BT-Drucksache 18/12075

zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD - Drucksache 18/10972 - Pharmazeutische Forschung gegen Infektionskrankheiten stärken - Nationale Wirkstoffoffensive starten

Vom 25. April 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12075
18. Wahlperiode 25.04.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
(18. Ausschuss)

zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
– Drucksache 18/10972 –

Pharmazeutische Forschung gegen Infektionskrankheiten stärken –
Nationale Wirkstoffoffensive starten

A. Problem
In der Bevölkerung nehmen Volkskrankheiten und Mehrfacherkrankungen zu,
beeinträchtigen die individuelle Lebensplanungen stark und stellen Wirtschaft
und Gesellschaft vor große Herausforderungen. Gerade die weltweite Zunahme
von Infektionskrankheiten stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit der
Bevölkerung dar, da immer mehr Krankheitserreger gleich gegen mehrere Arz-
neimittelwirkstoffe resistent geworden sind. Dies beeinträchtigt nicht nur die The-
rapie von klassischen Infektionskrankheiten, sondern birgt große Risiken für die
Intensivmedizin, bei Routineoperationen und bei der Behandlung von immunge-
schwächten Patienten. Zugleich sind die Anstrengungen der Pharmazeutischen
Industrie, Medikamente zu entwickeln, die diesen Entwicklungen entgegensteu-
ern („Antiinfektiva“), aufgrund der kostenintensiven Forschung bei zu geringen
Gewinnmargen zurückgegangen. Diese Entwicklung ist als strukturelles Markt-
versagen zu bewerten.

B. Lösung
Weil sich die Pharmazeutischen Unternehmen aus der Wirkstoffforschung für In-
fektionskrankheiten und neuen Antibiotika weitgehend zurückgezogen haben, ist
ein Engagement der öffentlichen Hand auf unterschiedlichen Ebenen notwendig,
um auch in Zukunft auf wirksame Arzneimittel gegen Infektionskrankheiten zu-
rückgreifen zu können. Dabei ist auf die Grundsätze der von der Deutschen Aka-
demie für Naturforscher Leopoldina e. V. anlässlich des G7-Gipfeltreffens in
Deutschland 2015 vorgelegten Papieres zurückzugreifen. Überdies werden die
bisherigen Maßnahmen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung be-
grüßt und darüber hinaus weitere Anstrengungen in der pharmazeutischen For-
schung gefordert, die insbesondere in einer im Jahr 2017 bereits beginnenden
„Nationalen Wirkstoffinitiative gegen Infektionskrankheiten“ zu bündeln sind.

Drucksache 18/12075 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Hierzu wird eine Vielzahl von Forderungen erhoben, zu denen der Deutsche Bun-
destag die Bundesregierung auffordern soll.

Annahme des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenhaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen
Ablehnung des Antrags.

D. Kosten
Die im Antrag erhobenen Forderungen stehen unter dem Vorbehalt verfügbarer
Haushaltsmittel.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12075
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/10972 anzunehmen.

Berlin, den 22. März 2017

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Patricia Lips
Vorsitzende

Stephan Albani
Berichterstatter

René Röspel
Berichterstatter

Ralph Lenkert
Berichterstatter

Kai Gehring
Berichterstatter

Drucksache 18/12075 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Stephan Albani, René Röspel, Ralph Lenkert und Kai
Gehring

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/10972 in seiner 215. Sitzung am 26. Januar 2017
beraten und dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur federführenden Beratung
sowie dem Auswärtigen Ausschuss, dem Haushaltsausschuss, dem Ausschuss für Wirtschaft und Energie, dem
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales, dem Ausschuss für Ge-
sundheit, dem Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und dem Ausschuss für die An-
gelegenheiten der Europäischen Union zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die weltweite Zunahme von Infektionskrankheiten stellt eine ernste Bedrohung für die allgemeine Gesundheit
dar, da insbesondere eine Zunahme von Krankheitserregern, die gegen einen oder mehrere Arzneiwirkstoffe re-
sistent sind, zu verzeichnen ist. In der Intensivmedizin, bei Routineoperationen und insbesondere bei immunge-
schwächten Patienten, wie zum Beispiel den Empfängern von Organtransplantationen, erhöht dies wesentlich die
Risiken. Die Zunahme dieses Infektionsrisikos stellt die Wirtschaft und die Gesellschaft vor große Herausforde-
rungen. Aber auch die individuelle Lebensplanung, deren zentrale Grundlage die persönliche Gesundheit ist, wird
hierdurch betroffen.

