BT-Drucksache 18/12146

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksachen 18/9526, 18/9909, 18/10102 Nr. 8 - Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben

Vom 26. April 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12146

18. Wahlperiode 26.04.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
(16. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung

– Drucksachen 18/9526, 18/9909, 18/10102 Nr. 8 –

Entwurf eines Gesetzes
zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften
an europa- und völkerrechtliche Vorgaben

A. Problem

Die deutschen Regelungen zum Gerichtszugang in Umweltangelegenheiten ste-
hen teilweise nicht im Einklang mit den Anforderungen der UN ECE Aarhus-
Konvention und den einschlägigen EU-Richtlinien und müssen deshalb angepasst
werden.

B. Lösung

Annahme des Gesetzentwurfs unter Buchstabe a in geänderter Fassung mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Annahme einer Entschließung unter Buchstabe b mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Ablehnung des Gesetzentwurfs.

D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Drucksache 18/12146 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Gesetzentwurf auf Drucksachen 18/9526, 18/9909 mit folgenden Maß-
gaben, im Übrigen unverändert anzunehmen:

1. Artikel 1 wird wie folgt geändert:

a) Nummer 1 wird wie folgt geändert:

aa) Buchstabe a Doppelbuchstabe bb wird wie folgt gefasst:

bb)‚ Satz 3 wird wie folgt gefasst:

„Unberührt bleiben

1. § 44a der Verwaltungsgerichtsordnung,

2. § 17 Absatz 3 Satz 3 bis 5 und § 19 Absatz 2 Satz 5
bis 7 des Standortauswahlgesetzes sowie

3. § 15 Absatz 3 Satz 2 des Netzausbaubeschleuni-
gungsgesetzes Übertragungsnetz, § 17a Absatz 5
Satz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes, § 6 Ab-
satz 9 des Windenergie-auf-See-Gesetzes, § 15
Absatz 5 und § 16 Absatz 3 des Gesetzes über die
Umweltverträglichkeitsprüfung und andere ent-
sprechende Rechtsvorschriften.“ ‘

bb) Nach Buchstabe a wird folgender Buchstabe b eingefügt:

‚b) In Absatz 3 wird die Angabe „Absatz 1 Satz 1 Num-
mer 1 oder 2“ durch die Angabe „Absatz 1 Satz 1 Num-
mer 1, 2 oder 5“ ersetzt.‘

cc) Der bisherige Buchstabe b wird Buchstabe c.

b) Nummer 2 Buchstabe b Absatz 3 wird wie folgt gefasst:

(3)„ Ist eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 nach den
geltenden Rechtsvorschriften weder öffentlich bekannt gemacht
noch der Vereinigung bekannt gegeben worden, so müssen Wider-
spruch oder Klage binnen eines Jahres erhoben werden, nachdem
die Vereinigung von der Entscheidung Kenntnis erlangt hat oder
hätte erlangen können. Widerspruch oder Klage gegen eine Ent-
scheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 oder 6 müssen je-
doch spätestens binnen zweier Jahre, nachdem der Verwaltungsakt
erteilt wurde, erhoben werden. Satz 1 gilt entsprechend, wenn eine
Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 entgegen geltenden
Rechtsvorschriften nicht getroffen worden ist und die Vereinigung
von diesem Umstand Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen kön-
nen.“

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12146

c) Nummer 4 wird wie folgt geändert:

aa) Nach Buchstabe b wird folgender Buchstabe c eingefügt:

‚c) Dem Wortlaut des § 4 Absatz 1b wird folgender Satz
vorangestellt:

„Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nur
dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Ab-
satz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b oder 5, wenn sie nicht
durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes
Verfahren behoben werden kann.“ ‘

bb) Der bisherige Buchstabe c wird Buchstabe d.

d) Nummer 5 wird wie folgt geändert:

aa) § 6 wird wie folgt gefasst:

§ 6„

Klagebegründungsfrist

Eine Person oder eine Vereinigung im Sinne des § 4 Ab-
satz 3 Satz 1 hat innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab
Klageerhebung die zur Begründung ihrer Klage gegen eine
Entscheidung im Sinne von § 1 Absatz 1 Satz 1 oder gegen
deren Unterlassen dienenden Tatsachen und Beweismittel an-
zugeben. Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf
dieser Frist vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn
die Voraussetzung nach § 87b Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung erfüllt ist. § 87b Absatz 3
Satz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung gilt entspre-
chend. Die Frist nach Satz 1 kann durch den Vorsitzenden
oder den Berichterstatter auf Antrag verlängert werden, wenn
die Person oder die Vereinigung in dem Verfahren, in dem
die angefochtene Entscheidung ergangen ist, keine Möglich-
keit der Beteiligung hatte.“

bb) § 8 Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

(2)„ Dieses Gesetz gilt für Rechtsbehelfe gegen Ent-
scheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bis 6,

1. die am … [einsetzen: Datum des Inkrafttretens dieses
Gesetzes] noch keine Bestandskraft erlangt haben oder

2. die nach diesem Zeitpunkt ergangen sind oder hätten er-
gehen müssen.“

2. Artikel 2 wird wie folgt geändert:

a) In Nummer 1 Buchstabe b werden in Absatz 1c Satz 2 nach dem
Wort „beruhen“ das Komma und die Wörter „es sei denn, die vor-
gebrachten Einwendungen sind für die Rechtmäßigkeit der Ent-
scheidung von Bedeutung“ gestrichen.

Drucksache 18/12146 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

b) Nummer 2 wird wie folgt gefasst:

2.‚ In § 9a Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 werden nach dem Wort
„Frist“ die Wörter „für das Verfahren über die Zulässigkeit
des Vorhabens“ eingefügt.‘

3. Artikel 3 wird wie folgt geändert:

a) Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb wird wie folgt ge-
fasst:

bb)‚ In Satz 5 werden nach dem Wort „sind“ die Wörter „für das
Genehmigungsverfahren“ eingefügt.‘

b) Folgende Nummer 3 wird angefügt:

3.‚ § 23b Absatz 2 wird wie folgt geändert:

a) In Satz 3 werden die Wörter „§ 10 Absatz 3 Satz 4“
durch die Wörter „§ 10 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz“
ersetzt.

b) Nach Satz 3 wird folgender Satz eingefügt:

㤠10 Absatz 3 Satz 5 und Absatz 3a gilt entspre-
chend.“ ‘

4. Artikel 14 wird wie folgt gefasst:

Artikel 14‚

Änderung der Verordnung über das Genehmigungsverfahren

In § 11a Absatz 4 Satz 1 der Verordnung über das Genehmigungs-
verfahren in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Mai 1992
(BGBl. I S. 1001), die zuletzt durch Artikel … der Verordnung vom …
(BGBl. I S. …) geändert worden ist, werden nach dem Wort „Einwen-
dungsfrist“ die Wörter „für das Genehmigungsverfahren“ eingefügt.‘

5. In Artikel 15 werden die Nummern 1 und 2 wie folgt gefasst:

1.‚ In § 7 Absatz 1 Satz 2 werden nach dem Wort „werden“ die Wör-
ter „für das Genehmigungsverfahren“ eingefügt.

