätze aus politischen Gründen künstlich so klein gerechnet, dass die Fami-
lien und damit auch die Kinder immer arm blieben. Ihnen könne nur und müsse mit Transferleistungen geholfen
werden. Anders seien sie nicht aus der Armut herauszuholen.

Das zweite große Thema seien Infrastruktur und Teilhabe. In diesen Punkten biete der Antrag der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN wenig, deshalb werde sich die Fraktion DIE LINKE bei der Abstimmung der Stimme
enthalten. Richtig sei, dass Kinderarmut sich durch eine gute Infrastruktur und Teilhabeleistungen reduziere. Da
brauche es aber mehr als das vorgeschlagene Bildungs- und Teilhabepaket. Das Geld wolle die Fraktion DIE
LINKE. besser in die Familien geben. Im Übrigen müsse die soziale Infrastruktur deutlich ausgebaut und Kinder
müssten diesbezüglich kostenfrei gestellt werden, dazu gehöre beispielsweise ein vernünftiges Mittagessen in
Schulen und Kitas sowie ein beitragsfreier Schülerverkehr.

Als letztes müsse man sich noch fragen, woher die Familien ihre Leistungen bekämen. Die Fraktion DIE LINKE.
habe sich insoweit für die Einrichtung sogenannter „Familienstellen“ ausgesprochen. Diesen Vorschlag hätten
inzwischen auch die Diakonie, der Paritätische Gesamtverband und das Deutsche Kinderhilfswerk aufgegriffen.
Das seien die eigenen Vorschläge. Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sei insoweit zu wenig
konkret, deshalb werde man sich bei der Abstimmung der Stimme enthalten.

Was den Antrag zur Familienzeit angehe, so enthalte er gute Ansätze, die aber weiter entwickelt werden müssten.
Bei dem Thema gehe es nicht nur darum, Zeit innerhalb der Familien besser zu verteilen. Kinderbetreuung und
Pflege seien Herausforderungen, die früher im Familienverband oder auf dörflicher Ebene gelöst worden seien.
Diese Strukturen seien heute nicht mehr vorhanden, deshalb müsse an dieser Stelle der Staat eintreten und die
Aufgaben durch Schaffung einer entsprechenden sozialen Infrastruktur übernehmen. Überlegungen zur Zeitsou-
veränität gehörten dazu, seien aber nicht ausreichend, deshalb werde sich die Fraktion DIE LINKE. auch insoweit
der Stimme enthalten.

Die Fraktion der SPD kündigte an, beide Anträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abzulehnen, da die
Koalition zu beiden Themenfeldern – Bekämpfung der Kinderarmut und Vereinbarkeit von Familie und Beruf –
in dieser Wahlperiode bereits viel auf den Weg gebracht habe und zudem die Konzepte in den Anträgen nicht
überzeugend seien. Der Antrag „Familien stärken – Kinder fördern“ sei in seiner Gesamtanlage zu „grobmaschig“.
Zudem werde nicht hinreichend anerkannt, was die Koalition in diesem Themenfeld in dieser Wahlperiode ge-
leistet habe. Hierzu gehörten die Anhebung des Kinderzuschlags, der Durchbruch beim Unterhaltsvorschuss und
die Einführung des Mindestlohns. Der Vorschlag, das Kindergeld anzuheben, helfe kaum, um die Kinderarmut
zu bekämpfen. Bislang sei dieser Weg häufig beschritten worden, weil dieses Mittel bundespolitisch am leichtes-
ten beeinflusst werden könne. Auch der Vorschlag der Fraktion DIE LINKE., die Kinderarmut durch Erhöhung
der Leistungen für die Bezieher von Arbeitslosengeld II zu bekämpfen, sei nicht der richtige Weg. Diese Armut
sei mathematisch definiert und es handele sich um einen Durchschnittswert. Solange Menschen, die nicht arbei-
teten, ein deutlich niedrigeres Einkommen hätten, als Menschen, die arbeiteten, könne man mit diesem Instrument

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/12156
das Problem nicht lösen. Es liege jedoch in der Natur der Sache, dass hier eine Differenz bestehe. Letztlich könne
man das Problem der Kinderarmut nur lösen, wenn die Eltern dieser Kinder Arbeit hätten. Wenn man das bei den
Eltern nicht schaffe, so müsse man überlegen, wie man es bei den Kindern schaffen könne. Bei diesen erreiche
man mit erstklassigen Kitas und Schulen, dass sie später im Beruf erfolgreich sein könnten. Wenn man immer nur
Erhöhungen von Leistungen im Blick habe, werde man das Problem der Kinderarmut strukturell nicht in den Griff
bekommen.

Man teile die Einschätzung der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, dass es nicht sinnvoll sei, steuerlich
lediglich den Zustand des Verheiratetseins wirksam werden zu lassen. Vielmehr müsse man steuerlich an die
Existenz einer Familie anknüpfen. Hier müsse man in der nächsten Legislaturperiode Fortschritte machen.

Zur Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf habe die SPD-Fraktion ihre Konzepte vorgelegt. Das Konzept
der Familienarbeitszeit sei ein Entgegenkommen gegenüber weit verbreiteten Elternwünschen und ein kleiner
Baustein auf dem Weg zu einer familienfreundlichen Arbeitswelt. Keinesfalls könne dieses Konzept als dogma-
tisch bezeichnet werden. Es sei hilfreich, wenn das Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit von der CDU/CSU-
Fraktion nicht länger blockiert werde, damit es noch in dieser Wahlperiode als Gesetz beschlossen werden könne.

Berlin, den 26. April 2017

Marcus Weinberg (Hamburg)
Berichterstatter

Dr. Fritz Felgentreu
Berichterstatter

Norbert Müller (Potsdam)
Berichterstatter

Katja Dörner
Berichterstatterin

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