Nach Erhebungen des Europäischen Parlaments sterben gegenwärtig 25 000 Bürger pro Jahr in Europa, weil
Antibiotika gegen resistent gewordene Erreger nicht mehr richtig wirken. Es steht zu befürchten, dass bei einer
ungehemmten Weiterverbreitung von Resistenzen bis zu 10 Millionen Todesfälle im Jahr durch nicht behandelte
Infektionen in Zukunft möglich wären.

Die privaten Pharmazeutischen Unternehmen hätten sich wegen der kostenintensiver Forschung und zu geringen
Gewinnmargen aus der Wirkstoffforschung für Infektionskrankheiten und neuer Antibiotika weitgehend zurück-
gezogen. Hingegen leiste die akademische Forschung in Universitätsklinika und in Forschungseinrichtungen
wichtige Beiträge auf diesem Gebiet. Dennoch könne vor allem dem überproportional hohen Rückgang neuzuge-
lassener Arzneimitteln gegen Infektionskrankheiten mit den bisherigen Maßnahmen alleine nicht begegnet wer-
den. Daher sei es wichtig, bei der Forschung und Entwicklung von neuen Antiinfektiva ein verstärktes öffentliches
Engagement auf unterschiedlichen Ebenen einzufordern. Dadurch könnte auch in Zukunft auf wirksame Arznei-
mittel gegen Infektionskrankheiten zurückgegriffen werden.

Als Grundlage für weitere Anstrengungen der öffentlichen Hand soll die Stellungnahme der Deutschen Akademie
der Naturforscher Leopoldina e. V. „Infektionskrankheiten und antimikrobille Resistenz: Risiken und erforderli-
che Maßnahmen“ und die darin enthaltenen Empfehlungen zugrunde gelegt werden. Aber auch die schon bisher
von dem Bundesministerium für Bildung und Forschung getroffenen Maßnahmen seien zu begrüßen. Insbeson-
dere sei zu begrüßen, dass schon jetzt die Wirkstoff- und Arzneimittelforschung und die Vernetzung relevanter
Akteure in diesem Bereich mit Hilfe insbesondere folgender Förderformate und Aktionen gefördert werde:

– seit 2008 durch die „Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie“ mit der ressortübergreifenden Zusammenar-
beit des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), des BMBF und des Bundesministeriums für Ernährung
und Landwirtschaft (BMEL);

– seit 2010 durch die Förderung der Wirkstoffforschung im „Rahmenprogramm Gesundheitsforschung“ durch
BMBF und BMG im Aktionsbereich 5 „Gesundheitswirtschaft“ (Arzneimittelforschung);

– seit 2008 durch die Förderung der Wirkstoffforschung und pharmazeutischen Entwicklung im Haushalt des
BMBF über den Titel „Gesundheitsforschung und Gesundheitswirtschaft“ in Höhe von 56,3 Millionen Euro
für den BioPharma-Wettbewerb (48 Millionen Euro) und die Wirkstoffforschung (8,3 Millionen Euro);

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12075
– seit 2012 durch Beteiligung an der „Joint Programming Initiative on Antimicrobial Resistance (JPIAMR)“

mit 18 anderen Staaten mit dem Ziel einer besseren Koordination der Antibiotika-Resistenzforschung in Eu-
ropa;

– durch institutionelle Förderung z. B. des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung GmbH (HZI), des
Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), des Max-Planck-Instituts für Infekti-
onsbiologie, des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie e. V. - Hans-Knöll-Insti-
tut (HKI) –, der Fraunhofer-Institute für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME, für Toxikolo-
gie und Experimentelle Medizin ITEM sowie für Zelltherapie und Immunologie IZI. Dort werden u. a. er-
folgversprechende Angriffspunkte für neue Therapien sowie neue Wirkstoffe gegen Infektionskrankheiten
erforscht;