2. In § 7a Absatz 1 Satz 3 werden nach den Wörtern „nach Ablauf
der Einwendungsfrist“ die Wörter „für das Genehmigungsverfah-
ren“ eingefügt.‘;

b) folgende Entschließung anzunehmen:

„Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. in der kommenden Legislaturperiode einen Gesetzentwurf zur vollstän-
digen Integration der naturschutzrechtlichen Verbandsklage nach § 64
des Bundesnaturschutzgesetzes in das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz
vorzulegen; diese Überführung soll ohne inhaltliche Abstriche erfolgen
und dient ausschließlich der besseren Systematisierung des Bundes-
rechts, und

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12146

2. ihm vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Novelle zum Umwelt-Rechts-
behelfsgesetz über die praktischen Erfahrungen im Vollzug zu berich-
ten; dabei soll insbesondere mitgeteilt werden, ob es zu einer Zunahme
von umweltrechtlichen Rechtsbehelfen nach diesem Gesetz und zu ei-
ner signifikanten Verlängerung von Entscheidungsverfahren gekom-
men ist.“

Berlin, den 26. April 2017

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Bärbel Höhn
Vorsitzende

Oliver Grundmann
Berichterstatter

Dr. Matthias Miersch
Berichterstatter

Hubertus Zdebel
Berichterstatter

Peter Meiwald
Berichterstatter

Drucksache 18/12146 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Oliver Grundmann, Dr. Matthias Miersch, Hubertus
Zdebel und Peter Meiwald

I. Überweisung

Der Gesetzentwurf auf Drucksache 18/9526 wurde in der 187. Sitzung des Deutschen Bundestages am 8. Sep-
tember 2016 bzw. in der 190. Sitzung des Deutschen Bundestages am 22. September 2016 zur federführenden
Beratung an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sowie zur Mitberatung an den
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, den Ausschuss für Wirtschaft und Energie sowie den Ausschuss für
Verkehr und digitale Infrastruktur überwiesen. Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung hat sich
zudem gutachtlich beteiligt.

Die Unterrichtung durch die Bundesregierung auf Drucksache 18/9909 wurde gemäß § 80 Absatz 3 der Ge-
schäftsordnung des Deutschen Bundestages (Drucksache 18/10102 Nr. 8) zur federführenden Beratung an den
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sowie zur Mitberatung an den Ausschuss für
Recht und Verbraucherschutz, den Ausschuss für Wirtschaft und Energie sowie den Ausschuss für Verkehr und
digitale Infrastruktur überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Ziel des Gesetzentwurfs ist es, Konformität der deutschen Regelungen zum Gerichtszugang in Umweltangelegen-
heiten mit den Anforderungen des Artikels 9 Absatz 2 und 3 der Aarhus-Konvention herzustellen. Diese vorge-
sehenen Anpassungen des Umweltrechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) sollen im Wege einer eins zu eins Umsetzung
der europa- und völkerrechtlichen Vorgaben erfolgen. Zur Umsetzung des Beschlusses V/9h der Vertragsstaaten-
konferenz soll im Anwendungsbereich von Artikel 9 Absatz 2 der Aarhus-Konvention die Einschränkung in § 2
Absatz 1 und 5 des UmwRG auf „Vorschriften, die dem Umweltschutz dienen“ ersatzlos entfallen. Demgegen-
über soll im Anwendungsbereich von Artikel 9 Absatz 3 der Aarhus-Konvention an diesem Kriterium festgehal-
ten werden (siehe § 2 Absatz 1 Satz 2 UmwRG (neu)).

Änderungsbedarf ergibt sich zudem aus dem Beschluss V/9h der Vertragsstaatenkonferenz, weil es einer voll-
ständigen Umsetzung von Artikel 9 Absatz 3 der Aarhus-Konvention im deutschen Recht bedarf. Hierzu wird der
Anwendungsbereich in § 1 Absatz 1 Satz 1 UmwRG gemäß den Vorgaben der 5. Vertragsstaatenkonferenz der
Aarhus-Konvention um die neuen Nummern 4 bis 6 erweitert, um zukünftig die Anwendung umweltbezogener
Bestimmungen durch Privatpersonen und Behörden überprüfbar zu machen. Die Möglichkeit einer umweltrecht-
lichen Verbandsklage wird damit auf Entscheidungen über die Annahme von Plänen und Programmen ausge-
dehnt, bei denen eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung bestehen kann, ferner auf
Entscheidungen über die Zulässigkeit von anderen Vorhaben als Industrieanlagen und Infrastrukturmaßnahmen
im Sinne der UVP-Richtlinie und der Industrieemissionsrichtlinie der EU, bei denen umweltrechtliche Vorschrif-
ten Anwendung finden, sowie auf Entscheidungen über behördliche Überwachungs- oder Aufsichtsmaßnahmen
nach umweltrechtlichen Vorschriften.

Des Weiteren soll mit dem Entwurf das Urteil des EuGH (Rechtssache C-137/14) vom 15. Oktober 2015 umge-
setzt werden. In diesem Urteil hat der EuGH entschieden, dass die Präklusion von Einwendungen tatsächlicher
Art im gerichtlichen Verfahren eine Beschränkung darstellt, für die es in Artikel 11 der Richtlinie 2011/92/EU
und Artikel 25 der Richtlinie 2010/75/EU keine Grundlage gibt. Die entsprechende Regelung im Umwelt-Rechts-
behelfsgesetz ist daher zu streichen. Vorgesehen ist jedoch die Klarstellung durch einen neuen § 5 UmwRG, wo-
nach ein Ausschluss von Einwendungen dann möglich ist, wenn deren erstmalige Geltendmachung im Rechts-
behelfsverfahren missbräuchlich oder unredlich ist. Die Möglichkeit zur Zurückweisung eines solchen Vorbrin-
gens hat der EuGH in seinem Urteil ausdrücklich zugelassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/12146

Der Einwendungsausschluss im Verwaltungsverfahren kann dagegen auch nach der Entscheidung des EuGH bei-
behalten werden; die entsprechenden Regelungen in verschiedenen Fachgesetzen sind dementsprechend zu kon-
kretisieren. Um der Öffentlichkeit einen ausreichenden Zeitraum für die Erhebung von Einwendungen zu eröff-
nen, sollen die Einwendungsfristen zusätzlich generell um zwei Wochen verlängert werden. Bei komplexen Zu-
lassungsverfahren, in denen Unterlagen mit einem erheblichen Umfang gesichtet werden müssen, wird überdies
die Möglichkeit zu einer weiteren Verlängerung der Einwendungsfrist bis zu dem Zeitpunkt geschaffen, der auch
den beteiligten Behörden für ihre Stellungnahme eingeräumt ist. Damit ist sichergestellt, dass geltende Genehmi-
gungsfristen nicht verlängert werden.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse sowie des Parlamentarischen Beirats für
nachhaltige Entwicklung

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat in seiner 142. Sitzung am 26. April 2017 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN empfohlen, den Gesetzentwurf auf Drucksachen 18/9526, 18/9909 in geänderter Fassung anzunehmen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat in seiner 110. Sitzung am 26. April 2017 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN empfohlen, den Gesetzentwurf auf Drucksachen 18/9526, 18/9909 in geänderter Fassung anzunehmen.

Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur hat in seiner 110. Sitzung am 26. April 2017 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Gesetzentwurf auf Drucksachen 18/9526, 18/9909 in geänderter Fassung an-
zunehmen.

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung hat zu dem Gesetzentwurf folgende Stellungnahme
übermittelt:

‚Im Rahmen seines Auftrags zur Überprüfung von Gesetzentwürfen und Verordnungen der Bundesregierung auf
Vereinbarkeit mit der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie hat sich der Parlamentarische Beirat für nachhaltige
Entwicklung gemäß Einsetzungsantrag (Drucksache 18/559) in seiner 53. Sitzung am 21. September 2016 mit
dem Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an eu-
ropa- und völkerrechtliche Vorgaben (Drucksache 18/9526) befasst.

