BT-Drucksache 18/12057

Aktueller Sachstand zu den belgischen Atomkraftwerken Doel und Tihange (Nachfragen zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/11524)

Vom 21. April 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12057
18. Wahlperiode 21.04.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Annalena Baerbock,
Matthias Gastel, Bärbel Höhn, Peter Meiwald, Dr. Julia Verlinden,
Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Aktueller Sachstand zu den belgischen Atomkraftwerken Doel und Tihange
(Nachfragen zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf
Bundestagsdrucksache 18/11524)

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat am 16. Februar 2017 die Kleine
Anfrage zum aktuellen Sachstand in den belgischen Atomkraftwerken Doel und
Tihange eingereicht (Bundestagsdrucksache 18/11308), die die Bundesregierung
am 15. März 2017 beantwortet hat (Bundestagsdrucksache 18/11524). Aus Sicht
der Fragesteller besteht noch weiterer Klärungsbedarf.
Das AKW Tihange ist nicht einmal 60 km von der deutsch-belgischen Grenze
entfernt. Auch das AKW Doel liegt nicht viel weiter entfernt. Für das Rheinland
und insbesondere für die Städteregion Aachen besteht deswegen ein starkes öf-
fentliches Interesse an den Atommeilern. Im Sommer 2012 sind in Doel 3 und
Tihange 2 mehrere tausend Ultraschallanzeigen im Grundmaterial der geschmie-
deten Reaktordruckbehälter (RDB) festgestellt worden. Der RDB ist das Herz-
stück des Reaktors. In dem Behälter befinden sich die Brennelemente, dort ent-
steht die nukleare Kettenreaktion. Er ist eine von mehreren Barrieren, die das
Austreten radioaktiver Stoffe verhindern sollen. Beide Atommeiler sind weiterhin
in Betrieb. Ein Unfall in Belgien beträfe die Menschen in dieser Region mit als
erste, wie auch eine Studie des Instituts für Sicherheits- und Risikowissenschaften
an der Universität für Bodenkultur in Wien aufzeigt (vgl. Arnold et al. 2016:
„Mögliche radiologische Auswirkungen eines Versagens des Reaktordruckbehäl-
ters des KKW Tihange 2“). Die Bundesregierung muss aus Sicht der Fragesteller
gegenüber der belgischen Regierung die rasche Abschaltung der Pannenreaktoren
fordern.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Hat die Bundesregierung mittlerweile neue Erkenntnisse zur ersten Sitzung

der Deutsch-Belgischen Kommission im Juni 2017 (insbesondere zum ge-
nauen Datum, zur Tagesordnung und zu den Teilnehmerinnen und Teilneh-
mern; ggf. bitte darlegen)?

2. Warum konkret lehnt die Bundesregierung den Vorschlag ab, einzelne Sach-
verständige als Unterstützung in die Deutsch-Belgische Kommission zu be-
rufen und dabei Vorschläge aus der Region zu berücksichtigen (insbesondere
vor dem Hintergrund, dass auch in die Deutsch-Französische Kommission
ein einzelner Sachverständiger berufen wurde)?

Drucksache 18/12057 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Welche Gespräche haben in den letzten zwölf Monaten zwischen wem, auf
welcher Ebene zwischen der Bundesregierung und belgischen Stellen zur
Stilllegung der Reaktoren Tihange 2 und Doel 3 stattgefunden (bitte Datum,
Personen angeben und Inhalt des Gespräches bitte erläutern)?

4. Wurden der Bundesregierung mittlerweile repräsentative Quellterme für das
AKW Tihange durch die belgische Atomaufsicht zur Verfügung gestellt?
Wenn ja, wurde das Bundesamt für Strahlenschutz bereits mit der Auswer-
tung beauftragt, und welche Schlüsse wurden aus den Daten gezogen, oder –
sofern noch keine Schlüsse gezogen wurden – bis wann ist mit dem Ab-
schluss der Auswertung zu rechnen?

5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der belgischen Atomaufsicht
FANC, dass die Wasserstoffflocken nur als „the most likely origin of the
flaw indications“ angesehen werden können (vgl. FANC 2015, S. 6. Online
unter http://fanc.fgov.be/GED/00000000/4000/4027.pdf)?

6. Teilt die Bundesregierung darauf basierend die Auffassung, dass es keinen
experimentellen Nachweis darüber gibt, dass die Herkunft der Defekte tat-
sächlich auf Wasserstoffflocken zurückzuführen ist, und es sich somit nach
wie vor um eine offene Frage handelt (bitte erläutern)?

7. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung zu der Frage, warum die De-
fekte – falls sie tatsächlich bereits bei der Herstellung vorhanden waren und
nicht während des Betriebs entstanden oder zumindest gewachsen sind –
nicht bei der Herstellungsprüfung entdeckt worden sind?

8. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass eine dermaßen hohe
Anzahl an Defekten, vermeintlich bei der Herstellungsprüfung, übersehen
oder nicht dokumentiert worden ist?

9. Wie kann nach Meinung der Bundesregierung auf Basis der fehlenden Do-
kumentation tatsächlich ein Wachstum von Defekten während des Betriebs
ausgeschlossen werden?

10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der belgischen Nuklearsachver-
ständigenorganisation Bel V, nach der die Grundlage der Basissicherheit
durch Wasserstoffflocken verletzt ist („To Bel V opinion, the presence of
hydrogen flaking affects the first level of defense. There is also no way to
restore the required highest quality level of the fabrication that constitutes
the first level of defense.” Vgl. Bel V 2015, S. 6. Online unter www.fanc.
fgov.be/GED/00000000/4000/4028.pdf)?

11. Wie konnte nach Meinung der Bundesregierung trotzdem eine Wiederan-
fahr-Genehmigung für die beiden Reaktoren erteilt werden?

12. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass für die Repräsentativität von
Proben derselbe Stahl erforderlich ist, und dass zusätzlich gleiche Herstel-
lungs- und Wärmebehandlungs- sowie Betriebshistorien erforderlich sind
(wenn nein, bitte erläutern)?

13. Welche Unsicherheiten und Risiken sieht die Bundesregierung bezüglich der
Materialeigenschaften des RDB, der Versprödung und dem damit verbunde-
nen Verhalten des Reaktordruckbehälters unter Störfallbedingungen (insbe-
sondere mit Thermoschock)?

Berlin, den 21. April 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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