– durch die institutionelle Förderung des „Deutschen Zentrums für Infektionsforschung e. V.“ (DZIF) als Zu-
sammenarbeit von Universitäten, Kliniken, außeruniversitären Einrichtungen und Ressortforschungseinrich-
tungen des Bundes auch zur Erforschung und Entwicklung von Antibiotika-Resistenzstrategien und neuer
Wirkstoffkandidaten;

– seit Mai 2015 durch die Fortführung der „Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie“ des BMG, BMEL und
BMBF (DART 2020) – deren Zwischenbericht vorliegt.

Auch die weiterführende Aktionen des Bundes, wie der „Zehn-Punkte-Plan zur Vermeidung behandlungsassozi-
ierter Infektionen und Antibiotika-Resistenten des Bundesministeriums für Gesundheit“, die Verschärfung der
Meldepflichten für Kliniken bei gefährlichen resistenten Erregern im Jahr 2015, die Behandlung des Themas
„Antibiotika-Resistenzen“ auf dem G7-Gipfel im Rahmen der deutschen Präsidentschaft und die Verabschiedung
der „Berlin-Erklärung zur Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen“ der G7-Gesundheitsminister im Oktober
2015 werden begrüßt.

Der Deutsche Bundestag solle die Bundesregierung darüber hinaus auffordern, im Rahmen der zur Verfügung
stehenden Haushaltsmittel

1. die nationale Förderung im Bereich der Grundlagenforschung, der präklinischen Forschung und der klini-
schen Forschung im Bereich der Antiinfektiva weiter fortzusetzen und zu stärken;

2. hierfür beginnend im Jahr 2017 eine „Nationale Wirkstoffinitiative gegen Infektionskrankheiten“ aufzulegen,
die auch die Grundlagenforschung im Bereich der Naturstoffmedizin und Medizinalchemie stärkt und die
ressortübergreifenden Förderungen sowie die nationale und internationale Vernetzung von Hochschulen,
Forschungseinrichtungen und Unternehmen vorantreibt;

3. zur Entwicklung neuer Antiinfektiva und alternativer Wirkstoffe Kooperationsformate zwischen Wissen-
schaft und Forschung zum einen und der Industrie zum anderen – auch unter Berücksichtigung mittelständi-
scher Unternehmen – aufzubauen;

4. bei der Förderung im Bereich der Wirkstoffforschung auf dem Gebiet der Infektionserkrankungen neben der
Grundlagenforschung auch produktorientierte Forschung stärker zu unterstützen, dabei die Gesamtförder-
strategie auf die gesamte Translationskette auszurichten und mit dem beihilferechtlichen Rahmen der EU
konform zu gehen;

5. die Empfehlungen der Stellungnahme „Infektionskrankheiten und antimikrobielle Resistenz: Risiken und
erforderliche Maßnahmen“ der Leopoldina vom Mai 2015 aufzugreifen und im Rahmen der neuen „Natio-
nalen Wirkstoffoffensive gegen Infektionskrankheiten“ umzusetzen;

6. sowohl Forschungsanstrengungen zu den drei Infektionskrankheiten mit besonders hoher Mortalität (Tuber-
kulose, HIV/Aids und Malaria) wie auch zu den „Vernachlässigten Tropenkrankheiten“ mit ihrer besonders
hohen Krankheitslast ressortübergreifend koordiniert zu intensivieren und so zu einer Weiterentwicklung der
Wirkstoffforschung beizutragen;

7. die an den Universitäten und weiteren Forschungseinrichtungen bereits vorhandenen und für die Antiinfek-
tiva-Entwicklung zwingend erforderlichen Forschungsinfrastrukturen wie Sicherheitslabore der Stufen 2 und
3, HochdurchsatzScreening-Plattformen, Good Manufacturing Practice/GMP-Facilities oder Feldstationen
außerhalb Europas durch abgestimmte Förderformate mit einzubinden und zu stärken. Das muss auch die

Drucksache 18/12075 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Vollkostenfinanzierung der aufwändigen Betriebs- und Personalkosten solcher Forschungsinfrastrukturen
beinhalten;