Folgende Aussagen zur Nachhaltigkeit wurden in der Begründung des Gesetzentwurfs getroffen:

„Der Gesetzentwurf führt zu Verbesserungen der zivilgesellschaftlichen Teilhabe und Verantwortung (Bezug zu
Grundlagen der Nachhaltigkeitsstrategie, Fortschrittsbericht S. 27 I 5. Lit. d; Managementregel 9 „Sozialen Zu-
sammenhalt stärken“ sowie Agenda 21, Präambel des Teil III: „Stärkung der Rolle wichtiger Gruppen“). Ziel
ist, die Verfahrensrechte von Bürgerinnen und Bürgern sowie von anerkannten Umweltvereinigungen zu stärken.
Durch den Gesetzentwurf wird die dritte Säule der Aarhus-Konvention - der Zugang zu Gerichten in Umweltan-
gelegenheiten - auf breiterer Basis als bisher in nationales Recht umgesetzt. Durch eine aktive Mitwirkung von
Bürgerinnen, Bürgern und Umweltvereinigungen kann Problemen bei der Umsetzung und Anwendung des natio-
nalen und europäischen Umweltrechts effektiv entgegengewirkt werden. Die Eröffnung wirksamer Rechtsbehelfs-
möglichkeiten für Einzelpersonen und Umweltvereinigungen ergänzt und komplettiert die bestehenden Beteili-
gungsrechte in Planungs- und Zulassungsverfahren. Dies gilt insbesondere für Handlungen einschließlich Unter-
lassungen, die nicht nur Individualgüter, sondern auch Umweltgüter der Allgemeinheit beeinträchtigen können.
Mit einem verbesserten Rechtsschutz wird die Durchsetzung umweltrechtlicher Anforderungen gestärkt und damit
den Belangen der Umwelt als einer wesentlichen Komponente der nachhaltigen Entwicklung Geltung verschafft.“

Formale Bewertung durch den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung:

Eine Nachhaltigkeitsrelevanz des Gesetzentwurfs ist gegeben. Der Bezug zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie
ergibt sich hinsichtlich folgender Managementregel:

Managementregel 9 (Sozialer Zusammenhalt: Armut und Ausgrenzung vorbeugen, Chancen ermöglichen, demo-
grafischen Wandel gestalten, Beteiligung aller am gesellschaftlichen Leben)

Drucksache 18/12146 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Die Darstellung der Nachhaltigkeitsprüfung ist plausibel.

Eine Prüfbitte ist nicht erforderlich.‘

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat in seiner 87. Sitzung am 22. Juni 2016
einstimmig beschlossen, eine öffentliche Anhörung zum „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-
Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben“ durchzuführen, die
am 26. September 2016 (91. Sitzung) stattfand. An der Anhörung haben folgende Sachverständige teilgenommen:

– Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI),
Oliver Schollmeyer,

– Dr. Frank Fellenberg
Deutscher Anwaltverein,

– Prof. Dr. Remo Klinger
GEULEN & KLINGER Rechtsanwälte,

– Prof. Dr. Sabine Schlacke
Westfälische Wilhelms-Universität Münster,
Institut für Umwelt- und Planungsrecht,

– Dirk Teßmer
Rechtsanwälte Philipp-Gerlach & Teßmer,

– Dr. Michael Zschiesche
Unabhängiges Institut für Umweltfragen (UfU).

Die Ergebnisse der Anhörung sind in die Beratungen des Ausschusses eingeflossen. Die hierzu eingegangenen
schriftlichen Stellungnahmen der geladenen Sachverständigen sowie das Wortprotokoll der Anhörung sind der
Öffentlichkeit über das Internet zugänglich (www.bundestag.de).

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat den Gesetzentwurf auf Drucksachen
18/9526, 18/9909 in seiner 117. Sitzung am 26. April 2017 abschließend beraten.

Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD haben einen Änderungsantrag auf Ausschussdrucksache 18(16)482 ein-
gebracht, dessen Inhalt sich aus der Beschlussempfehlung und Abschnitt V dieses Berichts ergibt.

Des Weiteren haben die Fraktionen der CDU/CSU und SPD einen Entschließungsantrag auf Ausschussdrucksa-
che 18(16)483 eingebracht, dessen Inhalt sich aus der Beschlussempfehlung ergibt.

Die Fraktion DIE LINKE. hat dazu folgenden Entschließungsantrag auf Ausschussdrucksache 18(16)479 einge-
bracht:

Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit der am 30.10.2001 in Kraft getretenen Aarhus-Konvention, die auch die Bundesrepublik Deutschland unter-
zeichnet hat, soll ein umfassender Zugang der Bevölkerung zu Gerichten in Umweltangelegenheiten eröffnet wer-
den. Seit 15 Jahren ist die Umsetzung durch die Bundesrepublik Deutschland jedoch mangelhaft. So wurde im
Jahr 2011 vom Europäischen Gerichtshof entschieden, dass die Klagerechte von Umweltvereinigungen unzuläs-
sigerweise auf solche Fälle eingeschränkt waren, in denen auch Einzelpersonen klagebefugt sind. Mit dem Be-
schluss V/9h der 5. Vertragsstaatenkonferenz zur UN ECE Aarhus-Konvention vom Juli 2014 zur eingeschränkten
Rügebefugnis auf „Vorschriften, die dem Umweltschutz dienen“ sowie zur Beschränkung der Klagebefugnis in
vielen sektoralen Gesetzen wurde entschieden, dass die Bundesrepublik gegen die Aarhus-Konvention verstoßen
hat. Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 15.10.2015 (Rechtssache C-137/14) wurde klargestellt,

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/12146

dass auch der in Deutschland praktizierte Ausschluss des Vorbringens von Argumenten in Gerichtsverfahren,
soweit diese nicht im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren vorgebracht wurden, unzulässig ist.

Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an
europa- und völkerrechtliche Vorschriften sollen angeblich die Anforderungen der Aarhus-Konvention und ein-
schlägiger EU-Richtlinien in nationales Recht vollständig umgesetzt werden.

Doch die Bundesregierung will ihre bisherige Politik der sehr restriktiven Umsetzung der Aarhus-Konvention mit
dem neuen Gesetzentwurf fortsetzen.

Der vorgelegte Gesetzentwurf der Bundesregierung bewirkt keine vollständige Umsetzung der sich aus den inter-
nationalen Vorgaben ergebenden Verpflichtungen und verletzt weiterhin europäisches Recht und Völkerrecht.
Darauf wurde in der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
des Deutschen Bundestages am 26.9.2016 von der Mehrheit der Sachverständigen deutlich verwiesen. Auch der
Sachverständigenrat für Umweltfragen hat in seiner Publikation „Verbandsklage wirksam und rechtskonform
ausgestalten: Stellungnahme zur Novelle des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes“ im Oktober 2016 ausgeführt, dass
der Gesetzentwurf Einschränkungen des Klagerechts enthält, die entfallen müssen, um den völker- und europa-
rechtlichen Verpflichtungen gerecht zu werden.

Nach wie vor ist der Anwendungsbereich zu eng gefasst. So bezieht sich § 9 Absatz 3 Aarhus-Konvention nicht
lediglich auf Verwaltungsakte oder öffentlich-rechtliche Verträge. Vielmehr muss jedwedes staatliches Handeln
oder Unterlassen der gerichtlichen Überprüfung auf Übereinstimmung mit den Vorschriften des Umweltrechts
zugänglich sein. Damit sind auch Satzungsbeschlüsse und Verordnungen in den Anwendungsbereich des Gesetzes
einzubeziehen.

Dem Gesetzentwurf mangelt es an einer systematischen Berücksichtigung von Entscheidungen im Rahmen des
Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) oder des Gesetzes über Naturschutz und Landschafts-
pflege (BNatSchG). Hier sind entsprechende Änderungen vorzunehmen.

Es verstößt gegen die Rechtssystematik, bestimmte Pläne und Programme ausdrücklich von der Klagebefugnis
auszunehmen, wie es § 16 Absatz 4 Satz 2 UVPG-E bestimmt. Insbesondere werden bestimmte Raumordnungs-
pläne, die Flächen für den Abbau von Rohstoffen ausweisen, von der Klagebefugnis der Verbände ausgenommen.
Diese Privilegierung des Bergbaus steht in direktem Gegensatz zu seinen erheblichen Umweltauswirkungen und
ist daher zu streichen. Aus Gründen einer effektiven Durchsetzung des Umweltschutzes ist auch klarzustellen,
dass die Erteilung bergrechtlicher Erlaubnisse und Bewilligungen von den Verbänden gerichtlich angegriffen
werden kann.

Gemäß dem Beschluss V/9h der Aarhus-Vertragsstaatenkonferenz vom Juli 2014 hat die Bundesrepublik Deutsch-
land die Rügebefugnis unzulässig auf „Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen“ eingeschränkt. Der
Gesetzentwurf sieht den Wegfall dieser Einschränkung vor, führt aber durch eine neue Anforderung praktisch
zum bisherigen Ergebnis. So sollen Rechtsbehelfe nur dann begründet sein, wenn der Rechtsverstoß Belange
berührt, die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert. Da dies in der Regel aus-
schließlich Ziele des Umweltschutzes sein werden, wird die Anforderung der Aarhus-Vertragsstaatenkonferenz
unterlaufen. Dies provoziert eine erneute Entscheidung der Aarhus-Vertragsstaatenkonferenz gegen die Bundes-
republik Deutschland.

Zwar soll aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die bisherige Vorschrift über die materi-
elle Präklusion im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz entfallen. Jedoch tritt an ihre Stelle eine Missbrauchsklausel,
wonach Einwendungen, die eine Person oder eine Vereinigung erstmals im Rechtsbehelfsverfahren erhebt, unbe-
rücksichtigt bleiben, wenn ihre Geltendmachung im Rechtsbehelfsverfahren missbräuchlich oder unredlich ist.
Angesichts der unbestimmten Rechtsbegriffe droht diese Regelung zur „Präklusion durch die Hintertür“ zu wer-
den. Sie ist daher zu streichen.

Zudem muss die Einführung neuer Präklusionsregeln im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, im UVPG und weiteren
Gesetzen als unvereinbar mit europäischem Recht und Völkerrecht gesehen werden.

Gemäß § 7 Absatz 5 UmwRG soll eine Verletzung materieller Rechtsvorschriften nur dann zur Aufhebung einer
Entscheidung nach § 1 Absatz 1 S. 1 Nummer 1 bis 2b oder 5 führen, wenn sie nicht durch Entscheidungsergän-
zung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Damit wäre zukünftig nicht das Ende des Verwal-

Drucksache 18/12146 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

tungsverfahrens, sondern das Ende des Gerichtsverfahrens der entscheidungserhebliche Zeitpunkt. Die Fehler-
heilung wird damit für gebundene Entscheidungen nicht nur durch den Vorhabenträger oder die Genehmigungs-
behörde, sondern durch das Gericht erfolgen. Dies bedeutet nicht nur, dass Vorhabenplanungen und Verwal-
tungsentscheidungen mit weniger Sorgfalt erfolgen, da praktisch eine unbegrenzte Heilung im Gerichtsverfahren
erfolgen kann. Es bedeutet auch, dass Umweltverbände auch bei höchst defizitären Verwaltungsakten nicht mehr
erfolgreich klagen können, da alle Fehler im Gerichtsverfahren geheilt werden. Eine derartige Bestimmung ver-
stößt gegen die Anforderung, dass gewährleistet sein muss, dass Rechtsmittel effektiv geführt werden können und
ist daher nicht einzuführen.

Gesetzliche Bestimmungen zur Klagebegründungsfrist wie in § 6 UmwRG haben sich nicht bewährt. Einerseits
ist eine Frist von sechs Wochen in komplexen umweltrechtlichen Verfahren häufig zu knapp bemessen, anderer-
seits steht dem keine gleichwertige zeitliche Vorgabe für die Klageerwiderung gegenüber. Zeitliche Verzögerun-
gen ergeben sich aber regelmäßig durch die langen Zeiträume, die Antragsteller und Genehmigungsbehörden für
eine Erwiderung in Anspruch nehmen.

Mit der Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes soll Umweltorganisationen die Funktion eines „Verwal-
tungshelfers“, eines Anhangs der zuständigen Behörde, zukommen. Dies verkennt die eigenständige Funktion von
umweltorientierten Nicht-Regierungsorganisationen im Kommunikationsdreieck Antragsteller-Behörde-Umwelt-
organisation und negiert die eigenständigen Interessen der zivilgesellschaftlichen Akteure. Derartige Passagen
müssen ersatzlos entfallen.

Soweit das Umweltrechtsbehelfsgesetz auf Klagemöglichkeiten bezüglich des Umweltschadensgesetzes Bezug
nimmt, ist aufgrund der Fehlentwicklungen in der Rechtsprechung, die diese zu eng sieht, eine Klarstellung er-
forderlich. Diese Klarstellung muss bezüglich der Angabe der einzelnen Paragrafen erfolgen.

Die Stichtagsregelung dürfte zu einer weiteren Entscheidung der Vertragsstaatenkonferenz zur UN ECE Aarhus-
Konvention gegen die Bundesrepublik Deutschland führen. Danach findet das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz zum
Teil nur Anwendung für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen, die nach dem 31. Dezember 2016 ergangen sind.
Die Rechtswidrigkeit der deutschen Regelungen war aber bereits zum Zeitpunkt des Beschlusses V/9h der 5. Ver-
tragsstaatenkonferenz zur UN ECE Aarhus-Konvention bekannt. Daher ist auf den Zeitpunkt dieser Entscheidung,
den 2. Juli 2014, oder auf einen früheren Zeitpunkt abzustellen. Nach dem 2. Juli 2014 kann es keinen Vertrau-
ensschutz mehr geben.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes vorzulegen,

1. in dem die Klagebefugnis ausnahmslos auf alle umweltrelevanten Pläne und Programme ausgedehnt wird,

2. in dem klargestellt wird, dass dieses Gesetz Anwendung findet für Entscheidungen nach den §§ 5 bis 8 Um-
weltschadensgesetz,

3. in dem klargestellt wird, dass dieses Gesetz Anwendung findet für die Erteilung von Erlaubnissen und Bewil-
ligungen nach dem Bundesberggesetz,

4. in dem die gerichtliche Überprüfung nicht lediglich für Verwaltungsakte und öffentliche Verträge eröffnet ist.
Vielmehr muss jedwedes staatliche Handeln oder Unterlassen, insbesondere Satzungsbeschlüsse und Verord-
nungen, der gerichtlichen Überprüfung auf Übereinstimmung mit den Vorschriften des Umweltrechts, zugäng-
lich sein,

5. durch den im Bereich des Bundesnaturschutzgesetzes die Mitwirkungsrechte (§ 63 BNatSchG) und Rechtsbe-
helfe (§ 64 BNatSchG) konsequent erweitert werden,

6. in dem auf die Bestimmung, dass Rechtsbehelfe nur dann begründet sind, wenn der Verstoß Belange berührt,
die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert, verzichtet wird,