8. die Zusammenarbeit innerhalb der EU und mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) noch weiter zu stär-
ken, denn nur durch internationale Kooperation in Politik und Forschung können Antibiotikaresistenzen er-
folgreich bekämpft werden;

9. verbindliche Überprüfungsmechanismen zu schaffen, um Ressourcen, Aktivitäten und die Entwicklung neuer
Medikamente gegen Infektionskrankheiten auf allen zu durchlaufenden Ebenen zu überprüfen und über den
Einsatz entsprechender Korrekturmaßnahmen zu informieren.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner Sitzung am 15. Februar 2017 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/10972 anzunehmen.

Der Haushaltsausschuss, der Ausschuss für Wirtschaft und Energie, der Ausschuss für Ernährung und
Landwirtschaft, der Ausschuss für Arbeit und Soziales, der Ausschuss für Gesundheit, der Ausschuss für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie der Ausschuss für die Angelegenheiten der Euro-
päischen Union haben jeweils in ihren Sitzungen am 22. März 2017 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/10972 anzunehmen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat die Vorlage in seiner 90. Sitzung
am 22. März 2017 beraten.

Der Ausschuss empfiehlt:

Annahme des Antrags auf Drucksache 18/10972 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenhaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Die CDU/CSU-Fraktion verweist zunächst auf einen kürzlich in den USA eingetreten Todesfall einer Frau, die
trotz einer Behandlung mit den 26 dort zugelassenen Antibiotika auf Grund von Resistenzen nicht gerettet werden
konnte. Für die Welt sei dies ein Zeichen für den Beginn eines postantibiotischen Zeitalters. Es könnte zu einem
Rückfall ins Mittelalter kommen, als man an einer solchen Erkrankung ohne Heilungschancen gestorben sei. Re-
sistenzen gegenüber modernen Antibiotika und Reserveantibiotika, die man bisher zurückgehalten hätte, würden
heutzutage deutlich schneller auftreten.

Die CDU/CSU-Fraktion halte es für sinnvoll, einen Strategieprozess, wie er 2010 bis 2013 im Bereich der Medi-
zintechnik eingesetzt worden sei und der auch in einem Antrag in dieser Legislaturperiode gemündet hätte, zu
initiieren. Zwar werde fraglos bereits vieles getan, jedoch sei das Initiieren eines international abgestimmten Stra-
tegieprozesses das Kernthema des Antrags. Es sei zu begrüßen, dass nach intensiver Diskussion der Antrag nun
auf den Weg gebracht worden sei, denn dieser initiiere die Bündelung der bisherigen Maßnahmen zur Lösung
dieses nicht unerheblichen Problems, welches nur von der öffentlichen Forschung und der Industrie gemeinsam
gelöst werden könne. Trotz der Verpflichtung der Industrie an dieser Stelle, sei zu beachten, dass die Gesellschaft
zwar von der Industrie die Entwicklung teurer Produkte verlange, die aber dann zunächst einmal nicht verkauft
werden dürften. Um ein Zusammenspiel zu erreichen, müssten vergleichbare Wege wie bei den Product Develo-
pment Partnerships, den Produktentwicklungspartnerschaften, gefunden werden, so wie es bei der Versorgung
mit Medikamenten in Ländern sei, die sich eine solche Versorgung nicht als „Business-Case“ leisten könnten.
Dies sei auch Bestandteil des Antrags.

Die Fraktion DIE LINKE. zeigt sich irritiert, wie beiläufig die CDU/CSU-Fraktion am Ende den eigentlichen
Grund für die fehlende Forschung erwähnt habe. Wenn bei der Wirkstoffentwicklung und in anderen Bereich

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/12075
ausschließlich auf private Initiativen gesetzt werde, funktioniere die Pharmaforschung zwangsläufig nicht.