7. in dem auf Ausnahmen von der Klagebefugnis der Verbände für Raumordnungspläne, insbesondere für Raum-
ordnungspläne, die Flächen für den Abbau von Rohstoffen ausweisen, verzichtet wird,

8. in dem auf eine Missbrauchsklausel hinsichtlich der Klageerhebung verzichtet wird,

9. in dem auf eine Klagebegründungsfrist verzichtet wird,

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/12146

10.in dem auf die Einführung neuer Präklusionsvorschriften verzichtet wird,

11.in dem keine neuen Möglichkeiten der Fehlerheilung hinsichtlich gebundener Entscheidungen im gerichtli-
chen Verfahren eröffnet werden,

12.in dem auf jegliche Anforderungen verzichtet wird, die die Umweltorganisationen als „Verwaltungshelfer“
charakterisieren,

13.in dem auf Überleitungsvorschriften verzichtet wird, die bestimmen, dass erst Entscheidungen, die nach dem
31. Dezember 2016 ergehen, einer neuen Rechtslage unterfallen. Stattdessen soll als Stichtag der 3.7.2014
gewählt werden.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat dazu folgenden Entschließungsantrag auf Ausschussdrucksache
18(16)475 eingebracht:

Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest,

Die Bestimmungen zum Schutz von Natur und Umwelt werden nicht immer rechtskonform vollzogen. Die Umwelt
selbst kann gegen diese Vollzugsdefizite keine Klage erheben und auch die Bürgerinnen und Bürger können solche
Gemeinwohlaspekte nur dann vor Gericht geltend machen, wenn sie in ihren eigenen Rechten verletzt werden.
Also direkt persönlich betroffen sind.

Um diese Vollzugsdefizite zu klären und Fehler im Vollzug zu heilen, auch wenn keine eigenen Rechte verletzt
werden, wurde die Verbandsklage eingeführt. Also wurde den Umweltverbänden die Befugnis eingeräumt, gegen
Umweltrechtsverletzungen gerichtlich vorzugehen. Ziel ist es, damit den Vollzug des Umweltrechts zu verbessern.
Die Verbände agieren somit hier als Vertreter der Umwelt.

Die Aarhus-Konvention von 1998 und das dazu ergangene europäische Regelwerk verpflichteten die Bundesre-
publik als Vertragsstaat dazu, die umweltrechtliche Verbandsklage erheblich auszuweiten. Zur Umsetzung der
europa- und völkerrechtlichen Vorgaben zur altruistischen Verbandsklage im Umweltrecht wurde 2006 das Um-
welt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) erlassen.

Allerdings haben sowohl die Bundesregierung als auch die Regierungskoalitionen es seit vielen Jahren versäumt,
diese Klagemöglichkeit für Umweltverbände so auszugestalten, dass sie den europa- und völkerrechtlichen Vor-
gaben umfassend entspricht. Dies belegen die zahlreichen Verurteilungen Deutschlands durch den Europäischen
Gerichtshof sowie die Entscheidungen des Compliance Committees bzw. der Vertragsstaatenkonferenz der Aar-
hus-Konvention. Erforderlich wäre es, die Neufassung des Gesetzes auf alle nicht bestandskräftigen Akte auszu-
weiten und auch die übrigen Einschränkungen für Umweltverbände und Bürger aufzuheben.

International ist die umweltrechtliche Verbandsklage weit verbreitet. Diese Klagerechte in Umweltangelegenhei-
ten bestehen in den UN-ECE-Staaten (Wirtschaftskommission für Europa bei den Vereinten Nationen – UN/ECE)
zum Beispiel in Dänemark, Belgien, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Portugal, der Schweiz, Finnland,
Spanien, Großbritannien und Irland, den osteuropäischen Staaten sowie in den USA. Diese sind in den einzelnen
Ländern sehr unterschiedlich ausgestaltet und blieben über die Jahre auch nicht unverändert. Aus vielen Ländern
gibt es positive Erfahrungen mit Umweltverbandsklagen, die auch schon aus der Zeit vor der Einführung der
europäischen Rechtsetzung in diesem Bereich resultieren.

Die dem Gesetzentwurf zugrundliegende Angst vor einem „zu viel“ an Klagen, man muss sagen ein „zu viel an
Rechtsschutz“, ist unbegründet. Die Anzahl der gerichtlichen Verfahren durch Umweltverbände in Deutschland
aufgrund des UmwRG im Zeitraum von 15. Dezember 2006 bis 15. April 2012 belaufen sich auf insgesamt 58.
Dies ergibt rechnerisch 12 Verfahren im Jahr in ganz Deutschland.

Der Deutsche Bundestag betont, dass mit der sogenannten Verbandsklage und der vollumfänglichen Umsetzung
der Arhus-Konvention keine neuen Verpflichtungen auf die Wirtschaft und Behörden zukommen. Es geht allein
darum, bestehendes, vom Gesetzgeber geschaffenes Recht im Umweltbereich gerichtlich besser durchzusetzen.

Drucksache 18/12146 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die völker- und europarechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Verbände- und
Bürgerbeteiligung endlich umsetzt; dazu gehört insbesondere, aber nicht abschließend:

 die Verbandsklagebefugnis ausnahmslos auf alle umweltrelevanten Entscheidungen wie Pläne, Programme,
sonstigen staatlichen Entscheidungen oder deren Unterlassen auszudehnen. Die im Gesetzentwurf vorgese-
henen Ausnahmen für Raumordnungspläne, die Flächen für Windenergienutzung oder für den Abbau von
Rohstoffen ausweisen, die Verkehrswegeplanung auf Bundesebene im Rahmen des Bundesverkehrswege-
plans und der entsprechenden Gesetze, die Bundesfachplanung nach dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz
Übertragungsnetz (NABEG) und den Bundesfachplan Offshore sind daher zu streichen;

 in § 2 Absatz 4 des Gesetzentwurfs zu streichen, dass „der Verstoß Belange berührt, die zu den Zielen gehö-
ren, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert“;

 den neu eingefügten § 5 mit der Bestimmung, dass Einwendungen ausgeschlossen werden können, wenn das
erstmalige Vorbringen im Verfahren „missbräuchlich oder unredlich“ ist, zu streichen;

 um die Rechtsschutzmöglichkeiten von Bürgern und Umweltvereinigungen nicht weiter zu beschneiden, die
neue Rechtslage auf noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Verfahren anzuwenden.

Begründung

Der vorliegende Gesetzesentwurf soll nunmehr die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom
08.03.2011 („Slowakischer Braunbär“, C-240/09) und vom 15.10.2015 (C-137/14) und der Vertragsstaaten-kon-
ferenz der Aarhus-Konvention umsetzen. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs von 2015 betrifft ins-
besondere die Präklusionsregeln (Ausschlussregeln) im deutschen Verwaltungsverfahrensrecht sowie Kausali-
tätserfordernisse bei Fehlern im Verwaltungsverfahren. Die Entscheidung der Vertragsstaatenkonferenz rügt die
fehlende Umsetzung von Artikel 9 Absatz 3 Arhus-Konvention, wonach eine weiter Zugang zu Gerichten in Um-
weltsachen sicherzustellen ist.

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass an einigen Punkten die bisherigen Einschränkungen des Klagerechts ent-
fallen, um den völker- und europarechtlichen Verpflichtungen gerecht zu werden. Dies betrifft allerdings nur die
Einschränkungen, die bereits deutlich vom EuGH oder der Vertragsstaatenkonferenz gerügt würden. Auch hier
bleibt fraglich, ob mit den vorgesehenen Änderungen die beanstandeten Punkte nicht wieder durch die Hintertür
eingefügt werden sollen. Auch wurde in der öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau
und Reaktorsicherheit am 26. September 2016 von Seiten der Sachverständigen auf mögliche verfassungsrechtli-
che Probleme hingewiesen.