Auch in Europa würden jährlich 25 000 Menschen durch multiresistente Keime getötet werden; die Tendenz sei
steigend. Daher sei erschreckend, dass teilweise die Reserveantibiotika in der Tierzüchtung nicht zurückgehalten
würden, denn auch damit käme es zu einem Vorschub in der Resistenzbildung. Aus Sicht der Fraktion DIE
LINKE. beinhalte der Antrag zwar viele richtige Dinge, aber er könne keinen ausreichenden Beitrag zur Lösung
dieses Problems leisten. Dies würde nur gelingen, wenn nicht mehr nur die Grundlagenforschung an Forschungs-
einrichtungen öffentlich finanziert werden würde, sondern alles bis hin zur Entwicklung des Wirkstoffes, damit
die Kosten nicht auch noch Gewinnmargen beinhalten müssten. Außerdem lasse der Antrag einige Bereiche völlig
aus.

Zur Aussage der CDU/CSU-Fraktion, dass man ins Mittelalter zurückfallen könnte, sei anzumerken, dass im An-
trag nichts zur Stärkung der Bakteriophagen-Forschung zu finden sei, bei der man nicht mit Wirkstoffen, sondern
den natürlichen Feinden des Krankheitserregers behandeln würde. Dies sei eine preiswerte Möglichkeit, um das
Problem der fehlenden Wirkstoffe abzuschwächen. 90 Prozent der Forschungsausgaben im Gesundheitswesen
würden für Krankheiten in Industrieländern aufgewendet, womit man viel Geld machen könne, und nur zehn
Prozent würden in die Forschung zu Infektionskrankheiten, wie Tuberkulose oder Tropenenkrankheiten, gehen,
die aber viele Menschen beträfen. Dies spiegle das Missverhältnis zwischen Gewinnstreben und Notwendigkeiten
in der Gesellschaft wider. Zwar benenne der Antrag die richtigen Probleme, setze jedoch völlig falsche Prioritäten.
Die öffentliche Forschung müsse gestärkt, die Industrie in die Verantwortung genommen und der Schwerpunkt
auf die Infektionskrankheiten gelegt werden. Ebenso müssten auch die Bakteriophagen-Forschung und alternative
Methoden der Gesundheitsforschung miteinbezogen werden. Insofern könne die Fraktion DIE LINKE. dem An-
trag nicht zustimmen. Forschung sei wichtig, aber so wie sie momentan sei, funktioniere es nicht.

Die SPD-Fraktion merkt zunächst an, dass man vor dem Hintergrund der durch die Fraktion DIE LINKE. for-
mulierten Voraussetzungen froh sein könne, dass diese dem Antrag nicht zustimme, denn die Formulierungen
enthielten falsche Ansätze. Um das Resistenzproblem zu lösen, müsste zuerst die Resistenzentwicklung verringert
werden. Dazu sei vor einiger Zeit seitens der Koalition ein Antrag initiiert worden. Die Bundesregierung verfolge
seit Langem eine Resistenz-Strategie dahingehend, dass die übermäßige und sinnlose Verschreibung von Antibi-
otika, zum Beispiel bei einer viralen Erkältungskrankheit, bei der Antibiotika sowieso nichts nützten, beendet
wird. Denn eine solche überflüssige Medikamentengabe führe zu Resistenzen. Außerdem müsse auch die über-
mäßige Verwendung von Antibiotika in der Tierzucht aufhören, denn damit gebe man fahrlässig ein Werkzeug
aus der Hand, mit dem man Menschen retten könne. Dieser Weg sei nicht nur deutschlandweit, sondern auf der
ganzen Welt zu beschreiten. Zwar würden bereits die ersten Schritte getan werden, doch müsse es verstärkt vo-
rangehen.

Als weiteren Lösungsweg enthalte der Antrag die Neuentwicklung von Wirkstoffen, bei der die Grundlagenfor-
schung genauso wichtig sei wie die Anwendungsforschung. Die Grundlagenforschung sei jedoch eine Aufgabe
der öffentlichen Hand, denn die private Industrie würde diese aufgrund ihrer Kommerzorientierung nicht in der
notwendigen Weise betreiben können. Es koste etwa 500 bis 800 Millionen Euro, ein Medikament zu entwickeln
und auf den Markt zu bringen. Es sei für völlig illusorisch zu glauben, dass man mit öffentlichen Mittel ein Me-
dikament vollständig entwickeln könnte. Vor diesem Hintergrund müsse man anerkennen, dass der Staat und die
Industrie an dieser Stelle nicht getrennt werden könnten. Denn in der Grundlagenforschung bedürfe es in der
Anfangsphase der Entwicklung öffentlicher Impulse, und genau das enthalte auch der Antrag. Eine Initiative über
400 Millionen Euro sei dafür jedoch zu wenig. Des Weiteren müssten auch die Hochschulen gestärkt werden.
Natürlich könne man der Wissenschaft mit einem politischen Antrag nicht vorschreiben, welchen konkreten Weg
sie gehen solle, wie beispielsweise mit der Bakteriophagenbehandlung, denn dies ginge über die politischen Kom-
petenzen hinaus und müsse der Wissenschaft überlassen bleiben.