Die Befugnisse von Umweltverbänden, gegen staatliche Maßnahmen, die die Umwelt betreffen bleiben weiterhin
zu weit eingeschränkt. Denn die Klagebefugnis wird nur auf bestimmte Pläne und Programme ausgedehnt. Wie
etwa auf jene, bei denen eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung besteht oder ein Rah-
men für eine spätere Zulassungsentscheidung gesetzt wird. Ausgenommen bleiben etwa Raumordnungspläne, die
Flächen für Windenergienutzung oder für den Abbau von Rohstoffen ausweisen sowie die Verkehrswegeplanung
auf Bundesebene. Zudem werden zwar Klagemöglichkeiten gegen bestimmte Verwaltungsakte einbezogen, das
Unterlassen solcher oder sonstiges staatliches Handeln wird allerdings ausgeklammert. Letzteres kann auch für
Verordnungen wie zum Beispiel Flugroutenfestlegungen gelten. Es werden somit wichtige umweltrelevante Pläne
und Programme und weiteres staatliches Handeln – weiterhin – europa- und völkerrechtswidrig aus der Klage-
befugnis der Verbände ausgenommen.

Der Deutsche Bundestag kritisiert, dass auch bereits bekannte völkerrechtswidrige Defizite nicht beseitigt wer-
den. Es wird stattdessen der Versuch unternommen, durch den Austausch der Wortwahl, die als europarechts-
widrig erkannten materiellen Präklusionsregelungen partiell zu erhalten. So wird durch die Einführung der Miss-
brauchsregelung in §5 des Gesetzesentwurfes versucht, die aufgrund der Verurteilung Deutschland im Gesetz-
entwurf gestrichene Regelung zur Präklusion durch die Hintertür wieder einzuführen. Bisher waren alle Einwen-
dungen ausgeschlossen, die nicht rechtzeitig geltend gemacht wurden. Nun sollen allen Einwendungen ausge-
schlossen werden, die missbräuchlich erstmals im Rechtsbehelfsverfahren eingebracht werden. Dies fällt um so
mehr ins Gewicht, da im Entwurf des Gesetzes keine Konkretisierungen zu finden sind, was in diesem Fall unter

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/12146

missbräuchlich zu verstehen ist. Zusätzlich werden die Umweltverbände dazu verpflichtet, die Behörden zu un-
terstützen, ohne dass im Gesetz konkretisiert wird, was darunter zu verstehen ist. Letztendlich sollen wieder (mög-
liche) Umweltrechtsverletzungen einer gerichtlichen Überprüfung entzogen werden.

Ein weiteres Beispiel ist die Einschränkung der Rügebefugnis. Zwar wird aufgrund des gegen Deutschland er-
gangenen Halbsatzes „Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen“ in § 2 Absatz 1 des Gesetzesentwurfes
gestrichen, allerdings bleibt der so geöffnete Anwendungsbereich der Verbandsklage dadurch eingeschränkt,
dass in § 2 Absatz 4 geregelt ist, dass „der Verstoß Belange berührt, die zu den Zielen gehören, die die Vereini-
gung nach ihrer Satzung fördert.“ Dies hat zur Folge, dass die Rügebefugnis wiederum auf umweltbezogene
Vorschriften beschränkt wird, weil nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 des Gesetzesentwurfes für eine Anerkennung als
Umweltvereinigung erforderlich ist, dass die Vereinigung „vorwiegend die Ziele des Umweltschutzes fördert“.

Aufzuheben ist auch die Möglichkeit, materielle Fehler bei Verwaltungsentscheidungen nach § 7 Absatz 5 des
Gesetzentwurfes durch ein ergänzendes Verfahren nachträglich zu beseitigen. Da die neue Regelung vorsieht, die
bislang nur für Abwägungsentscheidungen geltende Möglichkeit von Ergänzungsentscheidungen (ohne übliches
Verwaltungsverfahren) auch auf gebundene Entscheidungen auszudehnen. Damit werden nicht nur (auch) die
Klagemöglichkeiten von Bürgern ohne ersichtlichen Grund (weiter) beschnitten (vgl. § 7 Absatz 6 des Gesetzent-
wurfes), diese Regelung ist auch verfassungsrechtlich zweifelhaft.

Die vorgesehene Übergangsvorschrift, nach der die neuen (schon zu engen) Rechtsbehelfe erst ab Ende Dezember
2016 Anwendung finden, schreibt rechtswidrige Zustände fort. Deutschland ist mit Inkrafttreten des völkerrecht-
lichen Vertrages sowie der entsprechenden europäischen Richtlinien zu völker- und europarechtskonformen Han-
deln verpflichtet und nicht erst Jahre nach den Entscheidungen, die die Verstöße feststellen. Aus Gründen des
Rechtsfriedens könnten lediglich bereits bestandskräftige Entscheidungen ausgeschlossen sein.

Diese Regelungen lassen sich weder inhaltlich rechtfertigen, noch werden sie langfristig im Lichte der Aarhus-
Konvention Bestand haben. Daneben tragen die Regelungen zum Ausschluss der rechtlichen Überprüfung der
Einhaltung von geltenden Umweltrecht zur Politikverdrossenheit bei.

Der Deutsche Bundestag empfiehlt, schnellstmöglich einen rechtskonformen Zustand herzustellen. Dies erreicht
der vorgelegte Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht, sondern zementiert einen völker- und europarechts-
widrigen Zustand. Dies wird dazu führen, dass insbesondere der EuGH, aber auch die Vertragsstaatenkonferenz
sich wieder über Jahre mit einzelnen Problemen befassen werden, bis der Gesetzgeber sich wieder gezwungen
sieht, nachzubessern. Die offensichtliche Inkaufnahme weiterer gerichtlicher Verfahren über das Umweltrechts-
behelfsgesetz fördert weder die Rechts-, noch die Planungssicherheit für Unternehmen. Die erneute und fort-
laufende Verweigerungshaltung zur völkerrechts- und europarechtskonformen Gesetzgebung zeigt eine befremd-
liche Einstellung gegenüber zwischenstaatlichen, internationalen Verträgen und dem Recht der Europäischen
Union.

Dies wurde auch eindrücklich in der öffentlichen Anhörung der Sachverständigen im Umweltausschuss des Bun-
destages am 26. September 2016 bestätigt, bei der zusätzlich auch auf verfassungsrechtliche Probleme hingewie-
sen wurde. Selbst der die Bundesregierung beratende Sachverständigenrat für Umweltfragen kritisiert den Ge-
setzentwurf deutlich (Stellungnahme vom 05.10.2016).

Es ist im Interesse des Deutschen Bundestages, dass die von ihm erlassenen Gesetze befolgt und durchgesetzt
werden. Dies wird am besten mit der Möglichkeit zur gerichtlichen Überprüfung erreicht. Allein das Bestehen
solcher Möglichkeiten kann die effektive Umsetzung umweltrechtlicher Vorschriften – auch im Interesse der Ge-
sundheit der Bürger – verbessern.

Die Fraktion der CDU/CSU führte aus, der deutsche Gesetzgeber komme mit diesem Gesetzentwurf der Bun-
desregierung der notwendigen Anpassung nationalen Rechts an europäische und völkerrechtliche Vorgaben 1:1
nach.

Der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD beschleunige überdies die Verfahren, verbessere
deren Handhabbarkeit und schaffe für Investoren Rechts- und Planungssicherheit. Dies geschehe durch Einfüh-
rung einer zweijährigen Klagefrist für Rechtsbehelfe, für die keine öffentliche Bekanntmachung vorgesehen ist.
Weiterhin werde eine Klagebegründungsfrist zur Straffung von Gerichtsverfahren eingeführt. Insbesondere die
Möglichkeit der Heilung von Fehlern werde zur Straffung von Verfahren führen, da diese nicht erneut aufgerollt

Drucksache 18/12146 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

werden müssten. Mit diesem so geänderten Gesetzentwurf werde die Energiewende und der Netzausbau deutlich
vorangetrieben.

Die Fraktion der SPD führte aus, die deutsche Umsetzung der UN ECE Aarhus-Konvention sei in keiner Weise
vorbildlich, da in der Vergangenheit die deutschen Rechtsgrundlagen mehrfach durch den EuGH aufgehoben
worden seien. Ursache hierfür sei die unterschiedliche Bewertung zur Erweiterung des Zugangs von Umweltver-
bänden zu Gerichtsverfahren, sowohl innerhalb der Bundesregierung als auch durch die im Bundestag vertretenen
Fraktionen. Nach Auffassung der Fraktion der SPD stelle die Erweiterung der Klagebefugnis für Verbände gerade
keine Verfahrensverzögerung, sondern ein Mehr an Rechtssicherheit dar.

Der vorliegende Gesetzentwurf mitsamt dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen sei nunmehr der kleinste
gemeinsame Nenner. Die SPD-Fraktion habe aber gleichwohl Zweifel, ob die nunmehr vorliegende Fassung des
Umweltrechtsbehelfsgesetzes mit der Intention der UN ECE Aarhus-Konvention vereinbar ist. Sie äußerte über-
dies ihre Überzeugung, dass heutzutage große Infrastrukturprojekte nur realisierbar seien, wenn diese unter größt-
möglicher Transparenz zustande kämen. Gerade auch der Einfluss von Verbänden verbessere die umweltgerechte
Durchführung solche Projekte.

Die Fraktion DIE LINKE. bemerkte, dass in der Anhörung zu diesem Gesetzentwurf die Sachverständigen ganz
überwiegend der Meinung gewesen seien, dass dieser Gesetzentwurf der Bundesregierung unzureichend sei, da
eine so intendierte Umsetzung der Aarhus-Konvention defizitär sei. Dies betreffe etwa die materielle Präklusion,
die vom EuGH verworfen worden sei; die Bundesregierung wolle jedoch dies durch Einführung einer so genann-
ten Missbrauchsklausel umgehen und somit Ersatz für die Präklusion schaffen.

Es verstoße auch gegen die Aarhus-Konvention, Pläne und Programme von der Klagebefugnis für die Verbände
auszunehmen. Dies betreffe etwa Raumordnungspläne, die den Abbau von Rohstoffen ausweisen, und stehe damit
im offenen Gegensatz zur Intention der Aarhus-Konvention. Der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU
und der SPD verschlechtere die Klagebefugnis für Verbände, da unabhängig von der Möglichkeit der Kenntnis-
nahme eine Klage nach Ablauf von zwei Jahren nicht mehr zulässig sei.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bezeichnete es als blamabel, dass das deutsche Umweltrecht häufig
durch Urteile des EuGH kassiert werde. Nach der Anhörung im Ausschuss, die deutlich gemacht habe, dass dieser
Gesetzentwurf nicht den europarechtlichen Anforderungen genüge, wollten die Fraktionen der CDU/CSU und der
SPD nun sehenden Auges einen mangelhaften Gesetzentwurf verabschieden. Es sei widersprüchlich, sich im Rah-
men der Aarhus-Konvention für mehr Rechte im Umweltschutz einzusetzen, dies auf nationaler Ebene aber mas-
siv einzuschränken.

Nach Ansicht der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verstoße es gegen europäisches Recht, wenn so genannte
Vorhaben wie etwa Flugroutenfestlegung, Produktgenehmigungen oder Raumordnungspläne gerichtlich nicht
überprüfbar sein sollen. Der Änderungsantrag verschlechtere den Gesetzentwurf noch. Der Entschließungsantrag
schließlich, der die eigene Regierung auffordert, einen Gesetzentwurf zur vollständigen Integration der natur-
schutzrechtlichen Verbandsklage vorzulegen, verdeutliche die Diskrepanz innerhalb der Koalitionsfraktionen.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit beschloss mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den
Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Ausschussdrucksache 18(16)482 anzunehmen.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit beschloss mit den Stimmen der Frakti-
onen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
zu empfehlen, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksachen 18/9526, 18/9909 in geänderter Fassung
anzunehmen.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit beschloss mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den
Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Ausschussdrucksache 18(16)483 anzunehmen.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit beschloss mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den
Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE. auf Ausschussdrucksache 18(16)479 abzulehnen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/12146

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit beschloss mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den
Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Ausschussdrucksache 18(16)475 abzu-
lehnen.

V. Begründung zu den Änderungen

Zu Artikel 1:

Zu Buchstabe a (§ 1 Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 UmwRG)

Buchstabe aa

Die vorgeschlagene Änderung des Regierungsentwurfs ist zum einen erforderlich, weil am 18.10.2016 das Gesetz
zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des
Rechts der erneuerbaren Energien verkündet worden ist (BGBl. 2016 I, S. 2258). Artikel 2 des Gesetzes enthält
das Gesetz zur Entwicklung und Förderung der Windenergie auf See (Windenergie-auf-See-Gesetz – WindSeeG),
das zum 1. Januar 2017 in Kraft treten wird. § 6 Absatz 9 WindSeeG bestimmt, dass der in Abschnitt 1 des Wind-
SeeG geregelte Flächenentwicklungsplan nicht selbstständig gerichtlich überprüfbar ist. Die vorgeschlagene Än-
derung des Regierungsentwurfs stellt sicher, dass die Sonderregelung zur Inzidentüberprüfung des Flächenent-
wicklungsplans auch im Anwendungsbereich des geänderten UmwRG zum Tragen kommt. Eine derartige Ergän-
zung des § 1 Absatz 1 Satz 3 Nummer 3 UmwRG wurde auf S. 37-38 der Gesetzesbegründung des Regierungs-
entwurfs (BT-Drs. 18/9526) bereits angekündigt.

Zum anderen erfolgt eine redaktionelle Anpassung des § 1 Absatz 1 Satz 3 Nummer 2 UmwRG an das am
23. März 2017 vom Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz zur Fortentwicklung des Gesetzes zur Suche und
Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle (BT-Drs. 18/11398, BR-
Drs. 239/17).

Buchstabe bb

Die Änderung des geltenden § 1 Absatz 3 UmwRG greift einen Vorschlag des Bundesrates (Nummer 3 der BR-
Drs. 422/16 [Beschluss]) zum Verhältnis zwischen Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) und Bundesnatur-
schutzgesetz (BNatSchG) auf und setzt diesen – wie von der Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung vorge-
schlagen – in modifizierter Form um. Danach wird die Vorrangregelung des § 1 Absatz 3 UmwRG ergänzt um
Planfeststellungsbeschlüsse, die dem neuen § 1 Satz 1 Nummer 5 UmwRG unterfallen; in diesen Fällen findet
daher nur das UmwRG Anwendung.