Der Antrag sei ein wichtiges Zeichen für Deutschland und auch auf weltweiter Ebene. In Bezug auf vernachläs-
sigte, armutsassoziierte Erkrankungen formuliere der Antrag auch die große Verantwortung Deutschlands und
Europas gegenüber der Dritten Welt. Die Bundesregierung sei zu fragen, ob sie einen globalen Antibiotikafor-
schungsfonds in den G20-Verhandlungen verankern und mitfördern werde.

Die Fraktion SPD würde sich freuen, wenn von diesem Impuls auch in der nächsten Legislaturperiode etwas
Großartiges ausgehen würde.

Drucksache 18/12075 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN merkt an, dass sie der Problemanalyse des Antrages und den Aus-
sagen der Berichterstatter hinsichtlich der Resistenzen, Gefahren und der Herausforderungen für die Forschung
zustimme.

Aufgrund der Tatsache, dass sich zahlreiche forschende Arzneimittelhersteller aus der Antibiotikaforschung zu-
rückgezogen hätten, da andere Bereiche für sie lukrativer erscheinen würden, sei es zu einer Forschungslücke und
somit zu einem deutlichen Rückgang des Nachschubs neuer Entwicklungen gekommen. Hinsichtlich der Prob-
lemlösung sei der Antrag daher nicht ausreichend, denn der Vorschlag der Koalition, mehr Kooperationen zwi-
schen Unternehmen und öffentlich geförderten Forschungseinrichtungen herzustellen sowie eine nationale Wirk-
stoffinitiative zu starten, sei nicht innovativ genug. Im Antrag fehlen die Schlussfolgerungen, die man bei einem
vergleichbaren Marktversagen bei vernachlässigten, armutsassoziierten Krankheiten gezogen habe.

Zwar werde im Antrag die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Produktent-
wicklungspartnerschaften genannt, aber es fehle diesbezüglich an einer konkreten Forderung für die Antibiotika-
forschungsförderung. Ebenso fehle dem Antrag der Blick auf Instrumente der Entwicklungspartnerschaft, wie
beispielsweise der Wissensaustausch und die Entkopplung der Entwicklungskosten und des Produktpreises, wel-
che aber wichtig seien. Des Weiteren fehle dem Antrag auch eine Positionierung zu einem globalen Antibiotika-
forschungsfonds, welcher im G7- und G20-Prozess aktuell intensiv international diskutiert werde. Hinsichtlich
des Antrages sei es wichtig, auch Forschungs- und Lösungsansätze außerhalb der Pharmazie in den Blick zu
nehmen, wie zum Beispiel die Ursachenbekämpfung, Prävention, soziale Innovationen und die transdisziplinäre
Forschung.

Zwar spreche der Antrag ein wichtiges Thema an, aber letztlich fehlten wirksame Maßnahmen sowie die inter-
disziplinäre Zusammenarbeit zwischen der Wissenschafts-, Entwicklungs- und Gesundheitspolitik. Daher ent-
halte sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Die Bundesregierung nimmt Bezug auf die Frage zu einem globalen Antibiotikaforschungsfonds und führt dies-
bezüglich aus, dass ein solcher Fonds schwer steuerbar sei und das BMBF daher auf nationale Initiativen setze.
Berlin, den 22. März 2017

Stephan Albani
Berichterstatter

René Röspel
Berichterstatter

Ralph Lenkert
Berichterstatter

Kai Gehring
Berichterstatter

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