Zu Buchstabe b (§ 2 Absatz 3 UmwRG)

Die Einführung einer Klagefrist für einen Rechtsbehelf gegen Verwaltungsakte, für die nach den geltenden
Rechtsvorschriften keine öffentliche Bekanntmachung vorgesehen ist und die nicht nach § 7 Absatz 1 Satz 1 Um-
wRG bekannt gegeben worden sind, dient der Rechtssicherheit. Der Zeitpunkt, wann ein Verwaltungsakt in Be-
standskraft erwächst, wird geregelt. EU-rechtliche Einwände bestehen gegen die Zweijahresfrist nicht. Die Aus-
gestaltung des Rechtsbehelfsverfahrens obliegt der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. Die Frist ist ange-
messen, da sie einerseits einen ausreichenden Zeitraum für die Kenntniserlangung einräumt. Andererseits tritt
Rechtssicherheit unabhängig von einer je nach Einzelfall zu unterschiedlichen Zeitpunkten greifenden Verwir-
kung der Klagemöglichkeit ein.

Angeknüpft wird mit der zweijährigen Klagefrist unabhängig von einer Kenntniserlangung an die in § 2 Absatz 4
des geltenden UmwRG getroffene Regelung, die in § 2 Absatz 3 UmwRG fortgeführt werden soll. Die Regelung
bezieht sich auf Rechtsbehelfe von Vereinigungen, sodass die Rechtsschutzgarantie des Artikels 19 Absatz 4 GG
nicht entgegensteht. Die Klagefrist greift nur in Fällen, in denen es um die Zulassung von lokal oder kleinräumig
wirkenden, kleineren Vorhaben geht. Die Kenntniserlangung durch in subjektiven Rechten verletzte Individu-
alkläger wie beispielsweise Nachbarn ist in diesen Fällen regelmäßig zeitnah möglich. Anders ist dies jedoch bei
überregional tätigen Vereinigungen. Sie erlangen von diesen kleineren Vorhaben regelmäßig keine Kenntnis und
hätten auch keine Kenntnis erlangen können. In diesen Fällen besteht das Erfordernis, durch die zweijährige Kla-
gefrist den Zeitpunkt der Bestandskraft eines Verwaltungsaktes zu regeln.

Drucksache 18/12146 – 16 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Zu Buchstabe c (§ 4 Absatz 1b UmwRG)

Die neue Regelung des § 7 Absatz 5 UmwRG regelt eine Möglichkeit der Fehlerheilung, die das Gericht in seiner
Entscheidung vorsehen kann, nur bei materiellen Fehlern der Entscheidung. Im Planfeststellungsrecht ist aber
auch anerkannt, dass sich die Heilung durch ein ergänzendes Verfahren und Planergänzung auch auf formelle
Fehler beziehen kann. Es soll insgesamt eine Parallelregelung zu § 75 Absatz 1a Satz 2 VwVfG geschaffen wer-
den.

Die Möglichkeit zur Heilung von formellen Fehlern auf Grundlage der Gerichtsentscheidung besteht bislang
nicht. § 4 Absatz 1b Satz 2 UmwRG sieht eine Heilungsmöglichkeit für Verfahrensfehler nur im laufenden Ge-
richtsverfahren vor. Daher soll wegen des Sachzusammenhangs § 4 Absatz 1b UmwRG entsprechend ergänzt
werden, um auch die Heilung von formellen Fehlern auf Grundlage der Gerichtsentscheidung zu ermöglichen.

Zu Buchstabe d (§ 6 und § 8 Absatz 2 UmwRG)

Buchstabe aa

Die Einführung einer zwingenden Klagebegründungsfrist ist erforderlich, da sie zur Straffung des Gerichtsver-
fahrens beiträgt. Zugleich wird der Prozessstoff zu einem frühen Zeitpunkt handhabbar gehalten. Die innerpro-
zessuale Präklusion tritt kraft Gesetzes und als zwingende Rechtsfolge ein und hängt nicht von einer richterlichen
Ermessensentscheidung ab.

Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit dieser Regelung ist eine Frist von zehn Wochen notwendig. Eine Klage-
begründung innerhalb von zehn Wochen ist jedenfalls immer dann zumutbar, wenn der Kläger zuvor eine Mög-
lichkeit der Beteiligung hatte und sich so bereits vorher mit dem Prozessstoff befassen konnte. Eine Verlänge-
rungsmöglichkeit ist deshalb auf Antrag nur dann möglich, wenn eine Beteiligung beispielsweise im behördlichen
Entscheidungsverfahren nicht erfolgt ist. Nur in diesen Fällen kann die zehnwöchige Klagebegründungsfrist im
Einzelfall nicht ausreichend sein, sodass eine Verlängerungsmöglichkeit aus Gründen der Verhältnismäßigkeit
notwendig sein kann. Ein Fristverlängerungsgrund liegt insbesondere dann vor, wenn einem rechtzeitig gestellten
Antrag auf Akteneinsicht nicht rechtzeitig entsprochen wurde.

Buchstabe bb

Mit der Änderung wird wie im Regierungsentwurf sichergestellt, dass der erweiterte Anwendungsbereich des
geänderten UmwRG auf alle zukünftigen Entscheidungen Anwendung findet. Zusätzlich werden auch alle Ent-
scheidungen erfasst, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes noch keine Bestandskraft erlangt haben.
Bestandskräftige Entscheidungen liegen vor, wenn die Widerspruchs- oder Klagefrist abgelaufen ist. Dasselbe
gilt für den Ablauf der Antragsfrist nach § 47 Absatz 2 VwGO. Die Änderung betrifft also allein solche Entschei-
dungen, zu denen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits ein Rechtsbehelfsverfahren anhängig ist
oder noch anhängig gemacht werden kann.

Zu den Artikeln 2, 3, 14 und 15 (UVPG, BImSchG, 9. BImSchV und AtVfV)

Die Änderungen der aufgeführten Regelungen setzen einen Vorschlag des Bundesrates (Nummer 5 der BR-Drs.
422/16 [Beschluss]) im Hinblick auf die formelle Präklusion um, dem die Bundesregierung in ihrer Gegenäuße-
rung zugestimmt hat. Da es sich bei den Änderungen jeweils um die Streichung einer Klarstellung handelt, bleibt
es bei dem geltenden Rechtsverständnis, wonach im Rahmen des behördlichen Untersuchungsgrundsatzes (§ 24
Verwaltungsverfahrensgesetz) auch nicht fristgerecht eingegangene Äußerungen bzw. Einwendungen, ohne deren
Einbeziehung die Zulassungsentscheidung inhaltlich fehlerhaft wäre, in die Entscheidung einzubeziehen sind. Bei
solchen Einwendungen ist es allerdings nicht erforderlich, sie zum Gegenstand eines Erörterungstermins zu ma-
chen.

Darüber hinaus wird in Artikel 3 (Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes) eine notwendige Folgeände-
rung aufgenommen. § 23b des Bundes-Immissionsschutzgesetzes enthält die zur Umsetzung der Seveso III-Richt-
linie erforderlichen Vorgaben für die Öffentlichkeitsbeteiligung. Das vorgesehene Verfahren entspricht im We-
sentlichen dem Verfahren nach § 10 Bundes-Immissionsschutzgesetz. Mit den hier vorliegenden Änderungen
wird § 23b an § 10 Bundes-Immissionsschutzgesetz in der Fassung des Änderungsgesetzes zum Umwelt-Rechts-
behelfsgesetz angepasst.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 17 – Drucksache 18/12146

Berlin, den 26. April 2017

Oliver Grundmann
Berichterstatter

Dr. Matthias Miersch
Berichterstatter

Hubertus Zdebel
Berichterstatter

Peter Meiwald
Berichterstatter

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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